Ich bin Dia­be­ti­ker (Typ1, insu­lin­pflich­tig, 35 Jahre) und seit 10 Jahren als Arbei­ter in meinem Betrieb beschäf­tigt. Nun wurde mir und eini­gen ande­ren Kol­le­gen aus betrieb­li­chen Grün­den (“Ratio­na­li­sie­rungs­mass­nah­men”) gekün­digt und eine Abfin­dung in Höhe von 15.000 EUR ange­bo­ten. Das ist viel Geld für mich, aber ande­rer­seits möchte ich auch nichts falsch machen — was können Sie mir raten ?

Werner F., Frank­furt


Ohne dass ich Ihren Fall kon­kret kenne und auch in Ihre Ver­mö­gens­ver­hält­nis­se keinen Ein­blick habe: es spricht eigent­lich alles dage­gen, sich mit dem Geld ein­fach “abfin­den” zu lassen und kampf­los den Arbeits­platz auf­zu­ge­ben.
Aller­dings lässt sich das nicht nur in weni­gen Sätzen erläu­tern, so dass ich etwas weiter aus­ho­len will:

Zunächst stellt sich die Frage, wie lange denn das ver­meint­lich viele Geld reicht:

In aller Regel führt näm­lich ein Auf­he­bungs­ver­trag — ganz gleich­gül­tig, wie er for­mu­liert ist — zu einer Sperr­zeit beim Arbeits­amt, d.h. es wird 12 Wochen kein Arbeits­lo­sen­geld gezahlt. Zusätz­lich ver­kürzt sich der Leis­tungs­zeit­raum: wer also bei­spiels­wei­se an sich einen Anspruch auf Arbeits­lo­sen­geld für 48 Wochen hat, bekommt bei einer Sperr­zeit wegen Arbeits­auf­ga­be nicht etwa bloß 12 Wochen später seine (vollen) 48 Wochen Arbeits­lo­sen­geld. Viel­mehr erhält er im Anschluss an die 12wöchige Sperr­zeit nur noch für 36 Wochen Arbeits­lo­sen­geld.

Das ist aber noch alles:
Wird ein Arbeits­ver­hält­nis vor­zei­tig (d.h. vor einer gesetz­li­chen, tarif­li­chen oder arbeits­ver­trag­li­chen Kün­di­gungs­frist) durch Auf­he­bungs­ver­trag been­det, so geht das Arbeits­amt regel­mä­ßig davon aus, dass die Abfin­dung auch Ansprü­che auf Arbeits­ent­gelt ent­hält: unter Umstän­den ruht der Anspruch auf Arbeits­lo­sen­geld daher für meh­re­re Wochen und die Aus­zah­lung beginnt noch später.

Und auch wenn die Kün­di­gungs­fris­ten ein­ge­hal­ten werden: Die Abfin­dungs­sum­me wird zu einem gewis­sen Pro­zent­satz (mind. 20 Pro­zent) immer auf das Arbeits­lo­sen­geld ange­rech­net. Womög­lich besteht so erst nach vielen wei­te­ren Wochen ein Anspruch auf Arbeits­lo­sen­geld — im schlimms­ten Fall ist bis dahin die Abfin­dung durch die lau­fen­den Lebens­hal­tungs­kos­ten größ­ten­teils auf­ge­braucht.

Wich­tig: Wäh­rend dieser Sperr- oder Ruhe­zeit zahlt das Arbeits­amt auch keine Bei­trä­ge zur gesetz­li­chen Kranken‑, Pflege- und Ren­ten­ver­si­che­rung.

Und nicht ver­ges­sen: auch das Finanz­amt will Geld; in Ihrem Fall wäre nur ein Betrag von knapp 8.000 Euro steu­er­frei.

Neben dem finan­zi­el­len Aspekt muss Ihnen auch klar sein, dass es in der heu­ti­gen Situa­ti­on sehr schwie­rig ist, wieder einen neuen Arbeits­platz zu finden. Mög­li­cher­wei­se werden Ihnen auch durch Ihre Dia­be­tes-Erkran­kung zusätz­li­che Steine in den Weg gelegt.

Ich würde Ihnen also drin­gend emp­feh­len, sich vor dem Abschluss eines Auf­he­bungs­ver­tra­ges von einem Anwalt oder Gewerk­schafts­ver­tre­ter bera­ten zu lassen: es lohnt sich immer (noch), für den Arbeits­platz auch vor Gericht zu kämp­fen.

(Ver­öf­fent­licht im Dia­be­tes-Jour­nal (http://www.diabetes-journal.de)