Urteil

  1. Die Klage wird abge­wie­sen.
  2. Außer­ge­richt­li­che Kosten sind nicht zu erstat­ten.

 

Tat­be­stand

Die Betei­lig­ten strei­ten um die Ver­sor­gung des Klä­gers mit einem Gerät zur kon­ti­nu­ier­li­chen Glu­ko­se­mes­sung durch die Beklag­te.

Der im Jahr 1959 gebo­re­ne Kläger ist bei der Beklag­ten gesetz­lich kran­ken­ver­si­chert. Der Kläger leidet seit 1980 an einem Dia­be­tes mel­li­tus Typ I und führt eine inten­si­vier­te Insu­lin­the­ra­pie durch. Eine Ver­sor­gung mit einer Insu­lin­pum­pe ist bis­lang noch nicht erfolgt. Der Kläger misst nach seinen Anga­ben stan­dard­mä­ßig 6 x pro Tag den Blut­zu­cker. Bei beson­de­ren Anläs­sen, ins­be­son­de­re bei Auto­fahr­ten oder sons­ti­gen beson­de­ren Ereig­nis­sen misst der Kläger bis zu 12 x den Blut­zu­cker. Der Kläger hat von Ende Febru­ar bis Ende März 2014 ein Glu­ko­se­wahr­neh­mungs­trai­ning bei der Dia­be­tes­be­ra­te­rin R. durch­lau­fen.

Mit Schrei­ben vom 25.02.2012, ein­ge­gan­gen bei der Beklag­ten am 03.04.2012, bean­trag­te der Kläger die Über­nah­me der Kosten für ein CGM — System (kon­ti­nu­ier­li­che Glu­ko­se­mes­sung mit­tels Glu­ko­se­sen­sor) bei der Beklag­ten. Der Kläger führte zur Begrün­dung an, dass sich seit Jahren schwe­re Hypo­glyk­ämien sowohl nach sport­li­cher Betä­ti­gung als auch nachts häuf­ten. Nach einer Insu­li­num­stel­lung im Bür­ger­hos­pi­tal im Rahmen einer sta­tio­nä­ren Behand­lung vom 22.08.2011 bis zum 31.08.2011 sei eine Hyper­glyk­ämie-Wahr­neh­mungs­stö­rung dia­gnos­ti­ziert worden. Der behan­deln­de Dia­be­to­lo­ge Dr. B. befür­wor­te die Wei­ter­füh­rung der dort begon­ne­nen kon­ti­nu­ier­li­chen Glu­ko­se­mes­sung mit­tels Glu­ko­se­sen­sor. Bei dem CGM han­de­le es sich nach Ansicht des Sozi­al­ge­richts Det­mold nicht um eine neue Unter­su­chungs- und Behand­lungs­me­tho­de, weil der Zweck ent­schei­dend sei, der mit dem Ein­satz des Hilfs­mit­tels ver­folgt werde. Mit dem CGM solle — wie mit der her­kömm­li­chen Blut­zu­cker­mes­sung — eine mög­lichst nor­ma­le Stoff­wech­sel­la­ge erzielt werden. Auf­grund der Alarm­funk­ti­on des CGM könne eine dro­hen­de Hypo- oder Hyper­glyk­ämie recht­zei­tig erkannt und dieser Gefahr ent­ge­gen­ge­wirkt werden

Der Kläger legte eine ärzt­li­che Stel­lung­nah­me des behan­deln­den Dia­be­to­lo­gen Dr. B. vom 02.04.2012 bei, wonach beim Kläger bei nied­ri­gen Blut­zu­cker­wer­ten nicht die typi­schen Sym­pto­me wie Schwit­zen und schnel­ler Puls­schlag auf­trä­ten. Es könne somit zu asym­pto­ma­ti­schen kri­tisch nied­ri­gen Blut­zu­cker­wer­ten und gerade in dieser Situa­ti­on sei eine kon­ti­nu­ier­li­che Blut­zu­cker­mes­sung mit Doku­men­ta­ti­on und gege­be­nen­falls Alarm des nied­ri­gen Blut­zu­cker­wer­tes sinn­voll.

Dr. T. vom Medi­zi­ni­schen Dienst der Kran­ken­ver­si­che­rung Baden-Würt­tem­berg (MDK) kam in einem auf Ver­an­las­sung der Beklag­ten erstell­ten Gut­ach­ten nach Akten­la­ge vom 10.05.2012 zum Ergeb­nis, dass die medi­zi­ni­schen Vor­aus­set­zun­gen vor­lie­gend nicht erfüllt seien. Der zeit­lich beschränk­te Ein­satz eines REAL-Time-CGM-Sys­tems sei im begrün­de­ten Ein­zel­fall denk­bar bei Pati­en­ten mit gehäuft und nicht vor­her­seh­bar, auch unter Insu­lin­pum­pen­the­ra­pie weiter auf­tre­ten­den, schwe­ren und Fremd­hil­fe erfor­dern­den Hypo­glyk­ämien sowie bei begrün­de­tem anhand ent­spre­chen­der Unter­la­gen nach­voll­zieh­ba­rem (kli­ni­schen) Ver­dacht auf schwe­re Hypo­glyk­ämien, die auch durch häu­fi­ge (tags­über wie nachts) vor­ge­nom­me­ne Blut­zu­cker­be­stim­mun­gen nicht hätten erkannt werden können. Eine akut lebens­be­droh­li­che not­stands­ähn­li­che Situa­ti­on liege nicht vor_ Die des wei­te­ren dar­ge­leg­ten Ein­zel­fäl­le seien eben­falls nicht gege­ben.

Die Beklag­te lehnte die Ver­sor­gung des Klä­gers mit einem Gerät zur kon­ti­nu­ier­li­chen Glu­ko­se­mes­sung mit­tels Glu­ko­se­sen­sor mit Bescheid vom 22.05.2012 ab. Zur Begrün­dung wurde aus­ge­führt, dass diese dia­gnos­ti­sche Metho­de in der ambu­lan­ten Ver­sor­gung nicht zuge­las­sen sei und zudem nicht sicher­ge­stellt sei, dass sich durch die bean­trag­te Metho­de sich lang­fris­tig eine bes­se­re Ein­stel­lung des Blut­zu­ckers sowie eine bes­se­re Hypo­glyk­ämie-Kon­trol­le errei­chen lasse.

Der Kläger erhob hier­ge­gen am 22.06.2012 Wider­spruch und führte zur Begrün­dung aus, dass die star­ken Schwan­kun­gen des Glu­ko­se­spie­gels schwe­re Hypo­glyk­ämien ver­ur­sa­chen könn­ten, welche eine erheb­li­che Gefähr­dung dar­stell­ten. In seinem Fall sei die Hypoglykämie¬Wahrnehmungsstörung im Ent­las­sungs­be­richt des Bür­ger­hos­pi­ta­les bestä­tigt.

Dr. S. vom MDK Baden-Würt­tem­berg kam in einem wei­te­ren Gut­ach­ten vom 13.07.2012 zum Ergeb­nis, dass den Aus­füh­run­gen des Klä­gers und Dr. B. nicht zu ent­neh­men sei, dass es beim Kläger tat­säch­lich zu Hypo­glyk­ämien mit lebens­be­droh­li­chen Zustän­den gekom­men sei. Auch sei aus den Unter­la­gen nicht nach­voll­zieh­bar, dass der Kläger bei der fest­ge­stell­ten Hypo­glyk­ämie-Wahr­neh­mungs­stö­rung ein Hypoglykärnie¬Wahrnehmungstraining durch­lau­fen habe. Eine Blut­zu­cker­do­ku­men­ta­ti­on sei nicht vor­ge­legt worden. Es könne daher nicht nach­voll­zo­gen werden, dass der Kläger das her­kömm­li­che Ver­fah­ren der Blut­zu­cker­mes­sung aus­ge­schöpft habe.

Mit Bescheid vom 18.07.2012 lehnte die Beklag­te noch­mals die Gewäh­rung der Leis­tung ab.

Im sich anschlie­ßen­den Wider­spruchs­ver­fah­ren zog die Beklag­te die Blut­zu­cker­do­ku­men­te des Klä­gers der letz­ten zwei Jahre bei und befass­te erneut den MDK mit einer Begut­ach­tung. Dr. S. kam in dem am 01.02.2013 nach Akten­la­ge erstell­ten Gut­ach­ten zum Ergeb­nis, dass bei den doku­men­tier­ten Hypo­glyk­ämien mit Hypo­glyk­ämie-Wahr­neh­mungs­stö­run­gen das Auf­tre­ten einer lebens­be­droh­li­chen Situa­ti­on nicht aus­ge­schlos­sen werden könne, wobei die vom Kläger auf­ge­führ­ten bedroh­li­chen Situa­tio­nen im Zusam­men­hang mit dem Steu­ern eines Autos und nicht per se mit der Hypo­glyk­ämie zu sehen seien. Das eta­blier­te Ver­fah­ren der Blut­zu­cker­mes­sung sei nicht aus­ge­schöpft. Eine Ver­bes­se­rung der Blut­zu­cker­ein­stel­lung könne auch durch regel­mä­ßi­ge­re Nah­rungs­zu­fuhr erwar­tet werden. Zudem könne eine Insu­lin­pum­pen­the­ra­pie zu einer ver­bes­ser­ten Blut­zu­cker­ein­stel­lung führen. Die Not­wen­dig­keit einer kon­ti­nu­ier­li­chen Glu­ko­se­mes­sung könne erneut nicht nach­voll­zo­gen werden.

Die Beklag­te wies den Wider­spruch mit Wider­spruchs­be­scheid vom 16.04.2013 unter Bezug­nah­me auf die Aus­füh­run­gen des MDK zurück.

Der Kläger hat am 17.08.2012 Klage beim Sozi­al­ge­richt Stutt­gart erho­ben und hat zur Kla­ge­be­grün­dung ange­führt, dass es sich ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Beklag­ten bei der kon­ti­nu­ier­li­chen Blut­zu­cker­mes­sung nicht um ein neues dia­gnos­ti­sches Ver­fah­ren han­de­le. Viel­mehr sei dieses dafür aus­ge­legt, durch den Pati­en­ten zur The­ra­pie­un­ter­stüt­zung genutzt zu werden. Es han­de­le sich daher um ein Hilfs­mit­tel, wel­ches keiner Metho­den­be­wer­tung bedür­fe. Es spiele für den Anspruch des Klä­gers auch keine Rolle, dass der Unter­su­chungs­aus­schuss Metho­den­be­wer­tung des Ger­nei­na­men Bun­des­aus­schus­ses (GBA) inzwi­schen ein­ver­nehm­lich zu dem Ergeb­nis gelangt sei, dass es sich bei der kon­ti­nu­ier­li­chen inters­ti­ti­el­len Glu­ko­se­mes­sung bei Dia­be­tes mel­li­tus um eine neue Unter­su­chungs­me­tho­de han­de­le. Denn dem GBA stehe dies­be­züg­lich ein nur ein­ge­schränkt über­prüf­ba­rer Beur­tei­lungs­spiel­raum nicht zu. Die ärzt­li­che Fach­ge­sell­schaft, die Deut­sche Dia­be­tes­ge­sell­schaft (DDG), unter­schei­de in ihrem Posi­ti­ons­pa­pier vom 20.01.2010 zwi­schen 2 ver­schie­de­nen Ansät­zen der kon­ti­nu­ier­li­chen Glu­ko­se­mes­sung. Danach gebe es zwar Sys­te­me, die als dia­gnos­ti­sches Werk­zeug des behan­deln­den Arztes dien­ten. Bei ande­ren Sys­te­men jedoch erfol­ge eine unmit­tel­ba­re Anzei­ge der Mess­wer­te und der Glu­ko­se­kur­ve auf einem Dis­play (soge­nann­te REAL-Time-Mes­sung). Diese Sys­te­me dien­ten laut DDG dem Pati­en­ten als Hilfs­mit­tel für die Kon­trol­le und Opti­mie­rung seiner The­ra­pie. Der Kläger begeh­re somit ein System, wel­ches für die Selbst­nut­zung durch den Pati­en­ten vor­ge­se­hen sei. Das SG Det­mold (Urteil vom 01.12.2010, S 5 KR 325/09) und das SG Alten­burg (Beschluss vom 16.11.2011, S 30 KR 3953/11 ER) hätten auf­grund sol­cher Erwä­gun­gen das Vor­lie­gen einer neuen Unter­su­chungs- und Behand­lungs­me­tho­de bei der kon­ti­nu­ier­li­chen Glu­ko­se­mes­sung ver­neint. Nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V hätten Ver­si­cher­te einen Anspruch auf Ver­sor­gung mit Hilfs­mit­teln, die im Ein­zel­fall erfor­der­lich seien, um den Erfolg der Kran­ken­be­hand­lung zu sichern, einer dro­hen­den Bin­dung vor­zu­beu­gen und eine Behin­de­rung aus­zu­glei­chen. Der Ein­satz des streit­ge­gen­ständ­li­chen Mess­sys­tems sei beim Kläger medi­zi­nisch not­wen­dig und erfor­der­lich. Die Hypo­glyk­ämie-Wahr­neh­mungs­stö­rung des Klä­gers sei poten­ti­ell lebens­ge­fähr­lich und könne zu erheb­li­chen gesund­heit­li­chen Schä­den führen. Auch der behan­deln­de Arzt Dr. B. habe die kon­ti­nu­ier­li­che Glu­ko­se­mes­sung als geeig­net ange­se­hen. Alter­na­ti­ve Ver­fah­ren zur ambu­lan­ten Bestim­mung des Glu­ko­se­wer­tes sei nicht ersicht­lich. Der Kläger ver­lan­ge über­dies nur, dass die Beklag­te ein CGMS bereit stelle, wel­ches sich aus­schließ­lich auf die benö­tig­te Alarm­funk­ti­on beschrän­ke. Es könne nicht zulas­ten des Klä­gers gehen, wenn die Beklag­te nur Geräte beschaf­fen könnte, die zusätz­lich auch nur wei­te­re, vom Kläger gar nicht benö­tig­te Funk­tio­na­li­tät mit­bräch­ten. Der Kläger hat eine Stel­lung­nah­me des Prä­si­den­ten der DDG, Pro­fes­sor Dr. D.  vom 20.01.2010, welche dieser gegen­über dem GKV Spit­zen­ver­band abge­ge­ben hat, sowie ein Urteil des Sozi­al­ge­richts Stutt­gart vom 13.11.2013 im Ver­füh­ren S 23 KR 6965/11 sowie ein Pro­to­koll mit Ver­gleich vor dem Sozi­al­ge­richt Ulm in einem Ver­fah­ren S 3 KR 330/13 vor­ge­legt. Bezüg­lich der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten wird auf Bl. 51/55 sowie Bl. 112/125 der Gerichts­ak­te — GA — ver­wie­sen.

Die Beklag­te hat zur Kla­ge­er­wi­de­rung ange­führt, dass aus den vor­ge­leg­ten Unter­la­gen nicht nach­voll­zieh­bar sei, wie oft und wann Hypo­glyk­ämie-Wahr­neh­mungs­stö­run­gen beim Kläger ein­ge­tre­ten seien und ob er bereits ein Hypo­glyk­ämie-Wahr­neh­mungs­trai­ning durch­lau­fen habe, um seine Hypo­glyk­ämie-Wahr­neh­mung zu ver­bes­sern. Eine Blut­zu­cker­do­ku­men­ta­ti­on sei bis­lang nicht vor­ge­legt. Es könne daher nicht nach­voll­zo­gen werden, dass der Kläger das eta­blier­te Ver­fah­ren der Blut­zu­cker­mes­sung aus Kapil­lar­blut aus­ge­schöpft habe.

Der Kläger hat auf Anfor­de­rung des Gerichts die pro­to­kol­lier­ten Blut­zu­cker­mess­wer­te des Jahres 2013 sowie der Monate Januar bis April 2014 vor­ge­legt. Diese wurden als Anlage zu den Gerichts­ak­ten genom­men.

Das Gericht hat die Dia­be­tes­be­ra­te­rin R. als sach­ver­stän­di­ge Zeugin schrift­lich ver­nom­men. Die Dia­be­tes­be­ra­te­rin R. hat am 19.05.2014 mit­ge­teilt, dass der Kläger seit dem 29.03.2011 bis fort­lau­fend regel­mä­ßig in der Sprech­stun­de von Dr. B. bzw. in ihrer Dia­be­tes­be­ra­tungs-Sprech­stun­de gewe­sen sei. Die Bera­tungs­ge­sprä­che hätten in der Regel 30 Minu­ten gedau­ert und beinhal­te­ten die DMP-Doku­men­ta­ti­on, die HbA 1c-Blut­druck­mes­sung, die Bespre­chung der Blut­zu­cker­do­ku­men­ta­ti­on, Anpas­sung des Insu­lin­sche­mas, spe­zi­ell die Wich­tig­keit der Hypo­glyk­ämie-Wahr­neh­mung im Berufs­le­ben, im pri­va­ten Bereich, beim Sport, beim Auto­fah­ren, dem psy­chi­schen Aspekt. Der Kläger habe die Behand­lungs­emp­feh­lung gut umset­zen können, die Hypo-Wahr­neh­mung habe sich nicht ent­schei­dend ver­än­dert. Hier liege das größte Pro­blem des Klä­gers. da seine Hypo­glyk­ämie-Wahr­neh­mung gestört sei, da er diese zu spät erken­ne und dadurch sich und seine Umge­bung in Gefahr bringe. Im Febru­ar und März des Jahres 2014 habe der Kläger an einer Hypo-Wahr­neh­mungs­schu­lung teil­ge­nom­men.

Das Gericht hat des Wei­te­ren den behan­deln­den Dia­be­to­lo­gen Dr. B. schrift­lich als sach­ver­stän­di­gen Zeugen ver­nom­men. Dr. B. hat in seiner sach­ver­stän­di­gen Zeu­gen­aus­sa­ge vom 28.05.2014 mit­ge­teilt, dass der Kläger, um sehr gute Blut­zu­cker­kon­troll­wer­te zu erhal­ten, jeweils zu den Mahl­zei­ten, vor dem Schla­fen­ge­hen und gege­be­nen­falls zur Kor­rek­tur Insu­lin sprit­zen müsse. Bei der sehr guten Blut­zu­cker­kon­trol­le von 6,6% seien nied­ri­ge Blut­zu­cker­wer­te (zum Bei­spiel bei sport­li­cher Betä­ti­gung) wahr­schein­li­cher als bei einer schlech­ten Blut­zu­cker­kon­trol­le. Eine kon­ti­nu­ier­li­che Blut­zu­cker­mes­sung bildet den Trend­ver­lauf der Glu­ko­se­kon­zen­tra­ti­on mit bis zu 288 sub­ku­ta­nen Blut­glu­ko­se­wer­ten pro Tag exakt ab und ermög­li­che damit indi­vi­du­ell ange­pass­te the­ra­peu­ti­sche Ent­schei­dun­gen. Mit dieser Mess­me­tho­de könn­ten auch früh­zei­tig Alarm­mit­tel aus­ge­löst werden, die dem Pati­en­ten früh die Mög­lich­keit gäben, sinn­voll Ent­schei­dun­gen zu tref­fen. Beim Kläger käme es im Rahmen sport­li­cher Betä­ti­gung immer wieder zu nied­ri­gen Blut­zu­cker­wer­ten. Hier lie­fe­re die kon­ti­nu­ier­li­che Glu­ko­se­mes­sung zusätz­li­che Infor­ma­tio­nen. Eine solche Mes­sung sei beim Kläger sehr sinn­voll, aus medi­zi­ni­schen Grün­den jedoch nicht zwin­gend erfor­der­lich.

Die Beklag­te hat hierzu ein Gut­ach­ten des MDK von Dr. S. vom 02.07.2014 vor­ge­legt, wonach lebens­be­droh­li­che Situa­tio­nen mit Fremd­hil­fe bisher nicht auf­ge­tre­ten seien. Aller­dings könne es oft in sol­chen Situa­tio­nen bei den doku­men­tier­ten Werten nicht aus­ge­schlos­sen werden. Eine schlech­te Blut­zu­cker­ein­stel­lung liege beim Kläger nicht vor. Mit Fol­ge­krank­hei­ten und für Kom­pli­ka­tio­nen müsse kurz und mit­tel­fris­tig nicht gerech­net werden. Ver­trags­ärzt­lich ver­ord­nungs­fä­hi­ge Dia­gnos­tik stehe mit der Blut­zu­cker­selbst­mes­sung zur Ver­fü­gung. Die kon­ven­tio­nell durch­ge­führ­ten Blut­zu­cker­mes­sun­gen seien beim Kläger noch nicht aus­ge­schöpft und könn­ten noch erhöht werden. Eine Kos­ten­über­nah­me für das kon­ti­nu­ier­li­che Glu­ko­se­mo­ni­to­ring werde unter Beach­tung der Richt­li­ni­en der ver­trags­ärzt­li­chen Ver­sor­gung und der aktu­el­len Recht­spre­chung auch nach Wer­tung der neu vor­ge­leg­ten Unter­la­gen nicht emp­foh­len.

Der Kläger hat hier­auf vor­ge­tra­gen, dass nach dem Insti­tut für Qua­li­tät und Wirt­schaft­lich­keit im Gesund­heits­we­sen (IQWiG) nach einem Vor­be­richt zur Nut­zen­be­wer­tung vom CGMS der Ein­satz eines CGMS zur Ver­mei­dung schwe­rer Hypo­glyk­ämien sowie hin­sicht­lich des HbA1 c medi­zi­ni­schen Nutzen brin­gen könne. Auch müsse nach der Recht­spre­chung des Bun­des­so­zi­al­ge­richts geprüft werden, ob das ein­ge­setz­te und bean­trag­te Gerät vor­ran­gig der The­ra­pie­an­pas­sung durch den Arzt oder der Eigen­an­wen­dung durch den Pati­en­ten diene. Es sei daher zu klären, ob ent­ge­gen der vom BSG auf­ge­stell­ten Grund­sät­ze bereits eine bloße Alarm-/Warn­funk­ti­on zur Abwen­dung erheb­li­cher Gefah­ren­zu­stän­de als neue Unter­su­chungs- und Behand­lungs­me­tho­de im Sinne des § 135 SGB V anzu­se­hen sei. Selbst wenn dieser Alarm allein der situa­ti­ons­be­ding­ten Wahr­neh­mung des Pati­en­ten diene, dann Ein­fluss auf die ärzt­li­che The­ra­pie­ge­stal­tung bzw. dem Behand­lungs­ver­lauf als Neu­un­ter­su­chungs- und Behand­lungs­me­tho­de habe. Des Wei­te­ren sei zu klären, ob die Kos­ten­über­nah­me einer reinen Hilfs­mit­tel­funk­ti­on (hier Alarm) nur des­we­gen ver­wei­gert werden dürfe, weil das bean­trag­te System sogleich auch solche, vom Kläger nicht benö­tig­te Funk­tio­nen biete, die im Sinne des §135 SGB V mög­li­cher­wei­se als neue Unter­su­chungs- und Behand­lungs­me­tho­de anzu­se­hen seien und die Beklag­te kein alter­na­ti­ves Gerät ohne solche, im kon­kre­ten Fall über­flüs­si­ge Zusatz­funk­tio­nen bereit­stel­len wolle oder könne. Letzt­lich sei auch zu klären, ob ein System, wel­ches durch Alar­mie­rung vor ein­tre­ten­den Unter­zu­cke­run­gen warne, ein ent­spre­chen­des kör­per­li­ches Defi­zit aus­glei­che und dem Kläger somit wieder eine Teil­ha­be im Leben ermög­li­che, als Mittel zum Aus­gleich dieser Behin­de­rung gemäß § 33 Abs. 1 Dritte Alter­na­ti­ve SGB V anzu­se­hen sei.

Der Kläger bean­tragt,

den Bescheid vom 22.05.2012 in der Gestalt des Beschei­des vom 18.07.2012 in der Gestalt des Wider­spruchs­be­schei­des vom 16.04.2013 auf­zu­he­ben und die Beklag­te zu ver­ur­tei­len, den Kläger dau­er­haft mit einem Real-Time-Mess­ge­rät zur kon­ti­nu­ier­li­chen Glu­ko­se­mes­sung durch Glu­ko­se­sen­sor zu ver­sor­gen.

Die Beklag­te bean­tragt,

die Klage abzu­wei­sen.

Die Betei­lig­ten haben ihr Ein­ver­ständ­nis mit einer Ent­schei­dung ohne münd­li­che Ver­hand­lung nach § 124 Abs. 2 SGG erteilt.

Bezüg­lich des wei­te­ren Vor­brin­gens der Betei­lig­ten und der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des Sach­ver­halts wird auf die Gerichts­ak­te, die Bei­ak­te zur Gerichts­ak­te sowie die bei­gezo­ge­ne Ver­wal­tungs­ak­te der Beklag­ten ver­wie­sen.

Ent­schei­dungs­grün­de

Die beim ört­lich und sach­lich zustän­di­gen Sozi­al­ge­richt Stutt­gart erho­be­ne Klage ist zuläs­sig, in der Sache jedoch nicht begrün­det. Der Bescheid vom 22.05.2012 in der Gestalt des Beschei­des vom 18.07.2012 in der Gestalt des Wider­spruchs­be­schei­des vom 16.04.2013 ist recht­mä­ßig und ver­letzt den Kläger nicht in seinen Rech­ten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Kos­ten­über­nah­me für die Ver­sor­gung mit einem Real-Time-Mess­ge­rät zur kon­ti­nu­ier­li­chen Glu­ko­se­mes­sung durch Glu­ko­se­sen­sor.

Nach 27 Abs. 1 Fünf­tes Buch Sozi­al­ge­setz­buch (SGB V) haben Ver­si­cher­te Anspruch auf Kran­ken­be­hand­lung, wenn sie not­wen­dig ist, um eine Krank­heit zu erken­nen, zu heilen, ihre Ver­schlim­me­rung zu ver­hü­ten oder Krank­heits­be­schwer­den zu lin­dern. Die Kran­ken­be­hand­lung umfasst neben der ärzt­li­chen Behand­lung, § 27 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 SGB V, auch die Ver­sor­gung mit Hilfs­mit­teln gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 3 SGB V. Der Anspruch auf Kran­ken­be­hand­lung bzw. Hilfs­mit­tel­ver­sor­gung unter­liegt den für alle Leis­tungs­an­sprü­che gel­ten­den all­ge­mei­nen Maß­ga­ben der §§ 2, 12 SGB V. Gem. § 2 Abs. 1 SGB V stel­len die Kran­ken­kas­sen den Ver­si­cher­ten die Leis­tun­gen unter Beach­tung des Wirt­schaft­lich­keits­ge­bots (§ 12 SGB V) zur Ver­fü­gung, soweit diese Leis­tun­gen nicht der Eigen­ver­ant­wor­tung der Ver­si­cher­ten zuge­rech­net werden. Qua­li­tät und Wirk­sam­keit der Leis­tun­gen haben dem all­ge­mein aner­kann­ten Stand der medi­zi­ni­schen Erkennt­nis­se zu ent­spre­chen und den medi­zi­ni­schen Fort­schritt zu berück­sich­ti­gen (LSG Baden-Würt­tem­berg, Beschluss vom 25.02.2013 — L 5 KR 4459/12 ER‑B). Gern. § 12 Abs. 1 SGB V müssen die Leis­tun­gen aus­rei­chend, zweck­mä­ßig und wirt­schaft­lich sein; sie dürfen das Maß des Not­wen­di­gen nicht über­schrei­ten.

Aus­weis­lich des § 33 SGB V haben Ver­si­cher­te Anspruch auf Ver­sor­gung mit Hör­hil­fen, Kör­per­er­satz­stü­cken, ortho­pä­di­schen und ande­ren Hilfs­mit­teln, die im Ein­zel­fall erfor­der­lich sind, um den Erfolg der Kran­ken­be­hand­lung zu sichern, einer dro­hen­den Behin­de­rung vor­zu­beu­gen oder eine Behin­de­rung aus­zu­glei­chen, soweit die Hilfs­mit­tel nicht als all­ge­mei­ne Gebrauchs­ge­gen­stän­de des täg­li­chen Lebens anzu­se­hen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V aus­ge­schlos­sen sind.

Bei dem vom Kläger begehr­ten Real-Time-Mess­ge­rät zur kon­ti­nu­ier­li­chen Glu­ko­se­mes­sung mit­tels Glu­ko­se­sen­sor han­delt es sich um ein Hilfs­mit­tel im Sinne des § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Die Kammer nimmt hierzu auf die Aus­füh­run­gen des Sozi­al­ge­richt Stutt­gart im Urteil vorn 13.11.2013 (Az: S 23 KR 6965/11) Bezug. Wie auch im dor­ti­gen Fall wird das Gerät dem Kläger zur Siche­rung einer Kran­ken­be­hand­lung ver­ord­net worden, § 33 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 SGB V. Der Siche­rung des Erfol­ges einer Kran­ken­be­hand­lung dient ein säch­li­ches Mittel, soweit es spe­zi­fisch im Rahmen der ärzt­lich ver­ant­wor­te­ten Kran­ken­be­hand­lung ein­ge­setzt wird, um zu ihrem Erfolg bei­zu­tra­gen. Der spe­zi­fi­sche Bezug zur ärzt­lich ver­ant­wor­te­ten Kran­ken­be­hand­lung setzt voraus, dass die Ver­wen­dung des begehr­ten Hilfs­mit­tels in einem engen Zusam­men­hang zu einer andau­ern­den, auf einem ärzt­li­chen The­ra­pie­plan beru­hen­den Behand­lung durch ärzt­li­che und ärzt­lich ange­lei­te­te Leis­tungs­er­brin­ger steht und für die geziel­te Ver­sor­gung im Sinne der Behand­lungs­zie­le des § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V als erfor­der­lich anzu­se­hen ist. Dabei ist es im Rahmen des § 33 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 SGB V aus­rei­chend, wenn mit dem Hilfs­mit­tel ein the­ra­peu­ti­scher Erfolg ange­strebt wird (BSG, Urteil vom 15.03.2012 — B 3 KR 2/11 R). Ein sol­cher the­ra­peu­ti­scher Erfolg ist bei einer Auto­im­mun­erkran­kung wie im kon­kre­ten Fall Dia­be­tes mel­li­tus Typ 1 regel­mä­ßig die Gewähr­leis­tung einer guten Stoff­wech­sel­ein­stel­lung und der damit ein­her­ge­hen­den Prä­ven­ti­on von Fol­ge­schä­den.

Dem Anspruch des Klä­gers steht grund­sätz­lich nicht ent­ge­gen, dass der G‑BA für die kon­ti­nu­ier­li­che Glu­ko­se­mes­sung keine Emp­feh­lung abge­ge­ben hat. Bei der Ver­sor­gung der Ver­si­cher­ten mit ärzt­li­cher Heil­be­hand­lung ist hin­sicht­lich neuer Unter­su­chungs- und Behand­lungs­me­tho­den das in § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V fest­ge­leg­te Verbot mit Erlaub­nis­vor­be­halt (BSG, Urteil vom 07.11.2006 — B 1 KR 24/06 R; Urteil vom 04.04.2006 — B 1 KR 12/05 R) zu beach­ten. Danach dürfen neue Unter­su­chungs- und Behand­lungs­me­tho­den in der ver­trags­ärzt­li­chen Ver­sor­gung zu Lasten der Kran­ken­kas­se nur erbracht werden und gehö­ren auch dann nur zu den Ver­si­cher­ten von der Kran­ken­kas­se geschul­de­ten Leis­tun­gen (vgl. BSG, Urteil vom 04.04.2006 B 1 KR 12/05 R), wenn der Bun­des­aus­schuss der Ärzte und Kran­ken­kas­sen in Richt­li­ni­en nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V Emp­feh­lun­gen u. a. über die Aner­ken­nung des dia­gnos­ti­schen und the­ra­peu­ti­schen Nut­zens der neuen Metho­de sowie deren medi­zi­ni­sche Not­wen­dig­keit und Wirt­schaft­lich­keit abge­ge­ben hat. An die Ent­schei­dun­gen des Bun­des­aus­schus­ses sind Kran­ken­kas­sen und Gerich­te gebun­den (BSG, Urteil vom 04.04.2006 ¬B 1 KR 12/05 R). Ohne befür­wor­ten­de Ent­schei­dung des Gemein­sa­men Bun­des­aus­schus­ses kommt eine Leis­tungs­pflicht der Kran­ken­kas­sen nicht in Betracht (LSG Baden-Würt­tem­berg, Beschluss vom 25.02.2013 — L 5 KR 4459/12 ER‑B).

Wird ein Hilfs­mit­tel im Sinne des § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V im Rahmen einer neuen Unter­su­chungs- und Behand­lungs­me­tho­de im vor­ste­hend beschrie­be­nen Sinn ange­wen­det, unter­liegt es eben­falls dem Erlaub­nis­vor­be­halt des § 135 Abs. 1 SGB V (BSG, Urteil vom 12.08.2009 — B 3 KR 10/07 R). Die Sperr­wir­kung des § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V erfasst neue Unter­su­chungs- und Behand­lungs­me­tho­den. Der Begriff der „Metho­den” erfasst Maß­nah­men, die bei einem bestimm­ten Krank­heits­bild „sys­te­ma­tisch” ange­wandt werden und als leis­tungs­über­grei­fen­de metho­di­sche Kon­zep­te auf ein bestimm­tes dia­gnos­ti­sches oder the­ra­peu­ti­sches Ziel aus­ge­rich­tet sind (BSG, Urteil vom 19.10.2004 — B 1 KR 27/02 R). Eine Metho­de betrifft dabei nicht nur die ärzt­li­che Leis­tung im enge­ren Sinne, son­dern alle für die ver­trags­ärzt­li­che Ver­sor­gung rele­van­ten dia­gnos­ti­schen und the­ra­peu­ti­schen Maß­nah­men (jurisPK-SGB V, 2. Auf­la­ge, § 135 SGB V Rn. 18).

Neu ist eine Metho­de, wenn sie sich bewusst von den bisher in der ver­trags­ärzt­li­chen Ver­sor­gung ange­wand­ten Dia­gnos­tik- und The­ra­pie­ver­fah­ren abgrenzt und sich dar­über hinaus auf nicht weit­ge­hend ein­hel­lig aner­kann­te wis­sen­schaft­li­che Erkennt­nis­se beruft, die gerade des­halb der Prü­fung auf Qua­li­täts­si­che­rung unter­zo­gen werden sollen (SG Berlin, Beschluss vom 15.05.2012 — S 72 KR 500/12 ER). Geht es hin­ge­gen um ein Hilfs­mit­tel, das im Rahmen her­kömm­li­cher ärzt­li­cher Behand­lungs­me­tho­den ein­ge­setzt werden soll, ist der G‑BA in seinem spe­zi­el­len Zustän­dig­keits­be­reich der Bewer­tung neuer Unter­su­chungs- und Behand­lungs­me­tho­den (§ 135 SGB V) und des Erlas­ses ein­schlä­gi­ger Richt­li­ni­en (§ 92 Abs 1 Satz 2 Nr 5 SGB V) nicht berührt (BSG, Urteil vom 22.04.2009 — B 3 KR 11/07 R).

Die kon­ti­nu­ier­li­che Glu­ko­se­mes­sung ist nicht als neue Behand­lungs­me­tho­de zu qua­li­fi­zie­ren (siehe hierzu und zum Fol­gen­den Sozi­al­ge­richt Stutt­gart, Urteil vom 13.11.2013, S 23 KR 6965/11). Die dem streit­ge­gen­ständ­li­chen Hilfs­mit­tel zugrun­de lie­gen­de Kran­ken­be­hand­lung ist die Behand­lung der Dia­be­tes mit­tels Insu­lin­the­ra­pie. Inso­fern muss bei Dia­be­tes mel­li­tus Typ das den Betrof­fe­nen feh­len­de Hormon Insu­lin künst­lich in Form von Insu­lin­prä­pa­ra­ten zuge­führt werden. Der wich­tigs­te Unter­schied der klas­si­schen Blut­zu­cker­mes­sun­gen im Blut zur kon­ti­nu­ier­li­chen Glu­ko­se­mes­sung in der Gewe­be­flüs­sig­keit ist die Wer­teer­fas­sung. Die her­kömm­li­chen Blut­zu­cker­mes­sun­gen ermög­li­chen grund­sätz­lich nur eine momen­ta­ne Wert­erfas­sung, selbst wenn eine große Anzahl an Mes­sun­gen (10–30 pro Tag) durch­ge­führt wird. Sie ist eine rein sta­tis­ti­sche Mes­sung und ermög­licht keine oder allen­falls eine vage Aus­kunft dar­über, ob die Stoff­wech­sel­ein­stel­lung stabil ist oder ob der Blut­zu­cker die Ten­denz hat anzu­stei­gen oder abzu­fal­len. Im Gegen­satz dazu bietet das begehr­te CGM-System durch die fort­lau­fen­de Mes­sung und Dar­stel­lung der Glu­ko­se­wer­te die Mög­lich­keit, zu erken­nen, aus wel­cher „Rich­tung” der Glu­ko­se­spie­gel kommt und erlaubt eine Abschät­zung, wie sich dieser in der nähe­ren Zukunft ver­än­dern wird (dia­be­tes­DE: Kon­ti­nu­ier­li­che Glu­ko­se­mes­sung (CGM) in der Gewe­be­flüs­sig­keit. Wis­sen­schaft­li­che Bewer­tung von CGM und medi­zi­ni­sche Beur­tei­lung des Nut­zens für die Dia­be­tes­the­ra­pie, 20.01.2010). Mithin erfolgt durch die kon­ti­nu­ier­li­che Glu­ko­se­mes­sung weder eine Ände­rung der Behand­lungs­me­tho­de, noch des The­ra­pie­kon­zepts. Neben der Blut­zu­cker­mes­sung im Blut wird dem Kläger ledig­lich eine andere bzw. zusätz­li­che Mess­me­tho­de in Form der Mes­sung der Glu­ko­se­kon­zen­tra­ti­on in der inters­ti­ti­el­len Flüs­sig­keit zur Ver­fü­gung gestellt. Ferner wirkt sich die Durch­füh­rung der kon­ti­nu­ier­li­chen Glu­ko­se­mes­sung nicht auf das über­ge­ord­ne­te The­ra­pie­kon­zept des behan­deln­den Arztes aus. Inso­weit trägt ins­be­son­de­re nicht das Argu­ment, dass es dem Arzt die Mög­lich­keit eröff­ne, sich bei seinen The­ra­pie­ent­schei­dun­gen auch an den durch die kon­ti­nu­ier­li­che Mes­sung erho­be­nen Blut­zu­cker­da­ten zu ori­en­tie­ren (vgl. SG Ham­burg, Beschluss vom 12.04.2013 — S 23 KR 338/13 ER). Dies­be­züg­lich ist ein Unter­schied zur her­kömm­li­chen Blut­zu­cker­mes­sung im Blut nicht erkenn­bar. Die hie­si­ge Kammer schließt sich den dar­ge­stell­ten Aus­füh­run­gen der 23. Kammer im Urteil vom 13.11.2013 (Az: S 23 KR 6965/11) in diesem Punkt nach eige­ner Prü­fung und Bewer­tung voll­in­halt­lich an.

Der Ein­satz des Hilfs­mit­tels schei­tert vor­lie­gend jedoch daran, dass er nicht erfor­der­lich im Sinne der §§ 12, 33 SGB V ist. . Erfor­der­lich ist ein Hilfs­mit­tel, wenn es im Ein­zel­fall geeig­net, not­wen­dig und wirt­schaft­lich ist (BSG, Urteil vom 28.06.2001 — B 3 KR 3/00 R — BSGE 88, 204 juris Rdnr. 15). Das Wirt­schaft­lich­keits­ge­bot (§ 12 Abs. 1 SGB V) schließt eine Leis­tungs­pflicht der Kran­ken­ver­si­che­rung für solche Inno­va­tio­nen aus, die nicht die Funk­tio­na­li­tät, son­dern in erster Linie Bequem­lich­keit und Kom­fort bei der Nut­zung des Hilfs­mit­tels betref­fen. Der Anspruch auf Hilfs­mit­tel­ver­sor­gung findet damit ins­be­son­de­re dort seine Grenze, wo eine nur gering­fü­gi­ge Ver­bes­se­rung eines auf brei­tem Feld anwend­ba­ren Hilfs­mit­tels völlig außer Ver­hält­nis zur Belas­tung der Ver­si­cher­ten­ge­mein­schaft gera­ten würde. Bei der gebo­te­nen Abwä­gung der Not­wen­dig­keit bzw. Erfor­der­lich­keit des Hilfs­mit­tels zur Siche­rung des Erfolgs der Kran­ken­be­hand­lung sind daher in jedem Ein­zel­fall auch die Kosten der Hilfs­mit­tel­ver­sor­gung im Blick­punkt zu behal­ten. Dem all­ge­mei­nen Grund­satz der Ver­hält­nis­mä­ßig­keit würde es wider­spre­chen, wenn Umfang und Not­wen­dig­keit des Aus­glei­ches und die ent­spre­chen­den Kosten in keinem ange­mes­se­nen Ver­hält­nis stün­den (LSG Berlin ¬Bran­den­burg, Urteil vom 10.12.2014, L 1 KR 25/13, juris).

Zur Sen­kung des HbAlc-Wertes ist das CGM jeden­falls dann sub­jek­tiv erfor­der­lich, wenn trotz Nut­zung aller zur Ver­fü­gung ste­hen­der The­ra­pie­for­men ein­schließ­lich Insu­lin­pum­pe und guter Com­pli­ance eine unbe­frie­di­gen­de Stoff­wech­sel­kon­trol­le vor­liegt und der ange­streb­te HbA1cWert nicht erreicht werden kann oder wenn mehr als zehn Blut­zu­cker­mes­sun­gen täg­lich erfor­der­lich wären, um das ange­streb­te Stoff­wech­sel­kon­troll­ziel zu errei­chen (vgl. hierzu: “Gemein­sa­me Stel­lung­nah­me der dia­be­tes­DE — Deut­schen Dia­be­tes­hil­fe mit ihren Mit­glieds­or­ga­ni­sa­tio­nen zur Bewer­tung der kon­ti­nu­ier­li­chen Glu­ko­se­mes­sung mit Real Time Mess­ge­rä­ten zur The­ra­pie­steue­rung bei Pati­en­ten mit insu­lin­pflich­ti­gem Dia­be­tes mel­li­tus”, S. 12, ver­öf­fent­licht unter www.diabetesde.org sowie Urteil des SG Dres­den vom 18.06.2014, S 25 KR 783/12, juris). Das Hilfs­mit­tel in Form eines CGM-Gerä­tes ist danach nicht in allen Fällen des Dia­be­tes Typ 1 (u. U. mit Insu­lin­pum­pen­ver­sor­gung) mit Hypoglykämie¬Wahrnehmungsstörung erfor­der­lich und gebo­ten im oben aus­ge­führ­ten Sinne. Zu dieser Erkran­kung muss jeden­falls die beson­de­re Risi­ko­dia­gno­se der Gefah­ren der unvor­her­seh­ba­ren schwe­ren Hypo­glyk­ämien hin­zu­tre­ten, der auch nicht mit der zumut­ba­ren nor­ma­len Blut­zu­cker­mes­sung von maxi­mal zehn am Tag aus­rei­chend ent­ge­gen gewirkt werden kann (LSG Berlin — Bran­den­burg, Urteil vom 10.12.2014, L 1 KR 25/13, juris).

Diese Vor­aus­set­zun­gen sind jedoch vor­lie­gend im Unter­schied zu der Fall­ge­stal­tung, die dem Urteil der 23. Kammer vom 13.11.2013 zugrun­de lag, nicht erfüllt. Die her­kömm­li­chen the­ra­peu­ti­schen Maß­nah­men sind nicht zur Über­zeu­gung der Kammer aus­ge­schöpft. Die Kammer nimmt dies­be­züg­lich auf die sach­ver­stän­di­ge Zeu­gen­aus­sa­ge des behan­deln­den Dia­be­to­lo­gen Dr. B. vom 28.05.2014 Bezug. Danach ist der Ein­satz eines CGM — Sys­tems im Fall des Klä­gers zwar sehr sinn­voll, aus medi­zi­ni­schen Grün­den jedoch nicht zwin­gend erfor­der­lich. Häu­fi­ge schwe­re Hypo­gly­kär­ni­en, schwe­re nächt­li­che Hypo­glyk­ämien und Hypo­glyk­ämie-Wahr­neh­mungs­stö­run­gen, welche auch durch eine inten­si­ve Schu­lung nicht beho­ben werden können oder min­des­tens zwei schwe­re Hypo­glyk­ämien mit nach­ge­wie­se­nem Fremd­hil­fe­be­darf, gehen aus der Aus­sa­ge von Dr. B. und ins­be­son­de­re dem Befund­be­richt von Dr. Empa­cher vom 26.03.2014 nicht hervor. Letz­te­rem ist zu ent­neh­men, der Zustand des Klä­gers stabil ist. Die Blut­zu­cker­kon­trol­le ist gut. Eine Ände­rung der The­ra­pie wurde nicht als not­wen­dig erach­tet. Der Kläger leidet auch im Unter­schied zur Fall­kon­stel­la­ti­on, welche dem Urteil der 23. Kammer zugrun­de lag, noch nicht an Fol­ge­er­kran­kun­gen oder einer im Fall einer Hypo­glyk­ämie zusätz­lich gefähr­li­chen Vor­schä­di­gung. Hinzu kommt, dass unter Aus­schöp­fung aller the­ra­peu­ti­schen Maß­nah­men auch der Ein­satz einer Insu­lin­pum­pe nach der Stel­lung­nah­me von Prof. Dr. D.  fällt. Eine solche ist beim Kläger nach dem bis­he­ri­gen Krank­heits­ver­lauf nicht indi­ziert und in der Folge diese The­ra­pie­op­ti­on noch nicht erprobt. Inso­fern ist die medi­zi­ni­sche Situa­ti­on des Klä­gers nicht mit der Fall­kon­stel­la­ti­on der 23. Kammer im Urteil vom 13.11.2013 ver­gleich­bar. Im Ergeb­nis besteht danach nach dem der­zei­ti­gen Gesund­heits­zu­stand kein Anspruch auf Ver­sor­gung mit dem CGM — System.

Die ange­foch­te­nen Beschei­de sind nicht zu bean­stan­den. Die Klage war nach alldem abzu­wei­sen.

Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt aus § 193 SGG.

 

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