ich bin arbeits­los und Hartz-IV-Emp­fän­ge­rin. Damit ich mir eine halb­wegs ver­nünf­ti­ge Woh­nung leis­ten kann, habe ich seit eini­ger Zeit einen Unter­mie­ter (eben­falls Hartz IV) auf­ge­nom­men, den ich auf dem Arbeits­amt ken­nen­ge­lernt habe. Wir ver­ste­hen uns zwar gut, haben aber ansons­ten keine Bezie­hung mit­ein­an­der; wir haben daher auch einen aus­drück­li­chen Unter­miet­ver­trag abge­schlos­sen.

Nun haben wir von der Arbeits­agen­tur den Bescheid erhal­ten, dass wir beide ja “ehe­ähn­lich” zusam­men­le­ben uns somit eine “Bedarfs­ge­mein­schaft” bilden würden — und uns ins­ge­samt daher die Leis­tun­gen gekürzt. Können wir uns dage­gen wehren ?

Silvia P., Det­mold


Sehr geehr­te Frau P.,

die Behör­de scheint hier von fal­schen Vor­aus­set­zun­gen aus­zu­ge­hen. Sie soll­ten daher — jeweils beide ! — umge­hend Wider­spruch gegen den Bescheid ein­le­gen.

Es ist zwar zutref­fend, dass beim Vor­lie­gen einer sog. “Bedarfs­ge­mein­schaft” sämt­li­che Ansprü­che und Ver­mö­gens­wer­te aller im Haus­halt leben­den Per­so­nen zusam­men­ge­rech­net werden. Hin­ter­grund dieser Rege­lung ist, dass zuerst der Ehe- oder Lebens­part­ner, bzw. enge Ver­wand­te für das Wohl eines Ange­hö­ri­gen zustän­dig sind. Der Staat bzw. die All­ge­mein­heit sollen erst dann ein­grei­fen müssen, wenn aus dem engs­ten Fami­li­en­kreis keine Hilfe geleis­tet werden kann. Grund­sätz­lich liegt eine Bedarfs­ge­mein­schaft nur vor, wenn der Arbeits­lo­se mit einem Bezie­hungs­part­ner (Ehe, ehe­ähn­li­che Gemein­schaft, ein­ge­tra­ge­ne Lebens­part­ner­schaf­ten) und/oder min­der­jäh­ri­gen und unver­hei­ra­te­ten Kin­dern in einem Haus­halt zusam­men­lebt. Ist der Arbeits­lo­se selbst min­der­jäh­rig und unver­hei­ra­tet, dann zählen auch seine im Haus­halt leben­den Eltern zur Bedarfs­ge­mein­schaft.

Sehr häufig gehen die Behör­den aber vor­schnell vom Vor­lie­gen einer sol­chen “Bedarfs­ge­mein­schaft” aus, was dann zu unrecht­mä­ßi­gen Kür­zun­gen des Leis­tungs­an­spruchs führt. Gerade bei ein­fa­chen Wohn­ge­mein­schaf­ten wird — wie auch in Ihrem Fall — schnell auf eine “ehe­ähn­li­che” Gemein­schaft geschlos­sen. Dies ist aber selbst­ver­ständ­lich nicht zuläs­sig. Nach der Recht­spre­chung der Sozi­al­ge­rich­te darf eine ehe­ähn­li­che Gemein­schaft nur dann ver­mu­tet werden, wenn eine tat­säch­li­che, auf Dauer ange­leg­te Lebens­ge­mein­schaft besteht und die Per­so­nen sich inner­lich so ver­bun­den sind, dass sie auch gegen­sei­tig für­ein­an­der ein­ste­hen wollen. Eine ehe­ähn­li­che Lebens­ge­mein­schaft besteht nach Auf­fas­sung des Lan­des­so­zi­al­ge­richt Nord­rhein-West­fa­len (Beschluss vom 17.02.2006 — Az.: L 19 B 85/05 AS ER) grund­sätz­lich erst ab einem Zusam­men­le­ben von min­des­tens drei Jahren.

Für die Annah­me einer Lebens­ge­mein­schaft würde bei­spiels­wei­se spre­chen, wenn ein gemein­sa­mes Kind exis­tiert, Kinder oder Ange­hö­ri­ge eines Part­ners gemein­sam im Haus­halt betreut bzw. ver­sorgt werden, ein gemein­sa­mes Konto bzw. eine Kon­to­voll­macht besteht oder sich die Per­so­nen gegen­sei­tig finan­zi­ell unter­stüt­zen.

Liegen also kei­ner­lei der­ar­ti­ge Anhalts­punk­te dafür vor, dass Sie mit Ihrem Mit­be­woh­ner mehr als nur die Woh­nung gemein­sam haben, dann darf die Behör­de nicht von einer Bedarfs­ge­mein­schaft aus­ge­hen.

(Ver­öf­fent­licht im Dia­be­tes-Jour­nal (http://www.diabetes-journal.de)

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