Häufige Rechtsirrtümer in Zusammenhang mit Diabetes
In diesem Beitrag habe ich häufige Rechtsirrtümer zusammengestellt, die ich in meiner Beratungspraxis immer wieder ausräumen muß:
1. Menschen mit Diabetes dürfen nicht mehr autofahren
Falsch. Auch Patienten mit hoher Unterzuckerungsgefahr (z.B. unter Insulinbehandlung) dürfen autofahren, solange sie Unterzuckerungen rechtzeitig erkennen. Selbst das Fahren von LKW oder die Personenbeförderung ist im Ausnahmefall möglich; hierfür gelten aber natürlich strenge Voraussetzungen
2. Menschen mit Diabetes Typ 1 verursachen aufgrund von Unterzuckerungen mehr Unfälle als gesunde Menschen
Falsch. Hierfür gibt es keine aussagekräftigen Zahlen oder Statistiken- Im Gegenteil: es gibt Untersuchungen, aus denen hervorgeht, daß Menschen mit Diabetes möglicherweise sogar weniger Unfälle verursachen; wahrscheinlich weil sie sich aufgrund ihrer Krankheit besonders vorsichtig und verantwortungsvoll verhalten.
3. Insulinpflichtige Diabetiker dürfen keine LKW fahren
Falsch. Auch insulinpflichtige Diabetiker können im Ausnahmefall Fahrzeuge der Gruppe 2 (C, C1, C1E, D, DE, D1, D1E (Lkw über 3,5t, Sattelschlepper u.ä.) führen sowie Personen befördern. Hierzu ist aber u.a. der Nachweis erforderlich, daß über einen längeren Zeitraum nachweislich keine oder nur leichte Unterzuckerungen aufgetreten sind.
4. Auf dem Antragsformular zum Führerschein muss die Frage nach dem Diabetes nicht wahrheitsgemäß beantwortet werden
Falsch. Es ist zwar umstritten, ob die Führerscheinbehörde eine solche Frage überhaupt stellen darf; Solange das aber noch nicht gerichtlich entschieden ist, darf man die Beantwortung der Frage allenfalls verweigern. Wer wahrheitswidrige Angaben macht, riskiert im Falle eines Unfalles oder späterer Auffälligkeiten erhebliche Probleme.
5. Im Bewerbungsgespräch darf nicht nach Krankheiten wie Diabetes gefragt werden
Falsch. Eine pauschale Frage des Arbeitgebers nach Krankheiten ist zwar grundsätzlich unzulässig. Er darf aber dennoch nach Krankheiten fragen, die eine erhebliche, nicht anders abwendbare Gefahr für den Arbeitnehmer oder Dritte mitbringen oder aufgrund derer die Ausübung der Tätigkeit faktisch gar nicht möglich ist.
6. Wer Insulin spritzt, bekommt automatisch einen Schwerbehindertenausweis
Falsch. Ein Grad der Behinderung setzt neben einer intensivierten Insulintherapie bzw. einer Insulinpumpe zusätzlich auch voraus, daß man durch „erhebliche Einschnitte gravierend in der Lebensführung“ beeinträchtigt ist und dies auch nachweisen bzw. glaubhaft machen kann. Allein der Therapieaufwand reicht nicht aus
7. Den Schwerbehindertenausweis kann man einfach zurückgeben
Falsch. Ob eine (Schwer-)Behinderung vorliegt, hängt vom tatsächlichen Gesundheitszustand ab; die Behörde stellt das Ausmaß der Behinderung in einem Bescheid fest. Zwar kann man einen befristeten Bescheid bzw. Ausweis nicht weiter verlängern lassen – dies macht aber keinen Sinn, denn aktenkundig ist das bereits und man würde auf Antrag ja auch wieder einen Ausweis bekommen. Faktisch ist man trotzdem und weiterhin behindert. Ohne Ausweis kann man dann aber die Nachteilsausgleiche nicht mehr geltend machen.
8. Mit einem Schwerbehindertenausweis gibt es Geld vom Staat
Falsch. Eine direkte Geldleistung ist mit dem Schwerbehindertenausweis nicht verbunden. Man kann aber bei der Steuer einen Freibetrag (derzeit: 1.140,00 EUR; bei Kindern mit Merkzeichen H: 7.400,00 EUR) beanspruchen, der vom zu versteuernden Einkommen abgezogen wird. Man zahlt also um diesen Betrag weniger Steuer. Wer allerdings gar kein oder nur geringes Einkommen hat, dem bringt der Steuerfreibetrag aber nichts.
9. Eltern von Kindern mit Diabetes dürfen von Erziehern und Lehrern erwarten, dass diese beim Blutzucker messen und Insulin spritzen helfen/beaufsichtigen
Falsch. Kindergartenpersonal – gleiches gilt übrigens auch für Lehrer – sind nicht verpflichtet sind, medizinische Leistungen wie Spritzen oder Messen zu erbringen. In den allermeisten Fällen wird dies zwar kulanzweise und sehr engagiert gemacht – verlangen kann man das aber nicht.
10. Diabetes-Patienten haben Anspruch auf rtCGM, Insulinpumpe oder AID
Falsch. Einen generellen Anspruch auf Versogrung mit solchen modernen Diabetes-Hilfsmitteln gibt es nicht. Der Arzt darf hierfür nur dann ein Rezept ausstellen, wenn das Hilfsmittel wirklich medizinisch notwendig ist, d.h. wenn die Therapieziele sich nicht auf anderem, günstigeren Wege erreichen lassen.
11. Privatpatienten haben immer eine bessere Versorgung als Kassenpatienten
Falsch. Gerade bei der Diabetes-Behandlung sind Kassenpatienten in der Regel nicht schlechter gestellt als Privatpatienten. Im Gegenteil: während die Kostenübernahme für Teststreifen oder Insulinpumpe für Kassenpatienten meist selbstverständlich sind, hängt es bei Privatpatienten vom jeweiligen Versicherungsvertrag ab.
12. Ein Schwerbehindertenausweis bringt nur Vorteile
Falsch. Gerade bei Kindern kann ein Schwerbehindertenausweis zu Ausgrenzung und Minderwertigkeitsgefühlen führen. Immer mehr Risikoversicherungen verlangen – zusätzlich zu den obligatorischen Gesundheitsfragen — auch Auskunft darüber, ob eine Behinderung festgestellt ist (oder war). Dies muß dann wahrheitsgemäß beantwortet werden – und verschlechtert noch mehr die Chancen, eine solche Versicherung zu erhalten.
Auch wird die Krankheit durch einen solchen Antrag behördlich aktenkundig – derzeit erwachsen hieraus keine Nachteile, aber man weiss ja nie, wie das womöglich in 10 oder 20 Jahren ausseieht.
13. Der Arzt kann mir das Autofahren nicht verbieten
Falsch. Der Arzt kann zwar selbstverständlich nicht die Fahrerlaubnis entziehen. Wenn er aber aus ärztlicher Sicht das autofahren „verbietet“ , dann weiß der Patient, daß er aus gesundheitlichen Gründen nicht fahrtüchtig ist und daher auch nicht fahren darf. Wer dann dennoch fährt – und dann womöglich noch einen Unfall verursacht – risikiert hohe Strafen (auch Freiheitsstrafe!) und dauerhaft den Führerschein.