Rechteck: Verkehrsunfall bei Unterzuckerung — muss ich einen Haftungsregress fürchten?
Ich habe in Unterzuckerung einen Verkehrsunfall verursacht. Bei der Polizei habe ich angegeben, dass ich vor Fahrtantritt meinen Blutzuckerwert mit 92 mg/dl gemessen habe. Aus mir unerklärlichen Gründen bin ich während der Fahrt anschließend jedoch in eine schwere Unterzuckerung gefallen und habe hierdurch einen Unfall verursacht. Ich wurde hierauf zunächst wegen Straßenverkehrsgefährdung angeklagt, das Verfahren wurde dann aber eingestellt, weil mir ein Verschulden nicht nachgewiesen werden konnte. Nun kommt aber meine Haftpflichtversicherung und will im Wege eine sog. “Haftungsregresses”, dass ich 5.000 EURO von dem regulierten Schaden zahle, da ich die Unterzuckerung schuldhaft herbeigeführt hätte. Ich hätte schließlich wissen müssen, dass bei einem Blutzuckerwert von 92 mg/dl die Gefahr besteht, dass ich auch unvorhergesehen in Unterzuckerung komme.
Kann ich mich hiergegen wehren bzw. muss ich das bezahlen?
Klaus T., Baden-Baden
Sehr geehrter Herr M.,
im Falle einer grob fahrlässig verursachten Unterzuckerung kann der Versicherer tatsächlich verlangen, dass Sie sich bis 5.000 EURO an dem Schaden beteiligen. Dies ist der sogenannte Haftungsregress. Es spielt hier zunächst einmal keine Rolle, dass Sie strafrechtlich nicht verurteilt wurden. Voraussetzung ist allerdings, dass Sie die Ihnen obliegende Sorgfaltspflichten als Kraftfahrer in erheblicher Weise außer Acht gelassen haben- und der Versicherer dies in einem Rechtsstreit auch beweisen kann.
Nach Ihren Angaben haben Sie vor Fahrtantritt den Blutzucker mit 92 mg/dl gemessen.
Dies kann nun allein kein Indiz bzw. Beweis dafür sein, dass Sie mit einem hier tatsächlich eingetretenen, schlagartigen Abfall des Blutzuckers hätten rechnen müssen.
Zwar wird in den meisten Fällen der Blutzuckerabfall tatsächlich eine begründbare bzw. erklärbare Ursache haben, beispielsweise durch eine Insulinüberdosierung bzw. zu geringe Nahrungsaufnahme, eine entsprechende Fehlmedikation (orale Diabetiker!) oder vorhergegangenen Alkoholkonsum.
Die Frage ist aber, ob Sie hiervon gewusst haben bzw. dies wissen konnten.
Die Versicherung muß den Nachweis antreten, dass Sie gewußt haben – oder zumindest damit hätten rechnen können, dass Sie in Unterzuckerung kommen. Wenn aber – wie hier — keine weiteren Angaben bzw. Umstände zum Sachverhalt bekannt sind, dann dürfte dieser Nachweis wohl nicht zu führen sein. Wenn schon das Strafgericht es nicht als erwiesen ansah, dass die Unterzuckerung – und damit der Unfall — von Ihnen hätte vermieden werden können, dann dürften die Chancen in einem Zivilverfahren für Sie ebenfalls sehr gut stehen.
Wichtig:
Eine Ausnahme besteht allerdings beispielsweise in all den Fällen, in denen Diabetiker auf ein neues Insulin umgestellt werden und vom Arzt ausdrücklich ein entsprechendes “Fahrverbot bzw. Wochen erhalten haben, bis die Einstellung abgeschlossen ist. Selbstverständlich ist der Arzt nicht berechtigt, den Führerschein bzw. eine erteilte Fahrerlaubnis (Führerschein) zu entziehen — wer den Führerschein hat, darf grundsätzlich auch fahren.
Geschieht aber dann tatsächlich ein Unfall in Unterzuckerung, dann wird jedoch regelmäßig von einem – mindestens – fahrlässigen und damit schuldhaften Verhalten ausgegangen werden müssen.
In einem solchen Fall müsste man damit rechnen, sowohl strafrechtlich belangt als auch von der Versicherung in Haftungsregress genommen zu werden.
(Veröffentlicht im Diabetes-Journal (http://www.diabetes-journal.de)
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