Lehrer müssen vor Klass­wen­fahrt etwa­ige gesund­heit­li­che Pro­ble­me der Schü­ler abklä­ren

Tenor

Die Ange­klag­ten sind jeweils der fahr­läs­si­gen Tötung durch Unter­las­sen schul­dig.

Die Ange­klag­te P. wird zu einer Geld­stra­fe von 180 Tages­sät­zen zu je 130,00 EUR ver­ur­teilt.

Die Ange­klag­te S. wird zu einer Geld­stra­fe von 180 Tages­sät­zen zu je 40,00 EUR ver­ur­teilt.

Hier­von gelten jeweils 20 Tages­sät­ze als voll­streckt.

Die Kosten des Ver­fah­rens und die den Neben­klä­gern erwach­se­nen not­wen­di­gen Aus­la­gen tragen die Ange­klag­ten.

Jeweils ange­wen­de­te Vor­schrif­ten: §§ 222, 13 Abs. 1 StGB.

Gründe

I.

Zur Person der Ange­klag­ten hat die Kammer fol­gen­de Fest­stel­lun­gen getrof­fen:

1. Die am N01 in B. gebo­re­ne Ange­klag­te P. ist geschie­den und hat zwei erwach­se­ne Kinder. Ihre 26 Jahre alte Toch­ter lebt in einem eige­nen Haus­halt. Ihr 20jähriger Sohn absol­viert der­zeit eine Aus­bil­dung, für die er eine Ver­gü­tung von monat­lich etwa 1.000,00 EUR erhält. Er lebt (ohne finan­zi­el­le Betei­li­gung) im Haus­halt der Ange­klag­ten; Unter­halts­leis­tun­gen der Ange­klag­ten erhält er nicht.

Die Ange­klag­te ist seit etwa 28 Jahren Leh­re­rin für die Fächer Deutsch und Eng­lisch und seit dem Jahr 2011 an der ZK.-Gesamtschule in Mön­chen­glad­bach tätig. Sie ist in der Besol­dungs­grup­pe A 13, Alters­stu­fe 12, ein­grup­piert. Ihr monat­li­ches Net­to­ge­halt beläuft sich auf 4.611,68 EUR, wovon sie Bei­trä­ge zur pri­va­ten Kran­ken- und Ren­ten­ver­si­che­rung in Höhe von 461,19 EUR erbringt.

Die Ange­klag­te kon­su­miert keine Drogen und keinen Alko­hol. Sie ist straf­recht­lich nicht vor­be­las­tet.

2. Die am N02 in R. gebo­re­ne Ange­klag­te S. ist ver­hei­ra­tet und hat eine sechs Monate alte Toch­ter, die in dem Haus­halt der Ange­klag­ten und ihres voll­schich­tig arbei­ten­den Ehe­man­nes lebt.

Die Ange­klag­te ist seit etwa acht Jahren Leh­re­rin für die Fächer Deutsch und Spa­nisch und seit dem Jahr 2017 an der ZK.-Gesamtschule beschäf­tigt. Sie ist in der Besol­dungs­grup­pe A 13 ein­grup­piert, befin­det sich gegen­wär­tig jedoch in Eltern­zeit. Das Eltern­geld beläuft sich auf (netto) 1.800,00 EUR, von dem sie für sich und ihre Toch­ter Bei­trä­ge zur pri­va­ten Kran­ken- und Ren­ten­ver­si­che­rung in Höhe von 313,00 EUR erbringt.

Die Ange­klag­te kon­su­miert keine Drogen und keinen Alko­hol. Sie ist straf­recht­lich nicht vor­be­las­tet.

II.

Zur Sache hat die Haupt­ver­hand­lung Fol­gen­des erge­ben:

X1s Dia­be­tes­er­kran­kung

Die am …2005 gebo­re­ne Geschä­dig­te X1 Y. litt seit ihrem sieb­ten Lebens­jahr an Dia­be­tes mel­li­tus Typ I. Diese Auto­im­mun­erkran­kung macht eine lebens­lan­ge Insu­lin­sub­sti­tu­ti­on not­wen­dig, wobei zwi­schen der täg­li­chen Insulin­do­sis für den Grund­be­darf des Kör­pers (sog. Basa­l­in­su­lin) und der in Abhän­gig­keit von der Nah­rungs­auf­nah­me und wei­te­ren Umstän­den (Sport, Stress, hor­mo­nel­le Ver­än­de­run­gen) zu ermit­teln­den Insulin­do­sis (sog. Bolu­s­in­su­lin) zu unter­schei­den ist. Der neben dem Basa­l­in­su­lin­be­darf erfor­der­li­che Bedarf an Bolu­s­in­su­lin wird mit­tels eines Blut­zu­cker­mess­ge­räts bestimmt, das täg­lich mehr­ma­li­ge Mes­sun­gen erfor­dert. X1 nutzte seit dem Jahr 2014 ein manu­ell zu bedie­nen­des Blut­zu­cker­mess­ge­rät, für das mit einer Stech­hil­fe Blut im Bereich der Fin­ger­kup­pen ent­nom­men und auf einen Test­strei­fen auf­ge­bracht wird, sowie für die Gabe von Insu­lin eine am Körper getra­ge­ne Insu­lin­pum­pe. Mit­tels der Insu­lin­pum­pe erfolg­te über einen — jeweils 48 Stun­den in der Haut ver­blei­ben­den — Kathe­ter die kon­ti­nu­ier­li­che Gabe des erfor­der­li­chen Basa­l­in­su­lins. Die in Abhän­gig­keit von Nah­rung und ggf. wei­te­ren den Blut­zu­cker beein­flus­sen­den Umstän­den zu steu­ern­de Zufüh­rung des Bolu­s­in­su­lins erfor­der­te eine ergän­zen­de Ein- und Frei­ga­be an der Insu­lin­pum­pe. Das Blut­zu­cker­mess­ge­rät über­trug dabei den manu­ell gemes­se­nen Blut­zu­cker­wert mit­tels Funk an die Insu­lin­pum­pe. Die Pumpe berech­ne­te dar­auf­hin die erfor­der­li­che Bolu­s­in­sulin­do­sis und schlug diese als Bolu­s­in­su­lin­ga­be vor, die X1 hän­disch frei­ge­ben musste. Mög­lich war aber auch eine eigene oder kor­ri­gie­ren­de Ein­ga­be von Mess­wer­ten in die Pumpe mit der Folge einer abwei­chen­den Bolu­s­in­sulin­do­sis.

X1 war Schü­le­rin an der ZK.-Gesamtschule in Mön­chen­glad­bach, an der auch die Ange­klag­ten P. und S. unter­rich­te­ten. Bei Auf­nah­me an der Gesamt­schu­le im Schul­jahr 2015/2016 gab X1s Mutter, die Neben­klä­ge­rin und Zeugin T. Y., die X1s ein­zi­ge gesetz­li­che Ver­tre­te­rin war, im Auf­nah­me­bo­gen an, dass X1 unter Dia­be­tes Typ I leide und eine Insu­lin­pum­pe habe. Dies wurde ent­spre­chend in X1s Schul­ak­te ver­merkt. Die Zeugin Y. infor­mier­te zudem die dama­li­ge erste Klas­sen­leh­re­rin, die Zeugin HH. IQ., aus­führ­lich über X1s Erkran­kung, mög­li­che Warn­zei­chen für eine Stoff­wech­sel­ent­glei­sung (u.a. Ver­fär­bung der Augen, Bauch­schmer­zen) und das erfor­der­li­che Dia­be­tes­ma­nage­ment. Ein ent­spre­chen­der “Merk­zet­tel” befand sich im Klas­sen­buch, in das auch Fach- und Ver­tre­tungs­leh­rer Ein­sicht nehmen konn­ten, sich auf diesem Weg über X1s Erkran­kung in Kennt­nis setz­ten und daher von X1s Erkran­kung wuss­ten. Als X1s Klasse im Schul­jahr 2018/2019 durch den Zeugen LI. KJ. über­nom­men wurde, infor­mier­te sich dieser über X1s Vor­er­kran­kung durch Ein­sicht­nah­me in deren Schul­ak­te und einen per­sön­li­chen Aus­tausch mit der Zeugin IQ.. Anlass­be­zo­gen, z.B. bei einem Eltern­sprech­tag, unter­rich­te­te auch die Zeugin Y. den Zeugen KJ..

Tat­ge­sche­hen

Im Jahr 2019 ver­an­stal­te­te die ZK.-Gesamtschule eine klas­sen- und jahr­gangs­über­grei­fen­de Schul­fahrt nach London, Groß­bri­tan­ni­en. An der Orga­ni­sa­ti­on und Durch­füh­rung waren die beiden Ange­klag­ten sowie die geson­dert Ver­folg­ten VT. DO. und NT. WK. gleich­be­rech­tigt betei­ligt. Eine Ver­tei­lung von Auf­ga­ben­be­rei­chen gab es zwi­schen ihnen nicht; alle vier waren für die gesam­te Orga­ni­sa­ti­on gemein­sam ver­ant­wort­lich. Für die Fahrt hatten sich im Vor­feld über 70 Schü­ler aus den Jahr­gän­gen 8 bis 12, dar­un­ter auch die Geschä­dig­te X1 Y., ange­mel­det. Die Ange­klag­ten kann­ten X1 nicht, da sie diese zu keinem Zeit­punkt unter­rich­tet hatten.

Zur Vor­be­rei­tung der Lon­don­fahrt fand am 09.05.2019 in den Räum­lich­kei­ten der ZK.-Gesamtschule eine unver­bind­li­che Infor­ma­ti­ons­ver­an­stal­tung für die teil­neh­men­den Schü­ler und ihre Eltern statt. In der Ein­la­dung zum Infor­ma­ti­ons­abend waren Ort und Zeit der Ver­an­stal­tung ange­ge­ben sowie der Hin­weis, dass die Mög­lich­keit zur Beant­wor­tung etwa­iger Fragen bestehe. Zudem wurde darum gebe­ten, den Per­so­nal­aus­weis mit­zu­brin­gen. Eine Tages­ord­nung mit einer pro­gram­ma­ti­schen und zeit­li­chen Glie­de­rung der unver­bind­li­chen Infor­ma­ti­ons­ver­an­stal­tung war nicht bei­gefügt; einen Hin­weis darauf, dass auf der Infor­ma­ti­ons­ver­an­stal­tung auch gesund­heit­li­che Themen erör­tert würden, gab es in der Ein­la­dung dem­entspre­chend nicht.

Die Ver­an­stal­tung wurde von beiden Ange­klag­ten durch­ge­führt, wobei die Ange­klag­te S. zu Beginn der Ver­an­stal­tung am Ein­gang der Schule saß, die für die Schul­fahrt erfor­der­li­chen Aus­weis­do­ku­men­te der anwe­sen­den Teil­neh­mer ein­sam­mel­te und hier­von Kopien fer­tig­te. Sie stieß erst gegen Ende der Ver­an­stal­tung dazu. Die Ange­klag­te P. mode­rier­te die etwa 45 Minu­ten andau­ern­de Infor­ma­ti­ons­ver­an­stal­tung, im Rahmen derer sie u.a. über Hin- und Rück­fahrt­zei­ten, erfor­der­li­che per­sön­li­che Doku­men­te, not­wen­di­ges Gepäck, die Unter­kunft und das Pro­gramm vor Ort sowie all­ge­mei­ne Ver­hal­tens­re­geln (Erkun­den von London in Schü­ler-Klein­grup­pen, Nacht­ru­he, keine Drogen, kein Alko­hol, keine Ziga­ret­ten) infor­mier­te. Sie fragte im Plenum zudem nach gesund­heit­li­chen Beson­der­hei­ten der Teil­neh­mer und wies darauf hin, dass etwaig erfor­der­li­che Medi­ka­men­te selbst mit­ge­führt werden müss­ten. Im Anschluss daran gab sie den Anwe­sen­den Gele­gen­heit zur Nach­fra­ge und zu einem Gespräch unter vier Augen. Das nutz­ten einige Eltern, um die Ange­klag­te P. auf Vor­er­kran­kun­gen oder Rei­se­übel­keit ihrer Kinder hin­zu­wei­sen.

An der Infor­ma­ti­ons­ver­an­stal­tung am 09.05.2019 nahmen auch die damals 13jährige Geschä­dig­te X1 Y. sowie der Lebens­ge­fähr­te von X1s Mutter, der Zeuge LI. MT., teil. Weder X1 noch der Zeuge MT. teil­ten den Ange­klag­ten an dem Abend (münd­lich oder schrift­lich) mit, dass X1 unter Dia­be­tes Typ I leide. Ob sie die münd­li­che Abfra­ge der Ange­klag­ten P. nach gesund­heit­li­chen Beson­der­hei­ten der Teil­neh­mer im Vor­trags­teil der Ver­an­stal­tung und den Hin­weis auf die Mög­lich­keit eines per­sön­li­chen Gesprächs im Anschluss an die Ver­an­stal­tung über­haupt wahr­nah­men, konnte nicht fest­ge­stellt werden.

Anders als bei Klas­sen­fahr­ten an der ZK.-Gesamtschule üblich und ver­pflich­tend frag­ten die Ange­klag­ten weder vor oder wäh­rend noch nach dem Infor­ma­ti­ons­abend im Mai 2019 das Vor­lie­gen von chro­ni­schen Erkran­kun­gen, Vor­er­kran­kun­gen oder gesund­heit­li­chen Beson­der­hei­ten und die Not­wen­dig­keit einer bestimm­ten Medi­ka­ti­on schrift­lich bei den Erzie­hungs­be­rech­tig­ten der min­der­jäh­ri­gen Schü­ler, also auch nicht bei der Erzie­hungs­be­rech­tig­ten von X1, der Zeugin Y., und den voll­jäh­ri­gen Schü­lern ab. Wäre eine solche ver­bind­li­che schrift­li­che Abfra­ge — ins­be­son­de­re unter Hin­weis auf den Umstand, dass die Ange­klag­ten und die geson­dert Ver­folg­ten DO. und WK. als beglei­ten­des Lehr­per­so­nal nicht alle der teil­neh­men­den Schü­ler kann­ten, wie auch X1 nicht — erfolgt, hätte die Zeugin Y. jeden­falls X1s Dia­be­tes­er­kran­kung ange­ge­ben, wenn nicht sogar das erfor­der­li­che Dia­be­tes­ma­nage­ment (regel­mä­ßi­ge Blut­zu­cker­mes­sun­gen, Insu­lin­ga­be über Insu­lin­pum­pe, Warn­zei­chen für Über- und Unter­zu­cke­rung) ergän­zend münd­lich oder schrift­lich dar­ge­legt. Die beiden Ange­klag­ten nahmen auch nicht Ein­sicht in X1s Schul­ak­te oder infor­mier­ten sich bei X1s dama­li­gen Klas­sen- und Fach­leh­rern über gesund­heit­li­che Beson­der­hei­ten. Hätten sie die vor­ste­hend beschrie­be­ne schrift­li­che Abfra­ge bei der Zeugin Y. durch­ge­führt, in die Schul­ak­te Ein­sicht genom­men oder sich bei X1s Klas­sen- bzw. Fach­leh­rern infor­miert, wäre ihnen X1s Dia­be­tes­er­kran­kung vor Beginn der Lon­don­fahrt bekannt gewor­den. Tat­säch­lich erfuh­ren sie hier­von erst am Tag der Rück­fahrt aus London (siehe unten).

Bereits im Zeit­punkt der Durch­füh­rung der Infor­ma­ti­ons­ver­an­stal­tung im Mai 2019 und auch noch danach war den Ange­klag­ten die immens wich­ti­ge Bedeu­tung der Kennt­nis von gesund­heit­li­chen Beson­der­hei­ten, Vor­er­kran­kun­gen und chro­ni­schen Erkran­kun­gen und einer ggf. not­wen­di­gen Medi­ka­ti­on der mit­fah­ren­den Schü­ler, dar­un­ter auch X1, bewusst. Dass eine chro­nisch erkrank­te, erst 13 Jahre alte Schü­le­rin wie X1, die auf die regel­mä­ßi­ge Gabe eines lebens­wich­ti­gen Medi­ka­ments — hier: Insu­lin — ange­wie­sen ist und von deren Erkran­kung die beglei­ten­den Lehrer auf­grund der unter­las­se­nen schrift­li­chen Gesund­heits­da­ten­ab­fra­ge jedoch nichts wuss­ten, im Rahmen einer Schul­fahrt gerade auf­grund dieser Unkennt­nis und dadurch beding­tem Fehl­ver­hal­ten in der Betreu­ung einer sol­chen Schü­le­rin ster­ben könnte, war objek­tiv und für die Ange­klag­ten nach ihren sub­jek­ti­ven Kennt­nis­sen vor­her­seh­bar.

Einige Tage vor der Lon­don­fahrt zeigte X1s bisher im Wesent­li­chen sta­bi­le Stoff­wech­sel­la­ge — mög­li­cher­wei­se auf­grund der Auf­re­gung mit Blick auf die Lon­don­fahrt und/oder hor­mo­nel­le Ver­än­de­rung infol­ge der Puber­tät — Ent­glei­sun­gen nach oben (Über­zu­cke­rung) und nach unten (Unter­zu­cke­rung). X1 und/oder ihrer Mutter bzw. dem Zeugen MT. gelang es jedoch, die ent­gleis­ten Werte durch ent­spre­chen­de Gabe von Insu­lin oder Auf­nah­me von Nah­rung zu regu­lie­ren und die insta­bi­le Stoff­wech­sel­la­ge jeweils zu sta­bi­li­sie­ren.

Die Lon­don­fahrt fand im Zeit­raum vom 26. bis zum 29.09.2019 statt. Sie nahm im Ein­zel­nen fol­gen­den Ver­lauf:

Mitt­woch, 26.06.2019

Am Mitt­woch­abend begann die Fahrt nach London, an der X1 Y. sowie die Ange­klag­ten und die geson­dert Ver­folg­ten DO. und WK. als Lehr­per­so­nal teil­nah­men. Im Zeit­punkt der Abrei­se in Mön­chen­glad­bach lag keinem der vor­ge­nann­ten Lehrer eine schrift­li­che Erklä­rung der Zeugin Y. zu Vor­er­kran­kun­gen, chro­ni­schen Erkran­kun­gen oder gesund­heit­li­chen Beson­der­hei­ten betref­fend X1 vor. Auch hatten sie zu diesem Zeit­punkt nicht in X1s Schul­ak­te Ein­sicht genom­men oder sich bei X1s Klas­sen- und Fach­leh­rern bezüg­lich gesund­heit­li­cher Beson­der­hei­ten infor­miert.

Don­ners­tag, 27.06.2019

Am Don­ners­tag­mor­gen erreich­te der Rei­se­bus London. X1 bezog mit den damals 14jährigen Zeu­gin­nen GW. RU. und SE. KR., mit denen sie befreun­det war, ein gemein­sa­mes Hotel­zim­mer. Eine Blut­zu­cker­mes­sung um 12:15 Uhr ergab einen Wert von 542 mg/dl, was gegen­über dem ange­streb­ten Nor­mal­wert von 90 bis 180 mg/dl schon deut­lich erhöht war. X1 ver­an­lass­te dar­auf­hin die Gabe von 12 Insu­lin­ein­hei­ten (IE) über ihre Insu­lin­pum­pe. Bei der wei­te­ren Blut­zu­cker­mes­sung um 14:12 Uhr ver­zeich­ne­te das Mess­ge­rät einen Wert von 283 mg/dl. X1 ver­an­lass­te die Gabe von 12,3 IE. Bei der Mes­sung um 14:12 Uhr han­del­te es sich um die letzte vom Mess­ge­rät auf die Insu­lin­pum­pe auto­ma­tisch über­tra­ge­ne Blut­zu­cker­mes­sung auf der gesam­ten Reise.

Nach dem ver­pflich­ten­den Aus­flugs­pro­gramm bega­ben sich X1, die Zeu­gin­nen KR. und RU., die Zeugen AH. YN., GY. XG. und OT. OI. etwa gegen 17/17:30 Uhr in ein chi­ne­si­sches Restau­rant. Dort aßen X1 und die Zeugin KR. das glei­che scharf gewürz­te Essen. Nach der Rück­kehr ins Hotel fühl­ten sich beide unwohl und erbra­chen sich. Wäh­rend es der Zeugin KR. bereits am späten Abend wieder besser ging, setzte sich bei X1 ein regel­mä­ßi­ges Erbre­chen am Abend und in der Nacht fort.

Als es der Zeugin KR. besser ging, infor­mier­te sie noch am späten Don­ners­tag­abend die im Auf­ent­halts­raum des Hotels befind­li­chen Ange­klag­ten dar­über, dass X1 und sie sich über­ge­ben hätten und es ver­mut­lich an dem zuvor ein­ge­nom­me­nen chi­ne­si­schen Essen liege. Eine Nach­schau sei­tens der Ange­klag­ten und der geson­dert Ver­folg­ten DO. und WK. erfolg­te hier­auf nicht.

Frei­tag, 28.06.2019

Am frühen Morgen des Frei­tags ging es X1 wei­ter­hin schlecht: Zwar hatte das Erbre­chen zwi­schen­zeit­lich auf­ge­hört, sie litt jedoch wei­ter­hin unter Übel­keit und Kopf­schmer­zen. Im Rahmen des Früh­stücks gegen 07:30/08:00 Uhr wies die Zeugin KR. die Ange­klag­te P. auf X1s Erbre­chen in der Nacht und deren anhal­ten­des Unwohl­sein hin. Die Ange­klag­te P. erklär­te, sie werde nach X1 schau­en, was sie jedoch nicht tat.

Die Zeugin RU. fühlte sich an diesem Morgen wegen einer erkäl­tungs­be­ding­ten Ent­zün­dung am Auge unwohl. Sie war daher nicht zuvor mit zum Früh­stück gegan­gen, son­dern im Zimmer geblie­ben. Etwa gegen 09:30/10.00 Uhr bega­ben sich die Zeu­gin­nen KR. und RU. zu den Ange­klag­ten und erklär­ten erneut, dass es X1 auf­grund des nächt­li­chen Erbre­chens nicht gut gehe und sie beide — X1 und die Zeugin RU. — krank­heits­be­dingt nicht am Aus­flugs­pro­gramm teil­neh­men könn­ten. Die Ange­klag­ten erlaub­ten X1 und der Zeugin RU., auf dem Hotel­zim­mer zu blei­ben, wiesen sie aber an, sich bei einer Ver­schlech­te­rung ihres Zustands zu melden. Eine Nach­schau der Ange­klag­ten und der geson­dert Ver­folg­ten DO. und WK. erfolg­te auch zu diesem Zeit­punkt nicht.

X1 und die Zeugin RU. legten sich zunächst schla­fen. Nach­dem sie erwacht war, musste X1 sich erneut über­ge­ben. Um 11:49 Uhr gab sie in die Insu­lin­pum­pe manu­ell den Wert “151 mg/dl” ein, der nicht dem tat­säch­li­chen — deut­lich höhe­ren — Blut­zu­cker­wert ent­sprach. Es erfolg­te eine Abgabe von 15 IE Bolu­s­in­su­lin. Um 13.43 Uhr erfolg­te eine wei­te­re manu­el­le Ein­ga­be des Wertes “188 mg/dl” in die Insu­lin­pum­pe. Auch inso­weit ent­sprach der ein­ge­ge­be­ne Wert nicht dem zu diesem Zeit­punkt schon deut­lich erhöh­ten Blut­zu­cker­wert. Bei der hier­auf erfolg­ten Abgabe von 12 IE Bolu­s­in­su­lin han­del­te sich um die letzte Gabe von Bolu­s­in­su­lin auf der gesam­ten Reise.

Am Nach­mit­tag bega­ben sich X1 und die Zeugin RU. zu Fuß zu dem Café “Star­bucks” und zu einem Super­markt, wo sie Geträn­ke und Obst erwar­ben. Der Fußweg vom Hotel weg und zum Hotel zurück war für X1 so beschwer­lich, dass sie mehr­mals pau­sie­ren musste. Ihre Atmung war mitt­ler­wei­le schwer und tief, was sie zusätz­lich erschöpf­te. X1 hatte große Mühe, mit der Zeugin RU. Schritt zu halten. Zurück im Hotel ver­zehr­te sie die Geträn­ke und das Obst.

Um 18:00 Uhr legte sich X1 erneut schla­fen, gegen 19.00 Uhr erbrach sie sich wieder. Die zu diesem Zeit­punkt von dem Tages­aus­flug zurück­ge­kehr­te Zeugin KR. wandte sich noch­mals an die Ange­klag­ten und wies darauf hin, dass sich X1 erneut mehr­fach erbro­chen habe. Die Ange­klag­ten erklär­ten, sie, die Zeugin, solle Cola und Salz­stan­gen besor­gen, was die Zeugin KR. gemein­sam mit dem damals 14jährigen Zeugen IJ. QP. tat. In der Nacht von Frei­tag auf Sams­tag erbrach sich X1 erneut min­des­tens einmal.

Hätten die Ange­klag­ten von X1s Dia­be­tes­er­kran­kung — infol­ge der schrift­li­chen Abfra­ge bei der Zeugin Y. oder der Ein­sicht­nah­me in die Schul­ak­te — gewusst, hätten sie den wie­der­hol­ten Mit­tei­lun­gen der Zeu­gin­nen KR. und RU. stär­ke­re Beach­tung geschenkt und bereits am Frei­tag­mor­gen (28.06.2019) hier­auf dadurch reagiert, dass sie ärzt­li­che Hilfe hin­zu­ge­zo­gen und die Zeugin Y. über X1s andau­ern­den Krank­heits­zu­stand (anhal­ten­des Erbre­chen, Kopf- und Bauch­schmer­zen, Müdig­keit, Erschöp­fung und kör­per­li­che Schwä­che) infor­miert hätten. X1s Tod hätte mit an Sicher­heit gren­zen­der Wahr­schein­lich­keit ver­hin­dert werden können, wenn sie spä­tes­tens am Abend des Frei­tags, 28.06.2019, sta­tio­när auf­ge­nom­men und (intensiv-)medizinisch ver­sorgt worden wäre.

Sams­tag, 29.06.2019

Am Sams­tag­mor­gen hatte sich X1s Zustand ganz erheb­lich ver­schlech­tert, sie war schläf­rig, matt, ver­wirrt und kaum ansprech­bar. Als die Ange­klag­ten dies im Rahmen einer Zim­mer­kon­trol­le nach dem Früh­stück erkann­ten, ver­stän­dig­ten sie den Not­arzt. Gleich­zei­tig tele­fo­nier­ten sie mit der Zeugin Y., die ihnen dabei mit­teil­te, dass X1 unter Dia­be­tes leide.

Die Ret­tungs­kräf­te stell­ten bei X1 einen “Zucker­schock” mit einem Wert von 1.333 mg/dl fest und ver­an­lass­ten eine umge­hen­de Kran­ken­haus­ein­wei­sung. Die Ange­klag­ten und die Zeugin KR. beglei­te­ten X1 im Ret­tungs­wa­gen zunächst in das nahe­ge­le­ge­ne BM., von wo sie nach kurzer Zeit in das QL., ein auf Kin­der­heil­kun­de — und auch Dia­be­tes — spe­zia­li­sier­tes Lehr­kran­ken­haus in London, ver­legt wurde.

Nach anfäng­li­cher Bes­se­rung ihres Zustan­des ver­starb X1 am Sonn­tag­mit­tag (30.06.2019). X1s Tod beruh­te auf einem durch eine schwer­wie­gen­de Stoff­wech­sel­ent­glei­sung aus­ge­lös­ten Herz­in­farkt. Infol­ge der jeden­falls seit Don­ners­tag (27.06.2019) unzu­rei­chen­den Gabe von Insu­lin und des star­ken Erbre­chens nach dem chi­ne­si­schen Essen trat bei X1 bereits am Don­ners­tag­abend ein star­ker Insu­lin­man­gel auf, der sich im Laufe der Nacht zum Frei­tag (28.06.2019) zu einer schwer­wie­gen­den Stoff­wech­sel­ent­glei­sung, einer schwe­ren dia­be­ti­schen Keto­azi­do­se, ent­wi­ckel­te, wes­halb X1 — auch auf­grund von damit ein­her­ge­hen­den kogni­ti­ven Ein­schrän­kun­gen — selbst nicht mehr in der Lage war, sich adäquat um ihr Dia­be­tes­ma­nage­ment zu küm­mern, son­dern Hilfe gebraucht hätte. Die mit der Keto­azi­do­se ein­her­ge­hen­den Stoff­wech­sel­pro­zes­se ver­ur­sach­ten die seit Don­ners­tag­abend ein­set­zen­den Bauch­schmer­zen, die Übel­keit, das Erbre­chen und die Kopf­schmer­zen. Bei der Unter­su­chung im QL. am Sams­tag­mit­tag (29.06.2019) waren X1s Blut­wer­te deut­lich außer­halb der Norm­wer­te, was eine mali­gne Herz­rhyth­mus­stö­rung aus­lös­te. Der hier­durch aus­ge­lös­te Herz­in­farkt (Myo­kard­in­farkt) führte schließ­lich zu ihrem Ver­ster­ben am 30.06.2019 um 14:12 Uhr. Fehler der Ärzte der dor­ti­gen Kran­ken­häu­ser bei X1s Behand­lung gab es keine.

III.

1. Die Fest­stel­lun­gen zur Person beru­hen auf den glaub­haf­ten, ins­be­son­de­re in sich stim­mi­gen, Anga­ben der beiden Ange­klag­ten. Soweit es ihre Ver­mö­gens­ver­hält­nis­se betrifft, mach­ten die Ange­klag­ten umfas­sen­de und nach­voll­zieh­ba­re Anga­ben. Ihre bis­he­ri­ge Straf­frei­heit folgt aus der Ver­le­sung der jewei­li­gen Bun­des­zen­tral­re­gis­ter­aus­zü­ge vom 30.01.2024.

2. Die Fest­stel­lun­gen zur Sache hat die Kammer wie folgt getrof­fen:

a. Die Fest­stel­lun­gen zu X1s Dia­be­tes­er­kran­kung hat die Kammer im Wesent­li­chen auf Grund­la­ge der glaub­haf­ten und sach­kun­dig über­zeu­gen­den Anga­ben der sach­ver­stän­di­gen Zeugin Dr. QA. EP., X1s behan­deln­der Ober­ärz­tin im OF.-Krankenhaus in FD., sowie der glaub­haf­ten Aus­sa­gen ihrer dama­li­gen Klas­sen­leh­rer, der Zeugen HH. IQ. und LI. KJ., getrof­fen.

aa. Die sach­ver­stän­di­ge Zeugin Dr. EP., Fach­ärz­tin für Kinder- und Jugend­me­di­zin, Ober­ärz­tin der Abtei­lung für Kinder- und Jugend­me­di­zin am OF.-Krankenhaus FD., machte sehr detail­lier­te, stim­mi­ge und nach­voll­zieh­ba­re Anga­ben zum erst­ma­li­gen Auf­tre­ten von X1s Stoff­wech­sel­er­kran­kung Dia­be­tes mel­li­tus Typ 1 und dem Behand­lungs­ver­lauf seit 2011. Sie legte im Ein­zel­nen dar, dass sie X1 in 2011 kurz nach der Erst­dia­gno­se (im Urlaub in Polen) ken­nen­ge­lernt und sie seit­dem medi­zi­nisch betreut habe. X1 habe zunächst einen Insu­lin-Pen gehabt, um sich das not­wen­di­ge Basal- und Bolu­s­in­su­lin zu ver­ab­rei­chen. Von Anfang an habe sie — was für das Alter unty­pisch gewe­sen sei — das Insu­lin selbst gespritzt. Im Jahr 2014 sei X1 auf eine Pumpe umge­stellt worden, was sie selbst­stän­di­ger und unab­hän­gi­ger gemacht habe. Die sich bei der Dar­stel­lung der Kran­ken­ge­schich­te erge­ben­den medi­zi­ni­schen Zusam­men­hän­ge legte die sach­ver­stän­di­ge Zeugin Dr. EP. schlüs­sig, über­zeu­gend und wider­spruchs­frei dar. So erläu­ter­te sie bei­spiels­wei­se gut nach­voll­zieh­bar den Unter­schied zwi­schen Basal- und Bolu­s­in­su­lin, die Schwie­rig­kei­ten bei der Her­stel­lung eines aus­ge­wo­ge­nen Zucker-Insu­lin-Spie­gels und die Funk­ti­ons­wei­se der von X1 genutz­ten medi­zi­ni­schen Geräte, nament­lich des Blut­zu­cker­mess­ge­räts und der Insu­lin­pum­pe, welche sie in der Haupt­ver­hand­lung mit­führ­te und deren Zusam­men­spiel sie der Kammer über­zeu­gend und anschau­lich erklär­te. Ihren ent­spre­chen­den sach­ver­stän­di­gen Fest­stel­lun­gen schließt sich die Kammer in eige­ner Wür­di­gung an.

bb. Die Fest­stel­lun­gen zur Angabe von X1s Dia­be­tes­er­kran­kung durch die Zeugin Y. bei der Anmel­dung an der ZK.-Gesamtschule im Schul­jahr 2015/2016 sowie zu der Unter­rich­tung der Klas­sen­leh­re­rin durch die Zeugin Y. beru­hen auf den glaub­haf­ten, ins­be­son­de­re stim­mi­gen und kon­kre­ten, Anga­ben der Zeugin HH. IQ.. Die Zeugin IQ. war X1s erste Klas­sen­leh­re­rin an der ZK.-Gesamtschule. Sie schil­der­te im Ein­zel­nen, dass X1s Dia­be­tes­er­kran­kung nicht nur in der Schul­ak­te ver­merkt worden sei, son­dern auch, dass die Zeugin Y. sie hierzu umfas­send infor­miert habe. Um diese Infor­ma­tio­nen auch den Fach­leh­rern zukom­men zu lassen, habe es einen im Klas­sen­buch ver­wahr­ten “Merk­zet­tel” der Zeugin Y. gege­ben.

Dass auch der ab der 7. Klasse zustän­di­ge Klas­sen­leh­rer, der Zeuge LI. KJ., über X1s Dia­be­tes­er­kran­kung im Bilde war, bestä­tig­te dieser gegen­über der Kammer glaub­haft. Er legte anschau­lich und stim­mig dar, er habe bei Über­nah­me von X1s Klasse nicht nur in die Schul­ak­ten der Schü­ler, dar­un­ter auch X1s Schul­ak­te, Ein­sicht genom­men, son­dern sich in Bezug auf X1 auch bei seiner Kol­le­gin, der Zeugin IQ., infor­miert. Dieses Vor­ge­hen habe er als selbst­ver­ständ­lich ange­se­hen. Zudem sei X1s Mutter — bei Klas­sen­fahr­ten oder Eltern­sprech­ta­gen — eigen­in­itia­tiv auf ihn zuge­kom­men und habe ihn über X1s Dia­be­tes­er­kran­kung ergän­zend unter­rich­tet.

cc. Die Anga­ben der Zeugen Dr. EP., IQ. und KJ. werden durch die in der Haupt­ver­hand­lung nach § 251 Abs. 1 Nr. 1 StPO ver­le­se­nen Pro­to­kol­le der poli­zei­li­chen Ver­neh­mung der Zeugin Y. vom 06. und 10.09.2019 (Bl. 25–33, 75–76 GA) bestä­tigt. Die Zeugin Y. machte gegen­über der Poli­zei umfas­sen­de und sehr detail­lier­te Anga­ben zu X1s Ana­mne­se und zu dem offe­nen Umgang der Fami­lie mit der Dia­be­tes­er­kran­kung. Hierzu gab sie bei­spiels­wei­se an, dass X1 schon mit acht Jahren allei­ne an mehr­tä­gi­gen Frei­zeit­fahr­ten teil­ge­nom­men habe und das ent­spre­chen­de Betreu­ungs­per­so­nal zuvor umfas­send von ihr infor­miert worden sei. Die Kammer ist sich des ein­ge­schränk­ten Beweis­wer­tes der ver­le­se­nen Aus­sa­ge­pro­to­kol­le der Zeugin Y. bewusst, die hierzu durch die Pro­zess­be­tei­lig­ten nicht ergän­zend befragt werden konnte. Die Über­zeu­gungs­bil­dung der Kammer stützt sich jedoch nicht allein auf die Aus­sa­ge der Zeugin Y., son­dern maß­geb­lich auf die in der Haupt­ver­hand­lung ver­nom­me­nen Zeugen Dr. EP., IQ. und KJ., deren Anga­ben durch die ver­le­se­nen Aus­sa­gen der Zeugin Y. jedoch bestä­tigt werden.

b. Die Fest­stel­lun­gen zum Tat­ge­sche­hen beru­hen auf den gestän­di­gen Ein­las­sun­gen der Ange­klag­ten und — soweit die Fest­stel­lun­gen über die Ein­las­sun­gen hin­aus­ge­hen oder diesen wider­spre­chen — auf dem Ergeb­nis der in der Haupt­ver­hand­lung durch­ge­führ­ten Beweis­auf­nah­me.

aa. Die Ange­klag­ten haben sich zum Tat­ge­sche­hen im Wesent­li­chen wie folgt über­ein­stim­mend ein­ge­las­sen:

Für die Orga­ni­sa­ti­on und Durch­füh­rung der seit meh­re­ren Jahren an der Schule ange­bo­te­nen Lon­don­fahrt 2019 seien sie, die Ange­klag­ten, und die geson­dert Ver­folg­ten VT. DO. und NT. WK. gemein­sam ver­ant­wort­lich gewe­sen. Ver­bind­li­che Abspra­chen mit dem Inhalt einer Auf­ga­ben­ver­tei­lung — z.B. wer sich um welche orga­ni­sa­to­ri­sche Auf­ga­be, mithin auch die Abfra­ge von Vor­er­kran­kun­gen und gesund­heit­li­chen Beson­der­hei­ten der Teil­neh­mer, küm­mern sollte — habe es zwi­schen ihnen nicht gege­ben.

Im Vor­feld der im Juni 2019 statt­fin­den­den Lon­don­fahrt habe es am 09.05.2019 eine unver­bind­li­che Infor­ma­ti­ons­ver­an­stal­tung gege­ben. Die Ange­klag­te P. habe die Ver­an­stal­tung mode­riert, wäh­rend die Ange­klag­te S. die Aus­weis­pa­pie­re der teil­neh­men­den Schü­ler kon­trol­liert habe. Im Rahmen der Ver­an­stal­tung habe die Ange­klag­te P. darauf hin­ge­wie­sen, dass die Eltern/Schüler ihr im Nach­gang gesund­heit­li­che Beson­der­hei­ten mit­tei­len soll­ten. Dieses Ange­bot hätten drei Eltern, näm­lich die Zeugin CX. BQ. MC., die Zeugin OD. GT. und eine wei­te­re Mutter, wahr­ge­nom­men. Die Ange­klag­te P. habe auch erklärt, das erfor­der­li­che Medi­ka­men­te durch die Schü­ler eigen­ver­ant­wort­lich mit­ge­führt werden müss­ten. Eine ver­bind­li­che schrift­li­che Abfra­ge von Gesund­heits­da­ten, Erkran­kun­gen und Medi­ka­men­ten habe es nicht gege­ben. Auch bei frü­he­ren Lon­don­fahr­ten sei stets nur eine münd­li­che Abfra­ge erfolgt, um so einen per­sön­li­chen Aus­tausch zwi­schen Lehr­per­so­nal und Eltern/Schülern zu ermög­li­chen. In die Schul­ak­ten der teil­neh­men­den Schü­ler hätten sie keine Ein­sicht genom­men, also auch nicht in X1s Schul­ak­te. Von X1s Dia­be­tes­er­kran­kung hätten sie vor der Fahrt daher keine Kennt­nis gehabt.

Auf der Lon­don­fahrt hätten sie erst­mals am Frei­tag­mor­gen (28.06.2019) Kennt­nis davon erlangt, dass es X1 nicht gut gehe. Gegen 09:00 Uhr hätten die Zeu­gin­nen KR. und RU. sie beide im Früh­stücks­raum ange­spro­chen und erklärt, der Zeugin KR. und X1 sei wegen chi­ne­si­schen Essens vom Vor­abend übel gewor­den. Die Zeugin RU. habe über ein ent­zün­de­tes Auge geklagt. Da es der Zeugin KR. an diesem Morgen wieder bes­ser­ge­gan­gen sei, habe sie am Aus­flugs­pro­gramm teil­ge­nom­men. Im Hin­blick auf die Zeugin RU. und X1, der immer noch übel gewe­sen sei, hätten sie erklärt, diese könn­ten im Hotel blei­ben, soll­ten sich aber melden, wenn etwas sei. Die beiden Mäd­chen seien ange­wie­sen worden, nicht zu zweit das Hotel zu ver­las­sen. Eine Nach­schau bei X1 sei weder am Morgen noch am Nach­mit­tag des Frei­tags durch sie, die Ange­klag­ten, erfolgt. Wei­te­re Mit­tei­lun­gen sei­tens der Mit­schü­ler über ein Unwohl­sein X1s oder gar ein (andau­ern­des) Erbre­chen hätten sie weder am Don­ners­tag (27.06.2019) noch am Frei­tag (29.06.2019) erhal­ten.

Hätten sie bereits am Frei­tag­mor­gen von X1s Dia­be­tes­er­kran­kung gewusst, hätten sie auf die Mit­tei­lung der Zeu­gin­nen KR. und RU. hin unmit­tel­bar reagiert, indem sie einen Arzt kon­tak­tiert bzw. einen Ret­tungs­wa­gen geru­fen sowie X1s Mutter ver­stän­digt und diese über X1s Zustand infor­miert hätten.

Am Sams­tag­mor­gen (29.06.2019) nach der Früh­stücks­zeit hätten sie X1 im Hotel­zim­mer schla­fend und laut atmend zwi­schen den laut­stark reden­den Zeu­gin­nen KR. und RU. vor­ge­fun­den. Da ihnen X1s Zustand besorg­nis­er­re­gend vor­ge­kom­men sei, hätten sie gemein­sam mit den geson­dert Ver­folg­ten DO. und WK. ent­schie­den, den Not­arzt zu rufen. Zudem habe man mit der Zeugin Y. tele­fo­niert, die mit­ge­teilt habe, dass X1 unter Dia­be­tes leide. In diesem Zeit­punkt hätten sie erst­mals von X1s Dia­be­tes­er­kran­kung erfah­ren. X1 sei unmit­tel­bar ins Kran­ken­haus trans­por­tiert worden, wo sie bis zum Ein­tref­fen der Zeugin Y. und des Zeugen MT. bei ihr geblie­ben seien.

bb. Die Kammer ist der gestän­di­gen Ein­las­sung der Ange­klag­ten gefolgt in Bezug auf die Orga­ni­sa­ti­on der Lon­don­fahrt, den Infor­ma­ti­ons­abend am 09.05.2019 sowie die Ereig­nis­se ab der Ver­stän­di­gung des Not­arz­tes am Vor­mit­tag des Sams­tags in London (hierzu unter (1)). Nicht gefolgt ist die Kammer hin­ge­gen der Dar­stel­lung der Ange­klag­ten, sie seien nur einmal am Frei­tag­mor­gen durch die Zeu­gin­nen KR. und RU. auf X1s Unwohl­sein hin­ge­wie­sen worden (hierzu unter (2)).

(1) Die Ange­klag­ten haben über­ein­stim­men­de und in sich stim­mi­ge Anga­ben zu der all­ge­mei­nen Pla­nung, Orga­ni­sa­ti­on und Vor­be­rei­tung der Lon­don­fahrt gemacht. Sie haben ins­be­son­de­re — sich inso­weit selbst belas­tend — ein­ge­räumt, dass die gesam­te Orga­ni­sa­ti­on, ein­schließ­lich der Abfra­ge von für die Aus­übung der Auf­sicht über die teil­neh­men­den Schü­ler erfor­der­li­chen Infor­ma­tio­nen, allen vier betei­lig­ten Lehr­kräf­ten oble­gen habe.

Die Fest­stel­lun­gen zum kon­kre­ten Ablauf der Infor­ma­ti­ons­ver­an­stal­tung und zu der Betei­li­gung der Ange­klag­ten daran beru­hen ebenso auf ihrer gestän­di­gen Ein­las­sung. Die Ange­klag­ten schil­der­ten jede für sich glaub­haft, ins­be­son­de­re detail­liert und stim­mig, wie der Infor­ma­ti­ons­abend im Ein­zel­nen ablief und welche Auf­ga­ben sie hier­bei wahr­nah­men. Dabei sieht es die Kammer als erwie­sen an, dass die Ange­klag­te P. die Frage nach gesund­heit­li­chen Beson­der­hei­ten der Teil­neh­mer und nach not­wen­di­gen Medi­ka­men­ten ansprach und den anwe­sen­den Eltern/Schülern das Ange­bot zu einem per­sön­li­chen Gespräch machte.

Dass auch X1 und/oder der Zeuge MT. diese münd­li­che Abfra­ge wahr­nah­men, konnte die Kammer hin­ge­gen nicht fest­stel­len. Der Zeuge MT. erin­ner­te sich zwar glaub­haft daran, dass er gemein­sam mit X1 an der Infor­ma­ti­ons­ver­an­stal­tung am 09.05.2019 teil­ge­nom­men habe. Ein­zel­hei­ten der Ver­an­stal­tung (z.B. Namen der anwe­sen­den Lehrer, bespro­che­ne Inhal­te) waren ihm hin­ge­gen nicht erin­ner­lich. Dies erklär­te er nach­voll­zieh­bar damit, dass er ver­sucht habe, vieles rund um die Lon­don­fahrt zu ver­drän­gen und zu ver­ges­sen. Der Zeuge MT. bestä­tig­te aber, dass weder er noch X1 den Lehr­kräf­ten auf der Infor­ma­ti­ons­ver­an­stal­tung mit­ge­teilt hätten, dass X1 unter Dia­be­tes mel­li­tus Typ I leide. Dies begrün­de­te er damit, dass er davon über­zeugt gewe­sen sei, X1 gehe — wie bisher bei Klas­sen- und Frei­zeit­fahr­ten — auch im Rahmen einer klas­sen- und stu­fen­über­grei­fen­den Schul­fahrt gewis­sen­haft und ver­ant­wor­tungs­be­wusst mit ihrer Erkran­kung um. Gleich­zei­tig beton­te er, dass X1 mit ihrer Erkran­kung stets offen umge­gan­gen sei und dies auch im Schul­all­tag nicht ver­heim­licht habe.

Von einem ver­ant­wor­tungs­be­wuss­ten Umgang X1s mit ihrer Dia­be­tes­er­kran­kung ging auch X1s Mutter, die Zeugin Y., aus. Dar­über hinaus nahm sie an, dass auf Seiten der Schule schon kein Infor­ma­ti­ons­de­fi­zit bestan­den habe, das Ver­an­las­sung dazu gege­ben hätte, die Ange­klag­ten und die geson­dert Ver­folg­ten DO. und WK. über X1s Dia­be­tes­er­kran­kung zu infor­mie­ren. Hier­von ist die Kammer auf­grund der ver­le­se­nen poli­zei­li­chen Aus­sa­ge der Zeugin Y. über­zeugt, die durch die oben getrof­fe­nen Fest­stel­lun­gen zum offe­nen Umgang der Fami­lie Y. mit der Dia­be­tes­er­kran­kung im schu­li­schen Kon­text (siehe bereits oben) getra­gen und bestä­tigt wird.

Nach der gestän­di­gen Ein­las­sung der Ange­klag­ten steht zur Über­zeu­gung der Kammer weiter fest, dass weder im Vor­feld oder wäh­rend noch nach der Infor­ma­ti­ons­ver­an­stal­tung eine ver­bind­li­che schrift­li­che Abfra­ge durch die Ange­klag­ten zu Vor­er­kran­kun­gen, chro­ni­schen Erkran­kun­gen oder sons­ti­gen gesund­heit­li­chen Beson­der­hei­ten und zu einer sich hier­aus erge­ben­den not­wen­di­gen Medi­ka­ti­on bei der Erzie­hungs­be­rech­tig­ten von X1 Y., der Zeugin Y., erfolg­te. Zudem steht zur Über­zeu­gung der Kammer fest, dass die Ange­klag­ten vor der Lon­don­fahrt weder Ein­sicht in X1s Schul­ak­te nahmen noch durch Nach­fra­ge bei/Mitteilung durch andere Lehr­kräf­te von X1s Dia­be­tes­er­kran­kung Kennt­nis erhiel­ten. Vor diesem Hin­ter­grund erach­tet die Kammer die Aus­sa­ge der Ange­klag­ten, ihnen sei X1s Dia­be­tes­er­kran­kung bis zum letz­ten Tag der Lon­don­fahrt (Sams­tag, 29.06.2019) nicht bekannt gewe­sen, als glaub­haft.

Dass eine ver­bind­li­che schrift­li­che Abfra­ge zu gesund­heit­li­chen Beson­der­hei­ten und not­wen­di­gen Medi­ka­men­ten weder gegen­über der Zeugin Y. als X1s Erzie­hungs­be­rech­tig­ter noch gegen­über einem ande­ren Erzie­hungs­be­rech­tig­ten bzw. voll­jäh­ri­gen Schü­ler erfolg­te, wird zur Über­zeu­gung der Kammer durch die glaub­haf­te Aus­sa­ge der Zeugin HC. KI., der dama­li­gen und heu­ti­gen Rek­to­rin der ZK.-Gesamtschule, bestä­tigt. Die Zeugin KI. legte detail­liert und anschau­lich dar, dass sie alle Unter­la­gen betref­fend die Lon­don­fahrt 2019 in einem Ordner zusam­men­ge­stellt habe, eine schrift­li­che Abfra­ge von gesund­heit­li­chen Beson­der­hei­ten — betref­fend X1 Y. oder ande­rer Schü­ler — sich darin jedoch nicht finde. Dies erläu­ter­te sie nach­voll­zieh­bar damit, dass es bei der Lon­don­fahrt 2019 wie auch bei frü­he­ren Lon­don­fahr­ten — in Abwei­chung zum Pro­ze­de­re der schrift­li­chen Abfra­ge bei Klas­sen­fahr­ten — immer “nur” einen Infor­ma­ti­ons­abend mit den Schü­lern und Eltern gege­ben habe. In dessen Rahmen hätten die erfor­der­li­chen Infor­ma­tio­nen, so auch zu Vorerkrankungen/chronischen Erkran­kun­gen, münd­lich aus­ge­tauscht werden können und sollen. Eine schrift­li­che Abfra­ge folgt im Übri­gen auch nicht aus dem von der Zeugin CX. BQ. MC. ver­fass­ten Pro­to­koll zum Infor­ma­ti­ons­abend.

Soweit zwei Teil­neh­mer des Infor­ma­ti­ons­abends, die Zeu­gin­nen NF. QG. und CX. BQ. MC., — auch ent­ge­gen dem Pro­to­koll — sich an eine schrift­li­che Abfra­ge von gesund­heit­li­chen Beson­der­hei­ten vor der Lon­don­fahrt 2019 zu erin­nern mein­ten, folgt die Kammer dem nicht. Die Erin­ne­rung der Zeu­gin­nen war auf­grund des Zeit­ab­laufs so getrübt, dass sie sich ledig­lich an wenige Ein­zel­hei­ten (wie z.B. die anwe­sen­den Lehr­kräf­te oder ihre eigene Anwe­sen­heit) erin­ner­ten. Zudem zogen die Zeu­gin­nen, wie sie selbst ein­räum­ten, Rück­schlüs­se aus dem Pro­ze­de­re der schrift­li­chen Abfra­ge bei Klas­sen­fahr­ten, von dem bei der Lon­don­fahrt jedoch — wie fest­ge­stellt — gerade abge­wi­chen wurde.

Dass den Ange­klag­ten die Bedeu­tung der Kennt­nis von gesund­heit­li­chen Beson­der­hei­ten und einer ggf. not­wen­di­gen Medi­ka­ti­on der mit­fah­ren­den Schü­ler, dar­un­ter auch X1, bewusst war, ergibt sich zur Über­zeu­gung der Kammer aus dem Umstand, dass jeden­falls — was die Kammer zu Guns­ten der Ange­klag­ten als erwie­sen ansieht — eine münd­li­che Abfra­ge sei­tens der Ange­klag­ten P. im Plenum des Infor­ma­ti­ons­abends erfolg­te und den anwe­sen­den Eltern und Schü­lern die Mög­lich­keit für ein per­sön­li­ches und ver­trau­li­ches Gespräch hier­über eröff­net wurde, worauf sich auch die Ange­klag­te S. berief. Die Ange­klag­ten über­lie­ßen es damit näm­lich nicht allein den Schü­lern und ihren Erzie­hungs­be­rech­tig­ten, sie, die Ange­klag­ten, über gesund­heit­li­che Beson­der­hei­ten in Kennt­nis zu setzen. Viel­mehr the­ma­ti­sier­ten die Ange­klag­ten von sich aus die Bedeu­tung einer umfas­sen­den Unter­rich­tung der auf­sicht­füh­ren­den Lehr­kräf­te über einen beson­de­ren Gesund­heits­zu­stand der teil­neh­men­den Schü­ler.

Die Fest­stel­lung, dass bei einer unter­blie­be­nen Abfra­ge von Vor­er­kran­kun­gen und einer des­we­gen erfor­der­li­chen Medi­ka­ti­on bzw. einem Unter­las­sen, sich durch Ein­sicht­nah­me in die Schul­ak­te über Erkran­kun­gen und einer hier­durch erfor­der­li­chen Medi­ka­ti­on zu infor­mie­ren, ein töd­li­cher Ver­lauf einer sol­chen — nicht bekann­ten — Vor­er­kran­kung auf­grund eines Fehl­ver­hal­tens in der Betreu­ung des/der betref­fen­den Schü­le­rIn auf­grund jener Unkennt­nis ein­tre­ten konnte und dies objek­tiv und für die Ange­klag­ten nach ihren sub­jek­ti­ven Kennt­nis­sen vor­her­seh­bar war, steht zur Über­zeu­gung der Kammer aus den vor­ste­hen­den Erwä­gun­gen eben­falls fest. Dies wird dabei ins­be­son­de­re auch durch den — von der Kammer als erwie­sen ange­se­he­nen — Hin­weis der Ange­klag­ten P. auf das eigen­ver­ant­wort­li­che Mit­füh­ren von Medi­ka­men­ten deut­lich. Denn gerade bei Erkran­kun­gen, die eine dau­er­haf­te oder regel­mä­ßi­ge Medi­ka­ti­on erfor­dern — wie bei X1s Dia­be­tes­er­kran­kung die dau­er­haf­te Gabe von Insu­lin -, ist es nahe­lie­gend, dass das Fehlen oder die unzu­rei­chen­de Gabe der not­wen­di­gen Medi­ka­ti­on gra­vie­ren­de Folgen haben kann, dies daher jeden­falls bei Anhalts­punk­ten für eine fal­sche oder unzu­rei­chen­de Medi­ka­ti­on durch die auf­sichts­füh­ren­den Lehr­kräf­te zu kon­trol­lie­ren ist.

Auch das Gesche­hen am Sams­tag­vor­mit­tag ab dem Zeit­punkt, als X1s Gesund­heits­zu­stand den Ange­klag­ten nach Betre­ten des Hotel­zim­mers als außer­ge­wöhn­lich und besorg­nis­er­re­gend auf­fiel, haben sie — wie fest­ge­stellt — glaub­haft ein­ge­räumt.

(2) Nicht gefolgt ist die Kammer hin­ge­gen den Ein­las­sun­gen der Ange­klag­ten, sie seien von den Zeu­gin­nen KR. und RU. nur einmal am Frei­tag­mor­gen (28.06.2019) auf X1s Übel­keit hin­ge­wie­sen worden. Die Kammer geht hier — wie fest­ge­stellt — von einer ersten Mit­tei­lung am Don­ners­tag­abend und meh­re­ren Mel­dun­gen im Laufe des Frei­tags aus, in denen es zudem nicht nur um Unwohlsein/Übelkeit, son­dern jeweils auch um ein anhal­ten­des Erbre­chen X1s ging.

(a) Zu der Über­zeu­gung, dass es bereits am Don­ners­tag­abend (27.06.2019) eine erste Unter­rich­tung der Ange­klag­ten über X1s Erbre­chen gab, ist die Kammer auf Grund­la­ge der glaub­haf­ten Anga­ben der Zeu­gin­nen KR. und RU. gekom­men.

Die Zeugin KR. legte detail­liert und hand­lungs­stim­mig dar, dass X1 und ihr nach dem Genuss des glei­chen chi­ne­si­schen Essens am Don­ners­tag­abend kurz nach der Rück­kehr ins Hotel übel gewor­den sei und sie sich beide erbro­chen hätten. In diesem Zusam­men­hang erin­ner­te die Zeugin meh­re­re ori­gi­nel­le Details, die für eine Erleb­nis­ba­siert­heit spre­chen, so z.B., dass es mit einer gemein­sam genutz­ten Toi­let­te schwie­rig gewe­sen sei und dass sie X1 beim Erbre­chen zwei­mal die Haare gehal­ten habe. Dass sie sich, nach­dem es ihr bes­ser­ging, sodann — wie auf­grund der dem­entspre­chen­den Aus­sa­ge der Zeugin fest­ge­stellt — an die Ange­klag­ten als die für sie zustän­di­gen Lehr­kräf­te wandte, erscheint der Kammer auf­grund X1s wei­ter­be­stehen­der Übel­keit plau­si­bel und lebens­nah. Ebenso erach­tet es die Kammer als lebens­nah und ein­leuch­tend, dass die Zeugin KR. gegen­über den Ange­klag­ten — eben­falls wie auf­grund der dem­entspre­chen­den Aus­sa­ge der Zeugin fest­ge­stellt — nicht von einem bloßen Unwohl­sein oder einer Übel­keit, son­dern von einem mehr­fa­chen Erbre­chen X1s berich­te­te. Dies auch vor dem Hin­ter­grund, dass bei X1 das Erbre­chen wei­ter­ging und es damit nicht nur ein (vor­über­ge­hen­des und harm­lo­ses) “Unwohl­sein” gewe­sen war. Es ist auch plau­si­bel, dass, wenn man schon die Ange­klag­ten auf­such­te und sich Hilfe erhoff­te, X1s Erbre­chen deut­lich schil­der­te und nicht ver­harm­los­te. Hätte die Zeugin KR. ver­mei­den wollen, dass die Lehr­kräf­te auf sie und X1 auf­merk­sam würden und hinter ihrer Übel­keit einen — tat­säch­lich nicht, auch nicht durch X1, erfolg­ten — ver­bo­te­nen Konsum von Alko­hol ver­mu­ten würden, hätte sie von einer Mit­tei­lung an die Ange­klag­ten ein­fach abse­hen können. Auf­grund ihrer Mit­tei­lung musste die Zeugin KR. hin­ge­gen damit rech­nen, dass die Ange­klag­ten sich X1 anschau­en und diese und die Zeugin zu der Ursa­che des Erbre­chens näher befra­gen würden, was sie indes — wie die Zeugin glaub­haft schil­der­te und wie fest­ge­stellt — nicht taten.

Die Dar­stel­lung der Zeugin KR. ist dar­über hinaus auch des­we­gen glaub­haft, weil sie ihre Erin­ne­rung an die Lon­don­fahrt zunächst in Gestalt einer in sich geschlos­se­nen Dar­stel­lung stim­mig dar­le­gen und ihre aus­führ­li­che, detail­rei­che und in sich schlüs­si­ge Schil­de­rung auf Nach­fra­ge der Kammer und der ande­ren Pro­zess­be­tei­lig­ten sinn­voll und mit zahl­rei­chen Details ergän­zen konnte. Hier­aus ergab sich für die Kammer ein stim­mi­ges und unein­ge­schränkt glaub­haf­tes Gesamt­bild. Ihre umfas­sen­de und detail­lier­te Erin­ne­rung erklär­te die Zeugin KR. damit, dass sie sich das Gesche­hen unmit­tel­bar nach der Fahrt auf­ge­schrie­ben habe, da sie bereits im Jahr 2019 davon aus­ge­gan­gen sei, dass ihre Schil­de­rung wich­tig werden könne. Ihr sei bereits damals klar gewe­sen, dass X1s Tod ver­meid­bar gewe­sen sei und dass das Gesche­hen auf­ge­klärt werden müsse. Hin­zu­kommt, dass die Zeugin ihr eige­nes Ver­hal­ten nicht nur reflek­tie­ren und ein­ord­nen konnte, son­dern auch gegen­über den Ange­klag­ten keine über­zo­ge­nen Belas­tungs­ten­den­zen zeigte. So räumte sie ein, sie sei damals noch sehr jung gewe­sen, habe sich über­for­dert und allein gelas­sen gefühlt. Sie habe X1s Situa­ti­on falsch ein­ge­schätzt, sie habe allen­falls an eine Lebens­mit­tel­ver­gif­tung gedacht. Die Zeugin erklär­te weiter, die Lehr­kräf­te hätten nach X1 schau­en müssen. Dabei war sie sich — nach dem Ein­druck der Kammer — der Trag­wei­te ihrer belas­ten­den Aus­sa­ge durch­aus bewusst: Es gehe ihr nicht darum, einen Lehrer zu dis­kre­di­tie­ren, son­dern um die Auf­klä­rung der Umstän­de um X1s Ver­ster­ben. Die Ange­klag­ten habe sie durch­aus gemocht — das sei aber von dem Gesche­hen auf der Lon­don­fahrt zu tren­nen.

Die glaub­haf­ten Anga­ben der Zeugin KR. werden durch die glaub­haf­te Schil­de­rung der Zeugin RU. bestä­tigt. Wie die Zeugin KR. erin­ner­te sich auch die Zeugin RU. aus­führ­lich und detail­liert an den ersten Abend in London, den sie zunächst in einer in sich schlüs­si­gen und nach­voll­zieh­ba­ren Erzäh­lung dar­leg­te und auf Nach­fra­gen sinn­voll und stim­mig ergänz­te. Wie der Zeugin KR. waren auch der Zeugin RU. ein­zel­ne, dar­un­ter auch ori­gi­nel­le Details zum Zustand X1s am Don­ners­tag­abend im Hotel erin­ner­lich. So erläu­ter­te sie, dass X1 sich zunächst einmal im Bade­zim­mer erbro­chen und später, im Bett lie­gend, hier­für einen Müll­ei­mer ver­wen­det habe. Das fügt sich stim­mig in die Dar­stel­lung der Zeugin KR. ein, wonach es mit zwei sich erbre­chen­den Per­so­nen und nur einem Bade­zim­mer schwie­rig gewe­sen sei. Ebenso bestä­tig­te die Zeugin RU. die Schil­de­rung der Zeugin KR., dass die beiden Ange­klag­ten bereits am Don­ners­tag­abend durch die Zeugin KR. über X1s Erbre­chen unter­rich­tet worden seien. Auch die Zeugin RU. ver­mit­tel­te mit ihrer Schil­de­rung glaub­haft den Ein­druck, dass die Situa­ti­on in dem Hotel­zim­mer mit zwei erkrank­ten Per­so­nen sehr unan­ge­nehm und belas­tend gewe­sen sei, was zur Über­zeu­gung der Kammer plau­si­bel macht, dass die Zeugin KR., sobald es ihr bes­ser­ging, die Ange­klag­ten hier­über infor­mier­te und sie diesen (unver­schul­de­ten) Krank­heits­zu­stand nicht gegen­über den Lehr­kräf­ten ver­schwieg oder ver­harm­los­te.

Wie bei der Zeugin KR. spricht für die Glaub­haf­tig­keit der Dar­stel­lung der Zeugin RU., dass sie, wie sie schil­der­te, die Gescheh­nis­se auf der Lon­don­fahrt unmit­tel­bar danach mit eige­nen Worten zusam­men­ge­fasst und in einem der Poli­zei über­las­se­nen Bericht nie­der­ge­legt habe. Wie die Zeugin KR. zeigte sich auch die Zeugin RU. selbst­re­flek­tiert. Sie schil­der­te, sie sei damals erst 14 Jahre alt gewe­sen und habe sich mit der Auf­sicht über X1 über­for­dert gefühlt.

Die glaub­haf­ten Aus­sa­gen der Zeu­gin­nen KR. und RU. werden — soweit es X1s Erbre­chen bereits am Don­ners­tag­abend betrifft — durch die glaub­haf­ten Anga­ben der Zeugen GY. XG., AH. YN. und OT. OI., drei Mit­schü­lern von X1, bestä­tigt. Den drei Zeugen war über­ein­stim­mend erin­ner­lich, dass sich X1 bereits ab Don­ners­tag­abend im Hotel über­ge­ben habe, sie inso­weit aber von einem Magen-Darm-Infekt o.Ä. aus­ge­gan­gen seien. Der Zeuge XG. schil­der­te dar­über hinaus — die glaub­haf­ten Anga­ben der Zeu­gin­nen KR. und RU. bestä­ti­gend -, dass den Lehr­kräf­ten bereits am Don­ners­tag und erneut am Frei­tag X1s schlech­ter Zustand mit­ge­teilt worden sei. Sie hätten paar­wei­se “Leute” zu den Leh­rern geschickt, um diesen Bescheid zu geben, auch wenn er die Namen der Bescheid geben­den Schü­ler nicht erin­ner­te. Die Kammer ver­kennt nicht, dass es sich inso­weit (zumin­dest teil­wei­se) um eine Aus­sa­ge vom Hören­sa­gen han­delt, der Zeuge XG. also nicht bei jedem Mal selbst an der Unter­rich­tung der Ange­klag­ten betei­ligt war, son­dern ihm von ande­ren Schü­lern hierzu nur berich­tet wurde. Den­noch war der Zeuge, wie er selbst ein­räum­te, in das Küm­mern um X1 und das Benach­rich­ti­gen der Lehr­kräf­te eng ein­ge­bun­den. Auch dies belegt zur Über­zeu­gung der Kammer, dass X1s Mit­schü­ler ab dem Zeit­punkt ihres fort­dau­ern­den Erbre­chens darum bemüht waren, von Seiten der Lehr­kräf­te, hier der für sie zustän­di­gen Ange­klag­ten, Hilfe zu erhal­ten.

(b) Die Kammer ist auf Grund­la­ge der glaub­haf­ten Aus­sa­gen der Zeu­gin­nen KR. und RU. weiter davon über­zeugt, dass es im Laufe des Frei­tags nicht nur eine, son­dern drei Mel­dun­gen betref­fend X1s Gesund­heits­zu­stand gab und sich diese — wie die Unter­rich­tung am Don­ners­tag­abend — nicht auf Übelkeit/Unwohlsein beschränk­ten, son­dern es viel­mehr auch um ein andau­ern­des bzw. wie­der­hol­tes Erbre­chen zunächst in der Nacht von Don­ners­tag auf Frei­tag und erneut begin­nend am Frei­tag­mit­tag ging.

Die Zeu­gin­nen konn­ten sich jeweils prä­zi­se und kon­kret an die Situa­ti­on der Unter­rich­tung der Ange­klag­ten am Frei­tag­mor­gen erin­nern. So gab die Zeugin KR. anschau­lich an, zunächst habe sie allei­ne die Ange­klag­ten über X1s andau­ern­de Übel­keit und das nächt­li­che Erbre­chen unter­rich­tet. Später sei sie zusam­men mit der am Vor­abend noch gesun­den Zeugin RU., die den Ange­klag­ten gegen­über erklärt habe, dass sie seit dem Morgen ein ent­zün­de­tes Auge habe, zu den Ange­klag­ten gegan­gen. Als die Zeugin RU. dabei war, erfolg­te, wie diese glaub­haft schil­der­te, auch eine erneu­te Erin­ne­rung an X1s schlech­ten Zustand. In der Zusam­men­schau der Schil­de­run­gen der beiden Zeu­gin­nen ist die Kammer — wie fest­ge­stellt — von zwei Anspra­chen der Ange­klag­ten am Frei­tag­mor­gen aus­ge­gan­gen, zunächst um 07:30/08:00 Uhr allein durch die Zeugin KR. und anschlie­ßend um etwa 09:30/10:00 Uhr durch die Zeu­gin­nen KR. und RU. gemein­sam. Bei der letzt­ge­nann­ten Mit­tei­lung han­delt es sich um die­je­ni­ge, die auch die Ange­klag­ten ein­räum­ten. Dass es am Morgen — wie fest­ge­stellt — zwei, und nicht nur eine Anspra­che gab, ist vor dem Hin­ter­grund des von den Zeu­gin­nen geschil­der­ten Ablaufs hand­lungs­stim­mig. Dieser plau­si­ble Gesche­hens­ab­lauf fügt sich zudem in das von den Zeu­gin­nen KR. und RU. glaub­haft geschil­der­te Gesche­hen am Don­ners­tag­abend ein: Auch am Frei­tag­mor­gen, an dem X1s schlech­ter Gesund­heits­zu­stand fort­dau­er­te, waren die Zeu­gin­nen ernst­haft bemüht, von den Ange­klag­ten Unter­stüt­zung und Hilfe zu erhal­ten, die X1 jedoch — auch am Frei­tag — ver­sagt blieb. Glaub­haft war inso­weit auch die Schil­de­rung der Zeugin RU. betref­fend den Frei­tag­nach­mit­tag, als sie mit X1 zu Star­bucks ging, was dieser — wie fest­ge­stellt — auf­fäl­lig schwer­fiel. Auch inso­weit zeich­ne­te sich die Dar­stel­lung der Zeugin RU. durch eine dif­fe­ren­zier­te und prä­zi­se Wie­der­ga­be ihrer Erin­ne­rung aus, die auch viele ori­gi­nel­le Details ent­hielt, aus der die Kammer eben­falls schließt, dass die Schil­de­rung erleb­nis­ba­siert war. Die Schil­de­rung, wie kör­per­lich schwer X1 der Weg zu Star­bucks fiel, fügt sich naht­los in die Schil­de­rung der sach­ver­stän­di­gen Zeugin Dr. EP. ein, die dar­leg­te und in der Haupt­ver­hand­lung ein­drück­lich vor­mach­te, wie schwer vor allem das Atmen jeman­dem fällt, der sich in einer Keto­azi­do­se befin­det.

Schließ­lich ist die Kammer über­zeugt, dass es — wie fest­ge­stellt — ein drit­tes Mal am Frei­tag­abend zu einer Unter­rich­tung der Ange­klag­ten kam. Inso­weit schil­der­te die Zeugin KR. hand­lungs­stim­mig, dass sie sich ver­an­lasst gese­hen habe, erneut zu den Ange­klag­ten zu gehen, weil es X1 am Abend (noch) schlech­ter gegan­gen sei. Auch diese Schil­de­rung ist für die Kammer plau­si­bel und stim­mig. Sie bestä­tigt das bis­he­ri­ge Han­deln der Zeugin KR., die sich aus Sorge um X1 wie­der­holt hil­fe­su­chend an die untä­tig blei­ben­den Ange­klag­ten wandte. Auch im Kon­text der Mel­dung am Frei­tag­abend waren der Zeugin KR. beson­de­re Details erin­ner­lich, wie z.B., dass von Seiten der Lehrer ledig­lich der Vor­schlag gekom­men sei, Cola und Salz­stan­gen zu besor­gen. Das Detail, dass X1 am Frei­tag­abend Cola und Salz­stan­gen zu sich genom­men hatte, erin­ner­ten anschau­lich auch die Zeugen RU. und XG.. Dem Zeugen QP. war dar­über hinaus — die Anga­ben der Zeugin KR. bestä­ti­gend — kon­kret erin­ner­lich, dass den Ange­klag­ten jeden­falls am Frei­tag nach dem Tages­aus­flug u.a. durch die Zeugin KR. berich­tet worden sei, dass X1 sich mehr­fach erbro­chen habe. Dies konnte er aus eige­ner Wahr­neh­mung bekun­den, da er bei der Mit­tei­lung der Zeugin KR. am Frei­tag nach dem Tages­aus­flug dabei gewe­sen sei.

© Soweit die Ange­klag­ten sich ledig­lich an eine Unter­rich­tung am Frei­tag­mor­gen, etwa gegen 09:00/09:30 Uhr erin­ner­ten und wei­te­re Mel­dun­gen betref­fend X1s Gesund­heits­zu­stand durch Mit­schü­ler in Abrede stell­ten, geht die Kammer von Erin­ne­rungs­lü­cken und nicht von (bewuss­ten) Lügen aus. Für Erin­ne­rungs­lü­cken spre­chen aus Sicht der Kammer die fol­gen­den Umstän­de:

Die Ange­klag­ten waren auf der klas­sen- und jahr­gangs­über­grei­fen­den Schul­fahrt als zwei von vier Lehr­kräf­ten für über 70 Schü­ler ver­ant­wort­lich. Wäh­rend des Auf­ent­halts kam es zu Zwi­schen­fäl­len, denen sie keine hin­rei­chen­de Auf­merk­sam­keit schenk­ten und die sie im Zeit­punkt der Haupt­ver­hand­lung nicht zu erin­nern schie­nen. So kon­su­mier­ten einige der jün­ge­ren Schü­ler, u.a. die damals 15jährigen Zeugen YN. und XG., so offen­kun­dig Alko­hol, dass es den Ange­klag­ten, wie die Zeugen selbst ein­räum­ten, hätte bereits auf­grund des Geruchs auf­fal­len müssen. Tat­säch­lich seien die Ange­klag­ten nicht ein­ge­schrit­ten, son­dern hätten sich mit einer offen­sicht­li­chen Aus­re­de (“Es han­delt sich um Eistee”) zufrie­den­ge­ge­ben. Auch ent­ging es den Ange­klag­ten, dass die Zeugen YN. und XG. den Don­ners­tag­abend in X1s Zimmer waren und sodann in der Nacht von Don­ners­tag auf Frei­tag in X1s Hotel­zim­mer über­nach­te­ten, wie die Zeugin KR. glaub­haft schil­der­te. Dass die Zeugen YN. und XG. die Nacht nicht in ihrem eige­nen Hotel­zim­mer ver­bracht hatten, bestä­tig­te zudem der Zeuge QP., der sich mit diesen ein Zimmer teilte und die beiden Zeugen erst am Frei­tag­mor­gen dort wieder antraf. Hier­aus schließt die Kammer, dass es Zim­mer­kon­trol­len — ent­ge­gen der (ver­meint­li­chen) Erin­ne­rung der Ange­klag­ten — jeden­falls bei X1 am Don­ners­tag­abend nicht gab, weil andern­falls die Anwe­sen­heit der beiden Zeugen auf­ge­fal­len wäre.

Hin­zu­kommt, dass sich die Ange­klag­ten nicht mehr erin­nern konn­ten oder woll­ten, dass es bereits im Rahmen des gemein­sa­men Früh­stücks am Sams­tag­mor­gen, den 29.06.2019, (und nicht erst später in X1s Hotel­zim­mer) zu einem sehr auf­fäl­li­gen Ver­hal­ten X1s gekom­men war, von dem ihnen sei­tens der Schü­ler berich­tet worden war. Die Zeu­gin­nen KR. und RU. legten in der Haupt­ver­hand­lung dif­fe­ren­ziert und stim­mig dar, dass X1 am Sams­tag­mor­gen nicht rich­tig ansprech­bar gewe­sen sei, schläf­rig und lethar­gisch gewirkt habe. Nur mit ihrer Unter­stüt­zung sei es X1 gelun­gen, in den Früh­stücks­raum zu gelan­gen. Dort habe sie ver­sucht zu früh­stü­cken, habe sich jedoch unmit­tel­bar in eine Spuck­tü­te erbro­chen und sodann dazu ange­setzt, ihr Erbro­che­nes zu trin­ken. Auf Anspra­che habe X1 nur noch mit Zahlen reagiert, wobei sich die Zeugin RU. kon­kret an die Zahl “75” erin­ner­te. Dieses außer­ge­wöhn­li­che Ver­hal­ten X1s war auch den Zeugen YN. und OI. dem Grunde nach erin­ner­lich. Dass die Zeugin KR., wie sie und die Zeugin RU. über­ein­stim­mend und prä­zi­se schil­der­ten, die Ange­klag­ten hier­auf expli­zit hin­wie­sen, erscheint vor dem Hin­ter­grund des von den Zeu­gin­nen glaub­haft beschrie­be­nen Ver­hal­tens am Don­ners­tag und Frei­tag (wie­der­hol­te Anspra­chen) plau­si­bel und lebens­nah. Es ist für die Kammer weder vor­stell­bar, dass die vor­be­nann­ten Zeugen einen sol­chen Sach­ver­halt über­ein­stim­mend kon­stru­ier­ten noch, dass sie die anwe­sen­den Lehr­kräf­te über diesen — zur Über­zeu­gung der Kammer fest­ge­stell­ten — außer­ge­wöhn­li­chen Sach­ver­halt im Unkla­ren ließen. Dass sich die Zeu­gin­nen KR. und RU. wegen der Untä­tig­keit der Lehr­kräf­te spä­tes­tens am Sams­tag­mor­gen nach­voll­zieh­bar über­for­dert fühl­ten, wie sie glaub­haft ein­räum­ten, wird durch eine in der Haupt­ver­hand­lung in Augen­schein genom­me­ne Whats­App-Sprach­nach­richt, die die Zeugin KR. am Sams­tag­mor­gen gegen 09:35 Uhr an ihre Mutter schick­te, anschau­lich belegt. In dieser heißt es sinn­ge­mäß, dass X1 kaum noch ansprech­bar sei, sie, die Zeu­gin­nen, Angst hätten, dass X1 bewusst­los werde, und die Lehrer sich — trotz Hin­wei­ses auf ihre Auf­sichts­pflicht — nicht küm­mern würden.

Auch das Gesche­hen in X1s Hotel­zim­mer gab jeden­falls die Ange­klag­te P. lücken­haft wieder. So schil­der­te sie, sie könne sich nur an X1 und die Zeu­gin­nen KR. und RU. in X1s Hotel­zim­mer erin­nern, als sie das Zimmer nach dem Früh­stück auf­ge­sucht und X1s kri­ti­schen Zustand erst­mals mit eige­nen Augen wahr­ge­nom­men habe. Zur Über­zeu­gung der Kammer steht auf­grund der glaub­haf­ten Anga­ben der Zeugen KR. und YN. indes fest, dass sich auch der Zeuge YN. im Zimmer befand, als die Ange­klag­te P. ein­traf. Grund für die Anwe­sen­heit des Zeugen YN. war, wie die Zeugin KR. anschau­lich dar­leg­te, der fol­gen­de: Nach­dem sie ihrer Mutter die vor­er­wähn­te Sprach­nach­richt geschickt habe, habe ihre Mutter die Zeugin Y. ver­stän­digt, die auf X1s Tele­fon ange­ru­fen habe. Diese habe sie, die Zeu­gin­nen KR. und RU., gebe­ten, X1s Blut­zu­cker zu messen. Da sie sich die Mes­sung nicht zuge­traut hätten, hätten sie den Zeugen YN. hin­zu­ge­ru­fen, der hierzu — auf­grund seiner Tätig­keit bei der Jugend­feu­er­wehr — in der Lage zu sein schien. Eine Mes­sung durch den Zeugen YN. sei jedoch geschei­tert, da nicht genug Blut aus der Fin­ger­kup­pe von X1 gekom­men sei. In dem Moment der Mes­sung sei die Ange­klag­te P. auf­ge­taucht und habe sie des Zim­mers ver­wie­sen. Die auf tele­fo­ni­sche Ver­an­las­sung von X1s Mutter unter­nom­me­ne, aber fehl­ge­schla­ge­ne Blut­zu­cker­mes­sung sowie das Ein­tref­fen der Ange­klag­ten P. schil­der­te über­ein­stim­mend so auch der Zeuge YN..

In der Gesamt­schau misst die Kammer damit der Ein­las­sung der Ange­klag­ten, jeden­falls soweit es das Gesche­hen in London betrifft, — wie dar­ge­legt — weni­ger Gewicht bei, weil ihre Erin­ne­rung — anders als vor allem die der Zeu­gin­nen KR. und RU. — von Erin­ne­rungs­lü­cken geprägt war. Dass sich hin­ge­gen die genann­ten Zeu­gin­nen an das Gesche­hen in London so gut erin­nern konn­ten, erscheint der Kammer ins­ge­samt auch vor dem Hin­ter­grund glaub­haft, dass die Situa­ti­on seit bereits Don­ners­tag­abend für sie jeden­falls unge­wöhn­lich bzw. zum Schluss erheb­lich beängs­ti­gend war, wes­halb sie sich so genau erin­ner­ten, wäh­rend sich die Ange­klag­ten auch um andere Schü­le­rin­nen und Schü­ler und um das Pro­gramm in London küm­mer­ten.

cc. Die Fest­stel­lun­gen zur Kau­sa­li­tät, nament­lich zu der Kennt­nis­er­lan­gung bei Durch­füh­rung einer ver­bind­li­chen schrift­li­chen Abfra­ge von gesund­heit­li­chen Beson­der­hei­ten (hierzu unter (1)) und zu dem Alter­na­tiv­ver­hal­ten der Ange­klag­ten bei Kennt­nis von X1s Dia­be­tes­er­kran­kung (hierzu unter (2)), beru­hen zur Über­zeu­gung der Kammer auf den nach­fol­gen­den Erwä­gun­gen.

(1) Wäre eine ver­bind­li­che schrift­li­che Abfra­ge zu Vor­er­kran­kun­gen, chro­ni­schen Erkran­kun­gen, gesund­heit­li­chen Beson­der­hei­ten und einer ggf. erfor­der­li­chen Medi­ka­ti­on im Vor­feld der Lon­don­fahrt — ins­be­son­de­re unter Hin­weis auf den Umstand, dass die Ange­klag­ten und die geson­dert Ver­folg­ten DO. und WK. als beglei­ten­des Lehr­per­so­nal nicht alle der teil­neh­men­den Schü­ler kann­ten, so auch X1 nicht — erfolgt, so hätte die Zeugin Y. X1s Dia­be­tes­er­kran­kung ange­ge­ben und höchst­wahr­schein­lich sogar wei­te­re, für das Lehr­per­so­nal rele­van­te Anga­ben zum erfor­der­li­chen Dia­be­tes­ma­nage­ment (regel­mä­ßi­ge Blut­zu­cker­mes­sun­gen, Insu­lin­ga­be über Insu­lin­pum­pe, Warn­zei­chen für Über- und Unter­zu­cke­rung) gemacht.

Hier­von geht die Kammer vor dem Hin­ter­grund des vor­ste­hend bereits fest­ge­stell­ten offe­nen und pro­ak­ti­vin­for­ma­ti­ven Umgangs der Fami­lie Y. mit X1s Dia­be­tes­er­kran­kung aus: Die Zeugin Y. gab im Rahmen der Anmel­dung von X1 an der ZK.-Gesamtschule nicht nur die Dia­be­tes­er­kran­kung als solche an, son­dern instru­ier­te auch die erste Klas­sen­leh­re­rin aus­führ­lich über das erfor­der­li­che Dia­be­tes­ma­nage­ment und Warn­zei­chen einer Stoff­wech­sel­ent­glei­sung (siehe hierzu bereits oben die Aus­sa­ge der Zeugin IQ.). Auch im wei­te­ren Ver­lauf des Schul­be­suchs war die Zeugin Y. gegen­über Nach­fra­gen des Lehr- und Schul­per­so­nals offen, wie der Zeuge KJ. glaub­haft dar­leg­te (siehe bereits oben). Schließ­lich schil­der­te die Zeugin Y. selbst, wie aus dem in der Haupt­ver­hand­lung ver­le­se­nen Pro­to­koll ihrer poli­zei­li­chen Ver­neh­mung vom 06.09.2019 her­vor­geht, dass sie bei Frei­zeit- und Klas­sen­fahr­ten das Betreu­ungs­per­so­nal grund­sätz­lich über X1s Dia­be­tes­er­kran­kung infor­mier­te, hier aber des­halb davon abge­se­hen hatte, weil sie davon aus­ging, dass es genügt habe, X1s Dia­be­tes­er­kran­kung zur Schul­ak­te mit­zu­tei­len.

Dass eine unauf­ge­for­der­te Unter­rich­tung der Schule durch die Zeugin Y. in Bezug auf die Lon­don­fahrt unter­blieb, steht hierzu für die Kammer nicht in Wider­spruch. Denn nach dem Ver­ständ­nis der Kammer ging die Zeugin Y. davon aus, dass ange­sichts der schrift­li­chen Abfra­ge nur des Ein­ver­ständ­nis­ses betref­fend die Teil­nah­me an der Lon­don­fahrt bei gleich­zei­tig feh­len­der schrift­li­cher Abfra­ge von gesund­heit­li­chen Beson­der­hei­ten kein Infor­ma­ti­ons­de­fi­zit auf Seiten der Schule — hier kon­kret der Ange­klag­ten — bestand und dass daher ein Tätig­wer­den ihrer­seits durch Infor­ma­ti­on der Lehr­kräf­te über X1s Dia­be­tes­er­kran­kung nicht erfor­der­lich war. Daran, dass sie bei einer ver­bind­li­chen schrift­li­chen Abfra­ge zu Erkran­kun­gen und zu einer not­wen­di­gen Medi­ka­ti­on wahr­heits­ge­mä­ße und voll­stän­di­ge Anga­ben zu X1s Dia­be­tes­er­kran­kung gemacht hätte, hat die Kammer vor diesem Hin­ter­grund keinen Zwei­fel. Denn durch eine schrift­li­che Abfra­ge wäre ihr die Wich­tig­keit der Angabe von X1s Dia­be­tes­er­kran­kung bewusst gewor­den, und es ist nach allem nicht ersicht­lich, dass sie die schrift­li­che kor­rek­te und voll­stän­di­ge Mit­tei­lung dar­auf­hin unter­las­sen hätte. Bei dieser Wür­di­gung ist sich die Kammer des gemin­der­ten Beweis­wer­tes der ver­le­se­nen Aus­sa­ge der Zeugin Y. bewusst und stützt sich nicht allein auf diese. Die sehr aus­führ­li­chen, stim­mi­gen und kon­kre­ten Anga­ben der Zeugin Y. bestä­ti­gen viel­mehr ein bereits auf Grund­la­ge der glaub­haf­ten Aus­sa­gen der Zeugen Dr. EP., IQ., KJ. und MT. gewon­ne­nes Gesamt­bild betref­fend den offe­nen und Dritte ein­be­zie­hen­den Umgang der Zeugin Y. mit X1s Dia­be­tes­er­kran­kung, ins­be­son­de­re auch im schu­li­schen Kon­text.

(2) Dass die Ange­klag­ten bei Kennt­nis von X1s Dia­be­tes­er­kran­kung — wie fest­ge­stellt — die wie­der­hol­ten Mit­tei­lun­gen der Zeu­gin­nen KR. und RU. ernst genom­men, X1 auf­ge­sucht und infol­ge­des­sen bereits am Frei­tag­mor­gen (28.06.2019), reagiert und dann nicht nur einen Ret­tungs­wa­gen bzw. ärzt­li­che Hilfe hin­zu­ge­zo­gen, son­dern auch die Zeugin Y. ver­stän­digt hätten, steht zur Über­zeu­gung der Kammer auf­grund ihrer gestän­di­gen Ein­las­sun­gen fest.

Für die Glaub­haf­tig­keit ihrer Ein­las­sun­gen spricht aus Sicht der Kammer, wie die beiden Ange­klag­ten nach Erken­nen der Not­la­ge X1s am Sams­tag­mor­gen, als sie diese erst­mals auf­such­ten und X1s nun äußerst schlech­ten Gesund­heits­zu­stand wahr­nah­men, reagiert haben. Sie haben unmit­tel­bar den Ret­tungs­dienst geru­fen und nach dessen Ein­tref­fen gemein­sam mit der tele­fo­nisch ver­stän­dig­ten Zeugin Y. ver­sucht, die Ursa­che für X1s kri­ti­schen Zustand zu ermit­teln.

Auch der per­sön­li­che Ein­druck von beiden Ange­klag­ten in der Haupt­ver­hand­lung, als sie sich zur Sache ein­lie­ßen, spricht zur Über­zeu­gung der Kammer dafür, dass sie sich bereits bei der von ihnen ein­ge­räum­ten Benach­rich­ti­gung am Frei­tag­mor­gen um X1 geküm­mert und aus Vor­sor­ge­ge­sichts­punk­ten einen Arzt hin­zu­ge­zo­gen hätten, wäre ihnen X1s Dia­be­tes bekannt gewe­sen.

Im Hin­blick auf die Ange­klag­te P. kommt hinzu, dass sie sich bereits im Schul­jahr 2018/2019 äußerst gewis­sen­haft um eine Schü­le­rin mit Dia­be­tes geküm­mert hatte. Dies berich­te­te die Mutter dieser ehe­ma­li­gen Schü­le­rin, die Zeugin WD. LW.: Sie, die Zeugin, habe die Ange­klag­te P. über die Dia­be­tes­er­kran­kung ihrer Toch­ter infor­miert und eine Not­fall­box in der Klasse belas­sen. Sobald es ihrer Toch­ter nicht gut gegan­gen sei, habe sich die Ange­klag­te P. “bei jeder Klei­nig­keit” bei ihr gemel­det. Teil­wei­se habe sie dies sogar als über­vor­sich­tig emp­fun­den. Dies lässt aus Sicht der Kammer jeden­falls den Rück­schluss zu, dass die Ange­klag­te P. bei Kennt­nis von X1s Dia­be­tes­er­kran­kung genau­so acht­sam und für­sorg­lich mit dieser umge­gan­gen wäre, wie sie es mit der Toch­ter der Zeugin LW. getan hat.

dd. Die Fest­stel­lun­gen zu X1s Stoff­wech­sel­schwan­kun­gen im Vor­feld der Lon­don­fahrt, zu den Blut­zu­cker­mes­sun­gen und Insu­lin­ga­ben wäh­rend der Lon­don­fahrt, zum Ver­lauf der bei X1 ab Don­ners­tag­abend ein­set­zen­den Stoff­wech­sel­ent­glei­sung und zum Zeit­punkt einer noch mög­li­chen Ret­tung X1s stehen zur Über­zeu­gung der Kammer auf­grund der schlüs­si­gen, wider­spruchs­frei­en und über­zeu­gen­den Aus­füh­run­gen der medi­zi­ni­schen Sach­ver­stän­di­gen Dr. GB. ER., Fach­ärz­tin für Kinder- und Jugend­me­di­zin, Kin­de­ren­do­kri­no­lo­gie und ‑dia­be­to­lo­gie, Dia­be­to­lo­gie, All­er­go­lo­gie am Kin­der­kran­ken­haus der Kli­ni­ken der Stadt AU. fest. Ihren Fest­stel­lun­gen schließt sich die Kammer in eige­ner Wür­di­gung an.

Die Sach­ver­stän­di­ge Dr. ER. hat neben den deut­schen und eng­li­schen Behand­lungs- und Kran­ken­un­ter­la­gen betref­fend X1 Y. auch das Ergeb­nis der Aus­le­sung von X1s Insu­lin­pum­pe aus­ge­wer­tet. Damit ließen sich X1s Blut­zu­cker­wer­te und die ver­ab­reich­ten Insulin­do­sen vor und wäh­rend der Fahrt wie fest­ge­stellt rekon­stru­ie­ren. Zu dem Aus­le­se­er­geb­nis legte die Sach­ver­stän­di­ge nach­voll­zieh­bar dar, dass die von der Insu­lin­pum­pe gespei­cher­ten Blut­zu­cker­wer­te in den Tagen vor der Fahrt Ent­glei­sun­gen nach oben (Über­zu­cke­rung) und nach unten (Unter­zu­cke­rung) gezeigt hätten. Teil­wei­se habe bei X1 eine deut­li­che Über­zu­cke­rung mit Werten über 500 mg/dl vor­ge­le­gen. Dies sei mit der Auf­re­gung vor der Fahrt oder auch hor­mo­nel­len Schwan­kun­gen erklär­bar. X1 habe die Stoff­wech­sel­ent­glei­sun­gen durch ein kor­ri­gie­ren­des Dia­be­tes­ma­nage­ment aber jeweils wieder “in den Griff bekom­men”. Wäh­rend der Lon­don­fahrt gebe es nur sehr wenige doku­men­tier­te Blut­zu­cker­mes­sun­gen. Die zuletzt erfass­ten Werte am Frei­tag (28.06.2019) seien mit Werten von unter 200 mg/dl — ange­sichts der zu diesem Zeit­punkt bereits schwe­ren Keto­azi­do­se (hierzu sogleich) — deut­lich zu nied­rig, was den Rück­schluss auf eine manu­el­le und nach unten kor­ri­gie­ren­de Ein­ga­be zulas­se.

Zu der Ent­wick­lung der bei X1 letal ver­lau­fen­den Stoff­wech­sel­ent­glei­sung (dia­be­ti­sche Keto­azi­do­se) führte die Sach­ver­stän­di­ge schlüs­sig und über­zeu­gend aus, dass auf­grund der bei Kran­ken­haus­ein­lie­fe­rung am Sams­tag­vor­mit­tag (29.06.2019) gemes­se­nen Werte (Blut­zu­cker- und Keton­wer­te, pH-Wert und Kreis­lauf­wer­te) sich X1 im Zustand einer schwers­ten dia­be­ti­schen Keto­azi­do­se befun­den habe. Die extre­me Norm­ab­wei­chung der Werte lasse den Rück­schluss zu, dass die Keto­azi­do­se bereits ab Don­ners­tag­abend (27.06.2019) begon­nen und sich am Fol­ge­tag weiter mani­fes­tiert habe. Bei der dia­be­ti­schen Keto­azi­do­se han­de­le es sich um eine Stoff­wech­sel­über­säue­rung (Azi­do­se) durch die ver­mehr­te Bil­dung von Keton­kör­pern im Blut. Werde die Keto­azi­do­se nicht recht­zei­tig (intensiv-)medizinisch behan­delt, ließen sich die hier­durch einmal in Gang gesetz­ten schäd­li­chen Stoff­wech­sel­pro­zes­se ab einem bestimm­ten Zeit­punkt nicht mehr auf­hal­ten, so dass es ab dann zu einer unum­kehr­ba­ren und letzt­lich töd­li­chen Schä­di­gung des Orga­nis­mus komme. Zur Ver­an­schau­li­chung griff die Sach­ver­stän­di­ge hierzu das von der sach­ver­stän­di­gen Zeugin Dr. EP. zuvor ver­wen­de­te Bild eines Stru­dels und der hier­durch ent­ste­hen­den Sog­wir­kung auf, der man sich ab einem gewis­sen Zeit­punkt nicht mehr ent­zie­hen könne: Die Keto­azi­do­se ent­wi­cke­le sich am Anfang lang­sam und zeige nur wenige Aus­wir­kun­gen, ver­stär­ke sich mit der Zeit aber immer deut­li­cher und löse ver­schie­de­ne, den Orga­nis­mus schä­di­gen­de Stoff­wech­sel­pro­zes­se aus, die sich ab einem bestimm­ten Zeit­punkt nicht mehr umkeh­ren oder behan­deln ließen. Dann befin­de man sich im Inne­ren des “Stru­dels” mit einer unauf­halt­ba­ren Sog­wir­kung.

Bei X1 habe sich die dia­be­ti­sche Keto­azi­do­se erst­mals am Don­ners­tag­abend (27.06.2019) mit der Übel­keit und dem Erbre­chen gezeigt, wel­ches bei ihr — anders als bei der Zeugin KR. — nicht nach weni­gen Malen auf­ge­hört, son­dern sich über die Nacht und am nächs­ten Tag (28.06.2019) fort­ge­setzt habe. Das Erbre­chen und die Bauch­schmer­zen seien durch die hohen Keton­wer­te im Blut her­vor­ge­ru­fen worden. Zu einem Anstieg der Keton­wer­te sei es infol­ge eines Insu­lin­man­gels gekom­men. Das Erbre­chen sei nicht nur sym­pto­ma­tisch gewe­sen, son­dern habe sei­ner­seits zu einem Flüs­sig­keits­ver­lust mit einer kon­se­ku­ti­ven Ent­glei­sung des Salzes Kalium (Hyper­ka­li­ämie) geführt, was wie­der­um die Nie­ren­funk­ti­on ein­ge­schränkt habe. Die Hyper­ka­li­ämie habe bei X1 eine Herz­rhyth­mus­stö­rung bedingt. Zeit­gleich hätten die im Blut erhöh­ten Ketone und die durch den Insu­lin­man­gel frei­ge­setz­ten Stress­hor­mo­ne (kon­tra­in­su­li­nä­re Hor­mo­ne) die emp­find­li­chen Herz­zel­len ange­grif­fen. Diese mehr­fach schäd­li­chen Ein­wir­kun­gen auf X1s Herz hätten schließ­lich zu einem leta­len Myo­kard­in­farkt geführt. Dass die häu­fi­ger auf­tre­ten­de Folge einer schwers­ten dia­be­ti­schen Keto­azi­do­se ein (leta­les) Hirn­ödem sei, stehe ihrer vor­ste­hen­den Schluss­fol­ge­rung nicht ent­ge­gen. Denn in der medi­zi­ni­schen Fach­li­te­ra­tur sei ein Myo­kard­in­farkt als sel­te­ne Kom­pli­ka­ti­on einer schwers­ten Keto­azi­do­se durch­aus schon vor­ge­kom­men. Die Annah­me eines durch eine schwers­te Keto­azi­do­se aus­ge­lös­ten Herz­in­farkts werde zudem durch die im Rahmen der Obduk­ti­on gefun­de­nen Ent­zün­dungs­pro­zes­se an X1s Herz bestä­tigt. Diese seien — wie sich den eng­li­schen Obduk­ti­ons­un­ter­la­gen ent­neh­men lasse — ein­deu­tig nicht auf eine Infek­ti­on (z.B. durch car­dio­tro­pe Viren) zurück­zu­füh­ren, son­dern auf die durch die Keto­azi­do­se aus­ge­lös­ten schä­di­gen­den Pro­zes­se in X1s Körper.

Die Sach­ver­stän­di­ge erläu­ter­te über­zeu­gend, X1 habe bereits am Don­ners­tag­abend und noch deut­li­cher am Frei­tag die mas­si­ven Aus­wir­kun­gen der Keto­azi­do­se gespürt, was sich auch den Schil­de­run­gen der Zeugin RU. ent­neh­men lasse. Der Fußweg am Nach­mit­tag sei ihr sicht­lich schwer­ge­fal­len, sie sei müde und erheb­lich geschwächt gewe­sen. Es sei zudem davon aus­zu­ge­hen, dass es bereits am Frei­tag (28.06.2019) zu einer Ein­schrän­kung des Den­kens und der eige­nen Hand­lungs­fä­hig­keit gekom­men sei, wodurch X1 das erfor­der­li­che Dia­be­tes­ma­nage­ment nicht mehr adäquat habe aus­füh­ren können. Ab Don­ners­tag­abend und noch deut­li­cher am Frei­tag habe X1 “um ihr Leben gekämpft”. Anhalts­punk­te dafür, dass X1 bereits am Mitt­woch oder Don­ners­tag ihre Insu­lin­pum­pe abge­nom­men habe, bestün­den nicht. Viel­mehr sei — anhand des Aus­le­se­er­geb­nis­ses der Insu­lin­pum­pe — erkenn­bar, dass am Don­ners­tag jeden­falls noch das Basa­l­in­su­lin geflos­sen sei. Ob und ggf. wann X1 ihre Pumpe danach abge­nom­men habe, könne sie nicht fest­stel­len.

Die Sach­ver­stän­di­ge führte schließ­lich aus, X1 hätte mit an Sicher­heit gren­zen­der Wahr­schein­lich­keit bis Frei­tag­aben­d/-nacht (28.06.2019) geret­tet werden können, wenn bis zu diesem Zeit­punkt eine sta­tio­nä­re Kran­ken­haus­be­hand­lung erfolgt wäre. Dies auch vor dem Hin­ter­grund, dass Ret­tungs­per­so­nal als eine Sofort­maß­nah­me auch den Blut­zu­cker messe — wie am Sams­tag auch aus eige­ner Ver­an­las­sung des Ret­tungs­per­so­nals erfolgt — und die viel zu hohen Werte dann auf­ge­fal­len wären. Ob eine Ret­tung auch am frühen Sams­tag­mor­gen (29.06.2019) noch mög­lich gewe­sen wäre, lasse sich nicht fest­stel­len. Die Behand­lungs­his­to­rie zeige, dass die Insu­lin­the­ra­pie bei X1 zunächst ange­schla­gen habe, jedoch wegen einer jeden­falls am Sams­tag­vor­mit­tag bereits ein­ge­setz­ten unum­kehr­ba­ren Schä­di­gung des Her­zens letzt­end­lich nicht mehr erfolg­reich gewe­sen sei. Andere Ursa­chen für X1s Ver­ster­ben schloss die Sach­ver­stän­di­ge — auch unter Berück­sich­ti­gung der von der sach­ver­stän­di­gen Zeugin Dr. EP. geschil­der­ten wei­te­ren Vor­er­kran­kun­gen X1s (Schild­drü­sen­er­kran­kung (Hash­i­mo­to-Erkran­kung), ange­bo­re­nes klei­nes Loch in der Herz­schei­de­wand (fora­men ovale), ope­ra­tiv ent­fern­ter, klei­ner gut­ar­ti­ger Tumor am Bein) — aus. Auch konnte sie auf­grund der Kran­ken­un­ter­la­gen aus London kei­ner­lei Fehler der dor­ti­gen behan­deln­den Ärzte fest­stel­len.

Den vor­ste­hen­den über­zeu­gen­den, schlüs­si­gen und wider­spruchs­frei­en Fest­stel­lun­gen der medi­zi­ni­schen Sach­ver­stän­di­gen, an deren Sach­kun­de kein Zwei­fel besteht, schließt sich die Kammer in eige­ner Wür­di­gung an. Sie sind plau­si­bel und lassen sich mit den Anga­ben der sach­ver­stän­di­gen Zeugin, Dr. EP., in Ein­klang brin­gen.

IV.

Der Ver­ur­tei­lung liegt fol­gen­de recht­li­che Wür­di­gung zugrun­de:

Die Ange­klag­ten sind bereits nach ihrer gestän­di­gen Ein­las­sung der (unbe­wusst) fahr­läs­si­gen Tötung durch Unter­las­sen gemäß §§ 222,13 StGB schul­dig, indem sie bis zum Zeit­punkt der Abfahrt nach London, als die Zeugin Y. X1 in die Obhut der beiden Ange­klag­ten über­gab, man­gels schrift­li­cher Abfra­ge über Vor­er­kran­kun­gen und man­gels Ein­sicht­nah­me in die Schul­ak­te nicht über X1s aktu­el­le Gesund­heits­da­ten ver­füg­ten, wodurch sie vor Ort in London nicht in der Lage waren, die Lebens­ge­fähr­lich­keit von X1s Zustand bei den erfolg­ten Mit­tei­lun­gen rich­tig ein­zu­schät­zen und hier­auf recht­zei­tig zu reagie­ren.

1. Das deut­sche Straf­recht ist auf den vor­lie­gen­den Sach­ver­halt nach §§ 3, 9 Abs. 1 StGB anwend­bar.

Nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ge­richts­hofs ist eine Inland­stat im Sinne der §§ 3, 9 Abs. 1 StGB nicht allein tat­be­stands­be­zo­gen zu ver­ste­hen, son­dern umfasst regel­mä­ßig die im Rahmen des­sel­ben Lebens­vor­gangs ver­wirk­lich­ten Delik­te und führt auch für diese zur Anwen­dung deut­schen Straf­rechts (BGH, Urteil vom 24.11.2022, Az. 3 StR 64/22, Rn. 22 zitiert nach juris). Nach § 9 Abs. 1 StGB ist eine Tat an jedem Ort began­gen, an dem der Täter gehan­delt hat oder im Falle des Unter­las­sens hätte han­deln müssen oder an dem der zum Tat­be­stand gehö­ren­de Erfolg ein­ge­tre­ten ist oder nach der Vor­stel­lung des Täters ein­tre­ten sollte. Wird eine Tat wenigs­tens teil­wei­se in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land began­gen (§ 9 Abs. 1 StGB), reicht dies aus, um sie zu einer Inland­stat zu machen (vgl. BGH, Beschluss vom 13.05.1986, Az. 5 StR 143/86, Rn. 3 zitiert nach juris; Urteil vom 10.02.2016, Az. 2 StR 413/15, Rn. 11 zitiert nach juris).

Nach dieser Maß­ga­be haben die Ange­klag­ten die fahr­läs­si­ge Tötung durch Unter­las­sen jeden­falls teil­wei­se im Hoheits­ge­biet der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land began­gen, was aus­reicht, um sie zu einer Inland­stat zu machen, auch wenn der tat­be­stand­li­che Erfolg erst im Aus­land ein­ge­tre­ten ist (vgl. Eser/Weißer, in: Schönke/Schröder, 30. Aufl. 2019, StGB § 3 Rn. 4 m.w.N.). Die beiden Ange­klag­ten haben es bis zum Zeit­punkt der Abfahrt in Mön­chen­glad­bach am Mitt­woch­abend (26.06.2019), als sie sich noch im Gel­tungs­be­reich des deut­schen Straf­ge­setz­buchs befan­den, unter­las­sen, sich über X1s Gesund­heits­zu­stand zu infor­mie­ren; sei es durch schrift­li­che Abfra­ge der Gesund­heits­da­ten vor, auf oder nach der Infor­ma­ti­ons­ver­an­stal­tung am 09.05.2019 oder zumin­dest durch Ein­sicht­nah­me in die Schul­ak­te der Geschä­dig­ten X1 Y..

2. Der Erfolg des § 222 StGB, der Tod eines Men­schen, ist ein­ge­tre­ten. X1 ist am 30.06.2019 in London ver­stor­ben.

3. Die beiden Ange­klag­ten haben gegen ihre Sorg­falts­pflich­ten ver­sto­ßen und damit objek­tiv pflicht­wid­rig gehan­delt, indem sie es unter­las­sen haben, X1s Gesund­heits­da­ten spä­tes­tens bei der Abfahrt in Mön­chen­glad­bach durch schrift­li­che Abfra­ge oder Ein­sicht in die Schul­ak­te in Erfah­rung gebracht zu haben.

a. Die beiden Ange­klag­ten hatten als Leh­re­rin­nen eine Garan­ten­stel­lung i.S.d. § 13 Abs. 1 StGB gegen­über ihrer Schü­le­rin X1, wie ihnen bekannt war.

aa. Sie waren durch die tat­säch­li­che Über­nah­me der Ver­ant­wort­lich­keit für ihre Schü­le­rin X1 Y. mit der Abfahrt in Mön­chen­glad­bach, als ihre Mutter, die Zeugin Y., bzw. der Zeuge MT. sie in die Obhut der Ange­klag­ten über­ga­ben, als Leh­re­rin­nen Beschüt­zer­ga­ran­ten gegen­über X1 (vgl. Bosch, in: Schönke/Schröder, 30. Aufl. 2019, StGB § 13 Rn. 10).

bb. Die Ange­klag­ten hatten außer­dem mit Beginn der Schul­fahrt durch Abfahrt in Mön­chen­glad­bach auf­grund ihrer Stel­lung als Amts­trä­ge­rin­nen eine Garan­ten­stel­lung im Hin­blick auf ihre Schü­le­rin X1 (vgl. Gaede, in: NK-StGB, 6. Aufl. 2023, StGB § 13 Rn. 62; Bosch, in: Schönke/Schröder, 30. Aufl. 2019, StGB § 13 Rn. 31a). Jedem Lehrer obliegt die Amts­pflicht, die ihm anver­trau­ten Schü­le­rin­nen und Schü­ler im Schul­be­trieb vor gesund­heit­li­chen Schä­den zu bewah­ren. Er ist ver­pflich­tet, die Gefah­ren so nied­rig wie den Umstän­den nach mög­lich und gebo­ten zu halten. Er muss die ent­spre­chen­den Vor­sichts­maß­nah­men ergrei­fen und gege­be­nen­falls, wenn sich aus­rei­chen­de Vor­keh­run­gen nicht tref­fen lassen, von einer gefähr­li­chen Maß­nah­me Abstand nehmen (BGH, Urteil vom 04.04.2019, Az. III ZR 35/18, Rn. 21 zitiert nach juris m.w.N.; BGH, Urteil vom 08.07.1957, Az. III ZR 49/56, zitiert nach juris, OLG Köln, Urteil vom 29.10.1985, Az. Ss 301/85, Rn. 14 zitiert nach juris).

Wäh­rend der Zeit, in der Schü­le­rin­nen und Schü­ler am Schul­un­ter­richt oder an einer ande­ren Schul­ver­an­stal­tung teil­neh­men, muss die Schule bzw. die die Auf­sicht füh­ren­den Leh­re­rin­nen und Lehrer sie beauf­sich­ti­gen. Diese Auf­sichts­pflicht folgt aus dem öffent­lich­recht­li­chen Schul­ver­hält­nis (vgl. § 42 SchulG NRW) und den all­ge­mei­nen Auf­ga­ben der Schule sowie aus § 57 Abs. 1 SchulG NRW, wonach die Lehr­kräf­te die Schü­ler u. a. beauf­sich­ti­gen und betreu­en (vgl. auch Ziffer 1 der Ver­wal­tungs­vor­schrif­ten zu § 57 Abs. 1 SchulG — Auf­sicht — vom 18.07.2005, ABl. NRW. S. 289). Die Auf­sichts­pflicht der Schule tritt dabei neben die aus §§ 1626 Abs. 1 S. 2, 1631 Abs. 1 BGB fol­gen­de Per­so­nen­sor­ge und Auf­sichts­pflicht der Eltern, die im Falle einer Teil­nah­me ihres Kindes am Schul­un­ter­richt oder an einer Schul­ver­an­stal­tung an der Aus­übung dieser höchst­per­sön­li­chen Pflicht jedoch fak­tisch gehin­dert sind. Grund und all­ge­mei­ner Inhalt der schu­li­schen Auf­sichts­pflicht ist u. a., dass die Schule die Schü­le­rin­nen und Schü­ler, die die Eltern ihr anver­trau­en und in Erfül­lung der Schul­pflicht anver­trau­en müssen, vor Scha­den zu schüt­zen hat. Eltern dürfen darauf ver­trau­en und müssen sich darauf ver­las­sen können, dass ihr Kind in der Schule und auf Schul­fahr­ten keinen Scha­den erlei­det. Inhalt und Gren­zen der schu­li­schen Auf­sichts­pflicht knüp­fen danach an die Teil­nah­me der Schü­le­rin­nen und Schü­ler am Unter­richt und an sons­ti­gen Schul­ver­an­stal­tun­gen (wie Klassen‑, Schul- oder Stu­di­en­fahr­ten) an. Soweit wie diese sich in zeit­li­cher und räum­li­cher Hin­sicht erstre­cken, reicht grund­sätz­lich die Auf­sichts­pflicht der Schule bzw. kon­kret der die Auf­sicht füh­ren­den Leh­re­rin­nen und Lehrer (zum Ganzen: Ober­ver­wal­tungs­ge­richt für das Land Nord­rhein-West­fa­len, Beschluss vom 30.04.2010, Az. 19 A 993/07, Rn. 29 zitiert nach juris). Diese Grund­sät­ze gelten auch für Klas­sen­fahr­ten oder — wie hier — den damit ver­gleich­ba­ren klas­sen- und jahr­gangs­über­grei­fen­den Schul­fahr­ten, die zu den sons­ti­gen Schul­ver­an­stal­tun­gen im Sinne des § 43 Abs. 1 S. 1 SchulG NRW zählen. Die Schule bzw. kon­kret der ein­zel­ne Lehrer oder die ein­zel­ne Leh­re­rin, der oder die die Auf­sicht über­nom­men hat, muss wäh­rend der gesam­ten Dauer einer Klas­sen­fahrt oder — wie hier — Schul­fahrt alle daran teil­neh­men­den Schü­ler beauf­sich­ti­gen, vgl. § 57 Abs. 1 SchulG NRW (Ober­ver­wal­tungs­ge­richt für das Land Nord­rhein-West­fa­len, Beschluss vom 30.04.2010, Az. 19 A 993/07, Rn. 33 zitiert nach juris).

Im Falle der Erkran­kung eines Schü­lers bzw. einer Schü­le­rin wäh­rend des Unter­richts, wäh­rend einer sons­ti­gen Schul­ver­an­stal­tung am Schul­ort oder wäh­rend einer Klas­sen- bzw. Schul­fahrt besteht die Auf­sichts­pflicht der Schule bzw. der kon­kret auf­sichts­füh­ren­den Lehrer solan­ge fort, bis der erkrank­te Schüler/die erkrank­te Schü­le­rin gefahr­los in die Obhut seiner Eltern (nach Hause) gelangt ist. Die Schule bzw. kon­kret die Auf­sicht füh­ren­den Leh­re­rin­nen und Lehrer muss eine erkrank­te Schü­le­rin oder einen erkrank­ten Schü­ler, um sie oder ihn auf­sichts­pflicht­ge­mäß vor Scha­den zu bewah­ren, auch aus­wärts dem­nach so lange beauf­sich­ti­gen, bis die Eltern die Auf­sicht selbst über­neh­men. Dies ist die Folge davon, dass die Schü­le­rin oder der Schü­ler sich als Teil­neh­mer der Klas­sen­fahrt an dem Ort auf­hält, an dem er krank­heits­be­dingt an der Schul­ver­an­stal­tung nicht weiter teil­neh­men kann (Ober­ver­wal­tungs­ge­richt für das Land Nord­rhein-West­fa­len, Beschluss vom 30.04.2010, Az. 19 A 993/07, Rn. 31, 35 zitiert nach juris).

cc. Bei reinen Erfolgs­de­lik­ten, bei denen es auf spe­zi­fi­sche Bege­hungs­wei­sen nicht ankommt, son­dern allein auf die Ver­ur­sa­chung des tat­be­stands­mä­ßi­gen Erfolgs, ent­fällt eine Gleich­wer­tig­keits­prü­fung nach § 13 Abs. 1 StGB. Hier ent­spricht bereits die mög­li­che Nicht­ab­wen­dung des Erfolgs sei­tens des Garan­ten dem Tun (BGH, Urteil vom 04.08.2015, Az. 1 StR 624/14, Rn. 39 zitiert nach juris; Fischer, StGB, 71. Aufl. 2024, Rn. 86; Bosch, in: Schönke/Schröder, 30. Aufl. 2019, StGB § 13 Rn. 4).

b. Die Ange­klag­ten haben nicht sorg­falts­ge­mäß, son­dern (unbe­wusst) fahr­läs­sig gehan­delt. Sie hätten jeden­falls bei Abfahrt in Mön­chen­glad­bach, als sie die Ver­ant­wor­tung für X1 von deren Mutter, der Zeugin Y., über­nah­men und ab diesem Zeit­punkt X1s Beschüt­zer­ga­ran­ten waren, durch schrift­li­che Abfra­ge von Erkran­kun­gen oder zumin­dest Ein­sicht­nah­me in die Schul­ak­te sicher­stel­len müssen, dass sie zuver­läs­sig über die Gesund­heits­da­ten aller mit­fah­ren­den Schü­le­rin­nen und Schü­ler, kon­kret X1 Y., ver­fügt hätten.

Unbe­wusst fahr­läs­sig han­delt, wer die Sorg­falt, zu der er nach den Umstän­den und nach seinen per­sön­li­chen Fähig­kei­ten und Kennt­nis­sen ver­pflich­tet und imstan­de ist, außer Acht lässt und infol­ge dessen die Tat­be­stands­ver­wirk­li­chung nicht vor­aus­sieht

(Baye­ri­sches Obers­tes Lan­des­ge­richt, Urteil vom 25.09.2001, Az. 4St RR 71/2001, Rn. 25 zitiert nach juris; Bülte, in: Leip­zi­ger Kom­men­tar zum StGB, 13. Aufl. 2024, § 15 StGB, Rn. 209 m.w.N.; Heger, in: Lackner/Kühl, 30. Aufl. 2023, StGB § 15 Rn. 35).

aa. Die objek­ti­ve Sorg­falts­pflicht ver­letzt, wer die­je­ni­ge Sorg­falt außer Acht lässt, zu der er nach den jewei­li­gen Umstän­den ver­pflich­tet ist. Dies bemisst sich nach dem jeweils geschütz­ten Rechts­gut der Norm. Art und Maß der anzu­wen­den­den Sorg­falt bestim­men sich nach den Anfor­de­run­gen, die bei objek­ti­ver Betrach­tung der Gefah­ren­la­ge ex ante an einen beson­ne­nen und gewis­sen­haf­ten Men­schen in der kon­kre­ten Situa­ti­on und seiner sozia­len Rolle zu stel­len sind (BGH, Urtei­le vom 19.04.2000, Az. 3 StR 442/99, Rn. 37 zitiert nach juris, und vom 14.03.2003, Az. 2 StR 239/02, Rn. 18 zitiert nach juris; Heger, in: Lackner/Kühl, 30. Aufl. 2023, StGB § 15 Rn. 37 m.w.N.). Maß­geb­lich ist dem­nach, wie sich ein umsich­ti­ger und erfah­re­ner Lehrer einer Gesamt­schu­le in glei­cher Situa­ti­on wie die Ange­klag­ten ver­hal­ten hätte.

Als Anknüp­fungs­punkt für eine Sorg­falts­pflicht­ver­let­zung kann dabei jedes Ver­hal­ten her­an­ge­zo­gen werden, das zu einer objek­tiv zure­chen­ba­ren Tat­be­stands­ver­wirk­li­chung führt (OLG Hamm, Beschluss vom 12.01.2016, Az. III‑3 RVs 91/15, Rn. 23 zitiert nach juris). Es kommt gerade nicht auf eine Sorg­falts­pflicht­ver­let­zung im Zeit­punkt des Erfolgs­an­tritts an (vgl. § 8 S. 2 StGB). Unter Berück­sich­ti­gung eines sog. Vor­ver­schul­dens kann es zu einer weit­ge­hen­den Vor­ver­la­ge­rung kommen, wenn der Täter in der kon­kre­ten Situa­ti­on nicht imstan­de ist, den Ein­tritt des tat­be­stand­li­chen Erfol­ges zu erken­nen und zu ver­mei­den (OLG Hamm, a.a.O.; Bülte, in: Leip­zi­ger Kom­men­tar zum StGB, 13. Aufl. 2020, § 15 StGB, Rn. 57 m.w.N.), weil — wie hier — die not­wen­di­gen Infor­ma­tio­nen auf­grund einer vor­aus­ge­hen­den Pflicht­ver­let­zung nicht vor­la­gen.

(1) Dieser all­ge­mei­ne Sorg­falts­maß­stab lässt sich in Bezug auf die Auf­sichts­pflicht von Lehr­kräf­ten, ins­be­son­de­re hin­sicht­lich der Vor­be­rei­tung und Durch­füh­rung von Klas­sen- und Schul­fahr­ten, durch die gel­ten­den gesetz­li­chen Bestim­mun­gen und die höchst­rich­ter­li­che und ober­ge­richt­li­che Recht­spre­chung weiter kon­kre­ti­sie­ren.

Aus § 42 Abs. 1 SchulG NRW ergibt sich für die Eltern eines chro­nisch erkrank­ten Kindes die Ver­pflich­tung, die Schule über diese chro­ni­sche Erkran­kung umfas­send zu infor­mie­ren, soweit dies für den Ablauf des Schul­all­tags rele­vant ist (OLG Düs­sel­dorf, Beschluss vom 21.06.2023, Az. III‑4 Ws 73/23, Rn. 21 zitiert nach juris). Dies ist bei X1s Auf­nah­me in der Schule erfolgt und in ihrer Schul­ak­te ent­spre­chend ver­merkt sowie den unter­rich­ten­den Leh­rern nebst Hand­lungs­an­wei­sun­gen mit­ge­teilt worden. Die Wei­ter­ga­be dieser Infor­ma­tio­nen an andere Lehrer hat nur dann zu erfol­gen, wenn die Eltern des Kindes zuvor aus­drück­lich ein­ge­wil­ligt haben oder wenn die Infor­ma­ti­on für die wei­te­ren Lehr­kräf­te zwin­gend erfor­der­lich ist, um eine ange­mes­se­ne Betreu­ung sicher­zu­stel­len (vgl. “Hand­rei­chung — Medi­ka­men­ten­ga­be durch Leh­re­rin­nen und Lehrer”, Stand 1. Juli 2018). Eine Infor­ma­ti­ons­be­schaf­fung durch die auf­sicht­füh­ren­den Lehr­kräf­te wäre danach auch hier zuläs­sig gewe­sen. Denn auf­grund der bereits nach kurzer Zeit zu erheb­li­chen gesund­heit­li­chen Ein­schrän­kun­gen füh­ren­den Dia­be­tes­er­kran­kung X1s, die unbe­han­delt zum Tode der betrof­fe­nen Person führen kann und dem damit regel­mä­ßig sym­pto­ma­tisch ein­her­ge­hen­den Kon­troll­ver­lust, war die Infor­ma­ti­on für die betreu­en­den Lehr­kräf­te einer mehr­tä­gi­gen Schul­fahrt in das Aus­land erfor­der­lich.

Nach § 57 Abs. 1 SchulG NRW beauf­sich­ti­gen die Lehr­kräf­te die Schü­le­rin­nen und Schü­ler in eige­ner Ver­ant­wor­tung unter Berück­sich­ti­gung der gel­ten­den Rechts- und Ver­wal­tungs­vor­schrif­ten sowie der Anord­nun­gen der Schul­auf­sichts­be­hör­den und der Kon­fe­renz­be­schlüs­se. Die Auf­sichts­pflich­ten wäh­rend Schul­fahr­ten werden durch die “Richt­li­nie für Schul­fahr­ten” aus dem Rund­erlass des Minis­te­ri­ums für Schule und Wei­ter­bil­dung vom 19. März 1997 (BABl. NW. I S. 101) kon­kre­ti­siert (OLG Düs­sel­dorf, Beschluss vom 21.06.2023, Az. III‑4 Ws 73/23, Rn. 22 zitiert nach juris). Nach Ziffer 6.1 (Auf­sicht, Gefahr­ver­mei­dung und Unfall­ver­hü­tung) der Richt­li­nie rich­ten sich Art und Umfang der Auf­sicht wäh­rend Schul­fahr­ten nach den jewei­li­gen Gege­ben­hei­ten, wobei mög­li­che Gefähr­dun­gen sowie Alter, Ent­wick­lungs­stand und Aus­prä­gung des Ver­ant­wor­tungs­be­wusst­seins der Schü­le­rin­nen und Schü­ler und bei Schü­le­rin­nen und Schü­lern mit Behin­de­run­gen oder chro­ni­schen Erkran­kun­gen auch die Art der Beein­träch­ti­gung zu berück­sich­ti­gen sind.

Damit setzt der Rund­erlass bereits voraus, dass die Auf­sichts­per­so­nen einer Schul­rei­se Kennt­nis vom Vor­lie­gen einer etwa­igen chro­ni­schen Erkran­kung und dessen mög­li­che Aus­wir­kun­gen haben, damit bei der Auf­sicht eine beson­de­re Berück­sich­ti­gung erfol­gen kann. Hier­aus ergibt sich die Pflicht, dass sich die auf­sicht­füh­ren­den Lehr­kräf­te die ent­spre­chen­den Infor­ma­tio­nen recht­zei­tig besor­gen (vgl. OLG Düs­sel­dorf, Beschluss vom 21.06.2023, Az. III‑4 Ws 73/23, Rn. 22 zitiert nach juris).

Die Pflicht zur Ver­schaf­fung dieser Kennt­nis­se oblag zunächst der Schule als Ver­an­stal­te­rin der klas­sen- und jahr­gangs­über­grei­fen­den Schul­fahrt. Die Orga­ni­sa­ti­on der Ver­an­stal­tung war hier jedoch zuläs­si­ger­wei­se auf die Ange­klag­ten (und die geson­dert Ver­folg­ten DO. und WK.) über­tra­gen, die selbst Auf­sichts­per­so­nen der Lon­don­fahrt waren. Es oblag mithin ihnen, die not­wen­di­gen Infor­ma­tio­nen der zur Erfül­lung der nach dem Rund­erlass ihnen oblie­gen­den Auf­sichts­pflicht zu gene­rie­ren (OLG Düs­sel­dorf, Beschluss vom 21.06.2023, Az. III‑4 Ws 73/23, Rn. 24 zitiert nach juris; vgl. OLG Köln, Urteil vom 29.10.1985, Az. Ss 301/85, zitiert nach juris) und diese Infor­ma­tio­nen jeden­falls mit Ein­tritt ihrer Garan­ten­stel­lung bei Abfahrt in Mön­chen­glad­bach ver­füg­bar zu haben.

Es ist auch nicht anzu­neh­men, dass eine ent­spre­chen­de Infor­ma­ti­ons­be­schaf­fung auf­grund X1s Alters sowie ande­ren Teil­neh­mern und des dem­entspre­chend anzu­neh­men­den Ver­ant­wor­tungs­be­wusst­seins hätte ent­fal­len können, weil ein erheb­li­cher Teil der Schü­ler, so auch die Geschä­dig­te, erst zwi­schen drei­zehn und fünf­zehn Jahren alt gewe­sen ist und in diesem Alter von einem ent­spre­chen­den Ver­ant­wor­tungs­be­wusst­sein noch nicht aus­ge­gan­gen werden kann. Hier­für spricht auch, dass die Eltern aus­drück­lich schrift­lich ein­wil­li­gen muss­ten, dass sich ihre Kinder in London in Klein­grup­pen bewe­gen durf­ten und diese ihre Kinder anzu­wei­sen hatten, den Anord­nun­gen der Auf­sichts­per­so­nen unbe­dingt Folge zu leis­ten (vgl. OLG Düs­sel­dorf, Beschluss vom 21.06.2023, Az. III‑4 Ws 73/23, Rn. 24 zitiert nach juris).

Die bloß münd­li­che “Nach­fra­ge nach gesund­heit­li­chen Beson­der­hei­ten, Rei­se­übel­keit” (Zitat aus dem Pro­to­koll es Eltern­in­for­ma­ti­ons­abends am 09.05.2019) wäh­rend der unver­bind­li­chen Infor­ma­ti­ons­ver­an­stal­tung am 09.05.2019 war weder geeig­net noch aus­rei­chend (siehe dazu noch unten unter (2)), um der Infor­ma­ti­ons­be­schaf­fungs­pflicht der beiden Ange­klag­ten Genüge zu tun (vgl. OLG Düs­sel­dorf, Beschluss vom 21.06.2023, Az. III‑4 Ws 73/23, Rn. 25 zitiert nach juris).

Dies ergibt sich bereits daraus, dass es sich um eine unver­bind­li­che Ver­an­stal­tung han­del­te, zu der auch nicht unter Hin­weis auf die gesund­heit­li­che Abfra­ge von Gesund­heits­da­ten ein­ge­la­den wurde, wes­halb die Ange­klag­ten und die übri­gen beglei­ten­den Lehrer nicht davon aus­ge­hen durf­ten, dass alle Schü­ler dort ver­tre­ten sein würden, sodass von nicht teil­neh­men­den Per­so­nen auch keine gesund­heit­li­chen Ein­schrän­kun­gen oder Vor­er­kran­kun­gen erfragt werden konn­ten. Vor allem ist aber zu berück­sich­ti­gen, weil im kon­kre­ten Fall X1 zusam­men mit dem Lebens­ge­fähr­ten ihrer Mutter, dem Zeugen MT., an dem Eltern­abend teil­nahm, dass nicht alle Kinder — ins­be­son­de­re unter Berück­sich­ti­gung ihres Alters — dazu bereit sein dürf­ten, mög­li­che Erkran­kun­gen oder kör­per­li­che oder geis­ti­ge Ein­schrän­kun­gen vor ihnen teil­wei­se gänz­lich unbe­kann­ten Teil­neh­men­den bei dieser Infor­ma­ti­ons­ver­an­stal­tung für eine klas­sen- und stu­fen­über­grei­fen­de Fahrt öffent­lich zu machen. Auch kann nicht von allen Schü­le­rin­nen und Schü­lern erwar­tet werden, sich nach der Ver­an­stal­tung noch zu den Lehr­kräf­ten zu bege­ben, um mög­li­che gesund­heit­li­che Beein­träch­ti­gun­gen zu benen­nen (OLG Düs­sel­dorf, Beschluss vom 21.06.2023, Az. III‑4 Ws 73/23, Rn. 27, juris), selbst wenn man einmal zuguns­ten der Ange­klag­ten unter­stellt — was die Kammer jeden­falls im Hin­blick auf X1 und den Zeugen MT. nicht fest­stel­len konnte -, dass alle Teil­neh­men­den die Frage nach Gesund­heits­da­ten über­haupt ver­nom­men haben (siehe dazu unten unter (2)). Im kon­kre­ten Fall von X1 durf­ten die Ange­klag­ten nicht davon aus­ge­hen, dass X1 oder der Zeuge MT. allein auf münd­li­che Nach­fra­ge hin noch­mals auf die Dia­be­tes­er­kran­kung hin­wei­sen würde, die bereits in der Schul­ak­te doku­men­tiert war und von deren Beach­tung sie daher auch ohne erneu­ten Hin­weis aus­ge­hen durf­ten. Hin­zu­kommt, dass die Ange­klag­ten von einer zuver­läs­si­gen Unter­rich­tung über die Erkran­kung allein an dem Infor­ma­ti­ons­abend auch des­we­gen nicht aus­ge­hen durf­ten, weil die allein erzie­hungs­be­rech­tig­te Mutter von X1, die Zeugin Y., an der Ver­an­stal­tung gar nicht teil­nahm.

Die beiden Ange­klag­ten hätten bei der Pla­nung der Aus­lands­rei­se im Hin­blick auf ihre im Zeit­punkt der Abfahrt in Mön­chen­glad­bach begin­nen­de Ver­ant­wor­tung für X1, sprich dem Beginn ihrer Garan­ten­stel­lung, viel­mehr den sichers­ten Weg beschrei­ten und bei allen Schü­lern Vor­er­kran­kun­gen oder gesund­heit­li­che Beson­der­hei­ten ver­bind­lich schrift­lich abfra­gen müssen. Denn allein durch eine ver­pflich­ten­de schrift­li­che Abfra­ge hätten sie die Gefah­ren für die teil­neh­men­den Schü­le­rin­nen und Schü­ler so nied­rig wie den Umstän­den nach mög­lich und gebo­ten gehal­ten (vgl. BGH, Urteil vom 04.04.2019, Az. III ZR 35/18, Rn. 21 zitiert nach juris m.w.N.). Eine solche schrift­li­che Abfra­ge wäre auch ohne Wei­te­res, etwa im Zusam­men­hang mit der erfolg­ten schrift­li­chen Abfra­ge, ob sich die Schü­le­rin­nen und Schü­ler in London in Klein­grup­pen allei­ne bewe­gen dürfen, mög­lich und zumut­bar gewe­sen. Indem die Ange­klag­ten diese Mög­lich­kei­ten der Infor­ma­ti­ons­be­schaf­fung nicht genutzt haben und sich auch sonst bis zur bzw. spä­tes­tens bei Abfahrt in Mön­chen­glad­bach mit der Über­nah­me der Ver­ant­wor­tung für X1 nicht die not­wen­di­gen Infor­ma­tio­nen beschafft haben, haben sie sorg­falts­wid­rig gehan­delt (vgl. OLG Düs­sel­dorf, a.a.O., Rn. 28 zitiert nach juris).

Im kon­kre­ten Fall von X1 Y. wäre es zudem schon aus­rei­chend gewe­sen, Ein­sicht in die Schul­ak­te zu nehmen und sich hier­durch über X1s gesund­heit­li­che Beson­der­hei­ten zu infor­mie­ren, weil dort die Dia­be­tes­er­kran­kung ver­merkt war. Dass eine solche Ein­sicht­nah­me in die Schul­ak­te indes immer der sichers­te Weg ist, steht hin­ge­gen nicht fest. Bei X1 wurde die Dia­be­tes­er­kran­kung mit der Auf­nah­me an der Schule in der fünf­ten Klasse in der Schul­ak­te ver­merkt. Es ist aber denk­bar, dass sich bei einem Schüler/einer Schü­le­rin — auch rela­tiv kurz­fris­tig — Krank­hei­ten ent­wi­ckeln, die sich dann nicht in der Schul­ak­te befin­den und die sich allein durch eine aktu­el­le ver­bind­li­che und schrift­li­che Abfra­ge von Vor­er­kran­kun­gen, chro­ni­schen Erkran­kun­gen oder sons­ti­gen gesund­heit­li­chen Beson­der­hei­ten im Vor­feld einer sol­chen Fahrt her­aus­fin­den lassen.

(2) Selbst wenn eine solche Kon­kre­ti­sie­rung durch die gel­ten­den gesetz­li­chen Bestim­mun­gen und die höchst­rich­ter­li­che und ober­ge­richt­li­che Recht­spre­chung nicht mög­lich wäre, würde sich die Sorg­falts­pflicht einer ver­bind­li­chen schrift­li­chen Abfra­ge der Gesund­heits­da­ten aus den Stan­dards und Gepflo­gen­hei­ten bestimm­ter Ver­kehrs­krei­se, die zwar nicht zu Geset­zen gewor­den sind, inner­halb bestimm­ter Lebens­be­rei­che das Ver­hal­ten aber auch mehr oder weni­ger klar steu­ern sollen, erge­ben (vgl. BeckOK StGB/Kudlich, 59. Ed. 1.11.2023, StGB § 15 Rn. 41; Stern­berg-Lie­ben/­Schus­ter, in: Schönke/Schröder, 30. Aufl. 2019, StGB § 15 Rn. 135 m.w.N.).

Hier konnte die Kammer auf­grund der Beweis­auf­nah­me fest­stel­len, dass in der betref­fen­den Schule neue Klas­sen­leh­rer, so zum Bei­spiel der Zeuge KJ., Ein­sicht in die Schul­ak­ten der Schü­le­rin­nen und Schü­ler, dar­un­ter auch X1s Schul­ak­te nehmen, um sich über sie zu infor­mie­ren. Der Zeuge KJ. ging sogar noch weiter und infor­mier­te sich auf Grund­la­ge der Akten­kennt­nis wei­ter­ge­hend bei der vor­he­ri­gen Klas­sen­leh­re­rin, der Zeugin IQ.. Dies hatten die Ange­klag­ten indes spä­tes­tens bei der Abfahrt in Mön­chen­glad­bach nicht getan, wie sie selbst ein­ge­räumt haben.

Die Kammer konnte weiter auf­grund der Beweis­auf­nah­me fest­stel­len, u.a. auf­grund der glaub­haf­ten Anga­ben der Zeugin KI., der Schul­lei­te­rin, dass auch bereits im Jahr 2019 vor jeder Klas­sen­fahrt die zustän­di­gen Leh­re­rin­nen und Lehrer die Gesund­heits­da­ten ihrer Schü­le­rin­nen und Schü­ler ver­bind­lich schrift­lich und recht­zei­tig vor der Abfahrt abfrag­ten und die Schule hier­für bereits im Jahr 2019 ent­spre­chen­de stan­dar­di­sier­te For­mu­la­re vor­hielt, auf die auch die Ange­klag­ten hätten zurück­grei­fen können. Dann muss eine solche ver­bind­li­che schrift­li­che Abfra­ge bei einer klas­sen- und stu­fen­über­grei­fen­den Fahrt, wie der Lon­don­fahrt, bei der die beglei­ten­den Leh­re­rin­nen und Lehrer gerade nicht alle teil­neh­men Schü­le­rin­nen und Schü­ler kennen (sie kann­ten alle­samt X1 nicht), erst recht spä­tes­tens im Zeit­punkt der Abfahrt in Mön­chen­glad­bach erfol­gen. Obwohl die beiden Ange­klag­ten X1 nicht aus dem Unter­richt kann­ten, haben sie eine ver­bind­li­che schrift­li­che Abfra­ge jedoch nicht vor­ge­nom­men, was sie beide ein­ge­räumt haben.

Auch konnte die Kammer nicht fest­stel­len, dass die Ange­klag­ten X1, ihre Mutter, die Zeugin Y., oder den Lebens­ge­fähr­ten von X1s Mutter, den Zeugen MT., zu irgend­ei­nem Zeit­punkt bis zur Abfahrt oder spä­tes­tens bei Abfahrt zumin­dest münd­lich nach Erkran­kun­gen gefragt hatten. Zwar hat die Kammer es zuguns­ten der Ange­klag­ten als erwie­sen ange­se­hen, dass auf der 45 Minu­ten dau­ern­den unver­bind­li­chen Infor­ma­ti­ons­ver­an­stal­tung am 09.05.2019, auf der immer­hin 19 Punkte nebst wei­te­ren Unter­punk­ten bespro­chen wurden (ins­ge­samt waren es laut Pro­to­koll des Infor­ma­ti­ons­abends 30 Punkte inner­halb von 45 Minu­ten), durch die Ange­klag­te P. eine münd­li­che Abfra­ge von gesund­heit­li­chen Beson­der­hei­ten und not­wen­di­ger Medi­ka­men­ten­ein­nah­me der Teil­neh­mer erfolg­te. Indes konnte die Kammer — wie sie in der Beweis­wür­di­gung näher dar­ge­legt hat — nicht fest­stel­len, dass X1 oder der Zeuge MT. diese Frage an dem Abend über­haupt wahr­ge­nom­men haben, wovon sich auch die Ange­klag­ten nicht über­zeugt haben. Bei ihrer münd­li­chen Abfra­ge, hätte die Ange­klag­te P. zumin­dest sicher­ge­hen müssen, dass jeder der Teil­neh­men­den die Frage wahr­nimmt und Gele­gen­heit zur Ant­wort erhält; zum Bei­spiel durch eine geziel­te Abfra­ge der Reihe nach. Es war hier auch nicht so, dass X1, ihre Mutter oder der Zeuge MT. im Vor­feld der Ver­an­stal­tung damit rech­nen muss­ten, dass eine solche Abfra­ge nach Gesund­heits­da­ten erfol­gen würde. Denn die Ein­la­dung zu der unver­bind­li­chen Infor­ma­ti­ons­ver­an­stal­tung war — wie die Kammer bereits zuvor detail­lier­ter aus­ge­führt hat — denk­bar knapp­ge­hal­ten und ent­hielt kei­ner­lei Hin­wei­se auf eine Abfra­ge von Gesund­heits­da­ten.

Im Übri­gen, ohne dass es für die Über­zeu­gungs­bil­dung der Kammer noch ent­schei­dend gewe­sen wäre, ist es all­ge­mein bekannt, wie die Kammer mehr­fach in der Haupt­ver­hand­lung her­vor­ge­ho­ben hat, dass schrift­li­che Abfra­gen nach Gesund­heits­da­ten vor (Klassen-)Fahrten regel­mä­ßig erfol­gen, sowohl in Schu­len als auch in (Sport-)Vereinen. Es wird dort regel­mä­ßig nach All­er­gien, Nah­rungs­mit­tel­un­ver­träg­lich­kei­ten, Erkran­kun­gen und Medi­ka­men­ten schrift­lich gefragt.

bb. Die Sorg­falts­pflicht hatten beide Ange­klag­te eine jede für sich. Denn es gab nach den Fest­stel­lun­gen der Kammer keine Auf­tei­lung der Ver­ant­wor­tungs­be­rei­che zwi­schen den die Lon­don­fahrt beglei­ten­den Leh­re­rin­nen und dem Lehrer. Jeder von ihnen musste dem­entspre­chend der Amts­pflicht nach­kom­men und dafür Sorge tragen, dass X1s Gesund­heits­da­ten spä­tes­tens im Zeit­punkt der Abfahrt in Mön­chen­glad­bach vor­lie­gen.

c. Der Erfolg, X1s Tod, war objek­tiv vor­her­seh­bar.

Objek­ti­ve Vor­aus­seh­bar­keit der Tat­be­stands­ver­wirk­li­chung liegt vor, wenn der ein­ge­tre­te­ne tat­be­stands­mä­ßi­ge Erfolg nach all­ge­mei­ner Lebens­er­fah­rung, sei es auch nicht als regel­mä­ßi­ge, so doch als nicht unge­wöhn­li­che Folge erwar­tet werden konnte (Heger, in: Lackner/Kühl, 30. Aufl. 2023, StGB § 15 Rn. 46; vgl. BGH, Urtei­le vom 26.05.2004, Az. 2 StR 505/03, BGHSt 49, 166–177, Rn. 30 zitiert nach juris, und vom 17.03.1992, Az. 5 StR 34/92, Rn. 16 zitiert nach juris).

Nach all­ge­mei­ner Lebens­er­fah­rung tritt bei einer feh­len­den Abfra­ge von Gesund­heits­da­ten bei Beginn einer Klas­sen- bzw. Schul­fahrt der Tod eines teil­neh­men­den Schü­lers zwar nicht regel­mä­ßig ein, ist indes bei einer mit­fah­ren­den chro­nisch kran­ken, erst 13 Jahre alten Schü­le­rin (hier X1 Y.), die auf die regel­mä­ßi­ge Gabe eines lebens­wich­ti­ges Medi­ka­ment (hier: Insu­lin) ange­wie­sen ist und von deren Erkran­kung die beglei­ten­den Leh­re­rin­nen auf­grund der unter­las­se­nen Gesund­heits­da­ten­ab­fra­ge jedoch nichts wuss­ten, keine unge­wöhn­li­che Folge einer feh­ler­haf­ten bzw. unzu­rei­chen­den Betreu­ung durch die betref­fen­den Lehrer gerade auf­grund der unter­blie­be­ne Abfra­ge und dadurch beding­ten Unkennt­nis.

4. Das Unter­las­sen der gebo­te­nen Hand­lung, der ver­bind­li­chen schrift­li­chen Abfra­ge der Gesund­heits­da­ten und der feh­len­den Ein­sicht­nah­me in die Schul­ak­te spä­tes­tens bei der Abfahrt in Mön­chen­glad­bach, ist (quasi)ursächlich für X1s Tod.

Bei der Prü­fung der Ursäch­lich­keit des Pflich­ten­ver­sto­ßes ist hypo­the­tisch zu fragen, was gesche­hen wäre, wenn sich der Täter pflicht­ge­mäß ver­hal­ten hätte. Eine pflicht­wid­ri­ge Unter­las­sung kann grund­sätz­lich nur ange­las­tet werden, wenn der straf­recht­lich rele­van­te Erfolg bei pflicht­ge­mä­ßem Han­deln mit an Sicher­heit gren­zen­der Wahr­schein­lich­keit ver­hin­dert worden wäre, der Erfolg also ver­meid­bar gewe­sen wäre (BGH, Urtei­le vom 07.01.2010, Az. 4 StR 413/09, Rn. 10 zitiert nach juris, vom 06.11.2002, Az. 5 StR 281/01, Rn. 49 zitiert nach juris, und vom 19.01.1988, Az. 1 StR 635/87, Rn. 9 zitiert nach juris; Bosch, in: Schönke/Schröder, 30. Aufl. 2019, StGB § 13 Rn. 61). Weiter muss bei fahr­läs­si­gen Erfolgs­de­lik­ten — auch in der Bege­hungs­form des Unter­las­sens — zur sach­ge­mä­ßen Begren­zung der objek­ti­ven Zure­chen­bar­keit der Erfolg seinen Grund gerade in der objek­ti­ven Pflicht­ver­let­zung haben (BGH, Urteil vom 19.04.2000, Az. 3 StR 442/99, Rn. 27 zitiert nach juris m.w.N., und vom 20.11.2008, Az. 4 StR 328/08, Rn. 14, 19 zitiert nach juris; Duttge in: Mün­che­ner Kom­men­tar zum StGB, 4. Aufl. 2020, § 15 Rn. 184).

Hängt die Erfolgs­ver­hin­de­rung vom Han­deln eines Drit­ten ab (psy­chisch ver­mit­tel­te Kau­sal­ver­läu­fe), darf die Fest­stel­lung, wie sich der Dritte bei Vor­nah­me der gebo­te­nen Hand­lung ver­hal­ten hätte, nicht zur Spe­ku­la­ti­on gera­ten, son­dern ist — soweit mög­lich — auf­zu­klä­ren (Bosch, in: Schönke/Schröder, 30. Aufl. 2019, StGB § 13 Rn. 62; so im Ergeb­nis auch: BGH, Beschluss vom 06.03.2008, Az. 4 StR 669/07, Rn. 12 zitiert nach juris). Die Pro­ble­ma­tik ist dadurch zu lösen, dass bei psy­chisch ver­mit­tel­ter Kau­sa­li­tät ein pflicht­ge­mä­ßes bzw. eigene Inter­es­sen wah­ren­des Ver­hal­ten der ande­ren unter­stellt wird. Eine Schlech­ter­stel­lung des Unter­las­sungs­tä­ters ist damit nicht ver­bun­den, weil diesem ledig­lich — ver­gleich­bar dem Bege­hungs­tä­ter im Rahmen des Pflicht­wid­rig­keits­zu­sam­men­hangs — die Beru­fung auf ein pflicht­wid­ri­ges Ver­hal­ten Drit­ter abge­schnit­ten wird (Bosch, in: Schönke/Schröder, 30. Aufl. 2019, StGB § 13 Rn. 62; so im Ergeb­nis auch BGH, Urteil vom 06.11.2002, Az. 5 StR 281/01, Rn. 53 zitiert nach juris betref­fend das Ver­hal­ten par­al­le­ler Garan­ten (sog. Polit­bü­ro-Ent­schei­dung); Pup­pe/­Gros­se-Wilde in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen/Saliger, StGB, 6. Aufl. 2023, vor § 13 Rn. 134).

Nach dieser Maß­ga­be ist von Fol­gen­dem aus­zu­ge­hen: Hätten sich die Ange­klag­ten pflicht­ge­mäß ver­hal­ten und X1s Gesund­heits­da­ten spä­tes­tens bei Abfahrt in Mön­chen­glad­bach ver­bind­lich schrift­lich abge­fragt, hätte die Zeugin Y. als X1s ein­zi­ge Erzie­hungs­be­rech­tig­te nach den Fest­stel­lun­gen der Kammer mit­ge­teilt, dass X1 an Dia­be­tes erkrankt ist, und den Ange­klag­ten die hierzu weiter erfor­der­li­chen Infor­ma­tio­nen (z.B. zum erfor­der­li­chen Dia­be­tes­ma­nage­ment oder zu Warn­zei­chen einer Stoff­wech­sel­ent­glei­sung) ver­mit­telt. Diese Über­zeu­gung hat die Kammer ins­be­son­de­re daraus her­ge­lei­tet, dass X1, ihre Mutter und der Zeuge MT. immer offen mit X1s Krank­heit umge­gan­gen sind, dass die Zeugin Y. die Dia­be­tes­er­kran­kung bei Anmel­dung an der ZK.-Gesamtschule ange­ge­ben und dass sie X1s Klas­sen­leh­rer zu Beginn des Schul­be­suchs und auch wäh­rend des jewei­li­gen Schul­jahrs bei ver­schie­de­nen Gele­gen­hei­ten unter­rich­tet hat (siehe oben aus­führ­lich in der Beweis­wür­di­gung). Dass X1, ihre Mutter oder der Zeuge MT. bei einer (für die Teil­nah­me an der Fahrt ver­bind­li­chen schrift­li­chen) Abfra­ge unwah­re Anga­ben gemacht hätten, kann die Kammer nach dem zuvor Gesag­ten aus­schlie­ßen. Am Sams­tag­mor­gen zum Bei­spiel hatte X1s Mutter im Tele­fo­nat auf X1s Dia­be­tes­er­kran­kung hin­ge­wie­sen, wor­auf­hin der Zeuge YN. ver­such­te, ihren Blut­zu­cker­wert zu messen. Auch wenn die Ange­klag­ten vor Abfahrt Ein­sicht in die Schul­ak­te genom­men hätten, hätten sie Kennt­nis von der Dia­be­tes­er­kran­kung gewon­nen.

Selbst wenn jedoch die Zeugin Y. die (ver­bind­li­che schrift­li­che) Abfra­ge nach X1s Gesund­heits­da­ten nicht zurück­ge­reicht hätte — und die Ange­klag­ten auch nicht in die X1s Schul­ak­te Ein­sicht genom­men hätten — hätte X1 über­lebt, weil die Ange­klag­ten sie ohne schrift­li­che Angabe der Gesund­heits­da­ten bzw. Kennt­nis der Gesund­heits­da­ten aus der Schul­ak­te nicht mit auf die Lon­don­fahrt hätten nehmen dürfen. Dann gilt das bereits oben Gesag­te: Wenn sich aus­rei­chen­de Vor­keh­run­gen nicht tref­fen lassen, hätten die Ange­klag­ten von einer gefähr­li­chen Maß­nah­me — hier X1s Mit­nah­me auf die Lon­don­fahrt — der­ge­stalt Abstand nehmen müssen (vgl. BGH, Urteil vom 04.04.2019, Az. III ZR 35/18, Rn. 21 zitiert nach juris m.w.N.), dass sie man­gels Anga­ben zum (aktu­el­len) Gesund­heits­zu­stand sie nicht hätten mit­neh­men dürfen.

Hätten die beiden Ange­klag­ten von X1s Dia­be­tes­er­kran­kung gewusst, dann — so haben sie selbst glaub­haft ein­ge­räumt — hätten sie bereits bei der von ihnen ein­ge­räum­ten (fest­ge­stell­ten zwei­ten) Mit­tei­lung am Frei­tag­mor­gen eine unver­züg­li­che medi­zi­ni­sche Ver­sor­gung ver­an­lasst und X1s Mutter unter­rich­tet, wor­auf­hin X1s Insu­lin­man­gel, die starke Über­zu­cke­rung und die hier­durch bereits mani­fes­tier­te schwe­re Keto­azi­do­se nach Über­zeu­gung der Kammer — wie letzt­lich (erst) am Sams­tag­mor­gen durch den Ret­tungs­dienst gesche­hen — ent­deckt worden wären und zu dem Zeit­punkt ihr Leben mit an Sicher­heit gren­zen­der Wahr­schein­lich­keit noch hätte geret­tet werden können.

Das Infor­mie­ren des Ret­tungs­diens­tes und eines Arztes am Frei­tag­mor­gen oder im Ver­lauf des Frei­tags hätte nach den über­zeu­gen­den Aus­füh­run­gen der Sach­ver­stän­di­gen Dr. ER. mit an Sicher­heit gren­zen­der Wahr­schein­lich­keit zu X1s Ret­tung geführt; X1 wäre nicht gestor­ben. Für den Sams­tag konnte die Kammer indes nicht fest­stel­len, dass X1 am frühen Sams­tag­mor­gen noch mit an Sicher­heit gren­zen­der Wahr­schein­lich­keit hätte geret­tet werden können, wes­halb es auf die Gescheh­nis­se am Sams­tag recht­lich nicht mehr ankommt.

5. Die beiden Ange­klag­ten haben auch sub­jek­tiv pflicht­wid­rig gehan­delt.

Der Täter muss die objek­ti­ve Pflicht­wid­rig­keit nach seinen sub­jek­ti­ven Kennt­nis­sen und Fähig­kei­ten ver­mei­den und die Tat­be­stands­ver­wirk­li­chung vor­her­se­hen können (BGH, Urtei­le vom 11.11.2021, Az. 4 StR 511/20, Rn. 57 zitiert nach juris m.w.N., vom 20.11.2008, Az. 4 StR 328/08, Rn. 14 zitiert nach juris, und vom 13.11.2003, Az. 5 StR 327/03, Rn. 15 zitiert nach juris; Heger, in: Lackner/Kühl, 30. Aufl. 2023, StGB § 15 Rn. 49; Fischer, StGB, 71. Aufl. 2024, § 15 Rn. 20). Die sub­jek­ti­ve Vor­her­seh­bar­keit erfor­dert nicht, dass der Täter die Folgen seines Han­delns in allen Ein­zel­hei­ten vor­aus­se­hen konnte. Viel­mehr genügt, dass sie in ihrem Gewicht im Wesent­li­chen vor­aus­seh­bar waren (BGH, Urteil vom 20.11.2008, Az. 4 StR 328/08, Rn. 17 zitiert nach juris, und vom 08.09.1993, Az. 3 StR 341/93, Rn. 7 zitiert nach juris m.w.N.).

a. Die Ange­klag­ten waren nach ihren per­sön­li­chen Kennt­nis­sen und Fähig­kei­ten in der Lage, die objek­ti­ve Sorg­falts­pflicht zu erfül­len, also die Gesund­heits­da­ten der teil­neh­men­den Schü­le­rin­nen und Schü­ler spä­tes­tens bei der Abfahrt schrift­lich abzu­fra­gen, wodurch sie X1s Tod hätten ver­mei­den können. Die ver­bind­li­che schrift­li­che Abfra­ge von Vor­er­kran­kun­gen, chro­ni­schen Erkran­kun­gen oder gesund­heit­li­chen Beson­der­hei­ten und einer ggf. not­wen­di­gen Medi­ka­ti­on war — wie dar­ge­legt — ein übli­ches Pro­ze­de­re bei Klas­sen­fahr­ten an der ZK.-Gesamtschule, wel­ches den Ange­klag­ten bekannt war. Ebenso hätten die Ange­klag­ten vor Abfahrt Ein­sicht in die Schul­ak­te nehmen können, wodurch X1s Tod eben­falls ver­mie­den worden wäre.

b. Der Erfolg, hier X1s Tod, war für die beiden Ange­klag­ten in dem Zeit­punkt sub­jek­tiv vor­her­seh­bar, in dem sie hätten han­deln müssen, vgl. § 8 S. 1 StGB.

Sorg­falts­pflicht und Vor­aus­seh­bar­keit stehen in engen Wech­sel­be­zie­hun­gen. Auf Ereig­nis­se, die man nicht vor­her­se­hen kann, kann man sich nicht ein­stel­len, braucht sie also bei der Über­le­gung der not­wen­di­gen Sorg­falt nicht zu berück­sich­ti­gen. Die beiden Erfor­der­nis­se müssen inner­lich und zeit­lich so zusam­men­fal­len, dass die Vor­aus­seh­bar­keit spä­tes­tens zur Zeit der Pflicht­wid­rig­keit vor­han­den ist (Stern­berg-Lie­ben/­Schus­ter, in: Schönke/Schröder, 30. Aufl. 2019, StGB § 15 Rn. 199). Der Täter hätte die Tat­be­stands­ver­wirk­li­chung vor­her­se­hen können müssen, wenn er die­je­ni­ge Sorg­falt ange­wen­det hätte, zu der er nach den Umstän­den und nach seinen per­sön­li­chen Kennt­nis­sen und Fähig­kei­ten ver­pflich­tet und imstan­de war (Bülte, in: Leip­zi­ger Kom­men­tar zum StGB, 13. Auf­la­ge, § 15 StGB, Rn. 260). Es ist der Nach­weis erfor­der­lich, dass der Täter in dem kon­kre­ten Fall mit der Mög­lich­keit hätte rech­nen können, dass der­ar­ti­ge Erfol­ge durch sein Unter­las­sen her­bei­ge­führt werden (Stern­berg-Lie­ben/­Schus­ter, in: Schönke/Schröder, 30. Aufl. 2019, StGB § 15 Rn. 201).

Die Ange­klag­ten konn­ten nach ihren indi­vi­du­el­len Kennt­nis­sen und Fähig­kei­ten vor­her­se­hen, dass durch das Unter­las­sen der gebo­te­nen (schrift­li­chen) Abfra­ge von X1s Gesund­heits­da­ten — oder hilfs­wei­se der Ein­sicht­nah­me in die Schul­ak­te — in Vor­be­rei­tung der Lon­don­fahrt bzw. spä­tes­tens bei der Abfahrt von Mön­chen­glad­bach nach London, als sie die Ver­ant­wor­tung für X1 über­nah­men, ein Mensch ster­ben könnte. Denn den Ange­klag­ten war die Bedeu­tung der Kennt­nis von Vor­er­kran­kun­gen, gesund­heit­li­chen Beson­der­hei­ten und einer ggf. erfor­der­li­chen Medi­ka­ti­on bewusst, was sich daran zeigte, dass die Ange­klag­te P. jeden­falls münd­lich nach den Gesund­heits­da­ten der Teil­neh­mer auf der gemein­sam von den beglei­ten­den Leh­rern geplan­ten Infor­ma­ti­ons­ver­an­stal­tung am 09.05.2019 fragte, worauf sich auch die Ange­klag­te S. berief. Nach Über­zeu­gung der Kammer wuss­ten die Ange­klag­ten dem­nach vor und bei Beginn der Lon­don­fahrt, dass die Kennt­nis von Gesund­heits­da­ten der teil­neh­men­den und in London von ihnen betreu­ten Schü­le­rin­nen und Schü­ler über deren kör­per­li­ches Wohl­be­fin­den und im schlimms­ten Fall — wie hier — über Leben und Tod ent­schei­den können würde. Aus der von der Ange­klag­ten P. gestell­ten Frage wird deut­lich und nimmt die Kammer — wie aus­führ­li­cher in der Beweis­wür­di­gung dar­ge­legt — ihre Über­zeu­gung, dass die beglei­ten­den Lehrer, dar­un­ter beide Ange­klag­te, die beson­de­re Bedeu­tung von Gesund­heits­da­ten kann­ten und sie gerade des­halb erfrag­ten. Gerade das von ihnen erkann­te Infor­ma­ti­ons­be­dürf­nis führ­ten sie auch als Begrün­dung dafür an, warum von dem übli­chen Vor­ge­hen bei Klas­sen­fahr­ten (ver­bind­li­che schrift­li­che Abfra­ge) abge­wi­chen worden sei: Sie hätten den (anwe­sen­den) Eltern und Schü­lern die Mög­lich­keit zu einem per­sön­li­chen Gespräch über vor­han­de­ne Vor­er­kran­kun­gen oder gesund­heit­li­che Beson­der­hei­ten ein­räu­men wollen und sich hier­von eine bes­se­re Unter­rich­tung und Infor­ma­ti­on erhofft. Indes blie­ben sie mit der bloß münd­li­chen Frage, bei der — wie dar­ge­legt — die Kammer nicht fest­stel­len konnte, dass X1 oder der Zeuge MT. sie über­haupt wahr­ge­nom­men hatten, und der unter­las­se­nen, indes not­wen­di­gen schrift­li­chen Abfra­ge der Gesund­heits­da­ten bzw. Ein­sicht­nah­me in X1s Schul­ak­te, in jedem Fall hinter der gebo­te­nen Sorg­falt zurück.

Die Ange­klag­ten konn­ten und muss­ten bei Anwen­dung gehö­ri­ger Sorg­falt bereits bei dem Eltern­in­for­ma­ti­ons­abend, spä­tes­tens aber bei der Abfahrt nach London die Mög­lich­keit erken­nen, dass X1 und der Zeuge MT. von sich aus sie, die Ange­klag­ten, nicht über X1s Dia­be­tes­er­kran­kung auf­klä­ren würden. Denn es ist lebens­nah und gerade für die Ange­klag­ten als Lehrer offen­sicht­lich, dass nicht immer alle in einer Klasse bzw. hier auf dem Infor­ma­ti­ons­abend alles wahr­neh­men und dass manche, etwa durch “Tuscheln” unter­ein­an­der, abge­lenkt sein können. Dies auch vor dem Hin­ter­grund der The­ma­ti­sie­rung von vielen Punk­ten in nur sehr kurzer Zeit. Auch konn­ten und muss­ten die Ange­klag­ten die Mög­lich­keit erken­nen, dass bei einer nur all­ge­mei­nen Abfra­ge nach Gesund­heits­da­ten ohne aus­drück­li­chen Hin­weis darauf, dass diese hier zwin­gend, also auch wenn sie bereits in der Schul­ak­te stehen oder ande­ren Leh­rern mit­ge­teilt wurden, erneut mit­zu­tei­len sind, nicht alle Anwe­sen­de auf diese ledig­lich recht all­ge­mei­ne münd­li­che Abfra­ge rich­tig reagie­ren würden, indem sie bereits bei der Schule hin­ter­leg­te Gesund­heits­da­ten erneut mit­teil­ten. Schließ­lich muss­ten die Ange­klag­ten mit der Mög­lich­keit rech­nen, dass auf dem nur unver­bind­li­chen Infor­ma­ti­ons­abend, auf dessen Ein­la­dung eine Tages­ord­nung fehlte, gerade nicht die gesetz­li­chen Ver­tre­ter — wie hier bei X1 — anwe­send sind, die Ange­klag­ten also auch nicht davon aus­ge­hen konn­ten, dass die anwe­sen­den Per­so­nen über­haupt Kennt­nis über Erkran­kun­gen haben und diese ange­ben würden, ihnen, den Ange­klag­ten, also die Mög­lich­keit bewusst war, dass bei Antritt der Reise nach London ein Infor­ma­ti­ons­de­fi­zit vor­lie­gen könnte. Die Ange­klag­ten kann­ten weder X1 noch den Zeugen MT..

V.

Die Kammer hat die Strafe dem gemäß §§ 13 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB gemil­der­ten Straf­rah­men des § 222 StGB ent­nom­men.

1. Die Kammer hat zuguns­ten der beiden Ange­klag­ten von der fakul­ta­ti­ven Straf­mil­de­rung des § 13 Abs. 2 StGB Gebrauch gemacht, weil der Unrechts- und Schuld­ge­halt nach einer wer­ten­den Gesamt­wür­di­gung aller wesent­li­chen — nicht aus­schließ­lich unter­las­sungs­be­zo­ge­nen — Gesichts­punk­te (vgl. BGH, Urteil vom 29.07.1998, Az. 1 StR 311/98, Rn. 9 zitiert nach juris; Beschluss vom 06.12.2012, Az. 2 StR 170/12, Rn. 6 zitiert nach juris) hier gerin­ger wiegt als beim akti­ven Tun. Ins­be­son­de­re war hier­bei zu berück­sich­ti­gen, dass die Kau­sal­ket­te mit dem Beginn am 09.05.2019 bis hin zu X1s Ver­ster­ben am 30.06.2019 eine lange war. Es war zudem zu beden­ken, dass der den Ange­klag­ten vor­werf­ba­re Sorg­falts­pflicht­ver­stoß — das Unter­las­sen der gebo­te­nen ver­bind­li­chen schrift­li­chen Abfra­ge der Gesund­heits­da­ten und der feh­len­den Ein­sicht­nah­me in die Schul­ak­te — eher gering­fü­gig war, auch wenn er sich letzt­lich dra­ma­tisch aus­ge­wirkt hat. In diesem Zusam­men­hang ist von Bedeu­tung, dass die Ange­klag­ten die Abfra­ge von Gesund­heits­da­ten nicht voll­stän­dig unter­lie­ßen, son­dern sich der Not­wen­dig­keit einer ent­spre­chen­den Abfra­ge durch­aus bewusst waren, hier­für jedoch schlicht den fal­schen Weg (unver­bind­li­che münd­li­che Abfra­ge, bei der indes nicht fest­ge­stellt werden konnte, dass X1 und der Zeuge MT. diese wahr­ge­nom­men haben) und nicht die mög­li­che und zumut­bar sichers­te Vor­ge­hens­wei­se (ver­pflich­ten­de schrift­li­che Abfra­ge und Ein­sicht­nah­me in die Schul­ak­te) wähl­ten.

2. Inner­halb des gemil­der­ten Straf­rah­mens hat die Kammer zuguns­ten der Ange­klag­ten Fol­gen­des berück­sich­tigt:

Beide Ange­klag­te sind nicht vor­be­straft, sie waren gestän­dig, sie haben Reue gezeigt und die Hin­ter­blie­be­nen der Geschä­dig­ten X1 Y. um Ent­schul­di­gung gebe­ten. Straf­mil­dernd hat sich dane­ben die belas­tend lange Ver­fah­rens­dau­er von ins­ge­samt etwa vier­ein­halb Jahren aus­ge­wirkt. Zudem war die Kau­sal­ket­te zwi­schen der unter­las­se­nen Hand­lung und dem Erfolg eine lange. Zu Guns­ten der Ange­klag­ten ist auch ihr posi­ti­ves Nach­t­at­ver­hal­ten zu berück­sich­ti­gen: Als die Ange­klag­ten die kri­ti­sche Lage X1s am Sams­tag­vor­mit­tag erst­mals zutref­fend erkann­ten, unter­nah­men sie unmit­tel­bar — wenn auch im Hin­blick auf eine Ret­tung X1s zu spät — die gebo­te­nen Hand­lun­gen: Sie ver­stän­dig­ten ärzt­li­che Hilfe und unter­rich­te­ten die schon tele­fo­nisch zuge­schal­te­te Zeugin Y.. Anschlie­ßend beglei­te­ten sie X1 ins Kran­ken­haus und blie­ben bis zum Ein­tref­fen ihrer Mutter bei ihr am Kran­ken­bett. Schließ­lich hat die Kammer eine Mit­ver­ur­sa­chung durch das Opfer und Dritte berück­sich­tigt; nament­lich den Umstand, dass X1s Blut­zu­cker­wer­te unmit­tel­bar vor der Lon­don­fahrt an meh­re­ren Tagen — mut­maß­lich auf­grund ihrer Auf­re­gung — ent­gleis­ten, auch wenn sie sie jeweils wieder in den Griff bekam, was für die Erzie­hungs­be­rech­tig­te den­noch Anlass hätte geben müssen, die mit­fah­ren­den Lehrer vor der Abfahrt gezielt hier­über zu infor­mie­ren, auch wenn die Dia­be­tes­er­kran­kung als solche bereits in der Schul­ak­te ver­merkt war und X1 sonst immer gut mit ihrer Dia­be­tes­er­kran­kung zurecht­kam.

Zu Lasten der beiden Ange­klag­ten war zu berück­sich­ti­gen, dass X1 jeden­falls ab Frei­tag­vor­mit­tag (28.06.2019) bis zu ihrem Ver­ster­ben am Sonn­tag­mit­tag (30.06.2019) unter den Aus­wir­kun­gen der schwe­ren Keto­azi­do­se gelit­ten hat. Wie die medi­zi­ni­sche Sach­ver­stän­di­ge Dr. ER. aus medi­zi­ni­scher Sicht ein­drück­lich schil­der­te, kämpf­te X1 ab Ein­set­zen der Keto­azi­do­se spä­tes­tens ab Frei­tag­mor­gen um ihr Leben: X1 musste, was die Zeugen wie fest­ge­stellt schil­der­ten, mehr­fach erbre­chen, war schlapp, ent­kräf­tet und das Atmen fiel ihr schwer.

Unter Abwä­gung aller vor­ge­nann­ten Aspek­te hält die Kammer eine Geld­stra­fe jeweils von

180 Tages­sät­zen

für tat- und schuld­an­ge­mes­sen.

Hin­sicht­lich der Tages­satz­hö­he gilt Fol­gen­des:

Die Ange­klag­te P. ver­fügt aktu­ell über ein Net­to­ein­kom­men i.H.v. 4.611,68 EUR. Hier­von waren die monat­li­chen Bei­trä­ge für die pri­va­te Kran­ken­ver­si­che­rung i.H.v. 461,19 EUR und die monat­li­chen pau­scha­len Wer­bungs­kos­ten i.H.v. 102,50 EUR (= 1.230,00 EUR / 12 Monate) abzu­zie­hen, was 4.047,99 EUR ergibt. Teilt man diesen Betrag durch 30 Tage, erge­ben sich 134,93 EUR, was die Kammer zuguns­ten der Ange­klag­ten auf

130,00 EUR

abge­run­det hat. Da die beiden Kinder der Ange­klag­ten sich selb­stän­dig finan­zie­ren, waren inso­weit keine wei­te­ren Abzüge vor­zu­neh­men.

Die Ange­klag­te S. befin­det sich der­zeit in Eltern­zeit. Das Eltern­geld beträgt 1.800,00 EUR, wovon die Kammer für die pri­va­te Kran­ken­ver­si­che­rung 313,00 EUR (344,00 EUR Kran­ken­kas­sen­bei­trag abzüg­lich 31,00 EUR Zuschuss des Dienst­herrn) und eben­falls pau­scha­le Wer­bungs­kos­ten i.H.v. eben­falls 102,50 EUR abge­zo­gen hat, was 1.384,50 EUR ergibt. Teilt man diesen Betrag durch 30 Tage, erge­ben sich 46,15 EUR. Außer­dem hat die Kammer berück­sich­tigt, dass die Ange­klag­te und ihr voll­schich­tig arbei­ten­der Ehe­mann ein Klein­kind von etwa sechs Mona­ten zu ver­sor­gen haben, wofür sie indes Kin­der­geld erhal­ten, so dass die Kammer ihrem Urteil eine Tages­satz­hö­he von

40,00 EUR

zugrun­de gelegt hat.

3. Auf­grund einer rechts­staats­wid­ri­gen Ver­fah­rens­ver­zö­ge­rung hat die Kammer von den 180 Tages­sät­zen

jeweils 20 Tages­sät­ze als bereits voll­streckt

ange­se­hen.

Die inso­weit zugrun­de zu legen­de Dauer des Ver­fah­rens hat die Kammer aus­ge­hend von dem Zeit­punkt bewer­tet, in dem die Ange­klag­ten Kennt­nis davon erhiel­ten, dass wegen einer Straf­tat gegen sie ermit­telt wird (vgl. BGH, Urteil vom 24.10.2005, Az. 4 StR 139/05, Rn. 10 zitiert nach juris). Dies war der Zeit­punkt der Vor­la­dung zur Beschul­dig­ten­ver­neh­mung am 28.09.2020. Das Ver­fah­ren dau­er­te gerech­net von dieser ersten nach außen unmit­tel­bar gegen die Ange­klag­ten gerich­te­ten Maß­nah­me bis zur Urteils­ver­kün­dung am 15.02.2024 etwa drei Jahre und fünf Monate, wobei im Zeit­raum von Ende August 2022 bis Febru­ar 2023 (Zeit­raum von etwa sechs Mona­ten) und im Zeit­raum von Okto­ber 2023 bis Januar 2024 (Zeit­raum von etwa vier Mona­ten) eine För­de­rung des Ver­fah­rens nicht statt­fand.

Diesen Erwä­gun­gen liegt der fol­gen­de — auf­grund des Berichts des Vor­sit­zen­den anhand der in der Akte befind­li­chen Urkun­den in der Haupt­ver­hand­lung am 31.01.2024 fest­ge­stell­te — Ver­fah­rens­ab­lauf zu Grunde:

In dem bis zur Ankla­ge im März 2022 lau­fen­den Ermitt­lungs­ver­fah­ren kam es nicht zu Ver­fah­rens­ver­zö­ge­run­gen. Eine ver­zö­ger­te Sach­be­hand­lung konnte die Kammer jedoch bei der Bear­bei­tung des Ver­fah­rens durch die 1. und der 3. große Straf­kam­mer des Land­ge­richts Mön­chen­glad­bach fest­stel­len. Die 1. große Straf­kam­mer über­nahm das Ver­fah­ren am 18.05.2022, ent­schied über die Nicht­er­öff­nung des Haupt­ver­fah­rens aus recht­li­chen Grün­den aber erst am 16.02.2023, mithin erst nach neun Mona­ten. Nach der Eröff­nungs­ent­schei­dung des Ober­lan­des­ge­richts Düs­sel­dorf ging das Ver­fah­ren bei der 3. großen Straf­kam­mer am 27.06.2023 ein, wor­auf­hin der Vor­sit­zen­de erst Ter­mi­ne begin­nend ab Januar 2024 bestimm­te. In beiden Fällen wäre eine Eröff­nungs­ent­schei­dung bzw. der Beginn der Haupt­ver­hand­lung jeweils inner­halb von drei Mona­ten zu erwar­ten gewe­sen, so dass eine rechts­staats­wid­ri­ge Ver­zö­ge­rung von ins­ge­samt etwa zehn Mona­ten (sechs Monate + vier Monate) gege­ben war. Die Haupt­ver­hand­lung begann am 17.01.2024 und endete nach fünf Ver­hand­lungs­ta­gen mit dem am 15.02.2024 erlas­se­nen Urteil der Kammer.

Bei der Bemes­sung der aus dieser rechts­staats­wid­ri­gen Ver­fah­rens­ver­zö­ge­rung fol­gen­den Kom­pen­sa­ti­on hat sich die Kammer nach Maß­ga­be der Recht­spre­chung des Bun­des­ge­richts­hofs (vgl. BGH, Beschlüs­se vom 17.01.2008, Az. GSSt 1/07, zitiert nach juris, und vom 14.02.2008, Az. 3 StR 416/07, Rn. 3 f. zitiert nach juris) unter Wür­di­gung der Umstän­de des Ein­zel­falls und des Maßes des Fehl­ver­hal­tens der Justiz an der Höhe der ver­häng­ten Strafe ori­en­tiert und ange­ord­net, dass jeweils 20 Tages­sät­ze der gegen die Ange­klag­ten jeweils ver­häng­ten Geld­stra­fe als voll­streckt gelten. Im vor­lie­gen­den Fall genüg­te inso­weit die bloße Fest­stel­lung der Ver­zö­ge­rung zur Kom­pen­sa­ti­on des Ver­sto­ßes gegen Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK nicht mehr. Denn es war zu berück­sich­ti­gen, dass die Unge­wiss­heit des Ver­fah­rens­aus­gangs über den — in Höhe von 10 Mona­ten vom Staat zu ver­ant­wor­ten­den und damit im Ver­gleich zur Gesamt­ver­fah­rens­dau­er von etwa drei Jahren und fünf Mona­ten — nicht uner­heb­li­chen Zeit­raum die Ange­klag­ten auf­grund der Unge­wiss­heit, ob es zu einer Ver­ur­tei­lung kommen würde, psy­chisch belas­te­te, was sie gegen­über der Kammer glaub­haft erklär­ten.

VI.

Die Kos­ten­ent­schei­dung beruht auf §§ 465 Abs. 1, 472 Abs. 1 S. 1 StPO.