Jobsuche und Schwerbehindung — angeben oder verschweigen?
Gibt es aktualisierte Kriterien für die Einstufung in die Schwerbehindertenkategorien von Typ 1 Diabetikern? Darf man nach dem neuen Gleichstellungsgesetz eine “offizielle” Schwerbehinderung verschweigen?
Besten Dank von Ihrem “jahrzehntealtem Abonnent”,
Volkard S., per e‑Mail
Sehr geehrter Herr S.,
die in den sog. „Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit“ aufgestellten Kriterien zur Bewertung von Diabetes haben sich seit April 2004 nicht mehr geändert: generell gilt hiernach, dass für Typ 1 nur bei schwerer Einstellbarkeit der Krankheit eine Schwerbehinderung (=GdB von 50) festgestellt werden soll. Bei Typ 2 soll max. ein GdB von 30 vorliegen können. Ob diese pauschale Differenzierung zwischen Typ1 und Typ2 tatsächlich rechtlich haltbar ist, muss von Gerichten erst noch entschieden werden. Derzeit befasst sich das Landessozialgericht Stuttgart mit einem entsprechenden Fall; die Entscheidung wird für Mitte 2007 erwartet.
Die Einführung des Allgemeinen Gleichstellungsgesetzes (AGG) verbietet die Frage nach der Schwerbehinderung zwar nicht — der Arbeitgeber setzt sich hierdurch aber dem Verdacht der Diskriminierung aus.
Bislang sieht die — noch aus dem Jahr 1983 stammende — höchstrichterliche Entscheidungspraxis des Bundesarbeitsgerichts zwar vor, dass die Frage nach der Schwerbehinderung wahrheitsgemäß beantwortet werden muss. Diese Auffassung dürfte aber mit der EG Antidiskriminierungsrichtlinie 2000/78/EG v. 27.11.2000, dem AGG sowie dem verfassungsrechtlichen Diskriminierungsverbot nicht mehr vereinbar sein, so dass ich schon sei einiger Zeit dazu rate, im Zweifel die Schwerbehinderung zu verschweigen.
Im schlimmsten Fall könnte der Arbeitgeber später allenfalls versuchen, das Arbeitsverhältnis wegen Täuschung aufzulösen — ob ihm dies dann aber gelingt, halte ich für zweifelhaft. Das Risiko für Sie ist daher gering — die Wahrscheinlichkeit, dass Sie bei wahrheitsgemäßer Angabe den Job erst gar nicht erhalten, dürfte deutlich höher sein…
(Veröffentlicht im Diabetes-Journal (http://www.diabetes-journal.de)
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