Tenor

Die Klage wird abge­wie­sen.

Der Kläger trägt die Kosten des Ver­fah­rens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vor­läu­fig voll­streck­bar. Der Kläger kann die Voll­stre­ckung durch Sicher­heits­leis­tung oder Hin­ter­le­gung in Höhe von 110 v. H. des bei­zu­trei­ben­den Betra­ges abwen­den, wenn nicht der Beklag­te zuvor Sicher­heit in glei­cher Höhe leis­tet.

Gründe

Die Klage ist zuläs­sig, aber nicht begrün­det.

Der ableh­nen­de Bescheid der Bezirks­re­gie­rung ist recht­mä­ßig und ver­letzt den Kläger nicht in seinen Rech­ten. Er hat weder einen Anspruch auf Ein­stel­lung in das Beam­ten­ver­hält­nis auf Probe noch darauf, dass der Beklag­te über sein Ein­stel­lungs­be­geh­ren unter Beach­tung der Rechts­auf­fas­sung des Gerichts erneut ent­schei­det (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 und 2 VwGO). Die Ent­schei­dung des Beklag­ten, der Kläger ver­fü­ge nicht über die hier­für erfor­der­li­che gesund­heit­li­che Eig­nung, ist recht­lich nicht zu bean­stan­den.

Gemäß § 4 Abs. 3 Buch­sta­be a) BeamtStG kann in das Beam­ten­ver­hält­nis auf Probe beru­fen werden, wer zur spä­te­ren Ver­wen­dung als Beam­ter auf Lebens­zeit eine Pro­be­zeit ableis­ten muss. Vor­aus­set­zung für die Ein­stel­lung ist hier­nach unter ande­rem die Eig­nung für das Beam­ten­ver­hält­nis (vgl. Art. 33 Abs. 2 GG, § 9 BeamtStG), wozu auch die gesund­heit­li­che Eig­nung gehört. Vgl. Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt (BVerwG), Urteil vom 15. Juni 1989 — 2 A 3.86 , Buch­holz 232.1 § 7 BLV Nr. 4.

Der Kläger kann indes nicht mit Erfolg gel­tend machen, für ein Beam­ten­ver­hält­nis gesund­heit­lich geeig­net zu sein.

Die Ent­schei­dung über die Ein­stel­lung eines Bewer­bers liegt im pflicht­ge­mä­ßen Ermes­sen des Dienst­herrn. Die im Rahmen der Ermes­sens­ent­schei­dung vor­zu­neh­men­de Beur­tei­lung von Eig­nung, Befä­hi­gung und fach­li­cher Leis­tung ist ein Akt wer­ten­der Erkennt­nis, der vom Gericht nur beschränkt darauf zu über­prü­fen ist, ob die Ver­wal­tung den anzu­wen­den­den Begriff ver­kannt, der Beur­tei­lung einen unrich­ti­gen Tat­be­stand zugrun­de gelegt, all­ge­mein­gül­ti­ge Wert­maß­stä­be nicht beach­tet oder sach­wid­ri­ge Erwä­gun­gen ange­stellt hat. Vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Mai 1981 — 2 C 42/79 -, DÖD 1981, 257, m.w.N.

Hier­von aus­ge­hend ist es nach der vom erken­nen­den Gericht geteil­ten Recht­spre­chung des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts nicht zu bean­stan­den, die für die Über­nah­me in das Beam­ten­ver­hält­nis auf Probe erfor­der­li­che gesund­heit­li­che Eig­nung zu ver­nei­nen, wenn die Mög­lich­keit künf­ti­ger Erkran­kun­gen oder des Ein­tritts dau­ern­der Dienst­un­fä­hig­keit vor Errei­chen der Alters­gren­ze nicht mit einem hohen Grad an Wahr­schein­lich­keit aus­ge­schlos­sen werden kann. Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Febru­ar 1993 — 2 C 27/90 -, BVerw­GE 92, 147 und Beschluss vom 3. Juni 2004 — 2 B 52/03 -, juris; Ober­ver­wal­tungs­ge­richt für das Land Nord­rhein-West­fa­len (OVG NRW), Beschlüs­se vom 12. März 2008 — 6 A 4819/05 — und vom 11. März 2010 — 6 A 1004/08 -, jeweils www.nrwe.de.

Dabei kommt es nicht darauf an, dass der Kläger hier erst einmal “nur” die Beru­fung in ein Beam­ten­ver­hält­nis auf Probe begehrt. Liegen bereits vor Begrün­dung eines Pro­be­be­am­ten­ver­hält­nis­ses gesund­heit­li­che Risi­ken vor, bei deren Rea­li­sie­rung der Ein­tritt vor­zei­ti­ger Dienst­un­fä­hig­keit nicht mehr mit hoher Wahr­schein­lich­keit aus­ge­schlos­sen werden kann, kann der Dienst­herr von der Beru­fung des Bewer­bers in ein Beam­ten­ver­hält­nis über­haupt abse­hen. Dies gilt ins­be­son­de­re vor dem Hin­ter­grund, dass dem Beam­ten diese Umstän­de bei einer spä­te­ren Beru­fung in das Beam­ten­ver­hält­nis auf Lebens­zeit dann nicht mehr ent­ge­gen­ge­hal­ten werden können, wenn er in Kennt­nis dieser Risi­ko­fak­to­ren in das Beam­ten­ver­hält­nis auf Probe über­nom­men wurde und über die Ernen­nung in das Beam­ten­ver­hält­nis auf Lebens­zeit zu ent­schei­den ist, ohne dass es dann anschlie­ßend inner­halb der Pro­be­zeit zu einer kon­kre­ten Erkran­kung gekom­men ist. Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt, Urteil vom 24. Sep­tem­ber 2003 — 2 BvR 1436/02 -, NJW 2003, 3111; BVerwG, Urteil vom 19. März 1998 — 2 C 5.97 , BVerw­GE 106, 263 (267), m.w.N.; OVG NRW, Urteil vom 19. Novem­ber 2004 — 6 A 1720/02 -, www.nrwe.de.

Nach diesen Grund­sät­zen begeg­net die Ent­schei­dung des Beklag­ten, dem Kläger die gesund­heit­li­che Eig­nung als Lehrer im Beam­ten­ver­hält­nis abzu­spre­chen, keinen durch­grei­fen­den Beden­ken. Er hat viel­mehr rechts­feh­ler­frei auf­ge­zeigt, dass bei dem Kläger eine kör­per­li­che Ver­an­la­gung der Art vor­liegt, dass die Mög­lich­keit künf­ti­ger Erkran­kun­gen oder des vor­zei­ti­gen Ein­tritts dau­ern­der Dienst­un­fä­hig­keit nicht aus­ge­schlos­sen werden kann.

Den vor­lie­gen­den ärzt­li­chen Unter­su­chungs­be­rich­ten, Stel­lung­nah­men und Gut­ach­ten lassen sich unstrei­tig fol­gen­de Befun­de ent­neh­men:

Dia­be­tes mel­li­tus Typ 2 (ED 03/07)

Hier­bei han­delt es sich um eine Glu­ko­se­stoff­wech­sel­stö­rung mit Insu­lin­man­gel; eine ganze Reihe von Spät­kom­pli­ka­tio­nen können auf­tre­ten, u.a. Arte­rio­skle­ro­se. Vgl. Pschyrem­bel, Kli­ni­sches Wör­ter­buch, 258. Auf­la­ge, zum Stich­wort “Dia­be­tes mel­li­tus”

dia­be­tes­be­ding­te Neph­ro­pa­thie CKD Sta­di­um II Fett­stoff­wech­sel­stö­rung

Dies ist eine dia­be­tisch beding­te Schä­di­gung von Kapil­la­ren der Niere bei lang­jäh­ri­gem Dia­be­tes mel­li­tus mit einer Abnah­me der Fil­tra­ti­ons­ra­te um 6 — 12 ml/min pro Jahr. Hier­bei wird eine zuneh­men­de Nie­ren­in­suf­fi­zi­enz pro­gnos­ti­ziert, welche die häu­figs­te Ursa­che für eine Dia­ly­se­be­hand­lung ist. Vgl. Pschyrem­bel, a.a.O., zum Stich­wort “Neph­ro­pa­thie”.

Alte Myo­kar­di­tis
Bei der Myo­kar­di­tis han­delt es sich um eine ent­zünd­li­che Erkran­kung des Herz­mus­kels. Vgl. Pschyrem­bel, a.a.O., zum Stich­wort “Myo­kar­di­tis”.

Struma 1. Grades mit laten­ter Hypo­thy­reo­se
Hier­bei han­delt es sich um eine tast­ba­re Schwel­lung der Schild­drü­se am Hals mit laten­ter Unter­funk­ti­on der Schild­drü­se.
Vgl. Pschyrem­bel, a.a.O., zum Stich­wort “Struma”.

Allein in Folge der Dia­be­tes und der hier­durch her­vor­ge­ru­fe­nen Nie­ren­schä­di­gung ist die Schluss­fol­ge­rung des Beklag­ten nicht zu bean­stan­den, die Mög­lich­keit künf­ti­ger Erkran­kun­gen oder des Ein­tritts dau­ern­der Dienst­un­fä­hig­keit vor Errei­chen der Alters­gren­ze könne nicht mit einem hohen Grad an Wahr­schein­lich­keit aus­ge­schlos­sen werden.

Zucker­kran­ke Men­schen erlei­den viel häu­fi­ger schwe­re Erkran­kun­gen. Die Folgen können viel­fäl­tig sein: Hierzu gehö­ren zum Bei­spiel der Herz­in­farkt, Schlag­an­fall, Augen­er­kran­kun­gen mit Erblin­dungs­fol­ge, Nie­ren­funk­ti­ons­stö­run­gen bis hin zum Nie­ren­ver­sa­gen, Durch­blu­tungs­stö­run­gen in den Beinen und der gefürch­te­te dia­be­ti­sche Fuß. Im Ver­gleich zur All­ge­mein­be­völ­ke­rung ist bei Dia­be­ti­kern das Risiko für einen Herz­in­farkt um das 2–3fache, einen Schlag­an­fall um das 2–3fache, eine Augen­er­kran­kung mit Erblin­den um das 10–25fache, ein Nie­ren­ver­sa­gen um das 15–20fache und eine Bein­am­pu­ta­ti­on um das 25-fache erhöht (Quelle: Sta­tis­ti­sches Bun­des­amt 1999).

Ins­ge­samt lassen sich rund 80% aller Todes­fäl­le bei Dia­be­ti­kern auf eine fort­ge­schrit­te­ne Herz­kreis­lauf­erkran­kung mit Folgen wie Herz­in­farkt oder Schlag­an­fall zurück­füh­ren. Beson­ders betrof­fen sind über­ge­wich­ti­ge Typ 2 Dia­be­ti­ker, die neben dau­er­haft erhöh­ten Blut­zu­cker­wer­ten zusätz­lich unter einem Blut­hoch­druck und einer Fett­stoff­wech­sel­stö­rung leiden. Bei diesen Men­schen treten die krank­haf­ten Gefäß­ver­än­de­run­gen beson­ders früh auf, schrei­ten schnel­ler voran und errei­chen oft ein außer­ge­wöhn­lich großes Ausmaß. Heut­zu­ta­ge wird das Herz­kreis­lauf­ri­si­ko von Typ 2 Dia­be­ti­kern ähn­lich hoch ein­ge­schätzt wie bei Nicht-Dia­be­ti­kern, die in der Ver­gan­gen­heit bereits einen Herz­in­farkt erlit­ten haben. Vgl. www.diabetesdeutschland.de, her­aus­ge­ge­ben von Prof. Dr. med. Werner A. Scher­baum, Direk­tor der Klinik für Endo­kri­no­lo­gie, Dia­be­to­lo­gie und Rheu­ma­to­lo­gie des Uni­ver­si­täts­kli­ni­kums Düs­sel­dorf.

Eine Dia­be­tes­er­kran­kung vermag somit mit eini­ger Wahr­schein­lich­keit ver­schie­dens­te Fol­ge­er­kran­kun­gen und Spät­schä­den im Bereich des Herz-Kreis­lauf-Sys­tems, der Augen, des Ner­ven­sys­tems und — wie hier bereits mani­fest — der Nieren her­vor­zu­ru­fen, die auch eine vor­zei­ti­ge dau­ern­de Dienst­un­fä­hig­keit bewir­ken können.

Dieser Ein­schät­zung des Beklag­ten steht die zweite amts­ärzt­li­che Stel­lung­nah­me vom 13. August 2009 nicht ent­ge­gen. Nach­dem der Amts­arzt noch unter dem 22. Juli 2009 Beden­ken gegen die Ein­stel­lung in das Beam­ten­ver­hält­nis geäu­ßert hatte, hieß es nun­mehr, die dia­be­ti­sche Stoff­wech­sel­la­ge sei gut ein­ge­stellt und die Nie­ren­er­kran­kung werde der Dia­be­tes zuge­ord­net, sodass unter Berück­sich­ti­gung der Richt­li­ni­en über die Beschäf­ti­gung von Dia­be­ti­kern im öffent­li­chen Dienst gegen eine Ver­be­am­tung keine Beden­ken bestün­den.

Der Beklag­te hat sich dem nicht ange­schlos­sen. Dies ist nicht zu bean­stan­den. Der Amts­arzt stützt sich bei seiner Pro­gno­se auf die Richt­li­ni­en über die Ein­stel­lung von Dia­be­ti­kern im öffent­li­chen Dienst mit den darin in Bezug genom­me­nen Richt­li­ni­en der Deut­schen-Dia­be­tes-Gesell­schaft für die Ein­stel­lung von Dia­be­ti­kern in den öffent­li­chen Dienst vom 20. April 1982 (RdErl. d. Innen­mi­nis­ters vom 22. Novem­ber 1982 — II A‑1.10.00–6/82 — MBl. NRW 1982, S. 1918). Der Rund­erlass des Innen­mi­nis­ters vom 22. Novem­ber 1982 ist jedoch gemäß § 6 Abs. 2 der Ver­wal­tungs­ver­ord­nung über den Abschluss der Berei­ni­gung der Ver­wal­tungs­vor­schrif­ten vom 29. August 1961 (SMBl.NRW.1141) nicht mehr in Kraft. Nach dieser Rege­lung treten Ver­wal­tungs­vor­schrif­ten der Lan­des­re­gie­rung und der obers­ten Lan­des­be­hör­den, die nicht in die Samm­lung des berei­nig­ten Minis­te­ri­al­blat­tes für das Land Nord­rhein-West­fa­len (SMBl.NRW) auf­ge­nom­men werden und keine Beschrän­kung der Gel­tungs­dau­er ent­hal­ten, grund­sätz­lich fünf Jahre nach Ablauf des Jahres außer Kraft, in dem sie erlas­sen worden sind. Der Rund­erlass des Innen­mi­nis­ters vom 22. Novem­ber 1982, der diese Vor­aus­set­zun­gen erfüllt und dessen Wei­ter­gel­tung auch nicht aus­drück­lich ange­ord­net worden ist, hat seine Gül­tig­keit mithin bereits im Novem­ber 1987 ver­lo­ren. Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12.03.2008 — 6 A 4819/05 — , juris.

Unab­hän­gig davon sind diese Richt­li­ni­en hier auch des­halb nicht anwend­bar, weil sie aus dem Jahr 1982 stam­men und des­halb den vom Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt im Jahre 1993 ent­wi­ckel­ten, hier anzu­wen­den­den Maß­stab (Mög­lich­keit künf­ti­ger Erkran­kun­gen oder des Ein­tritts dau­ern­der Dienst­un­fä­hig­keit vor Errei­chen der Alters­gren­ze muss mit einem hohen Grad an Wahr­schein­lich­keit aus­ge­schlos­sen sein),
vgl. Urteil vom 25. Febru­ar 1993 — 2 C 27/90 -, BVerw­GE 92, 147, nicht berück­sich­tigt haben. Doch selbst, wenn die Richt­li­ni­en ange­wandt würden, könnte der Kläger hier­nach nicht in das Beam­ten­ver­hält­nis auf Probe ein­ge­stellt werden, weil es unter Nr. 3 heißt, dia­be­ti­sche Bewer­ber soll­ten frei von dia­be­tes­spe­zi­fi­schen Kom­pli­ka­tio­nen an Augen und Nieren sein. Das ist der Kläger wegen seiner Nie­ren­fol­ge­er­kran­kung aber gerade nicht.

Nach allem bedarf es auch keiner wei­te­ren Auf­klä­rung des Sach­ver­halts sei­tens des Gerichts durch Ein­ho­lung eines zusätz­li­chen Gut­ach­tens. Es liegen bereits meh­re­re privat- und amts­ärzt­li­che Gut­ach­ten und Stel­lung­nah­men zum Gesund­heits­zu­stand des Klä­gers vor, die hin­sicht­lich der Dia­gno­se hin­rei­chend aus­sa­ge­kräf­tig sind und im Wesent­li­chen über­ein­stim­men (vgl. § 98 VwGO i.V.m. § 412 Abs. 1 ZPO).

Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Ent­schei­dung über die vor­läu­fi­ge Voll­streck­bar­keit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Das Gericht lässt die Beru­fung nicht gemäß § 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO zu, weil es die Vor­aus­set­zun­gen des § 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO nicht für gege­ben erach­tet.

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