L e i t s a t z

zum Beschluss des Ersten Senats

vom 6. Dezem­ber 2005

- 1 BvR 347/98 -

Es ist mit den Grund­rech­ten aus Art. 2 Abs. 1 GG in Ver­bin­dung mit dem Sozi­al­staats­prin­zip und aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht ver­ein­bar, einen gesetz­lich Kran­ken­ver­si­cher­ten, für dessen lebens­be­droh­li­che oder regel­mä­ßig töd­li­che Erkran­kung eine all­ge­mein aner­kann­te, medi­zi­ni­schem Stan­dard ent­spre­chen­de Behand­lung nicht zur Ver­fü­gung steht, von der Leis­tung einer von ihm gewähl­ten, ärzt­lich ange­wand­ten Behand­lungs­me­tho­de aus­zu­schlie­ßen, wenn eine nicht ganz ent­fernt lie­gen­de Aus­sicht auf Hei­lung oder auf eine spür­ba­re posi­ti­ve Ein­wir­kung auf den Krank­heits­ver­lauf besteht.

Im Namen des Volkes

In dem Ver­fah­ren über
die Ver­fas­sungs­be­schwer­de

des Herrn F…

- Bevoll­mäch­tig­te:
Rechts­an­wäl­te Berner, Fischer & Part­ner,
Andre­as­wall 2, 27283 Verden -

gegen das Urteil des Bun­des­so­zi­al­ge­richts vom 16. Sep­tem­ber 1997 — 1 RK 28/95 -

hat das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt — Erster Senat – unter Mit­wir­kung

des Prä­si­den­ten Papier,
der Rich­te­rin Haas,
der Rich­ter Hömig,
Stei­ner,
der Rich­te­rin Hoh­mann-Denn­hardt,
und der Rich­ter Hoff­mann-Riem,
Bryde,
Gaier

am 6. Dezem­ber 2005 beschlos­sen:

Das Urteil des Bun­des­so­zi­al­ge­richts vom 16. Sep­tem­ber 1997 — 1 RK 28/95 — ver­letzt den Beschwer­de­füh­rer in seinen Grund­rech­ten aus Arti­kel 2 Absatz 1 des Grund­ge­set­zes in Ver­bin­dung mit dem Sozi­al­staats­prin­zip und aus Arti­kel 2 Absatz 2 Satz 1 des Grund­ge­set­zes. Es wird auf­ge­ho­ben. Die Sache wird an das Bun­des­so­zi­al­ge­richt zurück­ver­wie­sen.
Die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land hat dem Beschwer­de­füh­rer seine not­wen­di­gen Aus­la­gen zu erstat­ten.

Gründe:
A.
Die Ver­fas­sungs­be­schwer­de betrifft die Leis­tungs­pflicht der gesetz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rung für so genann­te neue Behand­lungs­me­tho­den in Fällen einer lebens­be­droh­li­chen oder regel­mä­ßig töd­li­chen Erkran­kung im Rahmen der ambu­lan­ten ärzt­li­chen Ver­sor­gung.
I.
1. Die gesetz­li­che Kran­ken­ver­si­che­rung in Deutsch­land, der gegen­wär­tig etwa 62 Mil­lio­nen Men­schen als Pflicht­ver­si­cher­te und knapp neun Mil­lio­nen Men­schen als frei­wil­li­ge Ver­si­cher­te ange­hö­ren, beruht auf dem Grund­kon­zept, dass Men­schen bei Ein­tritt von Krank­heit unab­hän­gig von der Höhe ihrer am Prin­zip der indi­vi­du­el­len Leis­tungs­fä­hig­keit aus­ge­rich­te­ten Bei­trä­ge eine bedarfs­ge­rech­te medi­zi­ni­sche Ver­sor­gung erhal­ten. Die Ver­si­cher­ten tragen gemein­schaft­lich das sich indi­vi­du­ell ent­fal­ten­de Risiko der Krank­heit. Ihnen wird nach dem die gesetz­li­che Kran­ken­ver­si­che­rung prä­gen­den Sach­leis­tungs­prin­zip ein Anspruch auf Gewäh­rung freier ärzt­li­cher Behand­lung gewährt.

Die für das Leis­tungs­recht der gesetz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rung maß­geb­li­che Vor­schrift des § 2 des Fünf­ten Buches Sozi­al­ge­setz­buch (SGB V) in der Fas­sung des Geset­zes vom 19. Juni 2001 (BGBl I S. 1046) hat, soweit hier von Inter­es­se, fol­gen­den Wort­laut:

Leis­tun­gen
(1) Die Kran­ken­kas­sen stel­len den Ver­si­cher­ten die im Drit­ten Kapi­tel genann­ten Leis­tun­gen unter Beach­tung des Wirt­schaft­lich­keits­ge­bots (§ 12) zur Ver­fü­gung, soweit diese Leis­tun­gen nicht der Eigen­ver­ant­wor­tung der Ver­si­cher­ten zuge­rech­net werden. Behand­lungs­me­tho­den, Arznei- und Heil­mit­tel der beson­de­ren The­ra­pie­rich­tun­gen sind nicht aus­ge­schlos­sen. Qua­li­tät und Wirk­sam­keit der Leis­tun­gen haben dem all­ge­mein aner­kann­ten Stand der medi­zi­ni­schen Erkennt­nis­se zu ent­spre­chen und den medi­zi­ni­schen Fort­schritt zu berück­sich­ti­gen.
(2) Die Ver­si­cher­ten erhal­ten die Leis­tun­gen als Sach- und Dienst­leis­tun­gen, soweit dieses oder das Neunte Buch nichts Abwei­chen­des vor­se­hen. Über die Erbrin­gung der Sach- und Dienst­leis­tun­gen schlie­ßen die Kran­ken­kas­sen nach den Vor­schrif­ten des Vier­ten Kapi­tels Ver­trä­ge mit den Leis­tungs­er­brin­gern.
(3) und (4) …

Zu § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V führt die Geset­zes­be­grün­dung (BTDrucks 11/2237, S. 157) aus:
Der “all­ge­mein aner­kann­te Stand der medi­zi­ni­schen Kennt­nis­se” schließt Leis­tun­gen aus, die mit wis­sen­schaft­lich nicht aner­kann­ten Metho­den erbracht werden. Neue Ver­fah­ren, die nicht aus­rei­chend erprobt sind, oder Außen­sei­ter­me­tho­den (para­me­di­zi­ni­sche Ver­fah­ren), die zwar bekannt sind, aber sich nicht bewährt haben, lösen keine Leis­tungs­pflicht der Kran­ken­kas­se aus. Es ist nicht Auf­ga­be der Kran­ken­kas­sen, die medi­zi­ni­sche For­schung zu finan­zie­ren. Dies gilt auch dann, wenn neue Metho­den im Ein­zel­fall zu einer Hei­lung der Krank­heit oder Lin­de­rung der Krank­heits­be­schwer­den führen.

Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB V haben Ver­si­cher­te Anspruch auf Leis­tun­gen zur Behand­lung einer Krank­heit. § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V bestimmt im Zusam­men­hang mit den Vor­schrif­ten, die diesen Leis­tungs­an­spruch kon­kre­ti­sie­ren, dass Ver­si­cher­te Anspruch auf Kran­ken­be­hand­lung haben, wenn sie not­wen­dig ist, um eine Krank­heit zu erken­nen, zu heilen, ihre Ver­schlim­me­rung zu ver­hü­ten oder Krank­heits­be­schwer­den zu lin­dern. Nach § 27 Abs. 1 Satz 2 SGB V gehört zur Kran­ken­be­hand­lung unter ande­rem die ärzt­li­che Behand­lung (Nr. 1). Die ärzt­li­che Behand­lung umfasst die Tätig­keit des Arztes, die zur Ver­hü­tung, Früh­erken­nung und Behand­lung von Krank­hei­ten nach den Regeln der ärzt­li­chen Kunst aus­rei­chend und zweck­mä­ßig ist (§ 28 Abs. 1 Satz 1 SGB V).

Nach dem in § 12 Abs. 1 SGB V gere­gel­ten Wirt­schaft­lich­keits­ge­bot müssen die Leis­tun­gen aus­rei­chend, zweck­mä­ßig und wirt­schaft­lich sein; sie dürfen das Maß des Not­wen­di­gen nicht über­schrei­ten. Leis­tun­gen, die nicht not­wen­dig oder unwirt­schaft­lich sind, können Ver­si­cher­te nicht bean­spru­chen, dürfen die Leis­tungs­er­brin­ger nicht bewir­ken und die Kran­ken­kas­sen nicht bewil­li­gen. Dem ent­spricht, soweit es um die Bezie­hun­gen zwi­schen den Kran­ken­kas­sen und den Ärzten als Leis­tungs­er­brin­gern geht, § 70 SGB V. Nach § 13 Abs. 1 SGB V darf die Kran­ken­kas­se anstel­le der Sach- oder Dienst­leis­tung Kosten nur erstat­ten, soweit es das SGB V oder das SGB IX vor­se­hen. § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V trifft eine für den vor­lie­gen­den Fall wich­ti­ge Rege­lung zur Kos­ten­er­stat­tung. Konnte die Kran­ken­kas­se eine unauf­schieb­ba­re Leis­tung nicht recht­zei­tig erbrin­gen oder hat sie eine Leis­tung zu Unrecht abge­lehnt und sind dadurch Ver­si­cher­ten für die selbst­be­schaff­te Leis­tung Kosten ent­stan­den, sind diese von der Kran­ken­kas­se in der ent­stan­de­nen Höhe zu erstat­ten, soweit die Leis­tung not­wen­dig war. Mit der Durch­bre­chung des Sach­leis­tungs­grund­sat­zes trägt § 13 Abs. 3 SGB V dem Umstand Rech­nung, dass die gesetz­li­chen Kran­ken­kas­sen eine umfas­sen­de Ver­sor­gung ihrer Mit­glie­der sicher­stel­len müssen (vgl. BSGE 81, 54 ).

2. a) Nach § 92 Abs. 1 Satz 1 Halb­satz 1 SGB V beschließt der Gemein­sa­me Bun­des­aus­schuss, der seit dem Gesetz zur Moder­ni­sie­rung der gesetz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rung vom 14. Novem­ber 2003 (BGBl I S. 2190) an die Stelle der bis­he­ri­gen, im Zeit­punkt der hier ange­grif­fe­nen Ent­schei­dung des Bun­des­so­zi­al­ge­richts zustän­di­gen Bun­des­aus­schüs­se getre­ten ist, die zur Siche­rung der ärzt­li­chen Ver­sor­gung erfor­der­li­chen Richt­li­ni­en über die Gewähr für eine aus­rei­chen­de, zweck­mä­ßi­ge und wirt­schaft­li­che Ver­sor­gung der Ver­si­cher­ten. Er wird durch die Kas­sen­ärzt­li­chen Bun­des­ver­ei­ni­gun­gen, die Deut­sche Kran­ken­haus­ge­sell­schaft, die Bun­des­ver­bän­de der Kran­ken­kas­sen, die Deut­sche Ren­ten­ver­si­che­rung Knapp­schaft-Bahn-See und die Ver­bän­de der Ersatz­kas­sen gebil­det (§ 91 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V soll er Richt­li­ni­en beschlie­ßen über die Ein­füh­rung neuer Unter­su­chungs- und Behand­lungs­me­tho­den. Dafür sieht § 135 Abs. 1 SGB V ein beson­de­res Ver­fah­ren vor. Die Vor­schrift lautet wie folgt:

Neue Unter­su­chungs- und Behand­lungs­me­tho­den dürfen in der ver­trags­ärzt­li­chen und ver­trags­zahn­ärzt­li­chen Ver­sor­gung zu Lasten der Kran­ken­kas­sen nur erbracht werden, wenn der Gemein­sa­me Bun­des­aus­schuss auf Antrag einer Kas­sen­ärzt­li­chen Bun­des­ver­ei­ni­gung, einer Kas­sen­ärzt­li­chen Ver­ei­ni­gung oder eines Spit­zen­ver­ban­des der Kran­ken­kas­sen in Richt­li­ni­en nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Emp­feh­lun­gen abge­ge­ben hat über

  1. die Aner­ken­nung des dia­gnos­ti­schen und the­ra­peu­ti­schen Nut­zens der neuen Metho­de sowie deren medi­zi­ni­sche Not­wen­dig­keit und Wirt­schaft­lich­keit — auch im Ver­gleich zu bereits zu Lasten der Kran­ken­kas­sen erbrach­te Metho­den — nach dem jewei­li­gen Stand der wis­sen­schaft­li­chen Erkennt­nis­se in der jewei­li­gen The­ra­pie­rich­tung,
  2. die not­wen­di­ge Qua­li­fi­ka­ti­on der Ärzte, die appa­ra­ti­ven Anfor­de­run­gen sowie Anfor­de­run­gen an Maß­nah­men der Qua­li­täts­si­che­rung, um eine sach­ge­rech­te Anwen­dung der neuen Metho­de zu sichern, und
  3. die erfor­der­li­chen Auf­zeich­nun­gen über die ärzt­li­che Behand­lung.

Der Gemein­sa­me Bun­des­aus­schuss über­prüft die zu Lasten der Kran­ken­kas­sen erbrach­ten ver­trags­ärzt­li­chen und ver­trags­zahn­ärzt­li­chen Leis­tun­gen dar­auf­hin, ob sie den Kri­te­ri­en nach Satz 1 Nr. 1 ent­spre­chen. Falls die Über­prü­fung ergibt, dass diese Kri­te­ri­en nicht erfüllt werden, dürfen die Leis­tun­gen nicht mehr als ver­trags­ärzt­li­che oder ver­trags­zahn­ärzt­li­che Leis­tun­gen zu Lasten der Kran­ken­kas­sen erbracht werden.

b) Gegen­wär­tig gilt die “Richt­li­nie zur Bewer­tung medi­zi­ni­scher Unter­su­chungs- und Behand­lungs­me­tho­den” (BUB-Richt­li­nie) in der Fas­sung vom 1. Dezem­ber 2003. Sie ist am 23. März 2004 ver­öf­fent­licht worden (Bun­des­an­zei­ger Nr. 57) und am 24. März 2004 in Kraft getre­ten. In ver­schie­de­nen Anla­gen werden einer­seits die aner­kann­ten Unter­su­chungs- und Behand­lungs­me­tho­den (Anlage A) und ande­rer­seits die Metho­den auf­ge­lis­tet, die nicht als ver­trags­ärzt­li­che Leis­tun­gen zu Lasten der Kran­ken­kas­sen erbracht werden dürfen (Anlage B). Die Richt­li­nie des Gemein­sa­men Bun­des­aus­schus­ses defi­niert Unter­su­chungs- und Behand­lungs­me­tho­den als neu, wenn sie noch nicht als abrech­nungs­fä­hi­ge ärzt­li­che Leis­tun­gen im “Ein­heit­li­chen Bewer­tungs­maß­stab für die ärzt­li­chen Leis­tun­gen” (EBM) ent­hal­ten sind. Er ist Bestand­teil der Bun­des­man­tel­ver­trä­ge nach § 87 Abs. 1 Satz 1 SGB V und ent­hält ein abge­schlos­se­nes Leis­tungs­ver­zeich­nis. Nur die dort genann­ten Leis­tungs­po­si­tio­nen können von den Ärzten mit der Kas­sen­ärzt­li­chen Ver­ei­ni­gung abge­rech­net werden.

c) Für das Recht des SGB V ver­tritt das Bun­des­so­zi­al­ge­richt in inzwi­schen stän­di­ger Recht­spre­chung (vgl. BSGE 78, 70 ; 81, 54 ) die Auf­fas­sung, das Gesetz inkor­po­rie­re die Richt­li­nie unmit­tel­bar in den Bun­des­man­tel­ver­trag und die Gesamt­ver­trä­ge. Die Vor­schrif­ten des § 92 Abs. 1 Satz 1 SGB V über das Leis­tungs­er­brin­gungs­recht und die leis­tungs­recht­li­che Vor­schrift des § 12 Abs. 1 SGB V stün­den in einem unmit­tel­ba­ren sach­lo­gi­schen Zusam­men­hang. Die Richt­li­nie binde den Ver­trags­arzt, prä­zi­sie­re aber auch den Umfang der Leis­tungs­pflicht der Kran­ken­kas­sen gegen­über den Ver­si­cher­ten. Der Umfang der zu gewäh­ren­den Kran­ken­ver­sor­gung im Ver­hält­nis von Ver­si­cher­ten zu Kran­ken­kas­sen sei kein ande­rer als im Ver­hält­nis der ärzt­li­chen Leis­tungs­er­brin­ger zu den Kas­sen­ärzt­li­chen Ver­ei­ni­gun­gen und wie­der­um zu den Kran­ken­kas­sen. Gemäß § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V in seiner Aus­le­gung durch die Recht­spre­chung des Bun­des­so­zi­al­ge­richts steht gesetz­lich Kran­ken­ver­si­cher­ten ein Leis­tungs­an­spruch auf neue medi­zi­ni­sche Behand­lungs­me­tho­den gegen ihre Kran­ken­kas­se nur dann zu, wenn der zustän­di­ge Bun­des­aus­schuss (jetzt: Gemein­sa­mer Bun­des­aus­schuss) die jewei­li­ge Metho­de “zuge­las­sen” hat. Daran sind die Gerich­te der Sozi­al­ge­richts­bar­keit gebun­den. Grund­sätz­lich dürfen sie nach der höchst­rich­ter­li­chen Recht­spre­chung im ein­zel­nen Leis­tungs­fall nur dann prüfen, ob eine neue Behand­lungs­me­tho­de medi­zi­nisch not­wen­dig, zweck­mä­ßig und wirt­schaft­lich ist, wenn im Zusam­men­hang mit dem Ver­fah­ren vor dem Bun­des­aus­schuss Fehler auf­ge­tre­ten sind, die ein so genann­tes Sys­tem­ver­sa­gen begrün­den.

II.

1. Der im Juli 1987 gebo­re­ne Beschwer­de­füh­rer war im streit­ge­gen­ständ­li­chen Zeit­raum von 1992 bis 1994 in der Barmer Ersatz­kas­se als Fami­li­en­an­ge­hö­ri­ger (§ 10 SGB V) ver­si­chert. Er leidet an der Duchenne’schen Mus­kel­dys­tro­phie (eng­li­sche Abkür­zung: DMD). Es han­delt es dabei um eine so genann­te pro­gres­si­ve Mus­kel­dys­tro­phie. Dar­un­ter werden sehr varia­ble Mus­kel­er­kran­kun­gen zusam­men­ge­fasst, die durch einen patho­lo­gi­schen Umbau des Gewe­bes mit erheb­li­chen Funk­ti­ons­stö­run­gen gekenn­zeich­net sind. Die DMD ist die häu­figs­te Form der pro­gres­si­ven Mus­kel­dys­tro­phien. Sie wird x‑chro­mo­so­mal-rezes­siv ver­erbt. DMD tritt aus­schließ­lich beim männ­li­chen Geschlecht auf, und zwar mit einer Häu­fig­keit von 1 zu 3.500. Die Krank­heit mani­fes­tiert sich in den ersten Lebens­jah­ren; ihr pro­gnos­ti­zier­ter Ver­lauf ist pro­gre­di­ent. Mit dem Ver­lust der Geh­fä­hig­keit ist nor­ma­ler­wei­se zwi­schen dem zehn­ten und zwölf­ten Lebens­jahr zu rech­nen; es tritt zuneh­men­de Atem­in­suf­fi­zi­enz auf. Die Krank­heit äußert sich auch in Wir­bel­säu­len­de­for­mie­run­gen, Funk­ti­ons- und Bewe­gungs­ein­schrän­kun­gen von Gelen­ken sowie in Herz­mus­kel­er­kran­kun­gen. Die Lebens­er­war­tung ist stark ein­ge­schränkt. Die Krank­heit geht nach den heu­ti­gen Erkennt­nis­sen auf das Dys­tro­phin-Gen zurück. Übli­cher­wei­se wird nur eine sym­ptom­ori­en­tier­te Behand­lung (Cor­ti­son­prä­pa­ra­te, Ope­ra­tio­nen, Kran­ken­gym­nas­tik) durch­ge­führt. Bis­lang gibt es keine wis­sen­schaft­lich aner­kann­te The­ra­pie, die eine Hei­lung oder eine nach­hal­ti­ge Ver­zö­ge­rung des Krank­heits­ver­laufs bewir­ken kann (vgl. http://www.duchenne-forschung.de/richtli1.htm).

Seit Sep­tem­ber 1992 befin­det sich der Beschwer­de­füh­rer in Behand­lung bei Dr. B., Fach­arzt für All­ge­mein­me­di­zin, der über keine Zulas­sung zur ver­trags­ärzt­li­chen Ver­sor­gung ver­fügt. Bei dieser Behand­lung werden neben Thy­mus­pep­ti­den, Zyto­plas­ma und homöo­pa­thi­schen Mit­teln hoch­fre­quen­te Schwin­gun­gen (“Bio­re­so­nanz­the­ra­pie”) ange­wandt. Bis Ende 1994 hatten die Eltern des Beschwer­de­füh­rers dafür einen Betrag von 10.000 DM auf­ge­wandt. Die Ärzte der Ortho­pä­di­schen Klinik der Tech­ni­schen Hoch­schu­le A. hiel­ten den bis­he­ri­gen Krank­heits­ver­lauf für güns­tig. Seit Herbst 2000 ist der Beschwer­de­füh­rer, der eine öffent­li­che Schule besucht, auf einen Roll­stuhl ange­wie­sen, zunächst für Weg­stre­cken außer­halb des Hauses, seit Früh­jahr 2001 aber auch im Haus. Eine mit­be­treu­en­de Ärztin stufte seinen Gesund­heits­zu­stand trotz des Ver­lus­tes der Geh­fä­hig­keit im Ver­gleich zu ande­ren Betrof­fe­nen als gut ein.

2. Der Antrag auf Über­nah­me der Kosten für die The­ra­pie bei Dr. B. wurde von der zustän­di­gen Kran­ken­kas­se abge­lehnt. Im Wider­spruchs­ver­fah­ren hat die Kran­ken­kas­se Stel­lung­nah­men des Medi­zi­ni­schen Diens­tes der Kran­ken­ver­si­che­rung Nie­der­sach­sen ein­ge­holt. Die Kin­der­ärz­tin Dr. F. ver­trat in ihrer Stel­lung­nah­me nach Akten­la­ge die Auf­fas­sung, Mus­kel­dys­tro­phien seien nicht heil­bar, aber behan­del­bar. Ein The­ra­pie­er­folg der von Dr. B. ange­wand­ten Metho­den sei wis­sen­schaft­lich nicht nach­ge­wie­sen. Nach Auf­fas­sung der Fach­ärz­tin für Neu­ro­lo­gie, Kinder- und Jugend­psych­ia­trie Dr. W.-V. über­wog im dama­li­gen Sta­di­um der Erkran­kung die alters­be­ding­te moto­ri­sche Wei­ter­ent­wick­lung gegen­über dem pro­gre­di­en­ten Krank­heits­ver­lauf. Die Behand­lung durch Dr. B. sei für die Bes­se­rung des Zustan­des nicht kausal.

3. Die gegen das kla­ge­ab­wei­sen­de Urteil des Sozi­al­ge­richts ein­ge­leg­te Beru­fung hatte Erfolg (NZS 1996, S. 74). Das Lan­des­so­zi­al­ge­richt holte einen Befund­be­richt bei der Ortho­pä­di­schen Klinik der Tech­ni­schen Hoch­schu­le A. ein, bei der sich der Beschwer­de­füh­rer in regel­mä­ßi­gen Abstän­den vor­stellt. Die Klinik emp­fahl, die The­ra­pie wegen der güns­ti­gen Ver­laufs­form fort­zu­set­zen. Ferner hörte das Gericht den behan­deln­den Arzt Dr. B. in der münd­li­chen Ver­hand­lung als sach­ver­stän­di­gen Zeugen. Das Lan­des­so­zi­al­ge­richt hob das Urteil des Sozi­al­ge­richts auf und ver­ur­teil­te die beklag­te Kran­ken­kas­se, dem Beschwer­de­füh­rer die ab März 1993 ent­stan­de­nen Kosten für die The­ra­pie des Dr. B. zu erstat­ten. Das SGB V sehe keine Begren­zung des Leis­tungs­an­spruchs des Ver­si­cher­ten auf die Schul­me­di­zin vor. Aus § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V folge, dass ein gewis­ser Qua­li­täts­stan­dard gewahrt sein müsse. Auf den all­ge­mein aner­kann­ten Stand der schul­me­di­zi­ni­schen Erkennt­nis­se komme es aber nicht an. Ansons­ten würde durch § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V die grund­sätz­li­che Ein­be­zie­hung der beson­de­ren The­ra­pie­rich­tun­gen in die Ver­sor­gung weit­ge­hend in Frage gestellt. Maß­geb­lich könne nur sein, ob die beson­de­re The­ra­pie­rich­tung nach ihrem eige­nen Denk­an­satz plau­si­bel sei. Dies sei hier der Fall.

Die Richt­li­ni­en des Bun­des­aus­schus­ses der Ärzte und Kran­ken­kas­sen (im Fol­gen­den: Bun­des­aus­schuss), die damals gegol­ten haben, seien nicht geeig­net, den Leis­tungs­an­spruch des Ver­si­cher­ten zu defi­nie­ren. Der Aus­schuss habe nicht die Kom­pe­tenz, das Leis­tungs­recht zu regeln. Dafür fehle es bereits an der gesetz­li­chen Ermäch­ti­gung. Die im Leis­tungs­er­brin­gungs­recht vor­ge­se­he­nen Insti­tu­tio­nen könn­ten das Leis­tungs­recht schon des­we­gen nicht kon­kre­ti­sie­ren, weil deren Vor­schrif­ten keine Ver­bind­lich­keit gegen­über den Ver­si­cher­ten besä­ßen. Dar­über hinaus habe der Aus­schuss über drei der vier von Dr. B. zu einem Gesamt­kon­zept ver­bun­de­nen Ein­zel­the­ra­pien keine Stel­lung­nah­me abge­ge­ben. Die Auf­fas­sung, der Ver­si­cher­te könne nur die Leis­tun­gen bean­spru­chen, über die der Aus­schuss posi­tiv ent­schie­den habe, finde im Gesetz keine Stütze. Soweit der Aus­schuss das Bio­re­so­nanz­ver­fah­ren mit der Begrün­dung abge­lehnt habe, es handle sich dabei um “Mystik”, stelle dies kein akzep­ta­bles Ergeb­nis einer ernst zu neh­men­den wis­sen­schaft­li­chen Dis­kus­si­on dar. Eine die The­ra­pie des Beschwer­de­füh­rers aus­schlie­ßen­de Leis­tungs­be­gren­zung wäre im Übri­gen auch ver­fas­sungs­wid­rig.

4. Auf die von der beklag­ten Kran­ken­kas­se ein­ge­leg­te Revi­si­on hat das Bun­des­so­zi­al­ge­richt das Urteil des Lan­des­so­zi­al­ge­richts auf­ge­ho­ben und die Beru­fung gegen das Urteil des Sozi­al­ge­richts zurück­ge­wie­sen (BSGE 81, 54).

Die Vor­aus­set­zun­gen des § 13 Abs. 3 SGB V für die Erstat­tung der Kosten der als ein­heit­li­ches Behand­lungs­kon­zept ein­zu­stu­fen­den, aber nicht den bekann­ten beson­de­ren The­ra­pie­rich­tun­gen (Homöo­pa­thie, Anthro­po­so­phie, Phy­to­the­ra­pie) zuzu­rech­nen­den The­ra­pie durch Dr. B. seien nicht erfüllt, weil die Kran­ken­kas­se die Leis­tung nicht zu Unrecht abge­lehnt habe. Ein Kos­ten­er­stat­tungs­an­spruch könne nur inso­weit bestehen, als die zur Anwen­dung gekom­me­ne Unter­su­chungs- oder Behand­lungs­me­tho­de zu den von den gesetz­li­chen Kran­ken­kas­sen geschul­de­ten Leis­tun­gen gehöre.

Das sei aber nicht der Fall. Dass die in Streit ste­hen­den Behand­lun­gen nicht zum Leis­tungs­spek­trum der gesetz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rung gehör­ten, ergebe sich aus § 135 Abs. 1 SGB V in Ver­bin­dung mit den Richt­li­ni­en des Bun­des­aus­schus­ses über die Ein­füh­rung neuer Unter­su­chungs- und Behand­lungs­me­tho­den, wie sie damals gegol­ten haben. Für neue Unter­su­chungs- und Behand­lungs­me­tho­den sehe § 135 Abs. 1 SGB V eine Art Verbot mit Erlaub­nis­vor­be­halt vor. Neue Unter­su­chungs- und Behand­lungs­me­tho­den seien so lange von der Abrech­nung zu Lasten der Kran­ken­kas­se aus­ge­schlos­sen, bis der Bun­des­aus­schuss sie als zweck­mä­ßig aner­kannt habe. Bei der streit­ge­gen­ständ­li­chen The­ra­pie handle es sich um eine neue Behand­lungs­me­tho­de. Die hier ange­wand­te The­ra­pie — das Bun­des­so­zi­al­ge­richt bezeich­net sie als immun­bio­lo­gi­sche The­ra­pie — sei bisher nicht Bestand­teil des ver­trags­ärzt­li­chen Leis­tungs­spek­trums gewe­sen. Eine vor­he­ri­ge Aner­ken­nung durch den Bun­des­aus­schuss liege bezüg­lich dieser The­ra­pie nicht vor.

Dem stehe nicht ent­ge­gen, dass sich § 135 Abs. 1 SGB V vor­der­grün­dig nicht mit dem Ver­hält­nis zwi­schen Ver­si­cher­ten und Kran­ken­kas­sen befas­se. Der sys­te­ma­ti­sche Zusam­men­hang zwi­schen Leis­tungs­recht und Leis­tungs­er­brin­gungs­recht führe dazu, dass das Leis­tungs­recht gegen­über dem Leis­tungs­er­brin­gungs­recht nicht vor­ran­gig sei. Die Rege­lun­gen im Leis­tungs­recht gewähr­ten nur Rah­men­rech­te. Ein unmit­tel­bar durch­setz­ba­rer Anspruch werde nicht begrün­det. Das Rah­men­recht werde durch den Arzt kon­kre­ti­siert, dessen Hand­lungs­spiel­raum sei­ner­seits durch die gesetz­li­chen Rege­lun­gen und damit auch durch die Richt­li­ni­en des Bun­des­aus­schus­ses abge­steckt werde. Die Vor­schrif­ten des Ver­trags­arzt­rechts ein­schließ­lich der Richt­li­ni­en des Bun­des­aus­schus­ses bestimm­ten den Leis­tungs­an­spruch für Kran­ken­kas­sen, Leis­tungs­er­brin­ger und Ver­si­cher­te glei­cher­ma­ßen ver­bind­lich. Unter rechts­staat­li­chen Gesichts­punk­ten sei es nicht zu bean­stan­den, dass § 135 Abs. 1 SGB V die für die ver­trags­ärzt­li­che Behand­lung frei­ge­ge­be­nen neuen Metho­den nicht selbst nenne, son­dern inso­weit auf die Richt­li­ni­en ver­wei­se. Diese seien nun­mehr in die Bun­des­man­tel­ver­trä­ge und die Gesamt­ver­trä­ge über die ver­trags­ärzt­li­che Ver­sor­gung ein­ge­glie­dert und nähmen an deren nor­ma­ti­ver Wir­kung teil. Für die ver­trags­un­ter­wor­fe­nen Kran­ken­kas­sen und Ver­trags­ärz­te setz­ten sie unmit­tel­bar ver­bind­li­ches, außen­wirk­sa­mes Recht. Die im Schrift­tum dage­gen geäu­ßer­ten ver­fas­sungs­recht­li­chen Ein­wän­de teile das Gericht nicht.

Ange­sichts der Ver­bind­lich­keit der Richt­li­ni­en auch im Ver­hält­nis zum Ver­si­cher­ten sei dem Ver­si­cher­ten, der sich eine vom Bun­des­aus­schuss nicht emp­foh­le­ne Behand­lung auf eigene Rech­nung beschaf­fe, im Kos­ten­er­stat­tungs­ver­fah­ren der Ein­wand abge­schnit­ten, die Metho­de sei gleich­wohl zweck­mä­ßig und in seinem kon­kre­ten Fall wirk­sam gewe­sen oder lasse einen Behand­lungs­er­folg zumin­dest als mög­lich erschei­nen. Etwas ande­res gelte nur dann, wenn ein Sys­tem­man­gel vor­lie­ge. Davon sei ins­be­son­de­re aus­zu­ge­hen, wenn der Bun­des­aus­schuss inner­halb ver­tret­ba­rer Zeit noch keine Stel­lung­nah­me zu einer Behand­lungs­me­tho­de abge­ge­ben habe, etwa weil er eine solche aus will­kür­li­chen Erwä­gun­gen blo­ckie­re oder ver­zö­ge­re. Anhalts­punk­te dafür bestün­den im vor­lie­gen­den Fall nicht.

Aller­dings habe der Beschwer­de­füh­rer bis­lang keine Gele­gen­heit gehabt, hierzu Stel­lung zu nehmen, weil es nach der bis­he­ri­gen Rechts­auf­fas­sung des Bun­des­so­zi­al­ge­richts darauf nicht ange­kom­men sei. Eine Zurück­ver­wei­sung an das Beru­fungs­ge­richt sei jedoch ent­behr­lich, weil bereits jetzt davon aus­ge­gan­gen werden könne, dass die Metho­de von Dr. B. nicht dem all­ge­mein aner­kann­ten Stand der medi­zi­ni­schen Erkennt­nis­se ent­spre­che. Für die immun­bio­lo­gi­sche The­ra­pie lägen Wirk­sam­keits­nach­wei­se nicht vor. Aller­dings stoße ein Wirk­sam­keits­nach­weis für eine Behand­lung der DMD auf erheb­li­che Schwie­rig­kei­ten. Letzt­lich könne der Ver­lauf der Krank­heit weder erklärt noch gezielt beein­flusst werden; nach dem all­ge­mein aner­kann­ten Stand der medi­zi­ni­schen Erkennt­nis­se komme bes­ten­falls eine sym­pto­ma­ti­sche Behand­lung in Frage. Beschränk­ten sich die Ein­wir­kungs­mög­lich­kei­ten aner­kann­ter Behand­lungs­me­tho­den wie hier auf eine mehr oder weni­ger vor­über­ge­hen­de und nur begrenzt objek­ti­vier­ba­re Unter­drü­ckung der Krank­heits­sym­pto­me, genüge es nicht, sich zur Ableh­nung der Kos­ten­er­stat­tung für noch nicht emp­foh­le­ne Metho­den auf den feh­len­den oder man­gel­haf­ten Wirk­sam­keits­nach­weis zu beru­fen. Maß­stab könne dann nur ent­we­der die natur­wis­sen­schaft­lich-medi­zi­ni­sche Prü­fung oder die Bewer­tung der Metho­de durch die Ver­wal­tung und die Gerich­te sein oder die Fest­stel­lung, ob der neuen Metho­de in der medi­zi­ni­schen Fach­dis­kus­si­on bereits ein sol­ches Gewicht zukom­me, dass eine Über­prü­fung und Ent­schei­dung durch den Bun­des­aus­schuss ver­an­lasst gewe­sen wäre.

Dieser letzt­ge­nann­te Prü­fungs­an­satz richte sich nicht an medi­zi­ni­schen Kate­go­rien aus, son­dern an der tat­säch­li­chen Ver­brei­tung in der Praxis und in der fach­li­chen Dis­kus­si­on. Daran sei hier anzu­knüp­fen. Es könne nicht Sinn eines Gerichts­ver­fah­rens sein, die Erkennt­nis­se der medi­zi­ni­schen Wis­sen­schaft vor­an­zu­trei­ben oder in wis­sen­schaft­li­chen Aus­ein­an­der­set­zun­gen Posi­ti­on zu bezie­hen. Eine Behand­lungs­me­tho­de sei dann erstat­tungs­fä­hig, wenn sie in der medi­zi­ni­schen Fach­dis­kus­si­on eine breite Reso­nanz gefun­den habe und von einer erheb­li­chen Anzahl von Ärzten ange­wandt werde. Die von Dr. B. ein­ge­setz­te Behand­lungs­me­tho­de erfül­le diese Vor­aus­set­zun­gen nicht.

5. Gegen dieses Urteil rich­tet sich die Ver­fas­sungs­be­schwer­de. Der Beschwer­de­füh­rer rügt die Ver­let­zung von Art. 2 Abs. 1 in Ver­bin­dung mit Art. 1 Abs. 1 sowie von Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 14 Abs. 1 und Art. 103 Abs. 1 GG.

Pflicht­leis­tun­gen der gesetz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rung unter­lä­gen dem Eigen­tums­schutz des Art. 14 GG. Sie seien ein Äqui­va­lent eige­ner Arbeit und Leis­tung. Aus Art. 14 Abs. 1 GG folge ein ver­fas­sungs­recht­lich garan­tier­ter Anspruch des Ver­si­cher­ten auf Gewäh­rung von Kran­ken­be­hand­lung im Fall von Krank­heit. Die Rege­lun­gen des SGB V seien als Inhalts­be­stim­mung zu sehen. § 2 Abs. 1 Satz 3 und § 12 Abs. 1 SGB V begrenz­ten die Leis­tungs­an­sprü­che auf solche Behand­lun­gen, die nach Qua­li­tät und Wirk­sam­keit dem all­ge­mein aner­kann­ten Stand der medi­zi­ni­schen Erkennt­nis­se ent­sprä­chen und dar­über hinaus das Wirt­schaft­lich­keits­ge­bot beach­te­ten. Weiter gehen­de Ein­schrän­kun­gen durch die Richt­li­ni­en des Bun­des­aus­schus­ses seien nicht mög­lich. Eine ent­spre­chen­de nor­ma­ti­ve Wir­kung lasse sich weder ein­fach-recht­lich noch ver­fas­sungs­recht­lich begrün­den.

Somit dürfe das Begeh­ren des Beschwer­de­füh­rers nur am Maß­stab des § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V gemes­sen werden. Dabei sei der jewei­li­ge Stand der wis­sen­schaft­li­chen Erkennt­nis­se in der jewei­li­gen The­ra­pie­rich­tung maß­geb­lich. Das Lan­des­so­zi­al­ge­richt habe in seinem Urteil, an dessen tat­säch­li­che Fest­stel­lun­gen das Bun­des­so­zi­al­ge­richt gebun­den sei, fest­ge­stellt, dass die Behand­lung des Beschwer­de­füh­rers über eine solche so genann­te Bin­nen­an­er­ken­nung ver­fü­ge. Aus Art. 2 Abs. 1 in Ver­bin­dung mit Art. 1 Abs. 1 GG resul­tie­re das Recht des Beschwer­de­füh­rers, selbst­be­stimmt über seine Behand­lung zu ent­schei­den. Da die Richt­li­ni­en des Bun­des­aus­schus­ses nicht zur ver­fas­sungs­mä­ßi­gen Ord­nung gehör­ten, könne ein Leis­tungs­an­spruch nicht von einer Aner­ken­nung durch sie abhän­gig gemacht werden. Aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG folge, dass bei der Aus­fül­lung des Rah­men­rechts auf Kran­ken­be­hand­lung solche Maß­nah­men zu berück­sich­ti­gen seien, die zumin­dest geeig­net seien, die Ver­schlim­me­rung einer Krank­heit zu ver­hü­ten oder Krank­heits­be­schwer­den zu lin­dern. Das treffe nach den Fest­stel­lun­gen des Lan­des­so­zi­al­ge­richts auf die Behand­lung des Beschwer­de­füh­rers zu.

Auch sei Art. 103 Abs. 1 GG ver­letzt. Soweit nun­mehr das Bun­des­so­zi­al­ge­richt auch auf die Ver­brei­tung der Metho­de abstel­le, sei dies für den Beschwer­de­füh­rer völlig über­ra­schend gewe­sen. Da die Kri­te­ri­en in dem Urteil erst­mals fest­ge­legt worden seien, hätten weder das Beru­fungs­ge­richt noch er selbst Ver­an­las­sung gehabt, dazu Stel­lung zu nehmen. Der Rechts­streit hätte daher zur wei­te­ren Sach­ver­halts­auf­klä­rung an das Beru­fungs­ge­richt zurück­ver­wie­sen werden müssen.

III.
Zur Ver­fas­sungs­be­schwer­de haben die Bun­des­re­gie­rung, der AOK-Bun­des­ver­band, die Barmer Ersatz­kas­se als Beklag­te des Aus­gangs­ver­fah­rens und der Ver­band der pri­va­ten Kran­ken­ver­si­che­rung Stel­lung genom­men. Der Bun­des­aus­schuss und der Gemein­sa­me Bun­des­aus­schuss haben ihnen vom Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt gestell­te Fragen beant­wor­tet.

1. Die Bun­des­re­gie­rung sieht sowohl die bedarfs­ge­rech­te Ver­tei­lung der begrenz­ten Mittel als auch die finan­zi­el­le Sta­bi­li­tät der gesetz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rung gefähr­det, wenn neue Unter­su­chungs- und Behand­lungs­me­tho­den in der ver­trags­ärzt­li­chen Ver­sor­gung aner­kannt würden, deren Nutzen wis­sen­schaft­lich nicht belegt sei. Mit § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V ver­fol­ge das Gesetz neben dem gesund­heits­po­li­ti­schen Ziel der Qua­li­täts­ver­bes­se­rung ins­be­son­de­re das finanz­po­li­ti­sche Ziel der Kos­ten­dämp­fung. Nur bei dessen kon­se­quen­ter Ver­fol­gung sei gewähr­leis­tet, dass allen Ver­si­cher­ten eine dem medi­zi­nisch-tech­ni­schen Fort­schritt ent­spre­chen­de medi­zi­ni­sche Ver­sor­gung zur Ver­fü­gung gestellt werden könne. Es dürfe nicht sein, dass die Soli­dar­ge­mein­schaft der Ver­si­cher­ten mit den Kosten einer Behand­lung belas­tet würde, deren medi­zi­ni­scher Nutzen nicht belegt sei.

Das gelte auch dann, wenn die Wirk­sam­keit im Ein­zel­fall nach­ge­wie­sen oder zumin­dest sehr wahr­schein­lich sei. Bei der Bewer­tung eines ledig­lich im Ein­zel­fall ein­ge­setz­ten Ver­fah­rens könne eine posi­ti­ve Ver­än­de­rung sowohl wegen als auch trotz der ergrif­fe­nen Maß­nah­me ein­ge­tre­ten sein; es sei nicht mög­lich, beob­ach­te­te Wir­kun­gen auf die durch­ge­führ­te Maß­nah­me zurück­zu­füh­ren. Jede Aus­sa­ge über die Wirk­sam­keit einer Behand­lungs­me­tho­de erfor­de­re einen Ver­gleich; denn nur so lasse sich beur­tei­len, ob der beob­ach­te­te kli­nisch rele­van­te Effekt auf die medi­zi­ni­sche Inter­ven­ti­on zurück­zu­füh­ren oder ob er als Spon­tan­ver­lauf oder Pla­ce­bo-Effekt zu werten sei. Eine solche Ein­zel­fall­be­trach­tung würde in eine The­ra­pie­be­lie­big­keit münden.

2. Nach Auf­fas­sung des AOK-Bun­des­ver­bands, der sich auch im Namen der übri­gen Spit­zen­ver­bän­de der Kran­ken­kas­sen geäu­ßert hat, ver­let­ze die ange­grif­fe­ne Ent­schei­dung des Bun­des­so­zi­al­ge­richts den Beschwer­de­füh­rer weder in Grund­rech­ten noch in grund­rechts­ähn­li­chen Rech­ten.

Aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ergebe sich kein ver­fas­sungs­recht­li­cher Anspruch gegen die Kran­ken­kas­se auf Bereit­stel­lung bestimm­ter Gesund­heits­leis­tun­gen. Zwar folge aus ihm eine objek­tiv-recht­li­che Pflicht des Staa­tes, sich schüt­zend und för­dernd vor das Rechts­gut des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG zu stel­len. Ange­sichts des weiten Gestal­tungs­spiel­raums bei der Erfül­lung der Schutz­pflich­ten könne aber nur geprüft werden, ob die öffent­li­che Gewalt Vor­keh­run­gen zum Schutz der Grund­rech­te treffe, die nicht völlig unge­eig­net oder unzu­läng­lich seien.

Die Richt­li­ni­en des Bun­des­aus­schus­ses beschränk­ten den Leis­tungs­an­spruch des Ver­si­cher­ten nicht, son­dern kon­kre­ti­sier­ten ihn ledig­lich. Unmit­tel­bar aus dem Gesetz ergebe sich kein Leis­tungs­an­spruch. Dieser werde in den meis­ten Fällen erst durch die zwi­schen Kran­ken­kas­sen und Leis­tungs­er­brin­gern geschlos­se­nen Ver­trä­ge und Richt­li­ni­en kon­kret aus­ge­stal­tet. § 135 Abs. 1 SGB V gestal­te unmit­tel­bar das Leis­tungs­recht. Das Bun­des­so­zi­al­ge­richt gehe in der ange­grif­fe­nen Ent­schei­dung gerade nicht davon aus, die Richt­li­ni­en des Bun­des­aus­schus­ses ver­kör­per­ten Akte auto­no­mer Recht­set­zung im Rahmen einer Sat­zungs­au­to­no­mie. Viel­mehr qua­li­fi­zie­re es sie als unter­ge­setz­li­che Rechts­nor­men und damit als mate­ri­el­les Recht eige­ner Art. Einen nume­rus clau­sus zuläs­si­ger Recht­set­zungs­for­men sehe das Grund­ge­setz nicht vor. Wei­te­re Typen unter­ge­setz­li­cher Rechts­nor­men seien jeden­falls unter bestimm­ten Vor­aus­set­zun­gen zuläs­sig; zu ihnen gehör­ten auch die Richt­li­ni­en des Bun­des­aus­schus­ses. Sie seien Teil eines his­to­risch gewach­se­nen umfas­sen­den Gefü­ges unter­ge­setz­li­cher Normen der gemein­sa­men Selbst­ver­wal­tung zwi­schen Kran­ken­kas­sen und Ärzten, dessen Wur­zeln bis in die vor­kon­sti­tu­tio­nel­le Zeit zurück­reich­ten.

3. Die Barmer Ersatz­kas­se sieht den Beschwer­de­füh­rer nicht in Grund­rech­ten oder grund­rechts­glei­chen Rech­ten ver­letzt. Der Bun­des­aus­schuss sei pari­tä­tisch mit Ver­tre­tern der Ärzte und der Kran­ken­kas­sen, zwei wei­te­ren unpar­tei­ischen Mit­glie­dern sowie einem eben­falls unpar­tei­ischen Vor­sit­zen­den besetzt. Die Prü­fung von Behand­lungs­me­tho­den, die bisher noch nicht Gegen­stand der ver­trags­ärzt­li­chen Ver­sor­gung gewe­sen seien, erfol­ge unter Berück­sich­ti­gung des all­ge­mein aner­kann­ten Stan­des der medi­zi­ni­schen Erkennt­nis. Eine Ableh­nung durch den Bun­des­aus­schuss bedeu­te zugleich auch, dass die abge­lehn­te Außen­sei­ter­me­tho­de nicht zur not­wen­di­gen Kran­ken­be­hand­lung gehöre, so dass die Ver­si­cher­ten nach Maß­ga­be des § 27 SGB V keinen Anspruch gegen­über der Kran­ken­kas­se hätten. Die Richt­li­ni­en stell­ten somit außen­wirk­sa­mes Recht dar. Der Bun­des­aus­schuss sei hier­für auch ver­fas­sungs­recht­lich aus­rei­chend legi­ti­miert.

4. Nach Aus­kunft des Ver­ban­des der pri­va­ten Kran­ken­ver­si­che­rung sind in der pri­va­ten Kran­ken­ver­si­che­rung, sowohl in der Voll- als auch in der Zusatz­ver­si­che­rung, nach den ein­schlä­gi­gen Mus­ter­be­din­gun­gen Kosten alter­na­ti­ver Behand­lungs­me­tho­den in jedem Krank­heits­fall dann erstat­tungs­fä­hig, wenn sie sich in der Praxis als ebenso Erfolg ver­spre­chend bewährt hätten wie schul­me­di­zi­ni­sche Ver­fah­ren und wenn die Alter­na­tiv­me­tho­de keine höhe­ren Kosten ver­ur­sa­che. Dar­über hinaus seien die Kosten alter­na­ti­ver Behand­lungs­me­tho­den dann zu erstat­ten, wenn es sich um unheil­ba­re Erkran­kun­gen handle, für die keine schul­me­di­zi­ni­schen Metho­den oder Arz­nei­mit­tel zur Ver­fü­gung stün­den. Dies dürfte nach Ein­schät­zung des Ver­ban­des nur ver­gleichs­wei­se selten der Fall sein, weil die schul­me­di­zi­ni­schen Behand­lungs­for­men nicht nur die Hei­lung, son­dern auch die Lin­de­rung, Bes­se­rung und Ver­hin­de­rung einer Ver­schlech­te­rung umfass­ten. Im Übri­gen müsse auch die Heil­be­hand­lung nach alter­na­ti­ven Metho­den auf einem nach medi­zi­ni­schen Erkennt­nis­sen nach­voll­zieh­ba­ren Ansatz beru­hen, der die pro­gnos­ti­zier­te Wir­kungs­wei­se auf das ange­streb­te Behand­lungs­ziel zu erklä­ren ver­mö­ge. Dabei reiche es aus, wenn die Errei­chung des Behand­lungs­ziels mit einer nicht nur ganz gerin­gen Erfolgs­aus­sicht mög­lich erschei­ne.

Für das Vor­lie­gen dieser Vor­aus­set­zun­gen sei der Ver­si­che­rungs­neh­mer nach­weis­pflich­tig. Dabei dürfte die Beru­fung auf die “Bin­nen­an­er­ken­nung” abzu­leh­nen sein, weil mit diesem Ver­fah­ren die medi­zi­ni­sche Wirk­sam­keit und Not­wen­dig­keit jeder neuen Alter­na­tiv­me­tho­de zwangs­läu­fig bejaht würde. Viel­mehr müsse eine objek­ti­ve Bewer­tung der Erfor­der­lich­keit mög­lich sein und die medi­zi­ni­sche Not­wen­dig­keit einer Heil­be­hand­lung vom Stand­punkt der Schul­me­di­zin aus beur­teilt werden. Dabei seien noch nicht abschlie­ßend gesi­cher­te Erkennt­nis­se mit zu berück­sich­ti­gen. Neben den übli­chen Ver­si­che­run­gen gebe es im Übri­gen Spe­zi­al­ta­ri­fe, die bestimm­te Leis­tun­gen aus dem Spek­trum der beson­de­ren The­ra­pie­rich­tun­gen aus­drück­lich zusag­ten.

5. Der Bun­des­aus­schuss und der Gemein­sa­me Bun­des­aus­schuss haben auf die Fragen des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts ein­ge­hend geant­wor­tet und ins­be­son­de­re aus­ge­führt: Eine Kos­ten­über­nah­me durch die gesetz­li­che Kran­ken­ver­si­che­rung in Fällen, in denen eine nicht all­ge­mein wis­sen­schaft­lich aner­kann­te Metho­de im kon­kre­ten Fall Wir­kung zeige, werde nicht befür­wor­tet. Der Wir­kungs­nach­weis im Ein­zel­fall sei nicht zu führen. Der ver­meint­li­che Erfolg einer The­ra­pie stelle sich oft­mals nur als posi­ti­ve Krank­heits­ent­wick­lung heraus, die kurze Zeit später durch einen Rück­fall in die alten Leiden been­det werde. Selbst wenn eine Krank­heit als aus­ge­heilt gelten könne, sei es nicht mög­lich nach­zu­wei­sen, dass der Heil­erfolg auf die gewähl­te Behand­lungs­me­tho­de zurück­zu­füh­ren sei. Das liege daran, dass Krank­hei­ten in vielen Fällen in einem nicht vor­her­seh­ba­ren
oder rekon­stru­ier­ba­ren Spon­tan­ver­lauf heil­ten. Bekannt sei auch die Wir­kung von Behand­lun­gen ohne medi­zi­nisch-phy­si­schen Ursa­chen­zu­sam­men­hang (Pla­ce­bo-Effekt).

Würde sich die Ansicht durch­set­zen, die Kran­ken­kas­sen seien auch bei Wir­kung einer Metho­de im Ein­zel­fall zur Kos­ten­tra­gung ver­pflich­tet, sähe man sich mit dem Grund­pro­blem kon­fron­tiert, dass sich die Wir­kung einer The­ra­pie allen­falls ex post fest­stel­len lasse, Arzt und Pati­ent aber vor dem Behand­lungs­be­ginn die geeig­ne­te The­ra­pie bestim­men müss­ten. Eine Kos­ten­er­stat­tung auf­grund eines Wirk­sam­keits­nach­wei­ses im Ein­zel­fall würde die medi­zi­nisch unver­ant­wort­li­che Ent­schei­dung für uner­forsch­te, ris­kan­te Metho­den mit gerin­ger Wir­kungs­wahr­schein­lich­keit bei Auf­tre­ten eines eher zufäl­li­gen Behand­lungs­er­folgs beloh­nen. Zudem wäre der Pati­ent, bei dem die Metho­de zufäl­lig nicht ange­schla­gen habe, finan­zi­ell benach­tei­ligt. Des Wei­te­ren würden unkon­trol­lier­te Heil­ver­su­che zu Lasten der gesetz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rung unter­stützt. Schließ­lich würde eine Flut von Rechts­strei­ten dar­über aus­ge­löst, ob ein Behand­lungs­er­folg vor­lie­ge und was die Ursa­che für ihn gewe­sen sei.

B.
Die Ver­fas­sungs­be­schwer­de ist begrün­det. Das Urteil des Bun­des­so­zi­al­ge­richts beruht auf einer Aus­le­gung der leis­tungs­recht­li­chen Vor­schrif­ten des § 1 Satz 1, § 2 Abs. 1, § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V, die mit Art. 2 Abs. 1 GG in Ver­bin­dung mit dem Sozi­al­staats­prin­zip (Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG) sowie mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht ver­ein­bar ist.

I.

1. a) Vor­ran­gi­ger Maß­stab für die ver­fas­sungs­recht­li­che Prü­fung ist Art. 2 Abs. 1 GG in Ver­bin­dung mit dem grund­ge­setz­li­chen Sozi­al­staats­prin­zip.

Das Grund­recht der all­ge­mei­nen Hand­lungs­frei­heit ist betrof­fen, wenn der Gesetz­ge­ber Per­so­nen der Pflicht­ver­si­che­rung in einem System der sozia­len Sicher­heit unter­wirft (vgl. BVerfGE 29, 221 ; 29, 245 ; 29, 260 ; 109, 96 ; stRspr). Dies gilt auch für die Begrün­dung der Pflicht­mit­glied­schaft mit Bei­trags­zwang in der gesetz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rung.

Auch Rege­lun­gen, die das öffent­lich-recht­li­che Sozi­al­ver­si­che­rungs­ver­hält­nis, vor allem in Bezug auf die Bei­trä­ge der Ver­si­cher­ten und die Leis­tun­gen des Ver­si­che­rungs­trä­gers, näher aus­ge­stal­ten, sind am Grund­recht des Art. 2 Abs. 1 GG zu messen (vgl. BVerfGE 75, 108 ; 97, 271 ; 106, 275 ). Sein Schutz­be­reich wird berührt, wenn der Gesetz­ge­ber durch die Anord­nung von Zwangs­mit­glied­schaft und Bei­trags­pflicht in einem öffent­lich-recht­li­chen Ver­band der Sozi­al­ver­si­che­rung die all­ge­mei­ne Betä­ti­gungs­frei­heit des Ein­zel­nen durch Ein­schrän­kung ihrer wirt­schaft­li­chen Vor­aus­set­zun­gen nicht uner­heb­lich ein­engt (vgl. BVerfGE 97, 271 ). Ein sol­cher Ein­griff bedarf der Recht­fer­ti­gung durch eine ent­spre­chen­de Aus­ge­stal­tung der aus­rei­chen­den soli­da­ri­schen Ver­sor­gung, die den Ver­si­cher­ten für deren Bei­trag im Rahmen des Siche­rungs­zwecks des Sys­tems zu erbrin­gen ist. Für die Hin­ter­blie­be­nen­ren­ten der gesetz­li­chen Ren­ten­ver­si­che­rung hat das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt Art. 2 Abs. 1 GG als ver­fas­sungs­recht­li­chen Maß­stab her­an­ge­zo­gen, wenn der Gesetz­ge­ber gesetz­lich zuge­sag­te und bei­trags­fi­nan­zier­te Leis­tun­gen dieses Ver­si­che­rungs­zweigs wesent­lich ver­min­dert (vgl. BVerfGE 97, 271 ). In Bezug auf die gesetz­li­che Kran­ken­ver­si­che­rung ist ver­fas­sungs­ge­richt­lich ent­schie­den, dass eine gesetz­li­che Rege­lung das Grund­recht der all­ge­mei­nen Hand­lungs­frei­heit des Ver­si­cher­ten berührt, wenn die Frei­heit zur Aus­wahl unter Arznei- und Hilfs­mit­teln, die ihm als Sach­leis­tung zur Ver­fü­gung gestellt werden, ein­ge­schränkt wird (vgl. BVerfGE 106, 275 ).

Der in einem System der Sozi­al­ver­si­che­rung Pflicht­ver­si­cher­te hat typi­scher­wei­se keinen unmit­tel­ba­ren Ein­fluss auf die Höhe seines Bei­trags und auf Art und Ausmaß der ihm im Ver­si­che­rungs­ver­hält­nis geschul­de­ten Leis­tun­gen. In einer sol­chen Kon­stel­la­ti­on der ein­sei­ti­gen Gestal­tung der Rechte und Pflich­ten der am Ver­si­che­rungs­ver­hält­nis Betei­lig­ten durch Gesetz (vgl. § 31 SGB I) und durch die auf ihm beru­hen­den Rechts­ak­te der Leis­tungs­kon­kre­ti­sie­rung, schützt das Grund­recht aus Art. 2 Abs. 1 GG den bei­trags­pflich­ti­gen Ver­si­cher­ten vor einer Unver­hält­nis­mä­ßig­keit von Bei­trag und Leis­tung. Daraus lässt sich in der gesetz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rung zwar kein ver­fas­sungs­recht­li­cher Anspruch auf bestimm­te Leis­tun­gen der Kran­ken­be­hand­lung ablei­ten. Jedoch sind gesetz­li­che oder auf Gesetz beru­hen­de Leis­tungs­aus­schlüs­se und Leis­tungs­be­gren­zun­gen dar­auf­hin zu prüfen, ob sie im Rahmen des Art. 2 Abs. 1 GG gerecht­fer­tigt sind. Glei­ches gilt, wenn die gesetz­li­chen Leis­tungs­vor­schrif­ten — wie hier — durch die zustän­di­gen Fach­ge­rich­te eine für den Ver­si­cher­ten nach­tei­li­ge Aus­le­gung und Anwen­dung erfah­ren.

b) Bei der nähe­ren Bestim­mung und Ent­fal­tung der dar­ge­stell­ten Schutz­funk­ti­on des Art. 2 Abs. 1 GG kommt dem grund­ge­setz­li­chen Sozi­al­staats­prin­zip maß­geb­li­che Bedeu­tung zu. Der Schutz des Ein­zel­nen in Fällen von Krank­heit ist in der sozi­al­staat­li­chen Ord­nung des Grund­ge­set­zes eine Grund­auf­ga­be des Staa­tes. Ihr ist der Gesetz­ge­ber nach­ge­kom­men, indem er durch Ein­füh­rung der gesetz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rung als öffent­lich-recht­li­cher Pflicht­ver­si­che­rung für den Kran­ken­schutz eines Groß­teils der Bevöl­ke­rung, Sorge getra­gen und die Art und Weise der Durch­füh­rung dieses Schut­zes gere­gelt hat (vgl. BVerfGE 68, 193 ). In Kon­kre­ti­sie­rung des Sozi­al­staats­prin­zips rich­tet er die Bei­trä­ge an der — regel­mä­ßig durch das Arbeits­ent­gelt oder die Rente bestimm­ten — wirt­schaft­li­chen Leis­tungs­fä­hig­keit des ein­zel­nen Ver­si­cher­ten (§ 226 SGB V) und nicht am indi­vi­du­el­len Risiko aus (vgl. BVerfGE 103, 172 ), ist ferner auf Sta­bi­li­tät der Bei­trags­sät­ze bedacht (§ 71 SGB V), wirkt auf Bei­trags­sen­kun­gen hin (§ 220 Abs. 4 SGB V) und nimmt auch bei der Aus­ge­stal­tung der Ver­pflich­tung zur Erbrin­gung von Zuzah­lun­gen zu gesetz­li­chen Leis­tun­gen (vgl. § 61 SGB V) auf die sozia­le Situa­ti­on des Ein­zel­nen Rück­sicht (§ 62 SGB V). Damit geht der Gesetz­ge­ber davon aus, dass den Ver­si­cher­ten regel­mä­ßig erheb­li­che finan­zi­el­le Mittel für eine zusätz­li­che selb­stän­di­ge Vor­sor­ge im Krank­heits­fall und ins­be­son­de­re für die Beschaf­fung von not­wen­di­gen Leis­tun­gen der Kran­ken­be­hand­lung außer­halb des Leis­tungs­sys­tems der gesetz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rung nicht zur Ver­fü­gung stehen.

In der sozia­len Kran­ken­ver­si­che­rung sind abhän­gig Beschäf­tig­te mit mitt­le­ren und nied­ri­gen Ein­kom­men sowie Rent­ner pflicht­ver­si­chert (vgl. BVerfGE 103, 172 ). Die gesetz­li­che Kran­ken­ver­si­che­rung erfasst nach der gesetz­li­chen Typi­sie­rung jeden­falls die Per­so­nen­grup­pen, die wegen ihrer nied­ri­gen Ein­künf­te eines Schut­zes für den Fall der Krank­heit bedür­fen, der durch Zwang zur Eigen­vor­sor­ge erreicht werden soll (vgl. BVerfGE 102, 68 ). Mit dieser Ver­si­che­rungs­form wird auch ein­kom­mens­schwa­chen Bevöl­ke­rungs­tei­len ein voller Kran­ken­ver­si­che­rungs­schutz zu mode­ra­ten Bei­trä­gen ermög­licht (vgl. BVerfGE 103, 172 ). Es bedarf daher einer beson­de­ren Recht­fer­ti­gung vor Art. 2 Abs. 1 GG in Ver­bin­dung mit dem Sozi­al­staats­prin­zip, wenn dem Ver­si­cher­ten Leis­tun­gen für die Behand­lung einer Krank­heit und ins­be­son­de­re einer lebens­be­droh­li­chen oder regel­mä­ßig töd­li­chen Erkran­kung durch gesetz­li­che Bestim­mun­gen oder durch deren fach­ge­richt­li­che Aus­le­gung und Anwen­dung vor­ent­hal­ten werden.

Dabei macht es grund­sätz­lich keinen Unter­schied, ob es um den Leis­tungs­an­spruch eines Ver­si­cher­ten oder — wie hier — einer nach § 10 SGB V mit­ver­si­cher­ten Person (vgl. dazu BVerfGE 107, 205 ) geht. Der Bei­trag wird zwar in diesem Fall vom Ver­si­cher­ten gezahlt, der dadurch jedoch seiner Pflicht zum Unter­halt nach­kommt, zu dem auch der Auf­wand für einen ange­mes­se­nen Kran­ken­ver­si­che­rungs­schutz gehört (vgl. BVerfGE 107, 205 ).

c) Maß­stab für die Beur­tei­lung der Ver­fas­sungs­mä­ßig­keit des Leis­tungs­rechts der gesetz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rung und seiner fach­ge­richt­li­chen Aus­le­gung und Anwen­dung im Ein­zel­fall sind dar­über hinaus auch die Grund­rech­te auf Leben und kör­per­li­che Unver­sehrt­heit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG. Zwar folgt aus diesen Grund­rech­ten regel­mä­ßig kein ver­fas­sungs­recht­li­cher Anspruch gegen die Kran­ken­kas­sen auf Bereit­stel­lung bestimm­ter und ins­be­son­de­re spe­zi­el­ler Gesund­heits­leis­tun­gen (vgl. BVerfGE 77, 170 ; 79, 174 ; BVerfG, Beschlüs­se der 2. Kammer des Ersten Senats vom 5. März 1997, NJW 1997, S. 3085; MedR 1997, S. 318 und vom 15. Dezem­ber 1997, NJW 1998, S. 1775 ). Die Gestal­tung des Leis­tungs­rechts der gesetz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rung hat sich jedoch an der objek­tiv-recht­li­chen Pflicht des Staa­tes zu ori­en­tie­ren, sich schüt­zend und för­dernd vor die Rechts­gü­ter des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG zu stel­len (vgl. BVerfGE 46, 160 ; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 15. Dezem­ber 1997, a.a.O.; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 22. Novem­ber 2002, NJW 2003, S. 1236 ; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 19. März 2004, NJW 2004, S. 3100 ). Inso­fern können diese Grund­rech­te in beson­ders gela­ger­ten Fällen die Gerich­te zu einer grund­rechts­ori­en­tier­ten Aus­le­gung der maß­geb­li­chen Vor­schrif­ten des Kran­ken­ver­si­che­rungs­rechts ver­pflich­ten (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 14. August 1998, NJW 1999, S. 857 f.).

Dies gilt ins­be­son­de­re in Fällen der Behand­lung einer lebens­be­droh­li­chen oder regel­mä­ßig töd­li­chen Erkran­kung. Denn das Leben stellt einen Höchst­wert inner­halb der grund­ge­setz­li­chen Ord­nung dar (vgl. BVerfGE 39, 1 ; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 11. August 1999, NJW 1999, S. 3399 ). Behörd­li­che und gericht­li­che Ver­fah­ren müssen dieser Bedeu­tung und der im Grund­recht auf Leben ent­hal­te­nen grund­le­gen­den objek­ti­ven Wert­ent­schei­dung (vgl. BVerfGE 39, 1 ; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 19. März 2004, NJW 2004, S. 3100 ) gerecht werden und sie bei der Aus­le­gung und Anwen­dung der maß­geb­li­chen Vor­schrif­ten des Kran­ken­ver­si­che­rungs­rechts berück­sich­ti­gen (vgl. BVerfGE 53, 30 ; zur Frage eines ori­gi­nä­ren Leis­tungs­an­spruchs aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG vgl. auch Schmidt-Aßmann, Grund­rechts­po­si­tio­nen und Legi­ti­ma­ti­ons­fra­gen im öffent­li­chen Gesund­heits­we­sen, 2001, S. 23 ff. m.w.N.).

2. a) Danach ist es ver­fas­sungs­recht­lich nicht zu bean­stan­den, dass die gesetz­li­che Kran­ken­ver­si­che­rung den Ver­si­cher­ten Leis­tun­gen nach Maß­ga­be eines all­ge­mei­nen Leis­tungs­ka­ta­logs (§ 11 SGB V) nur unter Beach­tung des Wirt­schaft­lich­keits­ge­bots (§ 12 SGB V) zur Ver­fü­gung stellt, soweit diese Leis­tun­gen nicht der Eigen­ver­ant­wor­tung der Ver­si­cher­ten zuge­rech­net werden (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Glei­ches gilt für die Ent­schei­dung des Gesetz­ge­bers, die nähere Kon­kre­ti­sie­rung der durch unbe­stimm­te Geset­zes­be­grif­fe fest­ge­leg­ten Leis­tungs­ver­pflich­tung im Ein­zel­fall im Rahmen der kas­sen­ärzt­li­chen Vor­ga­ben, ins­be­son­de­re der kas­sen­ärzt­li­chen Ver­trä­ge (§§ 82 ff., 87, 125, 127, 131 SGB V), vor allem den Ärzten vor­zu­be­hal­ten (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB V; BSGE 73, 271), die an der ver­trags­ärzt­li­chen Ver­sor­gung teil­neh­men (§ 95 SGB V; vgl. auch BVerfGE 106, 275 <277, 303, 308>). Dem Arzt kommt dabei nicht nur die Fest­stel­lung des Ein­tritts des Ver­si­che­rungs­falls Krank­heit zu, son­dern auch und gerade die von ihm zu ver­ant­wor­ten­de Ein­lei­tung, Durch­füh­rung und Über­wa­chung einer den Zielen des § 27 Abs. 1 SGB V gerecht wer­den­den Behand­lung (vgl. BSGE 82, 158 ). Es steht auch mit dem Grund­ge­setz im Ein­klang, wenn der Gesetz­ge­ber vor­sieht, dass die Leis­tun­gen der gesetz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rung aus­rei­chend, zweck­mä­ßig und wirt­schaft­lich zu sein haben und nicht das Maß des Not­wen­di­gen über­schrei­ten dürfen (§ 12 Abs. 1 Satz 1 SGB V).

b) Der Leis­tungs­ka­ta­log der gesetz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rung darf auch von finanz­wirt­schaft­li­chen Erwä­gun­gen mit­be­stimmt sein (vgl. BVerfGE 68, 193 ; 70, 1 <26, 30>). Gerade im Gesund­heits­we­sen hat der Kos­ten­aspekt für gesetz­ge­be­ri­sche Ent­schei­dun­gen erheb­li­ches Gewicht (vgl. BVerfGE 103, 172 ). Dem Gesetz­ge­ber ist es im Rahmen seines Gestal­tungs­spiel­raums grund­sätz­lich erlaubt, den Ver­si­cher­ten über den Bei­trag hinaus zur Ent­las­tung der Kran­ken­kas­sen und zur Stär­kung des Kos­ten­be­wusst­seins in der Form von Zuzah­lun­gen zu bestimm­ten Leis­tun­gen zu betei­li­gen, jeden­falls, soweit dies dem Ein­zel­nen finan­zi­ell zuge­mu­tet werden kann (vgl. BVerfGE 70, 1 ; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 7. März 1994, NJW 1994, S. 3007). Die gesetz­li­chen Kran­ken­kas­sen sind nicht von Ver­fas­sungs wegen gehal­ten, alles zu leis­ten, was an Mit­teln zur Erhal­tung oder Wie­der­her­stel­lung der Gesund­heit ver­füg­bar ist (vgl. auch BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 5. März 1997, NJW 1997, S. 3085).

c) Es ist dem Gesetz­ge­ber schließ­lich nicht von Ver­fas­sungs wegen ver­wehrt, zur Siche­rung der Qua­li­tät der Leis­tungs­er­brin­gung, im Inter­es­se einer Gleich­be­hand­lung der Ver­si­cher­ten und zum Zweck der Aus­rich­tung der Leis­tun­gen am Gesichts­punkt der Wirt­schaft­lich­keit ein Ver­fah­ren vor­zu­se­hen, in dem neue Unter­su­chungs- und Behand­lungs­me­tho­den in der ver­trags­ärzt­li­chen Ver­sor­gung auf ihren dia­gnos­ti­schen und the­ra­peu­ti­schen Nutzen sowie ihre medi­zi­ni­sche Not­wen­dig­keit und Wirt­schaft­lich­keit nach dem jewei­li­gen Stand der wis­sen­schaft­li­chen Erkennt­nis­se sach­ver­stän­dig geprüft werden, um die Anwen­dung dieser Metho­den zu Lasten der Kran­ken­kas­sen auf eine fach­lich-medi­zi­nisch zuver­läs­si­ge Grund­la­ge zu stel­len.

Ob für die Erfül­lung dieser Auf­ga­be das nach § 135 SGB V vor­ge­se­he­ne Ver­fah­ren der Ent­schei­dung durch den Gemein­sa­men Bun­des­aus­schuss ver­fas­sungs­recht­li­chen Anfor­de­run­gen genügt (vgl. auch BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 19. März 2004, NJW 2004, S. 3100 ), ist hier nicht zu ent­schei­den. Das Bun­des­so­zi­al­ge­richt hat in dem mit der Ver­fas­sungs­be­schwer­de ange­grif­fe­nen Urteil zur Begrün­dung seiner Ent­schei­dung im Ergeb­nis allein darauf abge­stellt, dass die umstrit­te­ne Behand­lungs­me­tho­de nicht dem all­ge­mein aner­kann­ten Stand der medi­zi­ni­schen For­schung ent­spre­che und keine erfah­rungs­ge­mäß wirk­sa­me Metho­de sei. Davon hat die ver­fas­sungs­recht­li­che Beur­tei­lung aus­zu­ge­hen. Das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt hat daher keinen Anlass zu prüfen, ob die Recht­spre­chung des Bun­des­so­zi­al­ge­richts zur demo­kra­ti­schen Legi­ti­ma­ti­on der Bun­des­aus­schüs­se und des Gemein­sa­men Bun­des­aus­schus­ses und zur recht­li­chen Qua­li­tät der von ihnen erlas­se­nen Richt­li­ni­en als außen­wirk­sa­men unter­ge­setz­li­chen Rechts­sät­zen (vgl. dazu BSGE 78, 70 ; 81, 54 ; 81, 73 ) mit dem Grund­ge­setz in Ein­klang steht (siehe dazu aus dem umfang­rei­chen Schrift­tum Axer, Norm­set­zung der Exe­ku­ti­ve in der Sozi­al­ver­si­che­rung, 2000, S. 119 ff., 153 ff.; Hän­lein, Rechts­quel­len im Sozi­al­ver­si­che­rungs­recht, 2001, S. 454 ff.; Schnapp, in: von Wulffen/Krasney , Fest­schrift 50 Jahre Bun­des­so­zi­al­ge­richt, 2004, S. 497 ff.; Hase, MedR 2005, S. 391; Rixen, Sozi­al­recht als öffent­li­ches Wirt­schafts­recht, 2005, S. 176 ff., jeweils m.w.N.).

3. Das ange­grif­fe­ne Urteil des Bun­des­so­zi­al­ge­richts genügt jedoch nicht den Anfor­de­run­gen aus Art. 2 Abs. 1 GG in Ver­bin­dung mit dem Sozi­al­staats­prin­zip sowie aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und ver­letzt den Beschwer­de­füh­rer in seinem Recht auf eine Leis­tungs­er­brin­gung durch die gesetz­li­che Kran­ken­ver­si­che­rung, die dem Schutz seines Lebens gerecht wird.

a) Nicht zu ent­schei­den ist dabei, ob die Annah­me des Bun­des­so­zi­al­ge­richts, wegen des ein­deu­ti­gen Wort­lauts des § 135 Abs. 1 SGB V sei die Anwen­dung einer neuen Behand­lungs­me­tho­de durch die Leis­tungs­er­brin­ger im System der gesetz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rung von der vor­he­ri­gen Aner­ken­nung durch den Bun­des­aus­schuss abhän­gig (vgl. BSGE 81, 54 ; 86, 54 ; BSG SozR 4–2500 § 135 Nr. 1), mit dem Grund­ge­setz auch in den Fällen ver­ein­bar ist, in denen die medi­zi­ni­sche Wis­sen­schaft wegen der Eigen­art der lebens­be­droh­li­chen oder regel­mä­ßig töd­li­chen Krank­heit über eine wis­sen­schaft­lich gesi­cher­te, an Gesichts­punk­ten der sta­tis­ti­schen Evi­denz, gege­be­nen­falls auch nied­ri­ge­rer Evi­denz­stu­fen bei sel­te­nen Krank­hei­ten (vgl. § 20 Abs. 2 Satz 3 der Ver­fah­rens­ord­nung des Gemein­sa­men Bun­des­aus­schus­ses in der Fas­sung vom 20. Sep­tem­ber 2005), aus­ge­rich­te­te The­ra­pie auf der Grund­la­ge kli­ni­scher oder sons­ti­ger Stu­di­en nicht oder noch nicht ver­fügt (vgl. auch BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 19. März 2004, NJW 2004, S. 3100 ). Denn das Bun­des­so­zi­al­ge­richt stellt in Fällen, in denen — wie hier — eine solche Aner­ken­nung nicht vor­liegt und auch kein Fall eines so genann­ten Sys­tem­man­gels (vgl. BSGE 81, 54 ; 86, 54 ; 88, 51 ) gege­ben ist, ent­schei­dend darauf ab, ob sich die Metho­de in der medi­zi­ni­schen Praxis durch­ge­setzt hat. Ist dies nicht der Fall, dann lehnt das Gericht, wie in der ange­grif­fe­nen Ent­schei­dung, die Annah­me einer gesetz­li­chen “Ver­sor­gungs­lü­cke” ab, die durch eine rich­ter­li­che Ent­schei­dung im Ein­zel­fall zu schlie­ßen wäre. Damit wird — wie sich aus der wei­te­ren Recht­spre­chung des Bun­des­so­zi­al­ge­richts zeigt — die Über­nah­me von Kosten durch die gesetz­li­chen Kran­ken­kas­sen auch in den Fällen einer lebens­be­droh­li­chen oder vor­her­seh­bar töd­lich ver­lau­fen­den Krank­heit aus­ge­schlos­sen, für die eine dem all­ge­mein aner­kann­ten medi­zi­ni­schen Stan­dard ent­spre­chen­de Behand­lungs­me­tho­de nicht exis­tiert (vgl. BSGE 86, 54 ), der behan­deln­de Arzt jedoch eine Metho­de zur Anwen­dung bringt, die nach seiner Ein­schät­zung im Ein­zel­fall den Krank­heits­ver­lauf posi­tiv zu Guns­ten des Ver­si­cher­ten beein­flusst.

b) Dies steht nicht im Ein­klang mit dem Grund­ge­setz.

aa) Es ist mit Art. 2 Abs. 1 GG in Ver­bin­dung mit dem grund­ge­setz­li­chen Sozi­al­staats­prin­zip nicht ver­ein­bar, den Ein­zel­nen unter den Vor­aus­set­zun­gen des § 5 SGB V einer Ver­si­che­rungs­pflicht in der gesetz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rung zu unter­wer­fen und für seine an der wirt­schaft­li­chen Leis­tungs­fä­hig­keit aus­ge­rich­te­ten Bei­trä­ge die not­wen­di­ge Krank­heits­be­hand­lung gesetz­lich zuzu­sa­gen, ihn ande­rer­seits aber, wenn er an einer lebens­be­droh­li­chen oder sogar regel­mä­ßig töd­li­chen Erkran­kung leidet, für die schul­me­di­zi­ni­sche Behand­lungs­me­tho­den nicht vor­lie­gen, von der Leis­tung einer bestimm­ten Behand­lungs­me­tho­de durch die Kran­ken­kas­se aus­zu­schlie­ßen und ihn auf eine Finan­zie­rung der Behand­lung außer­halb der gesetz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rung zu ver­wei­sen. Dabei muss aller­dings die vom Ver­si­cher­ten gewähl­te andere Behand­lungs­me­tho­de eine auf Indi­zi­en gestütz­te, nicht ganz fern lie­gen­de Aus­sicht auf Hei­lung oder wenigs­tens auf eine spür­ba­re posi­ti­ve Ein­wir­kung auf den Krank­heits­ver­lauf ver­spre­chen. Ein sol­cher Fall ist hier gege­ben. Für die Behand­lung der Duchenne’schen Mus­kel­dys­tro­phie steht gegen­wär­tig allein ein sym­pto­ma­ti­sches The­ra­pie­spek­trum zur Ver­fü­gung, zu dem auch ope­ra­ti­ve Maß­nah­men gehö­ren. Eine unmit­tel­ba­re Ein­wir­kung auf die Krank­heit und ihren Ver­lauf mit gesi­cher­ten wis­sen­schaft­li­chen Metho­den, ist noch nicht mög­lich (vgl. http://www.duchenne-forschung.de/richtli1.htm).

bb) Die ange­grif­fe­ne Aus­le­gung der leis­tungs­recht­li­chen Vor­schrif­ten des SGB V durch das Bun­des­so­zi­al­ge­richt ist in der extre­men Situa­ti­on einer krank­heits­be­ding­ten Lebens­ge­fahr auch nicht mit der Schutz­pflicht des Staa­tes für das Leben aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG zu ver­ein­ba­ren. Über­nimmt der Staat mit dem System der gesetz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rung Ver­ant­wor­tung für Leben und kör­per­li­che Unver­sehrt­heit der Ver­si­cher­ten, so gehört die Vor­sor­ge in Fällen einer lebens­be­droh­li­chen oder regel­mä­ßig töd­li­chen Erkran­kung unter den genann­ten Vor­aus­set­zun­gen zum Kern­be­reich der Leis­tungs­pflicht und der von Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG gefor­der­ten Min­dest­ver­sor­gung (vgl. auch Wie­demann, in: Umbach/Clemens , Grund­ge­setz, Bd. I, 2002, Art. 2 Rn. 376; Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Grund­ge­setz, Bd. I, Art. 2 Abs. 2 Rn. 94 ; Schmidt-Aßmann, NJW 2004, S. 1689 ).

c) Die im Streit­fall vom Ver­si­cher­ten ange­ru­fe­nen Sozi­al­ge­rich­te haben in sol­chen Fällen, gege­be­nen­falls mit sach­ver­stän­di­ger Hilfe, zu prüfen, ob es für die vom Arzt nach gewis­sen­haf­ter fach­li­cher Ein­schät­zung vor­ge­nom­me­ne oder von ihm beab­sich­tig­te Behand­lung ernst­haf­te Hin­wei­se auf einen nicht ganz ent­fernt lie­gen­den Erfolg der Hei­lung oder auch nur auf eine spür­ba­re posi­ti­ve Ein­wir­kung auf den Krank­heits­ver­lauf im kon­kre­ten Ein­zel­fall gibt (vgl. auch Schul­in, in: Schul­in , Hand­buch des Sozi­al­ver­si­che­rungs­rechts, Bd. 1: Kran­ken­ver­si­che­rungs­recht, 1994, § 6 Rn. 22). Solche Hin­wei­se auf einen indi­vi­du­el­len Wir­kungs­zu­sam­men­hang können sich aus dem Gesund­heits­zu­stand des Ver­si­cher­ten im Ver­gleich mit dem Zustand ande­rer, in glei­cher Weise erkrank­ten, aber nicht mit der in Frage ste­hen­den Metho­de behan­del­ter Per­so­nen erge­ben sowie auch mit dem sol­cher Per­so­nen, die bereits auf diese Weise behan­delt wurden oder behan­delt werden. Ins­be­son­de­re bei einer länger andau­ern­den Behand­lung können der­ar­ti­ge Erfah­run­gen Fol­ge­run­gen für die Wirk­sam­keit der Behand­lung erlau­ben. Wei­te­re Bedeu­tung kommt der fach­li­chen Ein­schät­zung der Wirk­sam­keit der Metho­de im kon­kre­ten Ein­zel­fall durch die Ärzte des Erkrank­ten zu, die die Sym­pto­me seiner Krank­heit behan­deln. Hin­wei­se auf die Eig­nung der im Streit befind­li­chen Behand­lung können sich auch aus der wis­sen­schaft­li­chen Dis­kus­si­on erge­ben; in Bezug auf die Duchenne’sche Mus­kel­dys­tro­phie liegen inzwi­schen welt­weit Bei­trä­ge vor.

Auf die Wirk­sam­keit einer Behand­lungs­me­tho­de im Ein­zel­fall jeden­falls bei sel­te­nen Krank­hei­ten abzu­stel­len, ist auch dem Recht der gesetz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rung nicht fremd. Nach § 31 Abs. 1 Satz 4 SGB V kann der Ver­trags­arzt Arz­nei­mit­tel, die auf­grund der Richt­li­ni­en nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V von der Ver­sor­gung aus­ge­schlos­sen sind, aus­nahms­wei­se den­noch in medi­zi­nisch begrün­de­ten Ein­zel­fäl­len ver­ord­nen. Auch das Bun­des­so­zi­al­ge­richt hat sich in seiner jün­ge­ren Recht­spre­chung bei einer Kran­ken­be­hand­lung mit Arz­nei­mit­teln einer Ein­zel­fall­be­trach­tung unter bestimm­ten Vor­aus­set­zun­gen nicht ver­schlos­sen. Nach seiner Auf­fas­sung sind Maß­nah­men zur Behand­lung einer Krank­heit, die so selten auf­tritt, dass ihre sys­te­ma­ti­sche Erfor­schung prak­tisch aus­schei­det, vom Leis­tungs­um­fang der gesetz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rung nicht allein des­halb aus­ge­schlos­sen, weil der zustän­di­ge Bun­des­aus­schuss dafür keine Emp­feh­lung abge­ge­ben hat (vgl. BSGE 93, 236 ).

II.
Da das mit der Ver­fas­sungs­be­schwer­de ange­grif­fe­ne Urteil gegen Ver­fas­sungs­recht ver­stößt, ist es gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG auf­zu­he­ben. Ob es noch wei­te­re Grund­rech­te des Beschwer­de­füh­rers ver­letzt, kann vor­lie­gend dahin­ste­hen. Die Sache ist an das Bun­des­so­zi­al­ge­richt zurück­zu­ver­wei­sen, das auf der Grund­la­ge der in dieser Ent­schei­dung ent­wi­ckel­ten Grund­sät­ze neu über die Revi­si­on der beklag­ten Kran­ken­kas­se zu befin­den haben wird.

III.
Die Kos­ten­ent­schei­dung beruht auf § 34 a Abs. 2 BVerfGG.

0 comments

XHTML: You can use these tags: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>