Im Namen des Volkes

Urteil

Im Rechts­streit

- Kläger und Beru­fungs­klä­ger -

Pro­zess­be­voll­mäch­tig­ter:

gegen

- Beklag­te und  Beru­fungs­be­klag­te -

Pro­zess­be­voll­mäch­tig­te:

wegen Leis­tun­gen aus einer Berufs­un­fä­hig­keits­ver­si­che­rung

hat der 12. Zivil­se­nat des Ober­lan­des­ge­richts Karls­ru­he auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 5. Febru­ar 2013

für  Recht  erkannt:

  1. Die Beru­fung des Klä­gers gegen das Urteil des Land­ge­richts Mos­bach vom 3. August  2012 — 1 O 39/12 — wird zurück­ge­wie­sen.
  2. Der Kläger hat die Kosten des Beru­fungs­ver­fah­rens zu tragen.
  3. Das  Urteil  ist  vor­läu­fig  voll­streck­bar.  Der  Kläger  kann  die  Voll­stre­ckung  wegen  der Kosten durch Sicher­heits­leis­tung in Höhe von 110% des auf­grund des Urteils voll­streck­ba­ren Betra­ges abwen­den, wenn nicht die Beklag­te vor der Voll­stre­ckung Sicher­heit in  Höhe von 110% des jeweils zu voll­stre­cken­den Betra­ges leis­tet.
  4. Die Revi­si­on wird nicht zuge­las­sen.

 

 Gründe:

I.

Der  Kläger  bean­sprucht  Leis­tun­gen  aus  einer  Berufs­un­fä­hig­keits­ver­si­che­rung,  die  die Beklag­te ver­wei­gert, weil sie den Ver­trag wegen falsch beant­wor­te­ter Gesund­heits­fra­gen bei Antrag­stel­lung habe anfech­ten dürfen.

Der 1969 gebo­re­ne Kläger bean­trag­te am 15. Januar 2001 unter Betei­li­gung des Ver­mitt­lers S. eine Berufs­un­fä­hig­keits­ver­si­che­rung bei der Beklag­ten; dabei gab er als Beruf „Bau­schlos­ser“ und als der­zei­ti­ge Tätig­keit „Lager­ar­bei­ter“ an. Die Gesund­heits­fra­gen  beant­wor­te­te  er  unter  ande­rem  wie  folgt  (hand­schrift­li­che  For­mu­lar­ein­tra­gun­gen sind kursiv wie­der­ge­ge­ben):

„2. Leiden oder litten Sie in den letz­ten 10 Jahren an Krank­hei­ten, gesund­heit­li­chen Stö­run­gen  oder  Beschwer­den?  (z.  B.  des  Her­zens  oder  Kreislaufs/erhöhtem  Blut­druck,  der  Atmungs‑, Verdauungs‑, Harn- oder Geschlechts­or­ga­ne, Nerven, Sin­nes­or­ga­ne, Milz, Drüsen, Haut,  Kno­chen,  Gelen­ke,  Wir­bel­säu­le,  des  Gehirns,  Rücken­marks,  Gemüts,  Blutes,  Fett­stoff­wech­sels, an Geschwüls­ten, Gicht, Rheu­ma­tis­mus, Infek­tio­nen, All­er­gien). Nein

 

(…)

 

5. Sind Sie in den letz­ten 5 Jahren ärzt­lich unter­sucht, bera­ten oder behan­delt worden? Von

wel­chen Ärzten (Anschrift)? Ja — 01/01, „Angina“, Dr. H. B., Hin­te­re Gasse 23, S…

 

Wurden in den letz­ten 12 Mona­ten Arz­nei­mit­tel ver­ord­net? Welche? Ein­nah­me von/bis? Ja -

01/01 — 4 Tage, Anti­bio­ti­kum

 

Auf ergän­zen­de Frage der Beklag­ten vom 6. Febru­ar 2001 teilte der Kläger am 11. Febru­ar 2001 mit, dass es sich bei der ange­ge­be­nen Angina um eine Hals­er­kran­kung han­de­le.

Die  Berufs­un­fä­hig­keits­ver­si­che­rung  wurde  am  12.  Febru­ar  2001  antrags­ge­mäß poli­ciert; sie sah bei voll­stän­di­ger Berufs­un­fä­hig­keit die Zah­lung einer monat­li­chen Berufs­un­fä­hig­keits­ren­te von anfäng­lich DM 1.200 vor, wobei eine 5%-ige Dyna­mik ver­ein­bart war.

 

Tat­säch­lich hatte es im nach­ge­frag­ten Zeit­raum fol­gen­de Beschwer­den und Behand­lun­gen gege­ben:

  • vom  23.03.1994  bis  zum  26.03.1994  war  der  Kläger  wegen  eines Schul­ter­ten­di­nos  und  eines  Über­las­tungs­syn­droms  4  Tage  arbeits­un­fä­hig  geschrie­ben;
  • vom  29.03.1994  bis  zum  31.03.1994  war  der  Kläger  wegen  Kon­junk­ti­vi­tis  drei
  • Tage arbeits­un­fä­hig geschrie­ben;
  • vom 27.10.1996 bis zum 08.11.1996 war der Kläger wegen einer Hämor­rhoi­dal­throm­bo­se 13 Tage arbeits­un­fä­hig geschrie­ben;
  • vom 15.09.1997 bis zum 20.09.1997 war der Kläger wegen Lum­ba­go 6 Tage arbeits­un­fä­hig geschrie­ben;
  • vom 25.09.1997 bis zum 26.09.1997 war der Kläger wegen Lum­ba­go 2 Tage arbeits­un­fä­hig geschrie­ben;
  • vom  28.12.1998  bis  zum  30.01.1999  war  der  Kläger  wegen  Anal­throm­bo­se  34 Tage arbeits­un­fä­hig geschrie­ben. Es fand eine Öff­nung der Throm­bo­se mit einem ambu­lan­ten Schnitt statt;
  • vom  29.11.1999  bis  zum  24.12.1999  war  der  Kläger  wegen  einer Peri­anal­ve­nen­throm­bo­se, eines Peri­anal­ek­zems und Hämor­rhoi­den 26 Tage arbeits­un­fä­hig  geschrie­ben.  Nach  anfäng­lich  kon­ser­va­ti­ver  Behand­lung  war  die Anal­throm­bo­se per­fo­riert;
  • vom 01.01.2001 bis zum 05.01.2001 war der Kläger wegen akuter Pha­ryn­gi­tis 4 Tage arbeits­un­fä­hig geschrie­ben.

Am 16. Januar 2001 bean­trag­te der Kläger bei der Beklag­ten noch eine Lebens­ver­si­che­rung.  Die Frage in  Ziffer 1 des dor­ti­gen Antra­ges, ob er an Krank­hei­ten, Stö­run­gen  oder Beschwer­den leide oder in den letz­ten 10 Jahren gelit­ten habe, bejah­te der Kläger.

Hierzu gab er an, im Januar 2001 wegen Angina bei Dr.  H. B. 4 Tage in Behand­lung  gewe­sen zu sein.

Nach Antrag­stel­lung wurde der Kläger ab Juli 2001 wie­der­holt mit ver­schie­de­nen Dia­gno­sen krank­ge­schrie­ben. Seit dem 10. Sep­tem­ber 2010 liegt eine durch­ge­hen­de Krank­schrei­bung, unter ande­rem wegen eines Band­schei­ben­scha­dens, vor

Am 30. Mai 2011 bean­trag­te der Kläger bei der Beklag­ten  Leis­tun­gen wegen Berufs­un­fä­hig­keit unter Hin­weis auf „Rücken­pro­ble­me (Band­schei­be)“ .  Bei den dar­auf­hin ange­stell­ten Erkun­di­gun­gen erfuhr die Beklag­te von den Erkran­kun­gen des Klä­gers vor Antrag­stel­lung  und  den  damit  zusam­men­hän­gen­den  Zeiten  der  Arbeits­un­fä­hig­keit.  Mit  Schrei­ben vom 9. Novem­ber 2011, das dem Kläger am 23. Novem­ber 2011 zuge­gan­gen ist, teilte die Beklag­te dem Kläger das Ergeb­nis ihrer Ermitt­lun­gen mit und erklär­te die Anfech­tung wegen arg­lis­ti­ger Täu­schung.

Der  Kläger hat  die  Auf­fas­sung  ver­tre­ten,  dass  die  Beklag­te  den  Ver­si­che­rungs­ver­trag nicht wirk­sam ange­foch­ten habe. Er habe sich bei Antrag­stel­lung nicht mehr an die zur Arbeits­un­fä­hig­keit  füh­ren­den  Vor­er­kran­kun­gen  erin­nert.  Außer­dem  sei  ihm  nicht  klar gewe­sen,  dass  diese  hätten  ange­ge­ben  werden  müssen.  Rücken­schmer­zen  würden von  medi­zi­ni­schen  Laien  nicht  als  Krank­hei­ten  ange­se­hen,  son­dern  als  kurz­fris­ti­ge Über­las­tun­gen. Der Ver­si­che­rungs­mak­ler S. sei mit ihm die Gesund­heits­fra­gen durch­ge­gan­gen. Er habe ihm alle Anga­ben gemacht, die er nach der Beleh­rung durch den Herrn S. für erfor­der­lich halten musste und die ihm erin­ner­lich gewe­sen seien.

 

Zur  Berufs­un­fä­hig­keit  hat  der Kläger vor­ge­tra­gen,  er könne die Tätig­keit  eines  Lager- und Ver­sand­ar­bei­ters seit dem 10. Sep­tem­ber 2010 nicht mehr min­des­tens drei Stun­den pro Tag aus­üben, weil er an einem LWS-Syn­drom leide und des­halb im Dezem­ber 2010 und März 2011 ope­riert worden sei.

Der Kläger hat bean­tragt,

die Beklag­te zu ver­ur­tei­len, ihm ab dem 10.09.10 Berufs­un­fä­hig­keits­ren­te in Höhe  von der­zeit 916,72 EUR/Monat nebst Zinsen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem  Basis­zins­satz  aus  916,72  EUR  seit  dem  01.09.2010,  aus  wei­te­ren  916,72 EUR  seit  dem  01.10.2010,  aus  wei­te­ren  916,72  EUR  seit  dem  01.11.2010,  aus wei­te­ren  916,72  EUR  seit  dem  01.12.2010,  aus  wei­te­ren  916,72  EUR  seit  dem 01.01.2011, aus wei­te­ren 916,72 EUR seit dem  01.02.2011, aus wei­te­ren 916,72 EUR  seit  dem  01.03.2011,  aus  wei­te­ren  916,72  EUR  seit  dem  01.04.2011,  aus wei­te­ren  916,72  EUR  seit  dem  01.05.2011,  aus  wei­te­ren  916,72  EUR  seit  dem 01.06.2011, aus wei­te­ren 916,72 EUR seit dem 01.07.2011, aus wei­te­ren 916,72 EUR  seit  dem  01.08.2011,  aus  wei­te­ren  916,72  EUR  seit  dem  01.09.2011,  aus wei­te­ren  916,72  EUR  seit  dem  01.10.2011,  aus  wei­te­ren  916,72  EUR  seit  dem  01.11.2011, aus wei­te­ren 916,72 seit dem 01.12.2011, aus wei­te­ren 916,72  EUR seit dem 01.01.2012, aus wei­te­ren 916,72 EUR seit dem 01.02.2012, vor­ge­richt­li­che Rechts­an­walts­ge­büh­ren in Höhe von 837,52 EUR sowie 22,90 EUR für Kosten des ärzt­li­chen Attes­tes des Dr. H. B. vom 17.12.2011 zu bezah­len.

 

Die Beklag­te hat bean­tragt, die Klage abzu­wei­sen.

Sie hat die vor­ge­richt­lich erklär­te Arg­list­an­fech­tung ver­tei­digt und das Vor­lie­gen bedin­gungs­ge­mä­ßer Berufs­un­fä­hig­keit bestrit­ten.

 

Das Land­ge­richt hat den Kläger ange­hört und den Ver­si­che­rungs­ver­mitt­ler S. und den behan­deln­den Arzt Dr. B. ver­nom­men

Auf dieser Grund­la­ge hat es die Klage abge­wie­sen

Der  Kläger  habe  die  Berufs­un­fä­hig­keits­ver­si­che­rung  mit­tels  eines  Betru­ges  erlangt, die Beklag­te habe die Ver­trags­an­nah­me wirk­sam ange­foch­ten. Die Angabe des Klä­gers, es bestün­den mit Aus­nah­me einer Angina im Januar 2001 keine Vor­er­kran­kun­gen, sei objek­tiv falsch gewe­sen. Seine eigene Ein­las­sung zu den Grün­den der unvoll­stän­di­gen Angabe sei wider­sprüch­lich gewe­sen. So habe er behaup­tet, sich am 15. Januar 2001 an  seine  Vor­er­kran­kun­gen  nicht mehr erin­nert zu haben, wohl aber an die Vor­er­kran­kun­gen seiner gleich­zei­tig ver­si­cher­ten Frau. Vor diesem Hin­ter­grund sei nicht nach­voll­zieh­bar, warum er sich an das Auf­schnei­den der Anal­throm­bo­se im Dezem­ber 1998 und die Per­fo­ra­ti­on einer ande­ren Anal­throm­bo­se im Novem­ber 1999 nicht erin­nert habe.  Es  sei  auch  nicht  nach­voll­zieh­bar,  warum  er  geglaubt  haben  könnte,  diese  Erkran­kun­gen nicht ange­ben zu müssen. Das gelte ins­be­son­de­re vor dem Hin­ter­grund der jeweils ein­ge­tre­te­nen Arbeits­un­fä­hig­keit. Nach dem Ergeb­nis der Beweis­auf­nah­me sei davon aus­zu­ge­hen, dass dem Kläger seine Krank­hei­ten jeweils bewusst gewe­sen seien und ihm die Gesund­heits­fra­gen voll­stän­dig vor­ge­legt wurden.

 

Gegen die Ent­schei­dung des Land­ge­richts, die seinem Pro­zess­be­voll­mäch­tig­ten am 13. August 2012 zuge­stellt worden ist, rich­tet sich die am 27. August 2012 ein­ge­gan­ge­ne und am 6. Sep­tem­ber 2012 begrün­de­te Beru­fung des Klä­gers. Er ist der Auf­fas­sung, die Beweis­wür­di­gung des Land­ge­richts wider­spre­che den Denk­ge­set­zen. Soweit  dieses  einen  Zusam­men­hang  zu  den  Vor­er­kran­kun­gen  der  Ehe­frau  her­ge­stellt  habe, über­zeu­ge dies nicht, weil die Ehe­frau an chro­ni­schem Asthma gelit­ten habe, der Kläger aber an (ledig­lich) akuten Beschwer­den, die erfah­rungs­ge­mäß nach einer gewis­sen Zeit nicht mehr erin­ner­lich seien. Das Land­ge­richt habe nicht den vom Zeugen  S. bestä­tig­ten Hin­weis berück­sich­tigt, dass nicht jede Klei­nig­keit, jede Erkäl­tung, ange­ge­ben werden müsse. Der Kläger habe davon aus­ge­hen dürfen, dass aus­ge­heil­te Rücken­schmer­zen und Hämor­rhoi­den nicht ange­ge­ben werden müss­ten. Im Übri­gen setze § 16 VVG  a.  F.  die  Ver­let­zung  einer  vor­ver­trag­li­chen  Anzei­ge­pflicht  gegen­über  dem  Ver­si­che­rer voraus. Der Zeuge S. sei aber unstrei­tig als Makler tätig gewe­sen.

 

Der Kläger bean­tragt, unter Abän­de­rung des Urteils des Land­ge­richts Mos­bach vom 3. August 2012 — 1 O  39/12 — nach seinem erst­in­stanz­li­chen Antrag zu erken­nen.

Die Beklag­te bean­tragt,  die Beru­fung zurück­zu­wei­sen. Sie ver­tei­digt das ange­foch­te­ne Urteil.

Wegen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des Sach­ver­halts wird auf die Schrift­sät­ze der Par­tei­en sowie die von ihnen vor­ge­leg­ten Urkun­den Bezug genom­men.

 

II.

Die Beru­fung ist nicht begrün­det.

A.

Der  Kläger  kann  keine  Leis­tun­gen  aus  der  Berufs­un­fä­hig­keits­ver­si­che­rung  bean­spru­chen,  weil  die  Beklag­te  die  auf  Abschluss  des  Ver­si­che­rungs­ver­trags  gerich­te­te  Wil­lens­er­klä­rung wirk­sam ange­foch­ten hat (§ 22 VVG, §§ 123, 142 Absatz 1 BGB) und es daher an einer ver­trag­li­chen Grund­la­ge für den Anspruch fehlt.

Von einem arg­lis­ti­gen Ver­hal­ten ist aus­zu­ge­hen, wenn der Täu­schen­de weiß oder damit rech­net und bil­li­gend in Kauf nimmt, dass er unzu­tref­fen­de Anga­ben macht, und dass dadurch bei dem Emp­fän­ger seiner Erklä­rung eine fal­sche Vor­stel­lung ent­steht und diese ihn zu einer Erklä­rung ver­an­lasst, die er bei rich­ti­ger Kennt­nis der Dinge nicht oder nicht so abge­ge­ben haben würde. Das Tat­be­stands­merk­mal der Arg­list erfasst nicht nur ein Han­deln, das von betrü­ge­ri­scher Absicht getra­gen ist, son­dern auch solche Ver­hal­tens­wei­sen, die auf beding­ten Vor­satz im Sinne eines „Für­mög­lich­hal­tens“ redu­ziert sind und  mit  denen  kein  mora­li­sches  Unwert­ur­teil  ver­bun­den  sein  muss  (BGH  NJW  2001, 2326; OLG Karls­ru­he NJW-RR 2006, 463). Auf Arg­list als innere Tat­sa­che kann regel­mä­ßig nur auf der Grund­la­ge von Indi­zi­en geschlos­sen werden. Vor­aus­set­zung für die Annah­me einer arg­lis­ti­gen Täu­schung ist somit, dass der Ver­si­che­rungs­neh­mer mit wis­sent­lich fal­schen Anga­ben von Tat­sa­chen bzw. dem Ver­schwei­gen anzei­ge- und offen­ba­rungs­pflich­ti­ger Umstän­de auf die Ent­schlie­ßung des Ver­si­che­rers, seinen Ver­si­che­rungs­an­trag anzu­neh­men, Ein­fluss nehmen will und sich bewusst ist, dass der Ver­si­che­rer  mög­li­cher­wei­se  seinen  Antrag  nicht  oder  nur  unter  erschwer­ten  Bedin­gun­gen  anneh­men werde, wenn er wahr­heits­ge­mä­ße Anga­ben mache. Arg­lis­tig täuscht im Sinne des § 123 BGB damit nur der­je­ni­ge, dem bei der Beant­wor­tung der Fragen nach dem Gesund­heits­zu­stand  oder  frü­he­rer  Behand­lun­gen  auch  bewusst  ist,  dass  die  Nicht­er­wäh­nung der nach­ge­frag­ten Umstän­de geeig­net ist, die Ent­schlie­ßung des Ver­si­che­rers über  die  Annah­me  des  Ver­trags­an­ge­bots  zu  beein­flus­sen  (OLG  Karls­ru­he  NJW-RR 2006, 463).

Dabei gibt es keinen all­ge­mei­nen Satz der Lebens­er­fah­rung des Inhalts, dass eine bewusst unrich­ti­ge Beant­wor­tung von Fragen nach dem Gesund­heits­zu­stand oder frü­he­ren  Behand­lun­gen  immer  oder  nur  in  der  Absicht  gemacht  zu  werden  pflegt,  auf  den Willen des Ver­si­che­rers Ein­fluss zu nehmen. Denn häufig werden unrich­ti­ge Anga­ben über den Gesund­heits­zu­stand auch aus falsch ver­stan­de­ner Scham, aus Gleich­gül­tig­keit, aus Träg­heit oder ein­fach in der Annah­me gemacht, dass die erlit­te­nen Krank­hei­ten bedeu­tungs­los  seien.  Des­halb  muss  der  Ver­si­che­rer  ent­spre­chend  den  all­ge­mei­nen Beweis­last­re­geln nach­wei­sen, dass der Ver­si­che­rungs­neh­mer mit Hilfe der Abgabe einer fal­schen Erklä­rung auf den Willen des Ver­si­che­rers ein­wir­ken wollte, sich also bewusst  war,  der  Ver­si­che­rer  werde  seinen  Antrag  nicht  oder  mög­li­cher­wei­se  nur  unter erschwer­ten  Bedin­gun­gen  anneh­men,  wenn  der  Ver­si­che­rungs­neh­mer  die  Fragen wahr­heits­ge­mäß  beant­wor­ten  würde.  Da  es  sich  bei  dem  Bewusst­sein  des  Ver­si­che­rungs­neh­mers um eine innere Tat­sa­che han­delt, kann der Beweis in der Praxis meist nur durch einen Indi­zi­en­be­weis geführt werden.

Das Ver­schwei­gen von Umstän­den, deren Gefah­rer­heb­lich­keit auch aus Sicht des Ver­si­che­rungs­neh­mers  auf  der  Hand  liegt,  also  das  Ver­schwei­gen  schwe­rer  oder  chro­ni­scher Erkran­kun­gen, recht­fer­tigt grund­sätz­lich die Annah­me einer Täu­schung. Hat der Ver­si­che­rungs­neh­mer  gewis­se  Umstän­de  —  auch  Unter­su­chun­gen  —  stark  ver­harm­lost oder harm­lo­se­re Umstän­de als den ver­schwie­ge­nen ange­ge­ben, so folgt daraus, dass  er  sich  der  Gefah­rer­heb­lich­keit  tat­säch­lich  bewusst  war  und  das  Ver­schwei­gen  daher auf Arg­list schlie­ßen lässt. Glei­ches gilt, wenn länger zurück­lie­gen­de, nicht aber aktu­el­le Krank­hei­ten  ange­ge­ben  werden.  Dage­gen  spricht  gegen  Arg­list,  wenn  der  Ver­si­che­rungs­neh­mer  leich­te­re  Erkran­kun­gen  oder  solche,  die  von  ihm  als  solche  ange­se­hen werden, ver­schwie­gen oder gra­vie­ren­de­re Umstän­de als die ver­schwie­ge­nen ange­zeigt hat (BGH VersR 2004, 1297; Prölss/Martin, VVG, 28. Auf­la­ge, § 22, Rn. 14).

Liegen objek­ti­ve Falsch­an­ga­ben vor, ist es Sache des Ver­si­che­rungs­neh­mers, sub­stan­ti­iert  plau­si­bel zu  machen,  warum  und  wie  es  zu  diesen  objek­ti­ven fal­schen  Anga­ben gekom­men ist (OLG Saar­brü­cken VersR 2007, 96).

Nach diesem Maß­stab liegt hier ein arg­lis­ti­ges Ver­schwei­gen von Vor­er­kran­kun­gen vor.

1. Der Kläger hat bei seiner erst­in­stanz­li­chen Anhö­rung ange­ge­ben, dass er meine, außer der Angina dem Ver­mitt­ler S. gegen­über keine wei­te­ren Erkran­kun­gen ange­ge­ben zu haben; er hat auch bestä­tigt, dass ihm die Fragen aus dem Antrag vor­ge­le­sen worden  seien  und  er  sie  mit  „ja“  oder  „nein“  beant­wor­tet  habe.  Auf  die  Frage,  ob  dem Zeuge S. die Stel­lung eines Ver­si­che­rungs­mak­lers zukam, kommt es vor diesem Hin­ter­grund nicht an; auch wenn dies nicht der Fall wäre, würde dem Kläger die Auge-und-Ohr-Recht­spre­chung des Bun­des­ge­richts­hofs (BGHZ 102, 194) nicht wei­ter­hel­fen, weil  er nicht behaup­tet, wei­te­re Erkran­kun­gen gegen­über dem Zeugen S. benannt zu haben.

 

2. Auf der Grund­la­ge der unstrei­ti­gen Fest­stel­lun­gen des Land­ge­richts steht fest, dass  die Gesund­heits­fra­gen 2 und 5 objek­tiv falsch beant­wor­tet worden sind. Der Kläger hatte über die offen­bar­te Angina hinaus im nach­ge­frag­ten Zeit­raum Beschwer­den in wei­te­ren Berei­chen und ist des­we­gen auch — teil­wei­se medi­ka­men­tös — behan­delt worden.

 

3. Das Land­ge­richt ist zu Recht davon aus­ge­gan­gen, dass die Nicht­an­ga­be jeden­falls eines Teils der Erkran­kun­gen als arg­lis­ti­ges Ver­schwei­gen anzu­se­hen ist; auf die Frage,  ob — wie es das Land­ge­richt gemeint hat — ein Betrug im straf­recht­li­chen Sinne vor­liegt, kommt es inso­weit nicht an.

 

a) Hin­sicht­lich der Bin­de­haut­ent­zün­dung, die bei dem Kläger fast sieben Jahre vor Antrag­stel­lung dia­gnos­ti­ziert worden ist und zu einer drei­tä­gi­gen Krank­schrei­bung geführt hat, erscheint seine Ein­las­sung, dass er diese ver­ges­sen oder für uner­heb­lich gehal­ten habe, aller­dings noch ver­ständ­lich. Inso­weit ist nach den Umstän­den jeden­falls nicht zu wider­le­gen, dass der Kläger von einer lange zurück­lie­gen­den, ein­ma­li­gen und voll­stän­dig aus­ge­heil­ten Erkran­kung aus­ge­gan­gen ist.

 

b) Für die Schul­ter- und Rücken­be­schwer­den (7 und 4 Jahre vor Antrag­stel­lung, ins­ge­samt 12 Tage Krank­schrei­bung) ist ein Grund für die Nicht­an­ga­be aller­dings schon nicht  nach­voll­zieh­bar dar­ge­legt. Der Kläger mag die Beschwer­den für sich genom­men jeweils nicht  für  sehr  bedeut­sam  und  für  eine  Folge  berufs­be­ding­ter  Über­las­tung  ange­se­hen haben. Wenn sie mehr­fach vor­ge­kom­men und auf eine berufs­be­ding­te Über­las­tung zurück­ge­führt worden sein soll­ten — der Kläger hat inso­weit im Schrift­satz vom 8. Mai 2012 aus­ge­führt, sie seien „hier bei­spiels­wei­se nach anstren­gen­der Tätig­keit auf­ge­tre­ten“  -, hätte sich aber die Erkennt­nis auf­drän­gen müssen, dass der­ar­ti­ge über­las­tungs­be­ding­te Beschwer­den für die Ent­schei­dung des Ver­si­che­rers erheb­lich sind, ob und ggf. zu wel­chen Bedin­gun­gen er das Risiko der Berufs­un­fä­hig­keit absi­chern will.  Zu berück­sich­ti­gen ist inso­weit auch, dass der Kläger wegen der Beschwer­den nicht nur ärzt­lich bera­ten  worden  ist,  son­dern  auch  eine  Behand­lung  erfolgt  ist  (Diclo­fe­nac-Injek­ti­on  und  ‑Tablet­ten  im  März  1994,  vgl.  Anlage  B  9,  AH  I  As.  67;  Diclo­fe­nac-Injek­tio­nen  und Ibu­profen-Tablet­ten im Sep­tem­ber 1997; Tablet­ten ver­ord­net im Januar 1999).

c) Für eine Arg­list spricht aber in erster Linie, dass der Kläger die Throm­bo­se­er­kran­kun­gen ver­schwie­gen hat, bei denen zwei­mal eine län­ge­re Arbeits­un­fä­hig­keit ein­ge­tre­ten ist (34 bzw. 26 Tage) und die bei Antrag­stel­lung noch nicht sehr lange zurück lagen (rund zwei Jahre bzw. rund ein Jahr). Nach­voll­zieh­ba­re Gründe, warum er diese Erkran­kun­gen und deren Behand­lung nicht ange­ge­ben hat, hat der Kläger nicht genannt.

 

aa) Die Kla­ge­schrift nennt keine Gründe dafür, warum diese Erkran­kung nicht ange­ge­ben worden ist; sie ent­hält eine aus­drück­li­che Aus­ein­an­der­set­zung nur mit den frü­he­ren Rücken­schmer­zen. Auch der Schrift­satz vom 8. Mai 2012, in dem sich der Kläger mit der Erwi­de­rung auf die Klage und den dort genann­ten Vor­er­kran­kun­gen aus­ein­an­der­setzt, ent­hält keine kon­kre­te Erklä­rung dafür, warum er die noch nicht sehr lange zurück­lie­gen­den und mit Arbeits­un­fä­hig­keit ver­bun­de­nen Beschwer­den nicht offen­bart hat.

 

bb)  Auch  bei  seiner  erst­in­stanz­li­chen  Anhö­rung  hat  der  Kläger  auf  den  Vor­be­halt des  Arzt­be­richts  vom  18.  Juni  2011,  in  dem  die  Behand­lung  von  Hämorrhoidalleiden/Perianalthrombose ange­spro­chen ist, keine plau­si­ble Erklä­rung des Ver­schwei­gens gege­ben,  son­dern  ledig­lich  bekun­det,  er  könne  sich  nicht  mehr  erin­nern,  wann  die Peri­an­al­throm­bo­se auf­ge­tre­ten sei. Es gibt aber keinen nach­voll­zieh­ba­ren Anhalt dafür, dass der Kläger geglaubt haben könnte, dass die tat­säch­lich rund zwei bzw. ein Jahr zurück­lie­gen­den  Erkran­kun­gen  vor  dem  nach­ge­frag­ten  Zeit­raum,  also  mehr  als  zehn Jahre zurück­la­gen.

cc)  Soweit  der  Kläger  mit  der  Beru­fungs­be­grün­dung  die  erst­in­stanz­li­chen  Bekun­dun­gen des Zeugen  S. zu den nach dessen Auf­fas­sung anga­be­pflich­ti­gen Erkran­kun­gen her­vor­hebt, recht­fer­ti­gen diese keine andere Beur­tei­lung. Zwar hat der Zeuge dort tat­säch­lich bekun­det, dass klar gewe­sen sei, dass „nicht jede Klei­nig­keit, nicht jede Erkäl­tung“ ange­ge­ben werden müsse. Von einer sol­chen „Klei­nig­keit“ kann bei Erkran­kun­gen, die zu einer län­ge­ren Arbeits­un­fä­hig­keit führen, aber nicht gespro­chen werden. Der Zeuge hat auch aus­drück­lich bekun­det, dass er die Throm­bo­se­er­kran­kung in das For­mu­lar auf­ge­nom­men hätte, wenn er von ihr gewusst hätte.

 

d) Dass der Kläger die Gesund­heits­fra­ge in dem Lebens­ver­si­che­rungs­an­trag bejaht hat,  ist kein ent­schei­den­des Argu­ment gegen eine Arg­list, da der Kläger selbst nicht gel­tend gemacht hat, die hier in Rede ste­hen­den Vor­er­kran­kun­gen dort kon­kret und voll­stän­dig ange­ge­ben zu haben.

 

e) Auf die Frage, ob — wie es das Land­ge­richt gemeint hat- die Kennt­nis des Klä­gers von den Vor­er­kran­kun­gen seiner Ehe­frau ein für die Annah­me einer Arg­list spre­chen­der Gesichts­punkt ist, weil sie im Wider­spruch zu dem Erin­ne­rungs­ver­mö­gen bezüg­lich eige­ner Erkran­kun­gen steht, kommt es hier­nach nicht mehr ent­schei­dend an.

 

4.  Dass die  Beklag­te den Ver­si­che­rungs­an­trag  bei Kennt­nis der ver­schwie­ge­nen  Umstän­de nicht unver­än­dert ange­nom­men hätte, ist vom Land­ge­richt als unstrei­ti­ge Tat­sa­che fest­ge­stellt.

 

B.

Auf die Frage, ob der Kläger bedin­gungs­ge­mäß berufs­un­fä­hig ist, kommt es hier­nach nicht mehr an.

 

III.

  1. Die Ent­schei­dun­gen über die Kosten und die vor­läu­fi­ge Voll­streck­bar­keit beru­hen auf §§ 97 Absatz 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
  2. Grund­sätz­li­che oder einer Rechts­fort­bil­dung bedürf­ti­ge Fragen wirft der Rechts­streit nicht auf. Eine Zulas­sung der Revi­si­on (§ 543 Absatz 2 Satz 1 ZPO) war daher nicht gebo­ten.

 

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