VG Düsseldorf, Urteil vom 7. Dezember 2010, Az. 2 K 7465/09
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v. H. des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
Der ablehnende Bescheid der Bezirksregierung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat weder einen Anspruch auf Einstellung in das Beamtenverhältnis auf Probe noch darauf, dass der Beklagte über sein Einstellungsbegehren unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut entscheidet (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 und 2 VwGO). Die Entscheidung des Beklagten, der Kläger verfüge nicht über die hierfür erforderliche gesundheitliche Eignung, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Gemäß § 4 Abs. 3 Buchstabe a) BeamtStG kann in das Beamtenverhältnis auf Probe berufen werden, wer zur späteren Verwendung als Beamter auf Lebenszeit eine Probezeit ableisten muss. Voraussetzung für die Einstellung ist hiernach unter anderem die Eignung für das Beamtenverhältnis (vgl. Art. 33 Abs. 2 GG, § 9 BeamtStG), wozu auch die gesundheitliche Eignung gehört. Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 15. Juni 1989 — 2 A 3.86 , Buchholz 232.1 § 7 BLV Nr. 4.
Der Kläger kann indes nicht mit Erfolg geltend machen, für ein Beamtenverhältnis gesundheitlich geeignet zu sein.
Die Entscheidung über die Einstellung eines Bewerbers liegt im pflichtgemäßen Ermessen des Dienstherrn. Die im Rahmen der Ermessensentscheidung vorzunehmende Beurteilung von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung ist ein Akt wertender Erkenntnis, der vom Gericht nur beschränkt darauf zu überprüfen ist, ob die Verwaltung den anzuwendenden Begriff verkannt, der Beurteilung einen unrichtigen Tatbestand zugrunde gelegt, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachwidrige Erwägungen angestellt hat. Vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Mai 1981 — 2 C 42/79 -, DÖD 1981, 257, m.w.N.
Hiervon ausgehend ist es nach der vom erkennenden Gericht geteilten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht zu beanstanden, die für die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe erforderliche gesundheitliche Eignung zu verneinen, wenn die Möglichkeit künftiger Erkrankungen oder des Eintritts dauernder Dienstunfähigkeit vor Erreichen der Altersgrenze nicht mit einem hohen Grad an Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann. Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Februar 1993 — 2 C 27/90 -, BVerwGE 92, 147 und Beschluss vom 3. Juni 2004 — 2 B 52/03 -, juris; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschlüsse vom 12. März 2008 — 6 A 4819/05 — und vom 11. März 2010 — 6 A 1004/08 -, jeweils www.nrwe.de.
Dabei kommt es nicht darauf an, dass der Kläger hier erst einmal “nur” die Berufung in ein Beamtenverhältnis auf Probe begehrt. Liegen bereits vor Begründung eines Probebeamtenverhältnisses gesundheitliche Risiken vor, bei deren Realisierung der Eintritt vorzeitiger Dienstunfähigkeit nicht mehr mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann, kann der Dienstherr von der Berufung des Bewerbers in ein Beamtenverhältnis überhaupt absehen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass dem Beamten diese Umstände bei einer späteren Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit dann nicht mehr entgegengehalten werden können, wenn er in Kenntnis dieser Risikofaktoren in das Beamtenverhältnis auf Probe übernommen wurde und über die Ernennung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zu entscheiden ist, ohne dass es dann anschließend innerhalb der Probezeit zu einer konkreten Erkrankung gekommen ist. Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 24. September 2003 — 2 BvR 1436/02 -, NJW 2003, 3111; BVerwG, Urteil vom 19. März 1998 — 2 C 5.97 , BVerwGE 106, 263 (267), m.w.N.; OVG NRW, Urteil vom 19. November 2004 — 6 A 1720/02 -, www.nrwe.de.
Nach diesen Grundsätzen begegnet die Entscheidung des Beklagten, dem Kläger die gesundheitliche Eignung als Lehrer im Beamtenverhältnis abzusprechen, keinen durchgreifenden Bedenken. Er hat vielmehr rechtsfehlerfrei aufgezeigt, dass bei dem Kläger eine körperliche Veranlagung der Art vorliegt, dass die Möglichkeit künftiger Erkrankungen oder des vorzeitigen Eintritts dauernder Dienstunfähigkeit nicht ausgeschlossen werden kann.
Den vorliegenden ärztlichen Untersuchungsberichten, Stellungnahmen und Gutachten lassen sich unstreitig folgende Befunde entnehmen:
Diabetes mellitus Typ 2 (ED 03/07)
Hierbei handelt es sich um eine Glukosestoffwechselstörung mit Insulinmangel; eine ganze Reihe von Spätkomplikationen können auftreten, u.a. Arteriosklerose. Vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 258. Auflage, zum Stichwort “Diabetes mellitus”
diabetesbedingte Nephropathie CKD Stadium II Fettstoffwechselstörung
Dies ist eine diabetisch bedingte Schädigung von Kapillaren der Niere bei langjährigem Diabetes mellitus mit einer Abnahme der Filtrationsrate um 6 — 12 ml/min pro Jahr. Hierbei wird eine zunehmende Niereninsuffizienz prognostiziert, welche die häufigste Ursache für eine Dialysebehandlung ist. Vgl. Pschyrembel, a.a.O., zum Stichwort “Nephropathie”.
Alte Myokarditis
Bei der Myokarditis handelt es sich um eine entzündliche Erkrankung des Herzmuskels. Vgl. Pschyrembel, a.a.O., zum Stichwort “Myokarditis”.
Struma 1. Grades mit latenter Hypothyreose
Hierbei handelt es sich um eine tastbare Schwellung der Schilddrüse am Hals mit latenter Unterfunktion der Schilddrüse.
Vgl. Pschyrembel, a.a.O., zum Stichwort “Struma”.
Allein in Folge der Diabetes und der hierdurch hervorgerufenen Nierenschädigung ist die Schlussfolgerung des Beklagten nicht zu beanstanden, die Möglichkeit künftiger Erkrankungen oder des Eintritts dauernder Dienstunfähigkeit vor Erreichen der Altersgrenze könne nicht mit einem hohen Grad an Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden.
Zuckerkranke Menschen erleiden viel häufiger schwere Erkrankungen. Die Folgen können vielfältig sein: Hierzu gehören zum Beispiel der Herzinfarkt, Schlaganfall, Augenerkrankungen mit Erblindungsfolge, Nierenfunktionsstörungen bis hin zum Nierenversagen, Durchblutungsstörungen in den Beinen und der gefürchtete diabetische Fuß. Im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung ist bei Diabetikern das Risiko für einen Herzinfarkt um das 2–3fache, einen Schlaganfall um das 2–3fache, eine Augenerkrankung mit Erblinden um das 10–25fache, ein Nierenversagen um das 15–20fache und eine Beinamputation um das 25-fache erhöht (Quelle: Statistisches Bundesamt 1999).
Insgesamt lassen sich rund 80% aller Todesfälle bei Diabetikern auf eine fortgeschrittene Herzkreislauferkrankung mit Folgen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall zurückführen. Besonders betroffen sind übergewichtige Typ 2 Diabetiker, die neben dauerhaft erhöhten Blutzuckerwerten zusätzlich unter einem Bluthochdruck und einer Fettstoffwechselstörung leiden. Bei diesen Menschen treten die krankhaften Gefäßveränderungen besonders früh auf, schreiten schneller voran und erreichen oft ein außergewöhnlich großes Ausmaß. Heutzutage wird das Herzkreislaufrisiko von Typ 2 Diabetikern ähnlich hoch eingeschätzt wie bei Nicht-Diabetikern, die in der Vergangenheit bereits einen Herzinfarkt erlitten haben. Vgl. www.diabetesdeutschland.de, herausgegeben von Prof. Dr. med. Werner A. Scherbaum, Direktor der Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Rheumatologie des Universitätsklinikums Düsseldorf.
Eine Diabeteserkrankung vermag somit mit einiger Wahrscheinlichkeit verschiedenste Folgeerkrankungen und Spätschäden im Bereich des Herz-Kreislauf-Systems, der Augen, des Nervensystems und — wie hier bereits manifest — der Nieren hervorzurufen, die auch eine vorzeitige dauernde Dienstunfähigkeit bewirken können.
Dieser Einschätzung des Beklagten steht die zweite amtsärztliche Stellungnahme vom 13. August 2009 nicht entgegen. Nachdem der Amtsarzt noch unter dem 22. Juli 2009 Bedenken gegen die Einstellung in das Beamtenverhältnis geäußert hatte, hieß es nunmehr, die diabetische Stoffwechsellage sei gut eingestellt und die Nierenerkrankung werde der Diabetes zugeordnet, sodass unter Berücksichtigung der Richtlinien über die Beschäftigung von Diabetikern im öffentlichen Dienst gegen eine Verbeamtung keine Bedenken bestünden.
Der Beklagte hat sich dem nicht angeschlossen. Dies ist nicht zu beanstanden. Der Amtsarzt stützt sich bei seiner Prognose auf die Richtlinien über die Einstellung von Diabetikern im öffentlichen Dienst mit den darin in Bezug genommenen Richtlinien der Deutschen-Diabetes-Gesellschaft für die Einstellung von Diabetikern in den öffentlichen Dienst vom 20. April 1982 (RdErl. d. Innenministers vom 22. November 1982 — II A‑1.10.00–6/82 — MBl. NRW 1982, S. 1918). Der Runderlass des Innenministers vom 22. November 1982 ist jedoch gemäß § 6 Abs. 2 der Verwaltungsverordnung über den Abschluss der Bereinigung der Verwaltungsvorschriften vom 29. August 1961 (SMBl.NRW.1141) nicht mehr in Kraft. Nach dieser Regelung treten Verwaltungsvorschriften der Landesregierung und der obersten Landesbehörden, die nicht in die Sammlung des bereinigten Ministerialblattes für das Land Nordrhein-Westfalen (SMBl.NRW) aufgenommen werden und keine Beschränkung der Geltungsdauer enthalten, grundsätzlich fünf Jahre nach Ablauf des Jahres außer Kraft, in dem sie erlassen worden sind. Der Runderlass des Innenministers vom 22. November 1982, der diese Voraussetzungen erfüllt und dessen Weitergeltung auch nicht ausdrücklich angeordnet worden ist, hat seine Gültigkeit mithin bereits im November 1987 verloren. Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12.03.2008 — 6 A 4819/05 — , juris.
Unabhängig davon sind diese Richtlinien hier auch deshalb nicht anwendbar, weil sie aus dem Jahr 1982 stammen und deshalb den vom Bundesverwaltungsgericht im Jahre 1993 entwickelten, hier anzuwendenden Maßstab (Möglichkeit künftiger Erkrankungen oder des Eintritts dauernder Dienstunfähigkeit vor Erreichen der Altersgrenze muss mit einem hohen Grad an Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen sein),
vgl. Urteil vom 25. Februar 1993 — 2 C 27/90 -, BVerwGE 92, 147, nicht berücksichtigt haben. Doch selbst, wenn die Richtlinien angewandt würden, könnte der Kläger hiernach nicht in das Beamtenverhältnis auf Probe eingestellt werden, weil es unter Nr. 3 heißt, diabetische Bewerber sollten frei von diabetesspezifischen Komplikationen an Augen und Nieren sein. Das ist der Kläger wegen seiner Nierenfolgeerkrankung aber gerade nicht.
Nach allem bedarf es auch keiner weiteren Aufklärung des Sachverhalts seitens des Gerichts durch Einholung eines zusätzlichen Gutachtens. Es liegen bereits mehrere privat- und amtsärztliche Gutachten und Stellungnahmen zum Gesundheitszustand des Klägers vor, die hinsichtlich der Diagnose hinreichend aussagekräftig sind und im Wesentlichen übereinstimmen (vgl. § 98 VwGO i.V.m. § 412 Abs. 1 ZPO).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Das Gericht lässt die Berufung nicht gemäß § 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO zu, weil es die Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO nicht für gegeben erachtet.
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