Tat­be­stand

Es ist strei­tig, ob dem Kläger zu 1. (im fol­gen­den: der Kläger) Pfle­ge­geld nach der Pfle­ge­stu­fe I und der Klä­ge­rin zu 2. (im fol­gen­den: die Klä­ge­rin) Pfle­ge­geld nach der Pfle­ge­stu­fe II zusteht.

Der 1986 gebo­re­ne Kläger und die 1991 gebo­re­ne Klä­ge­rin sind im Rahmen der Fami­li­en­ver­si­che­rung bei der Beklag­ten gegen das Risiko der Pfle­ge­be­dürf­tig­keit ver­si­chert. Sie sind Schü­ler und leben mit zwei nicht erkrank­ten Geschwis­tern im elter­li­chen Haus­halt. Seit ihrer Geburt leiden sie an der sehr sel­te­nen, in Kri­sen­si­tua­tio­nen lebens­be­droh­li­chen sog Ahorn­si­rup­krank­heit. Es han­delt sich um eine ange­bo­re­ne Stö­rung im Stoff­wech­sel beim Abbau der Ami­no­säu­ren Leucin, Iso­leu­cin und Valin. Die Kläger haben des­we­gen stren­ge Diät­vor­schrif­ten ein­zu­hal­ten.

Am 11. April 1996 bean­trag­ten die Kläger Pfle­ge­geld. Sie trugen vor, die drei­mal täg­lich mit einer Gesamt­men­ge von je 0,2 l ein­zu­neh­men­den Ami­no­säu­re­mi­schun­gen hätten auch bei Zugabe mil­dern­der Zuta­ten (zB Zucker) einen unan­ge­neh­men Geschmack, so daß wegen der vor­ge­schrie­be­nen lebens­not­wen­di­gen Ein­nah­me stän­dig Zuspruch, Über­wa­chung und ggf auch Zwang erfor­der­lich sei. Neben der Spe­zi­al­di­ät dürf­ten nur eiweiß­ar­me oder eiweiß­freie Lebens­mit­tel ver­zehrt werden. Der dabei zu beach­ten­de Gehalt an bestimm­ten Ami­no­säu­ren ändere sich je nach dem Ergeb­nis der Blut­spie­gel­be­stim­mung in der Kin­der­kli­nik in Frei­burg wöchent­lich, zum Teil auch in kür­ze­ren Abstän­den. Die Über­wa­chung der Ernäh­rung und des Stoff­wech­sels erfol­ge durch die Eltern, die geschult seien, früh­zei­tig even­tu­el­le Stoff­wech­sel­ent­glei­sun­gen zu erken­nen und abzu­fan­gen. Sie ent­näh­men auch einmal wöchent­lich, bis­wei­len öfter, Blut­pro­ben, schick­ten diese zur Unter­su­chung nach Frei­burg und setz­ten die tele­fo­nisch mit­ge­teil­ten Unter­su­chungs­er­geb­nis­se um.

Falls es zu Stoff­wech­sel­ent­glei­sun­gen komme, müsse ihnen von den Eltern eine naso­gas­tra­le Ver­weil­son­de gelegt und hoch­ka­lo­ri­sche Son­der­nah­rung per Infu­so­mat ver­ab­reicht werden.

Die Beklag­te hat die Anträ­ge abge­lehnt (Beschei­de vom 21. Mai 1996; Wider­spruchs­be­schei­de vom 1. Juli 1997): Die bei den Klä­gern krank­heits­be­dingt erfor­der­li­chen Stoff­wech­sel­kon­trol­len und Venen­punk­tio­nen sowie das Legen der naso­gas­tra­len Ver­weil­son­de seien der Behand­lungs­pfle­ge zuzu­ord­nen. Die auf­wen­di­ge Zube­rei­tung der Diät­nah­rung sei Teil der haus­wirt­schaft­li­chen Ver­sor­gung. Bei den Ver­rich­tun­gen der Grund­pfle­ge gebe es nur einen Hil­fe­be­darf bei der Ernäh­rung (Nah­rungs­auf­nah­me), also nicht — wie erfor­der­lich — bei min­des­tens zwei Ver­rich­tun­gen der Grund­pfle­ge. Zudem über­stei­ge der durch­schnitt­li­che täg­li­che Grund­pfle­ge­be­darf den­je­ni­gen gesun­der gleich­alt­ri­ger Kinder nicht um 45 Minu­ten.

Das Sozi­al­ge­richt (SG) hat den Klagen statt­ge­ge­ben und die Beklag­te ver­ur­teilt, dem Kläger Pfle­ge­geld nach der Pfle­ge­stu­fe I (Urteil vom 26. Novem­ber 1997 — S 5 P 2271/97) und der Klä­ge­rin Pfle­ge­geld nach der Pfle­ge­stu­fe II ab 11. April 1996 zu gewäh­ren (Urteil vom 26. Novem­ber 1997 — S 5 P 3547/97).

Das Lan­des­so­zi­al­ge­richt (LSG) hat beide Ver­fah­ren mit­ein­an­der ver­bun­den und die Beru­fun­gen der Beklag­ten zurück­ge­wie­sen (Urteil vom 17. Dezem­ber 1999): Der Kläger habe einen täg­li­chen Grund­pfle­ge­be­darf von 60 Minu­ten und einen haus­wirt­schaft­li­chen Ver­sor­gungs­be­darf von eben­falls 60 Minu­ten. Die “Por­tio­nie­rung” der zuvor zube­rei­te­ten spe­zi­el­len Ami­no­säu­ren­ge­mi­sche und der Spe­zi­al­di­ät sei der mund­ge­rech­ten Nah­rungs­zu­be­rei­tung (15 Minu­ten) zuzu­rech­nen. Die inten­si­ve Kon­trol­le der Nah­rungs­auf­nah­me erfor­de­re über den Tag hinweg ins­ge­samt wei­te­re 15 Minu­ten. Der deut­lich erhöh­te Grund­pfle­ge­be­darf bei den regel­mä­ßig etwa einmal monat­lich auf­tre­ten­den Stoff­wech­sel­ent­glei­sun­gen mache auf jeden Tag eines Jahres umge­rech­net zusätz­lich 30 Minu­ten aus.

Bei der Klä­ge­rin sei der Grund­pfle­ge­be­darf auf täg­lich 130 Minu­ten zu bemes­sen, weil die Kon­trol­le der Nah­rungs­auf­nah­me bei ihr noch deut­lich zeit­auf­wen­di­ger sei (55 Minu­ten) und die Stoff­wech­sel­ent­glei­sun­gen ver­mehrt vor­kä­men (zusätz­li­cher Grund­pfle­ge­be­darf auf jeden Tag umge­rech­net 60 Minu­ten). Der Hil­fe­be­darf bei der mund­ge­rech­ten Nah­rungs­zu­be­rei­tung sei dem­ge­gen­über nicht erhöht (15 Minu­ten); auch der haus­wirt­schaft­li­che Ver­sor­gungs­be­darf ent­spre­che dem ihres Bru­ders (60 Minu­ten).

Mit der Revi­si­on rügt die Beklag­te eine Ver­let­zung der §§ 14 Abs 4 und 15 Abs  1 und 3 Sozi­al­ge­setz­buch Elftes Buch (SGB XI): Die Zusam­men­stel­lung, Her­stel­lung und Zutei­lung jeder Form von Diät­nah­rung sei allein der Ver­rich­tung Kochen und damit der haus­wirt­schaft­li­chen Ver­sor­gung zuzu­ord­nen. Ein ver­mehr­ter Hil­fe­be­darf bei der Grund­pfle­ge im Falle gesund­heit­li­cher Krisen dürfe nur berück­sich­tigt werden, wenn die Krisen regel­mä­ßig min­des­tens einmal wöchent­lich auf­tre­ten. Damit redu­zie­re sich der Grund­pfle­ge­be­darf beim Kläger auf täg­lich nur 15 Minu­ten, was schon in zeit­li­cher Hin­sicht für die Pfle­ge­stu­fe I nicht aus­rei­che. Die Klä­ge­rin habe zwar einen für die Pfle­ge­stu­fe I aus­rei­chen­den Grund­pfle­ge­be­darf von 55 Minu­ten; dieser Bedarf bestehe aber wie bei ihrem Bruder aus­schließ­lich bei nur einer Ver­rich­tung der Grund­pfle­ge, näm­lich der Nah­rungs­auf­nah­me. Die Pfle­ge­stu­fe I ver­lan­ge aber einen täg­li­chen Hil­fe­be­darf bei wenigs­tens zwei Ver­rich­tun­gen der Grund­pfle­ge.

Die Beklag­te bean­tragt,

die Urtei­le des LSG Baden-Würt­tem­berg vom 17. Dezem­ber 1999 und des SG     Frei­burg vom 26. Novem­ber 1997 zu ändern und die Klagen abzu­wei­sen.

Die Kläger bean­tra­gen,

die Revi­si­on zurück­zu­wei­sen.

Sie ver­tei­di­gen das ange­foch­te­ne Urteil als zutref­fend.

Ent­schei­dungs­grün­de

Die Revi­si­on der Beklag­ten ist begrün­det. Die ange­foch­te­nen Beschei­de sind recht­mä­ßig, weil beide Kläger nicht, wie nach § 15 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB XI gefor­dert, einen täg­li­chen Hil­fe­be­darf bei wenigs­tens zwei Ver­rich­tun­gen der Grund­pfle­ge (§ 14 Abs 4 Nr 1 bis 3 SGB XI) auf­wei­sen.

A) Kläger G. S.

Der Anspruch auf Pfle­ge­geld, den der Kläger seit dem 11. April 1996, also einem Zeit­punkt nach dem Inkraft­tre­ten des Leis­tungs­rechts der Pfle­ge­ver­si­che­rung am 1. April 1995 (Art 68 Abs 2 des Pflege-Ver­si­che­rungs­ge­set­zes <Pfle­geVG> vom 26. Mai 1994, BGBl I, 1014) gel­tend macht, setzt gemäß § 37 Abs 1 SGB XI voraus, daß Pfle­ge­be­dürf­tig­keit iS des § 14 SGB XI vor­liegt. Nach § 14 Abs 1 SGB XI sind pfle­ge­be­dürf­tig iS des SGB XI solche Per­so­nen, die wegen einer kör­per­li­chen, geis­ti­gen oder see­li­schen Krank­heit oder Behin­de­rung für die gewöhn­li­chen und regel­mä­ßig wie­der­keh­ren­den Ver­rich­tun­gen im Ablauf des täg­li­chen Lebens auf Dauer zumin­dest in erheb­li­chem Maße der Hilfe bedür­fen. Zu berück­sich­ti­gen ist mithin aus­schließ­lich der Umfang des Pfle­ge­be­darfs bei den gewöhn­lich und regel­mä­ßig wie­der­keh­ren­den Ver­rich­tun­gen, die Abs 4 der Vor­schrift in die Berei­che Kör­per­pfle­ge, Ernäh­rung und Mobi­li­tät (Grund­pfle­ge) sowie den Bereich der haus­wirt­schaft­li­chen Ver­sor­gung auf­teilt.

Nach § 15 Abs 1 Nr 1 SGB XI in der ursprüng­li­chen Fas­sung des Geset­zes vom 26. Mai 1994 (BGBl I, 1014), der durch das 1. SGB XI-Ände­rungs­ge­setz (1. SGB XI-ÄndG) vom 14. Juni 1996 (BGBl I, 830) zu § 15 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB XI gewor­den ist, setzt die Zuord­nung eines Pfle­ge­be­dürf­ti­gen zur Pfle­ge­stu­fe I (erheb­lich Pfle­ge­be­dürf­ti­ge) voraus, daß er bei der Kör­per­pfle­ge, der Ernäh­rung oder der Mobi­li­tät für wenigs­tens zwei Ver­rich­tun­gen aus einem oder meh­re­ren Berei­chen min­des­tens einmal täg­lich der Hilfe bedarf und zusätz­lich mehr­fach in der Woche Hilfen bei der haus­wirt­schaft­li­chen Ver­sor­gung benö­tigt werden. Dabei gehö­ren zum Bereich der Kör­per­pfle­ge das Waschen, Duschen, Baden, die Zahn­pfle­ge, das Kämmen, Rasie­ren und die Darm- und Bla­sen­ent­lee­rung, zum Bereich der Ernäh­rung das mund­ge­rech­te Zube­rei­ten und die Auf­nah­me der Nah­rung und zum Bereich der Mobi­li­tät das selb­stän­di­ge Auf­ste­hen und Zubett­ge­hen, An- und Aus­klei­den, Gehen, Stehen, Trep­pen­stei­gen sowie das Ver­las­sen und Wie­der­auf­su­chen der Woh­nung (§ 14 Abs 4 Nr 1 bis 3 SGB XI).

Bei Kin­dern ist für die Zuord­nung der zusätz­li­che Hil­fe­be­darf (Mehr­be­darf) gegen­über einem gesun­den gleich­alt­ri­gen Kind maß­ge­bend (§ 15 Abs 2 SGB XI). Das LSG hat zu Unrecht ange­nom­men, daß der Kläger einen Hil­fe­be­darf bei zwei Ver­rich­tun­gen aus dem Bereich der Ernäh­rung habe. Hil­fe­be­darf besteht ledig­lich bei der Ver­rich­tung “Nah­rungs­auf­nah­me” im wesent­li­chen in der Form der genau­en Kon­trol­le, nicht aber bei der mund­ge­rech­ten Zube­rei­tung der Nah­rung.

1. Das vom Kläger gel­tend gemach­te auf­wen­di­ge diät­ge­rech­te Zusam­men­stel­len, Zube­rei­ten und Zutei­len der Nah­rung gehört nicht zur Grund­pfle­ge. Im Bereich der Ernäh­rung unter­schei­det § 14 Abs 4 SGB XI zwi­schen der mund­ge­rech­ten Zube­rei­tung und der Auf­nah­me der Nah­rung einer­seits, wobei ein Hil­fe­be­darf bei diesen Ver­rich­tun­gen der Grund­pfle­ge (§ 14 Abs 4 Nr 2 SGB XI) zuzu­ord­nen ist, und den Ver­rich­tun­gen “Ein­kau­fen” und “Kochen” ande­rer­seits, die dem Bereich der haus­wirt­schaft­li­chen Ver­sor­gung (§ 14 Abs 4 Nr 4 SGB XI) zuge­wie­sen sind. Die Vor­schrift dif­fe­ren­ziert allein nach dem äuße­ren Ablauf der Ver­rich­tun­gen; sie knüpft nicht an das mit der Ver­rich­tung ange­streb­te Ziel an. Bezo­gen auf den Lebens­be­reich “Ernäh­rung” bedeu­tet dies, daß nicht umfas­send alle Maß­nah­men ein­zu­be­zie­hen sind, die im kon­kre­ten Ein­zel­fall im wei­tes­ten Sinn dem Ernäh­rungs­vor­gang zuge­ord­net werden können. Zur Grund­pfle­ge gehört nach § 14 Abs 4 Nr 2 SGB XI viel­mehr nur die Hilfe bei der Nah­rungs­auf­nah­me selbst sowie die letzte Vor­be­rei­tungs­maß­nah­me, soweit eine solche nach der Fer­tig­stel­lung der Mahl­zeit krank­heits- oder behin­de­rungs­be­dingt noch erfor­der­lich wird (BT-Drucks 12/5262, S 96, 97; Wilde in: Hauck/Wilde, SGB XI, § 14 RdNr 34b). Dies schließt, wie vom Senat bereits ent­schie­den (Urteil vom 19. Febru­ar 1998 — B 3 P 3/97 R — BSGE 82, 27 = SozR 3–3300 § 14 Nr 2), bei an Stoff­wech­sel­stö­run­gen lei­den­den Per­so­nen die Ein­be­zie­hung sol­cher Hilfen in die Grund­pfle­ge aus, die nur dazu dienen, die Ver­träg­lich­keit der Nah­rung sicher­zu­stel­len (zB durch beson­de­res Ein­kau­fen, Berech­nen, Zusam­men­stel­len und Abwie­gen), wenn der­ar­ti­ge Maß­nah­men nicht zwangs­läu­fig im Zusam­men­hang mit den im Kata­log auf­ge­führ­ten Ver­rich­tun­gen der Grund­pfle­ge vor­ge­nom­men werden müssen. Der Senat folgt nicht der Auf­fas­sung, wonach bei einem an einer diät­pflich­ti­gen Stoff­wech­sel­stö­rung lei­den­den Kind das Berech­nen, Zusam­men­stel­len und Abwie­gen der Mahl­zei­ten zum “mund­ge­rech­ten Zube­rei­ten” der Nah­rung gehöre, weil dem Kind eine Mahl­zeit nur dann “munden” könne, wenn sie mit Hilfe auf­wen­di­ger Vor­be­rei­tun­gen genau berech­net sowie zube­rei­tet sei, und es andern­falls durch die Nah­rung in Lebens­ge­fahr gebracht werde (vgl Urteil vom 17. Juni 1999 — B 3 P 10/98 R — SozR 3–3300 § 15 Nr 7).

Diese Aus­le­gung wird den Vor­ga­ben des Geset­zes nicht gerecht, weil sie sich von dem äuße­ren Ablauf der Pfle­ge­maß­nah­men löst und statt dessen auf die indi­vi­du­el­le Bedeu­tung ein­zel­ner Hil­fe­leis­tun­gen abstellt. In den Richt­li­ni­en der Spit­zen­ver­bän­de der Pfle­ge­kas­sen über die Abgren­zung der Merk­ma­le der Pfle­ge­be­dürf­tig­keit und der Pfle­ge­stu­fen sowie zum Ver­fah­ren der Fest­stel­lung der Pfle­ge­be­dürf­tig­keit (Pfle­ge­be­dürf­tig­keits-Richt­li­ni­en <PflRi>) vom 7. Novem­ber 1994 idF vom 21. Dezem­ber 1995 sind die Vor­ga­ben des Geset­zes in bezug auf den Lebens­be­reich “Ernäh­rung” (Ziff 3.4) zutref­fend erläu­tert. Danach zählt die gesam­te Vor­be­rei­tung der Nah­rungs­auf­nah­me nicht zur Grund­pfle­ge, son­dern zum Bereich der haus­wirt­schaft­li­chen Ver­sor­gung. Das im Gesetz aus­drück­lich erwähn­te Ein­kau­fen umfaßt zB auch den Über­blick, welche Lebens­mit­tel wo ein­ge­kauft werden müssen, sowie die Kennt­nis der Genieß- bzw Halt­bar­keit von Lebens­mit­teln; zum eben­falls erwähn­ten Kochen gehört auch das Vor- und Zube­rei­ten der Bestand­tei­le der Mahl­zei­ten.

Die PflRi gehen zutref­fend davon aus, daß der Begriff “Kochen” den gesam­ten Vor­gang der Nah­rungs­zu­be­rei­tung — und zwar warme und kalte Spei­sen und Geträn­ke glei­cher­ma­ßen — umfaßt. Hierzu zählen somit auch Vor­be­rei­tungs­maß­nah­men wie die Erstel­lung eines Spei­se­plans unter Berück­sich­ti­gung indi­vi­du­el­ler, unter Umstän­den auch krank­heits­be­ding­ter Beson­der­hei­ten. Daraus folgt, daß die Tätig­kei­ten des Berech­nens, Abwie­gens, Zusam­men­stel­lens und Zube­rei­tens der Spei­sen zur Her­stel­lung der für den Kläger erfor­der­li­chen Diät zur Nah­rungs­zu­be­rei­tung zählen und damit der Ver­rich­tung “Kochen” im Bereich der haus­wirt­schaft­li­chen Ver­sor­gung zuzu­ord­nen sind. Zum Zusam­men­stel­len und Zube­rei­ten der Spei­sen zählt — als Abschluß der Ver­rich­tung “Kochen” — auch das anhand der Diät­vor­schrif­ten vor­zu­neh­men­de Bemes­sen und Zutei­len der zube­rei­te­ten Nah­rung bzw ein­zel­ner Nah­rungs­be­stand­tei­le. Dieser Vor­gang stellt — ent­ge­gen der Ansicht des LSG und des Klä­gers — nicht bereits die “por­ti­ons­ge­rech­te Vor­ga­be” der zube­rei­te­ten Nah­rung dar, die gemäß Ziff 3.4.2 der PflRi sowie Abschnitt D Ziff 5.2 (8) der Richt­li­ni­en der Spit­zen­ver­bän­de der Pfle­ge­kas­sen zur Begut­ach­tung von Pfle­ge­be­dürf­tig­keit nach dem SGB XI (Begut­ach­tungs-Richt­li­ni­en <BRi>) vom 21. März 1997 zur Ver­rich­tung der mund­ge­rech­ten Zube­rei­tung der Nah­rung gerech­net wird. “Por­ti­ons­ge­rech­te Vor­ga­be” bzw “Por­tio­nie­rung” der zube­rei­te­ten Nah­rung kann nur bedeu­ten, daß die bereits zube­rei­te­te Nah­rung am Eßtisch — ggf mit der Unter­stüt­zung des Pfle­ge­be­dürf­ti­gen durch eine Pfle­ge­per­son im Rahmen der akti­vie­ren­den Hilfe (§ 28 Abs 4 Satz 1 SGB XI) — so “mund­ge­recht” vor­be­rei­tet wird, daß der Pfle­ge­be­dürf­ti­ge sie durch den Mund auf­neh­men kann (zB Zer­klei­nern der Nah­rung; Tren­nung nicht eßba­rer Bestand­tei­le der zube­rei­te­ten Nah­rung wie etwa Her­aus­tren­nen eines Kno­chens und Ent­fer­nen von Gräten; Ein­fül­len von Geträn­ken in Trink­ge­fä­ße bei Funk­ti­ons­stö­run­gen oder Fehlen der Hände; Ein­wei­chen von harter Nah­rung bei Kaustörungen).Die Ein­be­zie­hung auch der Bemes­sung und Zutei­lung der zube­rei­te­ten Diät­nah­rung würde nicht hin­rei­chend berück­sich­ti­gen, daß § 14 Abs 4 Nr 2 SGB XI aus­drück­lich nur die “mund­ge­rech­te Zube­rei­tung” der Nah­rung als Grund­pfle­ge beschreibt, es dort also nicht all­ge­mein um die “Zube­rei­tung” oder um die “krank­heits­ge­rech­te Zube­rei­tung” geht.

2. Die wöchent­li­che Ent­nah­me der Blut­pro­ben zur Blut­spie­gel­be­stim­mung zählt eben­falls nicht zur Grund­pfle­ge. Es sind krank­heits­spe­zi­fi­sche Pfle­ge­maß­nah­men (Behand­lungs­pfle­ge), die nur dann zu berück­sich­ti­gen sind, wenn sie einer der in § 14 Abs 4 SGB XI genann­ten Ver­rich­tun­gen zuge­rech­net werden können (BSG Urtei­le vom 19. Febru­ar 1998 — B 3 P 3/97 R — BSGE 82, 27 = SozR 3–3300 § 14 Nr 2 und — B 3 P 11/97 R — Soz­Vers 1998, 253). Daran fehlt es. Die Blut­spie­gel­be­stim­mun­gen dienen als Vor­be­rei­tungs­hand­lun­gen dem oben erwähn­ten Berech­nen, Zusam­men­stel­len, Abwie­gen und Zutei­len der Mahl­zei­ten. Die Ent­nah­me der Blut­pro­ben ist zeit­lich zu weit vom Vor­gang des Essens ent­fernt, um noch unter “Auf­nah­me der Nah­rung” (§ 14 Abs 4 Nr 2 SGB XI) sub­su­miert zu werden; es han­delt sich somit um eine selb­stän­di­ge Maß­nah­me der Behand­lungs­pfle­ge o h n e Bezug zu einer der Ver­rich­tun­gen des Kata­logs in § 14 Abs 4 SGB XI (BSG SozR 3–3300 § 15 Nr 7).

3. Im Bereich der Grund­pfle­ge weist der Kläger somit nur einen regel­mä­ßi­gen täg­li­chen Hil­fe­be­darf bei der Nah­rungs­auf­nah­me auf. Bei sons­ti­gen Ver­rich­tun­gen der Grund­pfle­ge besteht kein Hil­fe­be­darf, der über den­je­ni­gen gleich­alt­ri­ger gesun­der Kinder (§ 15 Abs 2 SGB XI) hin­aus­geht. Dies gilt auch für die kri­sen­haf­ten Zeiten der Stoff­wech­sel­ent­glei­sun­gen. Der Hil­fe­be­darf ist in diesen Zeiten zwar deut­lich erhöht, beschränkt sich aber nach den nicht ange­grif­fe­nen und daher für das Revi­si­ons­ge­richt nach § 163 Sozi­al­ge­richts­ge­setz (SGG) bin­den­den Fest­stel­lun­gen des LSG auch hier nur auf den Bereich der Nah­rungs­auf­nah­me, die über eine naso­gas­tra­le Ver­weil­son­de erfolgt. Auf die Erfül­lung der Tat­be­stands­vor­aus­set­zung, daß Hil­fe­be­darf bei “wenigs­tens zwei Ver­rich­tun­gen” bestehen muß, kann nicht ver­zich­tet werden, wie vom Senat bereits ent­schie­den worden ist (BSG SozR 3–3300 § 15 Nr 7).

Der Ein­wand, ange­sichts der in § 15 Abs 3 SGB XI auf­ge­stell­ten detail­lier­ten zeit­li­chen Vor­aus­set­zun­gen für die ein­zel­nen Pfle­ge­stu­fen müsse allein dieser Zeit­fak­tor als maß­geb­lich für den Pfle­ge­be­darf ange­se­hen werden, so daß es nicht darauf ankom­men könne, ob ein Pfle­ge­be­darf von bei­spiels­wei­se 60 Minu­ten bei einer, zwei oder mehr Ver­rich­tun­gen der Grund­pfle­ge anfal­le, greift nicht durch. Zwar hätte der Gesetz­ge­ber auf­grund des ihm zuste­hen­den weiten Gestal­tungs­spiel­raums die Frage des Pfle­ge­be­darfs auch allein anhand zeit­li­cher Kri­te­ri­en regeln können. Dies hat er jedoch nicht getan. Die Pfle­ge­be­dürf­tig­keit wurde von Anfang an auf­grund einer Kom­bi­na­ti­on von zeit­li­chen (§ 15 Abs 3 SGB XI) und ver­rich­tungs­be­zo­ge­nen Anfor­de­run­gen (§ 15 Abs 1 SGB XI) defi­niert, und zwar — in unter­schied­li­cher Aus­prä­gung — für alle drei Pfle­ge­stu­fen. Die in der Zeit seit dem Inkraft­tre­ten des Leis­tungs­rechts der Pfle­ge­ver­si­che­rung am 1. April 1995 bis zum 25. Juni 1996 (Zeit­punkt des Inkraft­tre­tens des 1. SGB XI-ÄndG, vgl dessen Art 8 Abs 1) gel­ten­de ursprüng­li­che Fas­sung des SGB XI ent­hielt zwar die jetzt in § 15 Abs 3 SGB XI detail­liert auf­ge­führ­ten zeit­li­chen Vor­aus­set­zun­gen noch nicht. § 15 Abs 3 SGB XI aF ermäch­tig­te sei­ner­zeit aber die Spit­zen­ver­bän­de der Pfle­ge­kas­sen bzw das Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Arbeit und Sozi­al­ord­nung, den in den ein­zel­nen Pfle­ge­stu­fen jeweils min­des­tens erfor­der­li­chen zeit­li­chen Pfle­ge­auf­wand in den Pfle­ge­richt­li­ni­en nach § 17 SGB XI bzw in der Ver­ord­nung nach § 16 SGB XI zu regeln. Die PflRi vom 7. Novem­ber 1994 haben diese Ermäch­ti­gung umge­setzt und in Ziff 4.1.1, 4.1.2 und 4.1.3 zeit­li­che Staf­fe­lun­gen vor­ge­se­hen, die inhalt­lich im wesent­li­chen mit der zum 25. Juni 1996 geschaf­fe­nen gesetz­li­chen Rege­lung der zeit­li­chen Vor­aus­set­zun­gen der Pfle­ge­stu­fen I, II und III in § 15 Abs 3 SGB XI nF über­ein­stimm­ten.

Der Gesetz­ge­ber hat also nicht erst durch die Neu­re­ge­lung des § 15 Abs 3 SGB XI zum 25. Juni 1996, son­dern auch schon durch die vorher gel­ten­de Ermäch­ti­gung in § 15 Abs 3 SGB XI aF zum Aus­druck gebracht, daß für ihn die Frage der Pfle­ge­be­dürf­tig­keit und der Zuord­nung zu den ver­schie­de­nen Pfle­ge­stu­fen allein aus einer Kom­bi­na­ti­on von zeit­li­chen und ver­rich­tungs­be­zo­ge­nen Kri­te­ri­en zu beant­wor­ten ist und nicht schon die Erfül­lung der zeit­li­chen Vor­aus­set­zun­gen aus­reicht. Der Ver­zicht auf die Strei­chung des Tat­be­stands­merk­mals des Hil­fe­be­darfs bei “wenigs­tens zwei Ver­rich­tun­gen” der Pfle­ge­stu­fe I in § 15 Abs 1 Nr 1 SGB XI im Zuge der Ein­fü­gung der zeit­li­chen Vor­aus­set­zun­gen für die Pfle­ge­stu­fen in § 15 Abs 3 SGB XI nF kann nicht als bloßes gesetz­ge­be­ri­sches Ver­se­hen ein­ge­stuft werden, son­dern ent­spricht dem Willen des Gesetz­ge­bers und steht mit der Auf­recht­erhal­tung ver­rich­tungs­be­zo­ge­ner Kri­te­ri­en auch für die Pfle­ge­stu­fen II und III in Ein­klang.

4. Da ver­fas­sungs­recht­li­che Beden­ken gegen die bestehen­de Rege­lung nicht erkenn­bar sind, schei­tert der Anspruch des Klä­gers also bereits daran, daß sein Hil­fe­be­darf sich auf nur eine Ver­rich­tung der Grund­pfle­ge beschränkt. Die Frage, ob der Hil­fe­be­darf bei der Nah­rungs­auf­nah­me vom LSG mit 45 Minu­ten (15 + 30 Minu­ten) zutref­fend ermit­telt worden ist und dabei der zusätz­li­che Bedarf bei der Bewäl­ti­gung der Stoff­wech­sel­ent­glei­sun­gen über­haupt berück­sich­tigt werden durfte, kann daher offen­blei­ben. Ebenso ist es uner­heb­lich, ob der Kläger einen so großen Hil­fe­be­darf bei der haus­wirt­schaft­li­chen Ver­sor­gung hat, daß dieser zusam­men mit dem Hil­fe­be­darf bei der Grund­pfle­ge min­des­tens 90 Minu­ten aus­macht; denn auch bei Kin­dern kann ein unzu­rei­chen­der Hil­fe­be­darf bei der Grund­pfle­ge nicht durch einen erhöh­ten Bedarf bei der haus­wirt­schaft­li­chen Ver­sor­gung aus­ge­gli­chen werden (BSGE 82, 27 = SozR 3–3300 § 14 Nr 2).

B) Klä­ge­rin L. S.

Nach vor­ste­hen­den Aus­füh­run­gen ist auch die Klage der Klä­ge­rin unbe­grün­det, obgleich sie im Bereich der Grund­pfle­ge zum Zeit­punkt der zweit­in­stanz­li­chen Ent­schei­dung Ende 1999 einen durch­schnitt­li­chen täg­li­chen Hil­fe­be­darf von min­des­tens 55 Minu­ten, also — wie erfor­der­lich — von “mehr als 45 Minu­ten” (§ 15 Abs 3 Nr 1 SGB XI) auf­wies. Denn auch bei der Klä­ge­rin beschränkt sich der Hil­fe­be­darf auf nur eine Ver­rich­tung der Grund­pfle­ge, näm­lich die Nah­rungs­auf­nah­me. Dem­ge­mäß erfüllt auch sie nicht die Vor­aus­set­zun­gen des § 15 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB XI, wonach schon die Pfleg­stu­fe I einen täg­li­chen Hil­fe­be­darf bei wenigs­tens zwei Ver­rich­tun­gen der Grund­pfle­ge erfor­dert. Da nicht einmal die Vor­aus­set­zun­gen der Pfle­ge­stu­fe I vor­lie­gen, kam auch eine Ein­ord­nung in die von ihr gel­tend gemach­te Pfle­ge­stu­fe II nicht in Betracht.

Die Kos­ten­ent­schei­dung beruht auf § 193 SGG.

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