Schwerbehinderung
Das Thema „Schwerbehinderung“ ist besonders für Diabetiker ein wichtiges Thema. Allerdings ist es zunehmend schwierig, allein mit Diabetes den Schwerbehindertenausweis zu erhalten. Auf diesen Seiten habe ich einige Tipps und Hintergrundinformationen bereitgestellt.
Schwerbehinderung – was ist das?
Nach dem Sozialgesetzbuch (§ 2 SGB IX) gelten Menschen als behindert, wenn sie “körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können“.
Das Ausmaß der Beeinträchtigung wird durch den sog. „Grad der Behinderung“ (GdB) auf einer Skala von 0 — 100 ausgedrückt; dieser zeigt, wie erheblich die körperlichen und geistigen Funktionen beeinträchtigt sind.
Er ist somit ein Maß für die körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Auswirkungen und Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft aufgrund eines Gesundheitsschadens.
Ab einem GdB von 50 ist man schwerbehindert und erhält einen Schwerbehindertenausweis.
Nachteilsausgleiche
Schwerbehinderte Menschen können bestimmte “Nachteilsausgleiche” in Anspruch nehmen.
Hierzu zählen u.a.:
Erhöhter Kündigungsschutz
Schwerbehinderte und Gleichgestellte unterliegen einem besonderen Kündigungsschutz. Dies bedeutet, dass eine Kündigung durch den Arbeitgeber nur dann wirksam ist, wenn das zuständige Integrationsamt vorher zugestimmt hat.
Vorteile am Arbeitsplatz
Außerdem haben Schwerbehinderte Anspruch auf fünf zusätzliche, bezahlte Urlaubstage, und werden auf Verlangen von Mehrarbeit (z. B. im Schichtbetrieb) freigestellt. Weiterhin haben Schwerbehinderte Anspruch auf begleitende Hilfe im Arbeitsleben, beispielsweise auf technische Arbeitshilfen oder Übernahme der Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz. Für diese Hilfen sind entweder der Arbeitgeber, das Versorgungsamt oder das Arbeitsamt zuständig.
Bessere Chancen auf Verbeamtung
Mit Schwerbehindertenausweis sind die Chancen auf eine Verbeamtung deutlich höher; Schwerbehinderte werden bei gleicher Eignung bevorzugt eingestellt.
Vorzeitige Altersrente
Schwerbehinderte Menschen können gem. § 37, 236a SGB XII schon mit 65 Jahren ohne Abzug vorzeitig in Altersrente gehen.
Mit Abzug ist die Rente bereits ab 62 Jahren möglich: allerdings werden für jeden Monat eines Beginns vor Vollendung des 65.Lebensjahres Abschläge in Höhe von 0,3% fällig, d.h. mit Eintritt der Rente wegen Schwerbehinderung bei Vollendung des 62. Lebensjahres muss man dann bis zu 10,8% (=36 Monate x 0,3%) Abzug in Kauf nehmen.
Achtung: die Altersgrenzen hängen aufgrund diverser Übergangsregelungen vom Geburtsjahr ab.
Steuerfreibeträge
Auf Antrag kann wegen der Schwerbehinderung ein steuerfreier Pauschalbetrag gewährt werden:
Grad der Behinderung | Steuerfreibetrag |
---|---|
GdB 20 | 384,00 EURO |
GdB 30 | 620,00 EURO |
GdB 40 | 860,00 EURO |
GdB 50 | 1.140,00 EURO |
GdB 60 | 1.440,00 EURO |
GdB 70 | 1.780,00 EURO |
GdB 80 | 2.120,00 EURO |
GdB 90 | 2.460,00 EURO |
GdB 100 | 2.840,00 EURO |
Besondere Nachteilsausgleiche für diabetische Kinder
Bei Kindern mit Diabetes wird in der Regel problemlos bis zum 16. Lebensjahr eine “Hilflosigkeit” festgestellt und zusätzlich zum Behinderungsgrad auch das sog. Merkzeichen “H” zuerkannt. Die Eltern können dann gem. § 33b Abs. 3 EStG einen erhöhten Steuerfreibetrag von 7.400 EUR in Anspruch nehmen. Der Schwerbehindertenausweis mit Merkzeichen H berechtigt gem. § 145 SGB IX auch zur kostenlosen Beförderung im Nahverkehr. Dazu hin können weitere Steuererleichterungen (z. B. Absetzbarkeit von Fahrten) oder soziale Vergünstigungen (z.B. ermäßigte Eintrittsgebühren) in Anspruch genommen werden.
Gleichstellung: ab GdB 30 möglich
Menschen mit einem Behinderungsgrad (GdB) von mindestens 30 können gem. § 2 Abs.3 SGB IX auf Antrag mit Schwerbehinderten gleichgestellt werden. Voraussetzung dafür ist, dass sie infolge ihrer Behinderung ohne Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz nicht erlangen oder nicht behalten können.
Mit der Gleichstellung genießt man den gleichen Kündigungsschutz wie ein Schwerbehinderter, d.h. für eine Kündigung ist eine vorherige Zustimmung der Integrationsbehörde erforderlich. Die weiteren Vergünstigungen (wie Zusatzurlaub oder Steuerfreibeträge) können aber nicht in Anspruch genommen werden.
Erhalte ich mit Diabetes den Schwerbehindertenausweis?
Der GdB hängt davon, welche Beeinträchtigungen konkret bei Ihnen vorliegen und wie sich dies auf Ihre Teilhabe am Alltagsleben auswirkt.
Bewertungsmaßstab
Die Behörde beurteilt dies auf Grundlage der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV); in Bezug auf Diabetes gilt hiernach:
Der GdB beträgt 0.
Der GdB beträgt 20.
Der GdB beträgt 30–40.
Die Blutzuckerselbstmessungen und Insulindosen (beziehungsweise Insulingaben über die Insulinpumpe) müssen dokumentiert sein.
Der GdB beträgt 50
Wenn weitere Erkrankungen vorliegen — beispielsweise ein Bandscheibenvorfall — so werden diese — als sog. Einzel-GdB — gesondert bewertet.
Die Feststellung des Gesamt-GdB erfolgt unter Berücksichtigung aller vorliegenden Beeinträchtigungen; allerdings erfolgt dies nicht über eine simple Addition der Einzel-GdB, sondern die Lage wird insgesamt bewertet.
Selbst wer beispielsweise für Diabetes einen Einzel-GdB von 40 erhält und dann noch zwei weitere Einzel-GdB von jeweils 10 vorliegen, kann im Ergebnis nicht zwingend von einem Gesamt GdB von 50 ausgehen: vielmals bleibt es in diesen Fällen zunächst bei einem gesamt-GdB von 40; die Schwerbehinderung muss dann per Gericht erstritten werden.
Werte müssen dokumentiert sein!
Die obigen Voraussetzungen — insbesondere die Blutzuckermessungen und Insulindosen — sollten durch entsprechende Aufzeichnungen nachgewiesen werden. In der Regel verlangt die Behörde die Vorlage des Blutzuckertagebuchs der letzten 3 Monate, mitunter auch der letzten 6 Monate.
Hierbei hat sich die Führung eines elektronischen Diabetes-Tagebuchs mit meiner Software DIABASS bewährt: alle Werte lassen sich bequem am Computer erfassen; auf Knopfdruck kann man die benötigten Ausdrucke und Statistiken erstellen.
Damit es schneller geht, können Sie die Daten aus aus fast allen Blutzuckermessgeräten, rtCGM oder Insulinpumpen auslesen.
Antrag und Kosten
Um eine Schwerbehinderung feststellen zu lassen, müssen Sie beim örtlich zuständigen Versorgungsamt einen entsprechenden Antrag einreichen. Nach Eingang des Antrages fordert das Versorgungsamt von den im Antrag angegebenen Ärzten und sonstigen Stellen die Befundberichte an und bewertet diese.
Eine Broschüre mit Tipps und Checklisten für den Antrag auf Feststellung einer Schwerbehinderung, die ich ehrenamtlich für diabetesDE erstellt habe, können Sie hier herunterladen.
Kosten und Rechtsmittel
Das Verfahren ist bislang für den Bürger kostenfrei.
Sollte das Versorgungsamt den Antrag ablehnen oder einen niedrigeren Grad der Behinderung feststellen, so muss innerhalb eines Monats nach Zustellung des Ablehnungsbescheid Widerspruch eingelegt werden.
Bleibt dieser Rechtsbehelf erfolglos, kann Klage beim Sozialgericht erhoben werden. Für die Klage selbst wird kein Anwalt benötigt, auch das Gerichtsverfahren ist – bislang – noch kostenfrei.
Die anwaltliche Vertretung im gerichtlichen Verfahren wird von den meisten Rechtschutzversicherungen übernommen. Die Tätigkeit im vorgeschalteten Widerspruchsverfahren ist allerdings oft nicht vom Versicherungsumfang abgedeckt. Bitte lesen Sie dazu die Hinweise zu Rechtschutzversicherungen.