Pflegegrad bei Kindern mit Diabetes
Die Betreuung und Versorgung eines Kinds mit Diabetes fordert den Eltern enorm viel ab. Die Frage ist, ob und unter welchen Voraussetzungen dafür ein Anspruch auf Pflegegeld besteht. Vielmals erkennt der medizinische Dienst der Krankenkassen den Aufwand nicht an, so dass allenfalls ein Pflegegrad 1 festgestellt wird.
Ein höherer Pflegegrad kann dann nur im Wege des Rechtsmittelverfahren bzw. vor Gericht durchgesetzt werden.
Wer hat Anspruch auf Leistungen der Pflegekasse ?
Gem. § 14 SGB XI sind pflegebedürftig die „Personen, die gesundheitlich bedingte Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten aufweisen und deshalb der Hilfe durch andere bedürfen. Es muss sich um Personen handeln, die körperliche, kognitive oder psychische Beeinträchtigungen oder gesundheitlich bedingte Belastungen oder Anforderungen nicht selbständig kompensieren oder bewältigen können“.
Einstufung erfolgt in einem Pflegegrad
Die Pflegebedürftigkeit ist in fünf Pflegegrade eingestuft: je stärker die Selbstständigkeit beeinträchtigt ist, desto höher ist der Pflegegrad. Für die Feststellung der Pflegebedürftigkeit spielt dabei keine wesentliche Rolle, ob die Hilfe aufgrund körperlicher, geistiger oder psychischer Beeinträchtigungen benötigt wird.
Liegen nur geringe Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten vor, dann kann ein Pflegegrad 1 zu erkannt werden. Bei schwerster Beeinträchtigung der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten, die mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung einhergehen, wird der Pflegegrad 5 zuerkannt.
Wie erfolgt die Einstufung der Pflegegrade ?
Der Pflegegrad wird mit Hilfe eines pflegefachlich begründeten Begutachtungsinstruments auf Basis von § 15 Abs. 3 SGB XI anhand eines Punktesystems ermittelt.
Je mehr Punkte erreicht werden, desto höher der Pflegegrad (und damit auch die Leistungen der Pflegekasse).
Pflegegrad | Punkte | Voraussetzungen |
---|---|---|
Pflegegrad 1 | 12,5 bis unter 27 Punkte | Geringe Beeinträchtigung der Selbständigkeit |
Pflegegrad 2 | 27 bis unter 47,5 Punkte | Erhebliche Beeinträchtigung der Selbständigkeit |
Pflegegrad 3 | 47,5 bis unter 70 Punkte | Schwere Beeinträchtigung der Selbständigkeit |
Pflegegrad 4 | 70 bis unter 90 Punkte | Schwerste Beeinträchtigung der Selbständigkeit |
Pflegegrad 5 | 90 bis 100 Punkte | Schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung |
Unter Selbständigkeit wird dabei die Fähigkeit einer Person verstanden, die jeweilige Handlung bzw. Aktivität allein, d.h. ohne Unterstützung durch andere Personen durchzuführen. Es kommt also darauf an, ob bzw. inwieweit man von personeller Hilfe abhängig ist. Unter personeller Hilfe versteht man alle unterstützenden Handlungen, die eine Person benötigt, um die betreffenden Aktivitäten durchzuführen. Für die Begutachtung spielt insoweit keine Rolle, ob die Hilfe durch Laien oder Professionelle Pflegekräfte erbracht wird bzw. werden kann.
Kann man die jeweilige Handlung bzw. Aktivität allerdings – beispielsweise unter Nutzung von Hilfsmitteln — ohne Hilfe durch andere Personen noch alleine durchführen, liegt in der Regel keine Beeinträchtigung der Selbstständigkeit vor,
So erfolgt die Begutachtung
Die Gutachter der Pflegeversicherungen ermitteln die gesundheitlich bedingten Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten anhand eines „pflegefachlich begründeten Begutachtungsinstruments“ (§ 15 Abs. 1 SGB XI) in Form eines Punktekatalogs. Es kommt nun nicht mehr — wie es bislang der Fall war — auf die Zeit an, die für die Pflege benötigt wird, sondern es wird für jeden Einzelfall systematisch anhand eines Kriterienkatalogs abgeprüft, wie weit die Selbständigkeit und die Fähigkeiten einer Person eingeschränkt sind.
Dazu werden Kriterien in unterschiedlichen Bereichen des Alltags untersucht.
- Mobilität: Positionswechsel im Bett, Halten einer stabilen Sitzposition, Umsetzen, Fortbewegen innerhalb des Wohnbereichs, Treppensteigen;
- kognitive und kommunikative Fähigkeiten: Erkennen von Personen aus dem näheren Umfeld, örtliche Orientierung, zeitliche Orientierung, Erinnern an wesentliche Ereignisse oder Beobachtungen, Steuern von mehrschrittigen Alltagshandlungen, Treffen von Entscheidungen im Alltagsleben, Verstehen von Sachverhalten und Informationen, Erkennen von Risiken und Gefahren, Mitteilen von elementaren Bedürfnissen, Verstehen von Aufforderungen, Beteiligen an einem Gespräch;
- Verhaltensweisen und psychische Problemlagen: motorisch geprägte Verhaltensauffälligkeiten, nächtliche Unruhe, selbstschädigendes und autoaggressives Verhalten, Beschädigen von Gegenständen, physisch aggressives Verhalten gegenüber anderen Personen, verbale Aggression, andere pflegerelevante vokale Auffälligkeiten, Abwehr pflegerischer und anderer unterstützender Maßnahmen, Wahnvorstellungen, Ängste, Antriebslosigkeit bei depressiver Stimmungslage, sozial inadäquate Verhaltensweisen, sonstige pflegerelevante inadäquate Handlungen;
- Selbstversorgung: Waschen des vorderen Oberkörpers, Körperpflege im Bereich des Kopfes, Waschen des Intimbereichs, Duschen und Baden einschließlich Waschen der Haare, An- und Auskleiden des Oberkörpers, An- und Auskleiden des Unterkörpers, mundgerechtes Zubereiten der Nahrung und Eingießen von Getränken, Essen, Trinken, Benutzen einer Toilette oder eines Toilettenstuhls, Bewältigen der Folgen einer Harninkontinenz und Umgang mit Dauerkatheter und Urostoma, Bewältigen der Folgen einer Stuhlinkontinenz und Umgang mit Stoma, Besonderheiten bei Sondenernährung, Besonderheiten bei parenteraler Ernährung, Bestehen gravierender Probleme bei der Nahrungsaufnahme bei Kindern bis zu 18 Monaten, die einen außergewöhnlich pflegeintensiven Hilfebedarf auslösen;
- Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen:
- in Bezug auf Medikation, Injektionen, Versorgung intravenöser Zugänge, Absaugen und Sauerstoffgabe, Einreibungen sowie Kälte- und Wärmeanwendungen, Messung und Deutung von Körperzuständen, körpernahe Hilfsmittel,
- in Bezug auf Verbandswechsel und Wundversorgung, Versorgung mit Stoma, regelmäßige Einmalkatheterisierung und Nutzung von Abführmethoden, Therapiemaßnahmen in häuslicher Umgebung,
- in Bezug auf zeit- und technikintensive Maßnahmen in häuslicher Umgebung, Arztbesuche, Besuche anderer medizinischer oder therapeutischer Einrichtungen, zeitlich ausgedehnte Besuche medizinischer oder therapeutischer Einrichtungen, Besuch von Einrichtungen zur Frühförderung bei Kindern sowie
- in Bezug auf das Einhalten einer Diät oder anderer krankheits- oder therapiebedingter Verhaltensvorschriften;
- Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte: Gestaltung des Tagesablaufs und Anpassung an Veränderungen, Ruhen und Schlafen, Sichbeschäftigen, Vornehmen von in die Zukunft gerichteten Planungen, Interaktion mit Personen im direkten Kontakt, Kontaktpflege zu Personen außerhalb des direkten Umfelds.
Anhand der Ergebnisse der Prüfung werden die Pflegebedürftigen in einen der fünf Pflegegrade eingeordnet (§ 15 Abs. 3 SGB XI). Die Leistungen der Pflegekassen hängt von der Höhe des Pflegegrads ab.
Leistungen hängen vom Pflegegrad ab
Die Leistungen der Pflegekasse hängen vom Pflegegrad ab – je höher der Pflegegrad, desto mehr Leistungen gibt es. Wenn Angehörige oder ehrenamtlich tätige Personen die Pflege übernehmen, dann kann Pflegegeld beantragt werden. Wird der Pflegebedürftige durch einen ambulanten Pflegedienst versorgt, so werden dessen Leistungen als Pflegesachleistungen mit der Pflegekasse abgerechnet. Ambulante Pflegesachleistungen lassen sich mit dem Pflegegeld kombinieren.
Im Gegensatz zu technischen Pflegehilfsmitteln (z.B. Krankenbett) müssen Einmalprodukte (z.B. Windeln, Einmalhandschuhe oder Betteinlagen) vom Pflegebedürftigen selbst bezahlt werden. Dafür gibt es eine Erstattung in Höhe von bis zu 40 Euro monatlich.
Pflegegrad | Pflegegeld | Pflegesachleistung | Pflegehilfsmittel | Entlastungsbetrag für ambulante Betreuungsleistungen |
---|---|---|---|---|
5 | 990 | 2299 | 40 | 131 |
4 | 800 | 1859 | 40 | 131 |
3 | 599 | 1497 | 40 | 131 |
2 | 347 | 796 | 40 | 131 |
1 | 0 | 0 | 40 | 131 |
Tabelle in EUR, Stand: 2025
Die Pflegeversicherung übernimmt auch Kosten für eine Ersatzpflege (=“Verhinderungspflege“), wenn die private Pflegeperson beispielsweise durch Urlaub oder Krankheit verhindert ist. Darüber hinaus gibt es Leistungen bei teil- bzw. vollstationärer Unterbringung (Tagespflege / Nachtpflege).
Pflegegrad für Kinder mit Diabetes ?
Die für den Diabetes spezifisch erforderlichen Tätigkeiten (z.B. Messen, Abwiegen und Zubereiten der Nahrung) reichen in der Regel aus, um den Pflegegrad 1 zu erhalten. Deutlich schwieriger gestaltet es sich, für ein Kind mit Diabetes den Pflegegrad 2 durchzusetzen.
Das Bundessozialgericht hat hierzu zwar erfreulicherweise die Hürden deutlich abgesenkt (BSG, Urteil vom 12.12.2024), dennoch gibt es keinen Automatismus.
Es muss daher weiterhin in jedem Einzelfall nachgewiesen werden, dass die Voraussetzungen bzw. Punkte vorliegen.