Füh­rer­schein: Behör­de darf Gut­ach­ten anord­nen

Tenor

Der Antrag auf Wie­der­her­stel­lung der auf­schie­ben­den Wir­kung der Klage des Antrag­stel­lers (5 K 24/20) gegen die Ver­fü­gung des Bürger- und Ord­nungs­am­tes – Füh­rer­schein­stel­le – vom 03.12.2019 zum Akten­zei­chen … wird abge­lehnt.

Die Kosten des Ver­fah­rens trägt der Antrag­stel­ler. Der Streit­wert wird auf 5.000,00 Euro fest­ge­setzt.

Gründe

I. Der Antrag­stel­ler begehrt einst­wei­li­gen Rechts­schutz gegen die Ent­zie­hung seiner Fahr­erlaub­nis.

Dem … gebo­re­nen Antrag­stel­ler wurde im Jahr 1961 die dama­li­ge Fahr­erlaub­nis­klas­se 3 und im Jahr 1966 die dama­li­ge Fahr­erlaub­nis­klas­se 2 erteilt. Infol­ge der Umstel­lung auf die neuen Fahr­erlaub­nis­klas­sen Ende 2000 war der Antrag­stel­ler Inha­ber der Klas­sen A, A1, AM, B, BE, C, C1, C1E, CE, L und T. Die Klas­sen C und CE waren bis zum 30.11.2005 gültig. Beim Antrag­stel­ler wurde im Jahr 1994 Dia­be­tes mel­li­tus Typ 2 dia­gnos­ti­ziert. Zudem ist sein rech­tes Bein auf­grund einer Sprung­ge­lenks-Ope­ra­ti­on um einige Zen­ti­me­ter ver­kürzt.

Das Ord­nungs­amt des Land­krei­ses Cux­ha­ven lei­te­te im April 2018 ein Ent­zie­hungs­ver­fah­ren gegen den Antrag­stel­ler ein und for­der­te ihn auf, ein fach­ärzt­li­ches Gut­ach­ten einer Begut­ach­tungs­stel­le für Fahr­eig­nung vor­zu­le­gen. Hin­ter­grund war ein Vor­fall vom .04.2018, bei dem der Antrag­stel­ler durch eine unsi­che­re Fahr­wei­se auf­ge­fal­len sein soll. Laut Poli­zei­be­richt habe er auf einer Stre­cke von ca. 1.500 Metern mit einer deut­lich gerin­ge­ren Geschwin­dig­keit als erlaubt mehr­fach den Mit­tel­strei­fen über­fah­ren und sei auf die andere Fahr­bahn gera­ten. Bei der anschlie­ßen­den Ver­kehrs­kon­trol­le hätten Poli­zei­be­am­te Schwie­rig­kei­ten in der Mobi­li­tät und Kom­mu­ni­ka­ti­on des Antrag­stel­lers fest­ge­stellt. Ein Atem­al­ko­hol­test sei nega­tiv aus­ge­fal­len. Das Ent­zie­hungs­ver­fah­ren wurde – wohl auf­grund der Ver­le­gung des Wohn­sit­zes des Antrag­stel­lers von … (Land­kreis Cux­ha­ven) nach … – nicht fort­ge­führt.

Am .05.2018 soll der Antrag­stel­ler erneut durch eine unsi­che­re Fahr­wei­se auf­ge­fal­len sein. Andere Ver­kehrs­teil­neh­mer gaben bei der Poli­zei an, er sei mehr­fach auf­fal­lend lang­sam direkt auf dem Mit­tel­strei­fen gefah­ren, sodass ent­ge­gen­kom­men­de Autos hätten aus­wei­chen müssen. An einer roten Ampel sei er unge­bremst in den Kreu­zungs­be­reich ein­ge­fah­ren. Im wei­te­ren Ver­lauf habe der Antrag­stel­ler mehr­fach den Mit­tel­strei­fen über­quert, wodurch es bei­na­he zu Unfäl­len gekom­men sei. Beim Abbie­gen habe er den Kant­stein einer Ver­kehrs­in­sel über­fah­ren und par­ken­de Fahr­zeu­ge sowie Bau­stel­len­ma­te­ria­li­en bei­na­he gestreift. Auch der inso­weit durch­ge­führ­te Atem­al­ko­hol­test sei nega­tiv aus­ge­fal­len. Die Ehe­frau des Antrag­stel­lers gab an, dass ihr Ehe­mann in keiner guten gesund­heit­li­chen Ver­fas­sung sei und neben Alters­be­schwer­den auch an Dia­be­tes leide, sein Insu­lin aber nur unre­gel­mä­ßig ein­neh­me. Sie ver­mu­te, dass er unter­zu­ckert gewe­sen sei. Vor dem Amts­ge­richt Bre­mer­ha­ven wurde gegen den Antrag­stel­ler ein Straf­ver­fah­ren wegen Gefähr­dung des Stra­ßen­ver­kehrs geführt (Akten­zei­chen: …). In der münd­li­chen Ver­hand­lung stritt der Antrag­stel­ler die Vor­wür­fe ab, gab aber an, an Dia­be­tes mel­li­tus Typ 2 zu leiden und ein um drei Zen­ti­me­ter ver­kürz­tes rech­tes Bein zu haben. In der schrift­li­chen Urteils­be­grün­dung vom 07.01.2019 (Bl. 81 der Straf­ver­fah­rens­ak­te) wird aus­ge­führt:

„Die Tat war nicht nach­zu­wei­sen, sodass ein Frei­spruch aus tat­säch­li­chen Grün­den erfolg­te.“

Die Füh­rer­schein­stel­le des Bürger- und Ord­nungs­am­tes der Antrags­geg­ne­rin (im Fol­gen­den: Füh­rer­schein­stel­le) bat den Antrag­stel­ler dar­auf­hin um per­sön­li­che Vor­spra­che zwecks Klä­rung etwa­iger Aus­wir­kun­gen des Vor­falls vom 12.05.2018 auf seine Fahr­eig­nung. Zugleich bat sie um Vor­la­ge ärzt­li­cher Beschei­ni­gun­gen über seinen Gesund­heits­zu­stand. Im Rahmen der per­sön­li­chen Vor­spra­che am 20.05.2019 erklär­te der Antrag­stel­ler, dass er wegen seiner Dia­be­tes­er­kran­kung mehr­mals am Tag Insu­lin sprit­zen müsse und die Ver­kür­zung seines Beines durch einen ortho­pä­di­schen Spe­zi­al­schuh aus­ge­gli­chen werde. Er sagte zu, binnen zwei Wochen ein ärzt­li­ches Attest seines Haus­arz­tes vor­zu­le­gen. Dies ist trotz wie­der­hol­ter Erin­ne­rung der Füh­rer­schein­stel­le nicht erfolgt. Unter dem 12.06.2019 setzte die Füh­rer­schein­stel­le eine letzte Frist zur Vor­la­ge bis zum 17.06.2019 und kün­dig­te für den Fall der Nicht­vor­la­ge eine Begut­ach­tungs­auf­for­de­rung an.

Mit Schrei­ben vom 16.07.2019 for­der­te die Füh­rer­schein­stel­le den Antrag­stel­ler auf, ein Gut­ach­ten eines Arztes einer Begut­ach­tungs­stel­le für Fahr­eig­nung vor­zu­le­gen. Das Gut­ach­ten sei ein­zu­ho­len, um die Zwei­fel an der Fahr­eig­nung aus­zu­räu­men. Weiter hieß es:

„Falls Sie sich der not­wen­di­gen Begut­ach­tung unter­zie­hen wollen, bitten wir Sie, die als Anlage bei­gefüg­ten Erklä­run­gen zu unter­schrei­ben und uns eine [sic!] inner­halb von 2 Wochen nach Erhalt dieses Schrei­bens an uns zurück­zu­ge­ben.

Das dann anzu­fer­ti­gen­de ärzt­li­che Gut­ach­ten ist uns bis zum 16.11.2019 vor­zu­le­gen.“

Für den Fall der Nicht­vor­la­ge wurde auf § 11 Abs. 8 Satz 2 der Fahr­erlaub­nis­ver­ord­nung (im Fol­gen­den: FeV) und eine Ent­zie­hung der Fahr­erlaub­nis hin­ge­wie­sen. Im Rahmen der ärzt­li­chen Unter­su­chung sollte fol­gen­de Frage beant­wor­tet werden:

„Han­delt es sich bei den uns bekannt gewor­de­nen Erkran­kun­gen (s. unser Anord­nungs­schrei­ben vom 16.07.2019) um Erkran­kun­gen, die nach Anlage 4 der FeV die Fahr­eig­nung beein­träch­ti­gen oder gänz­lich in Frage stel­len?“

Der Antrag­stel­ler, dem die Begut­ach­tungs­auf­for­de­rung am 18.07.2019 zuge­stellt wurde, reich­te weder eine Erklä­rung über die Zustim­mung zur Begut­ach­tung noch ein Gut­ach­ten ein. Unter dem 02.08.2019 und dem 20.11.2019 hörte die Füh­rer­schein­stel­le ihn daher zur beab­sich­tig­ten Fahr­erlaub­nis­ent­zie­hung unter Anord­nung der sofor­ti­gen Voll­zie­hung an.

Mit Bescheid vom 03.12.2019 entzog die Füh­rer­schein­stel­le dem Antrag­stel­ler die Fahr­erlaub­nis (Ziffer 1), gab ihm auf, den Füh­rer­schein sofort, spä­tes­tens bis sieben Tage nach Zustel­lung der Ver­fü­gung abzu­lie­fern (Ziffer 2), drohte ihm ein Zwangs­geld in Höhe von 260,00 Euro an (Ziffer 3), erhob eine Ver­wal­tungs­ge­bühr in Höhe von 162,50 Euro (Ziffer 4) und ord­ne­te die sofor­ti­ge Voll­zie­hung der Zif­fern 1 bis 3 der Ver­fü­gung an (Ziffer 5). Auf­grund der feh­len­den Mit­wir­kung werde auf seine Nicht­eig­nung zum Führen von Kraft­fahr­zeu­gen geschlos­sen. Es bestün­de die Gefahr, dass er ein Kraft­fahr­zeug führe, obwohl er auf­grund erheb­li­cher kör­per­li­cher Beein­träch­ti­gun­gen nicht mehr dazu in der Lage sei. Die Gefahr, Leib und Leben ande­rer Ver­kehrs­teil­neh­mer und sich selbst zu gefähr­den, zwinge zu einem sofor­ti­gen Aus­schluss aus der Ver­kehrs­ge­mein­schaft. Die sofor­ti­ge Vor­la­ge des Füh­rer­scheins sei not­wen­dig, um ein Wei­ter­fah­ren und den Ein­druck zu unter­bin­den, die Fahr­erlaub­nis sei nicht ent­zo­gen worden. Das ange­ord­ne­te Zwangs­geld diene der Voll­stre­ckung der ange­ord­ne­ten Maß­nah­men. Das pri­va­te Sus­pen­siv­in­ter­es­se müsse hinter dem öffent­li­chen Inter­es­se der Ver­kehrs­ge­mein­schaft zurück­tre­ten. Der Bescheid wurde dem Antrag­stel­ler am 05.12.2019 zuge­stellt.

Der Antrag­stel­ler gab seinen Füh­rer­schein – soweit ersicht­lich – nicht ab.

Am 06.01.2020 hat der Antrag­stel­ler Klage erho­ben (Akten­zei­chen: 5 K 24/20) und zugleich um einst­wei­li­gen Rechts­schutz nach­ge­sucht. Zur Begrün­dung führt er aus, seine Fahr­eig­nung sei nicht auf­grund der vor­lie­gen­den Erkran­kun­gen beein­träch­tigt. Er sei seiner Mit­wir­kungs­pflicht voll­um­fäng­lich nach­ge­kom­men und habe eine ärzt­li­che Beschei­ni­gung vom 18.06.2018 vor­ge­legt. Er sei auf­grund beider Erkran­kun­gen in stän­di­ger ärzt­li­cher Behand­lung. Im Febru­ar 2016 seien seine Blut­zu­cker­wer­te im Rahmen einer sta­tio­nä­ren Behand­lung opti­miert worden. Er legte ärzt­li­che Doku­men­te vom 08.02.2016, 18.06.2018 und 06.06.2019 vor.

Der Antrag­stel­ler bean­tragt, die auf­schie­ben­de Wir­kung der Klage anzu­ord­nen.

Die Antrags­geg­ne­rin bean­tragt, den Antrag auf Aus­set­zung der sofor­ti­gen Voll­zie­hung abzu­leh­nen.

Sie wie­der­holt im Wesent­li­chen ihr Vor­brin­gen aus dem Ver­wal­tungs­ver­fah­ren und ergänzt, die im gericht­li­chen Ver­fah­ren vor­ge­leg­ten ärzt­li­chen Beschei­ni­gun­gen hätten ihr nie vor­ge­le­gen. Diese seien zudem weder aktu­ell noch geeig­net, Auf­schluss über die Aus­wir­kun­gen der gesund­heit­li­chen Ein­schrän­kun­gen auf die Fahr­eig­nung zu geben. Hinzu komme, dass die aktu­el­le ärzt­li­che Beschei­ni­gung wei­te­re Zwei­fel an der Fahr­eig­nung des Antrag­stel­lers begrün­de, indem dort ein Glau­kom (Grüner Star) ange­spro­chen werde. Auf­grund der feh­len­den Mit­wir­kung an der Auf­klä­rung des fahr­eig­nungs­re­le­van­ten Sach­ver­halts sei der Antrag­stel­ler cha­rak­ter­lich unge­eig­net zum Führen von Kraft­fahr­zeu­gen.

Das Gericht hat den Ver­wal­tungs­vor­gang der Antrags­geg­ne­rin sowie die Akte des Amts­ge­richts Bre­mer­ha­ven zum Straf­ver­fah­ren bei­gezo­gen. Wegen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des Sach- und Streit­stan­des und des Vor­brin­gens der Betei­lig­ten wird auf den Inhalt dieser Akten und der Gerichts­ak­te Bezug genom­men.

II. Der Antrag hat keinen Erfolg. Er ist zuläs­sig (1.), aber unbe­grün­det (2.).

1. Der Antrag ist – ent­ge­gen der vom Antrag­stel­ler gewähl­ten For­mu­lie­rung – als Antrag auf Wie­der­her­stel­lung der auf­schie­ben­den Wir­kung der Klage nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 Ver­wal­tungs­ge­richts­ord­nung (VwGO) statt­haft und auch im Übri­gen zuläs­sig. Die am 06.01.2020 erho­be­ne Klage ent­fal­tet auf­grund der Anord­nung der sofor­ti­gen Voll­zie­hung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO keine auf­schie­ben­de Wir­kung. Sie ist auch nicht ver­fris­tet erho­ben worden. Die Kla­ge­frist endete auf­grund der Zustel­lung des ange­grif­fe­nen Bescheids am 05.12.2019 nicht am 05.01.2020, einem Sonn­tag, son­dern am 06.01.2020, §§ 74 Abs. 1 Satz 2, 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 2 ZPO, § 188 Abs. 2 BGB.

2. Der Antrag hat in der Sache keinen Erfolg.

a) Die Anord­nung der sofor­ti­gen Voll­zie­hung der Fahr­erlaub­nis­ent­zie­hung (Ziffer 1 des ange­grif­fe­nen Bescheids) ist nicht zu bean­stan­den.

aa) In for­mel­ler Hin­sicht genügt die Anord­nung des Sofort­voll­zugs den Anfor­de­run­gen, die nach § 80 Abs. 3 VwGO an die Begrün­dung einer sol­chen Anord­nung zu stel­len sind.

Die Vor­schrift erfor­dert eine auf den kon­kre­ten Ein­zel­fall abstel­len­de Dar­le­gung, worin das beson­de­re öffent­li­che Inter­es­se an einer aus­nahms­wei­sen sofor­ti­gen Voll­zieh­bar­keit besteht und wes­halb das Inter­es­se des Adres­sa­ten, zunächst nicht von dem ange­foch­te­nen Ver­wal­tungs­akt betrof­fen zu werden, hinter dieses erheb­li­che öffent­li­che Inter­es­se zurück­tre­ten muss. Im ange­grif­fe­nen Bescheid wird zur Begrün­dung des sofor­ti­gen Voll­zugs auf die über­ra­gen­den Inter­es­sen der Ver­kehrs­si­cher­heit und damit auf die Schutz­gü­ter Leib und Leben abge­stellt. Zugleich wird auf die kör­per­li­chen Beein­träch­ti­gun­gen des Antrag­stel­lers ver­wie­sen und damit ein kon­kre­ter Fall­be­zug her­ge­stellt. Ange­sichts der hohen Bedeu­tung der Sicher­heit des Stra­ßen­ver­kehrs für den Schutz hoch­ran­gi­ger Rechts­gü­ter und der gebo­te­nen effek­ti­ven Gefah­ren­ab­wehr folgt aus den die Ent­zie­hung einer Fahr­erlaub­nis tra­gen­den Grün­den zudem regel­mä­ßig auch die Dring­lich­keit ihrer Voll­zie­hung (vgl. etwa VG Bremen, Beschl. v. 31.03.2017 – 5 V 757/17 –, juris Rn. 10).

bb) Die auf­schie­ben­de Wir­kung der Klage des Antrag­stel­lers ist nicht wie­der­her­zu­stel­len, da die vor­zu­neh­men­de Inter­es­sen­ab­wä­gung nicht zu seinen Guns­ten aus­fällt.

Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO kann das Gericht in den Fällen, in denen die sofor­ti­ge Voll­zie­hung eines Ver­wal­tungs­ak­tes ange­ord­net worden ist, die auf­schie­ben­de Wir­kung eines Rechts­be­helfs ganz oder teil­wei­se wie­der­her­stel­len. Das Gericht trifft dabei eine eigene, ori­gi­nä­re Ermes­sens­ent­schei­dung. Es hat dabei abzu­wä­gen zwi­schen dem von der Behör­de gel­tend gemach­ten Inter­es­se an der sofor­ti­gen Voll­zie­hung ihres Beschei­des und dem Inter­es­se des Antrag­stel­lers an der auf­schie­ben­den Wir­kung seines Rechts­be­helfs. Im Rahmen dieser Abwä­gung sind die Erfolgs­aus­sich­ten des Rechts­be­helfs maß­geb­lich zu berück­sich­ti­gen. Erweist sich der ange­foch­te­ne Ver­wal­tungs­akt bei der im einst­wei­li­gen Rechts­schutz­ver­fah­ren allein mög­li­chen und gebo­te­nen sum­ma­ri­schen Prü­fung als offen­sicht­lich rechts­wid­rig, über­wiegt regel­mä­ßig das pri­va­te Aus­set­zungs­in­ter­es­se das gegen­läu­fi­ge öffent­li­che Voll­zie­hungs­in­ter­es­se. Stellt sich der Ver­wal­tungs­akt hin­ge­gen als offen­sicht­lich recht­mä­ßig dar, bedarf es grund­sätz­lich auch bei Vor­lie­gen eines recht­mä­ßi­gen Ver­wal­tungs­ak­tes eines beson­de­ren Inter­es­ses an der sofor­ti­gen Voll­zie­hung.

Vor­lie­gend über­wiegt das öffent­li­che Voll­zie­hungs­in­ter­es­se das Inter­es­se des Antrag­stel­lers, von der sofor­ti­gen Voll­zie­hung einst­wei­len bis zu einer Klä­rung der Recht­mä­ßig­keit der Ver­fü­gung im Haupt­sa­che­ver­fah­ren ver­schont zu blei­ben. Der ange­foch­te­ne Bescheid vom 03.12.2019 ist nach sum­ma­ri­scher Prü­fung recht­mä­ßig ergan­gen, wes­halb die Klage im Haupt­sa­che­ver­fah­ren vor­aus­sicht­lich ohne Erfolg blei­ben wird. Es besteht auch ein beson­de­res Inter­es­se an der sofor­ti­gen Voll­zie­hung.

(1) Die Füh­rer­schein­stel­le hat dem Antrag­stel­ler die Fahr­erlaub­nis mit hoher Wahr­schein­lich­keit zu Recht ent­zo­gen.

Rechts­grund­la­ge für die Ent­zie­hung der Fahr­erlaub­nis ist § 3 Abs. 1 Satz 1 Stra­ßen­ver­kehrs­ge­setz (StVG) i.V.m. §§ 11 Abs. 2 und 8, 46 Abs. 1 und 3 FeV. Nach §§ 3 Abs. 1 StVG, 46 Abs. 1 Satz 1 FeV ist dem­je­ni­gen die Fahr­erlaub­nis zu ent­zie­hen, der sich als unge­eig­net zum Führen von Kraft­fahr­zeu­gen erweist. Dies gilt nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV ins­be­son­de­re, wenn Erkran­kun­gen oder Mängel nach den Anla­gen 4, 5 oder 6 zur FeV vor­lie­gen. Werden Tat­sa­chen bekannt, die Beden­ken begrün­den, dass der Inha­ber einer Fahr­erlaub­nis zum Führen eines Kraft­fahr­zeugs unge­eig­net oder bedingt geeig­net ist, finden die §§ 11 bis 14 FeV ent­spre­chend Anwen­dung (§ 3 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 2 Abs. 8 StVG, § 46 Abs. 3 FeV). Gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 FeV kann die Fahr­erlaub­nis­be­hör­de zur Vor­be­rei­tung von Ent­schei­dun­gen über die Ertei­lung oder Ver­län­ge­rung der Fahr­erlaub­nis oder über die Anord­nung von Beschrän­kun­gen oder Auf­la­gen die Bei­brin­gung eines ärzt­li­chen Gut­ach­tens durch den Bewer­ber anord­nen, wenn Tat­sa­chen bekannt werden, die Beden­ken gegen die kör­per­li­che oder geis­ti­ge Eig­nung des Fahr­erlaub­nis­be­wer­bers begrün­den. Nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV darf die Fahr­erlaub­nis­be­hör­de bei ihrer Ent­schei­dung auf die Nicht­eig­nung des Betrof­fe­nen schlie­ßen, wenn er sich wei­gert, sich unter­su­chen zu lassen, oder wenn er das von ihm gefor­der­te Gut­ach­ten nicht frist­ge­recht bei­bringt. Der Schluss aus der Nicht­vor­la­ge eines ange­for­der­ten Fahr­eig­nungs­gut­ach­tens auf die feh­len­de Fahr­eig­nung ist gerecht­fer­tigt, wenn die Anord­nung for­mell und mate­ri­ell recht­mä­ßig, ins­be­son­de­re anlass­be­zo­gen und ver­hält­nis­mä­ßig war (stRspr, vgl. BVerwG, Urt. v. 17.11.2016 – 3 C 20.15 –, juris Rn. 19 m.w.N.). Maß­geb­li­cher Zeit­punkt der Beur­tei­lung der Gut­ach­tens­an­ord­nung ist deren Erlass (BVerwG, Urt. v. 17.11.2016 – 3 C 20/15 –, juris Rn. 14; BayVGH, Beschl. v. 11.02.2019 – 11 CS 18.1808 –, juris Rn. 22).

Vor­lie­gend durfte die Füh­rer­schein­stel­le nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV von der feh­len­den Eig­nung des Antrag­stel­lers zum Führen von Kraft­fahr­zeu­gen aus­ge­hen.

(2) Die Anord­nung vom 16.07.2019, ein Gut­ach­ten einer Begut­ach­tungs­stel­le für Fahr­eig­nung bei­zu­brin­gen, genügt den for­mel­len Anfor­de­run­gen des § 11 Abs. 6 FeV.

Die Anord­nung ent­hält ins­be­son­de­re die erfor­der­li­che Frist­set­zung. Die dem Antrag­stel­ler gesetz­te Frist bis zum 16.11.2019 war mit fast vier Mona­ten ab Zustel­lung der Bei­brin­gungs­auf­for­de­rung auch hin­rei­chend lang, um der Auf­for­de­rung nach­zu­kom­men (vgl. Hahn/Kalus in: MüKoSt­VR, 1. Aufl. 2016, FeV § 11 Rn. 112, die auf eine im Regel­fall aus­rei­chen­de Frist von zwei Mona­ten hin­wei­sen). Der erfor­der­li­che Hin­weis darauf, dass er die zu über­sen­den­den Unter­la­gen ein­se­hen kann, ist jeden­falls in der Ein­ver­ständ­nis­er­klä­rung auf Seite 3 des Schrei­bens ent­hal­ten.

Der Antrag­stel­ler wurde durch einen text­lich her­vor­ge­ho­be­nen Absatz auch hin­rei­chend deut­lich und unmiss­ver­ständ­lich auf die Rechts­fol­gen aus § 11 Abs. 8 FeV hin­ge­wie­sen. Dem steht nicht ent­ge­gen, dass der Hin­weis ledig­lich die Ver­wei­ge­rung der Unter­su­chung und die Nicht­vor­la­ge des gefor­der­ten Gut­ach­tens nennt, nicht jedoch – wie es § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV for­mu­liert – die nicht frist­ge­rech­te Vor­la­ge des Gut­ach­tens. Nach Auf­fas­sung des Gerichts wird aus der eben­falls text­lich her­vor­ge­ho­be­nen Angabe, dass das anzu­fer­ti­gen­de ärzt­li­che Gut­ach­ten der Füh­rer­schein­stel­le „bis zum 16.11.2019“ vor­zu­le­gen sei, hin­rei­chend deut­lich, dass bis zu diesem Zeit­punkt das Gut­ach­ten vor­zu­le­gen ist und im Falle der Nicht­vor­la­ge des Gut­ach­tens bis zu diesem Zeit­punkt auf die Nicht­eig­nung geschlos­sen werden kann. Dem Antrag­stel­ler musste sich auf­drän­gen, dass der Passus zur Nicht­vor­la­ge des gefor­der­ten Gut­ach­tens im Kon­text der unmit­tel­bar davor erfolg­ten Frist­set­zung zu sehen ist. Eine Begut­ach­tungs­auf­for­de­rung ohne Frist­set­zung liefe gänz­lich leer, da sie stets die Reak­ti­on auf aus Sicht der Fahr­erlaub­nis­be­hör­de fahr­erlaub­nis­re­le­van­te Umstän­de ist und eine unbe­fris­te­te Begut­ach­tungs­auf­for­de­rung das Inter­es­se der Fahr­erlaub­nis­be­hör­de an der zeit­na­hen Auf­klä­rung des Sach­ver­halts kon­ter­ka­rie­ren würde. Aus diesem Grund stellt auch § 11 Abs. 6 Satz 2 FeV fest, dass der Betrof­fe­ne über die Frist, inner­halb der das Gut­ach­ten bei­zu­brin­gen ist, zu infor­mie­ren ist. Kann die Begut­ach­tungs­auf­for­de­rung danach nicht los­ge­löst von einer damit zu ver­bin­den­den Frist­set­zung gese­hen werden, musste dem Antrag­stel­ler bewusst sein, dass nur die Vor­la­ge des Gut­ach­tens bis zum 16.11.2019 einen Ein­tritt der Rechts­fol­ge des § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV ver­hin­dert.

Die Auf­for­de­rung zur Bei­brin­gung des ärzt­li­chen Gut­ach­tens ist auch im Wesent­li­chen aus sich heraus ver­ständ­lich und führt dem Antrag­stel­ler (noch) hin­rei­chend deut­lich vor Augen, dass und welche Rechts­fol­gen aus einer Nicht­vor­la­ge des gefor­der­ten Gut­ach­tens resul­tie­ren. Der auf­for­dern­de bzw. anord­nen­de Cha­rak­ter des Schrei­bens ergibt sich zwar nicht aus den Text­ab­schnit­ten vor dem Hin­weis auf § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV; es fehlt inso­weit an jeg­li­chen For­mu­lie­run­gen, die auf eine aus­drück­li­che Auf­for­de­rung oder Anord­nung schlie­ßen lassen. Er lässt sich aber dem Hin­weis auf § 11 Abs. 8 Satz 2 FeV ent­neh­men. Dies genügt auf­grund des Hin­wei­ses auf die mög­li­che Fik­ti­on der Nicht­eig­nung und des (über­ob­li­ga­to­ri­schen) Hin­wei­ses darauf, dass die Fahr­erlaub­nis dann zu ent­zie­hen wäre, noch den Anfor­de­run­gen. Unschäd­lich ist auch, dass der Antrag­stel­ler in der Anord­nung gebe­ten wurde, die Ein­ver­ständ­nis­er­klä­rung zu unter­zeich­nen und zurück­zu­sen­den, falls er sich der not­wen­di­gen Begut­ach­tung unter­zie­hen „wolle[n]“. Trotz dieser For­mu­lie­rung, die iso­liert betrach­tet auf eine Frei­wil­lig­keit im Hin­blick auf die Bei­brin­gung des Gut­ach­tens und Fol­gen­lo­sig­keit der Nicht­vor­la­ge hin­deu­ten könnte, ergibt sich – wie dar­ge­legt – aus dem Kon­text des Anord­nungs­schrei­bens, dass die nicht frist­ge­rech­te Vor­la­ge des Gut­ach­tens die Fahr­erlaub­nis­ent­zie­hung zur Folge haben kann.

(3) Die Bei­brin­gungs­auf­for­de­rung ist auch mate­ri­ell recht­mä­ßig.

(a) Die Füh­rer­schein­stel­le durfte zum Zeit­punkt des Erlas­ses der Auf­for­de­rung zur Gut­ach­ten­bei­brin­gung von aus­rei­chend kon­kre­ten Tat­sa­chen aus­ge­hen, um Beden­ken gegen die Fahr­eig­nung des Antrag­stel­lers anzu­neh­men.

Nach § 11 Abs. 2 Satz 2 FeV bestehen ins­be­son­de­re dann Beden­ken gegen die kör­per­li­che oder geis­ti­ge Eig­nung, wenn Tat­sa­chen bekannt werden, die auf eine Erkran­kung oder einen Mangel nach Anlage 4 oder 5 hin­wei­sen. Nicht erfor­der­lich ist, dass eine solche Erkran­kung oder ein sol­cher Mangel bereits fest­steht. Aller­dings darf die Bei­brin­gung des Gut­ach­tens nur auf­grund kon­kre­ter Tat­sa­chen, nicht auf einen bloßen Ver­dacht „ins Blaue hinein“ bzw. auf Mut­ma­ßun­gen, Wert­ur­tei­le, Behaup­tun­gen oder der­glei­chen hin ver­langt werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 05.07.2001 – 3 C 13.01 –, juris Rn. 26; BayVGH, Beschl. v. 03.09.2015 – 11 CS 15.1505 –, juris Rn. 13). Ob die der Behör­de vor­lie­gen­den Tat­sa­chen aus­rei­chen, ist nach den gesam­ten Umstän­den des jewei­li­gen Ein­zel­falls zu beur­tei­len (BayVGH, Beschl. v. 10.04.2019 – 11 CS 18.2334 –, juris Rn. 18). Es genügt ein „Anfangs­ver­dacht“ (vgl. BVerwG, Urt. v. 05.07.2001 – 3 C 13.01 –, juris Rn. 22; Urt. v. 14.11.2013 – 3 C 32.12 –, juris Rn. 17), also – wie es in § 152 Abs. 2 StPO umschrie­ben wird – das Bestehen zurei­chen­der tat­säch­li­cher Anhalts­punk­te (BayVGH, Beschl. v. 30.01.2019 – 11 C 18.1532 –, juris Rn. 15). In Bezug auf Erkran­kun­gen genügt es, wenn eine in der Über­schrift eines Kapi­tels der Anlage 4 zur FeV genann­te Erkran­kung dia­gnos­ti­ziert wird (BayVGH, Beschl. v. 03.05.2017 – 11 CS 17.312 –, juris Rn. 16). Gemes­sen daran lagen zurei­chen­de tat­säch­li­che Anhalts­punk­te für eine kör­per­li­che Nicht­eig­nung zum Führen von Kraft­fahr­zeu­gen vor.

Die Füh­rer­schein­stel­le hat infol­ge des gegen den Antrag­stel­ler ein­ge­lei­te­ten Straf­ver­fah­rens und die anschlie­ßen­de per­sön­li­che Vor­spra­che Kennt­nis davon erlangt, dass dieser an Dia­be­tes mel­li­tus Typ 2 leidet und sein ver­kürz­tes Bein durch einen Spe­zi­al­schuh aus­gleicht. Es ist recht­lich nicht zu bean­stan­den, dass bei der Füh­rer­schein­stel­le auf­grund dieser Erkran­kun­gen Zwei­fel an seiner Fahr­eig­nung ent­stan­den sind, die sie durch Bei­brin­gung eines ärzt­li­chen Gut­ach­tens aus­zu­räu­men ver­such­te. Bereits die Dia­be­tes-Erkran­kung des Antrag­stel­lers begrün­de­te den inso­weit aus­rei­chen­den „Anfangs­ver­dacht“, um die Bei­brin­gung eines ärzt­li­chen Gut­ach­tens zu for­dern. Wenn­gleich das Vor­lie­gen dieser Erkran­kung ohne vor­he­ri­ge Abklä­rung über Art und Schwe­re der Erkran­kung keine sofor­ti­ge Anord­nung zur Bei­brin­gung eines ärzt­li­chen Gut­ach­tens recht­fer­tigt, son­dern auf­grund des zu wah­ren­den Ver­hält­nis­mä­ßig­keits­grund­sat­zes zuvor mil­de­re Mittel zu ergrei­fen sind, um Kennt­nis davon zu erlan­gen, ob dadurch eine Unge­eig­ne­t­heit begrün­det wird, kann die Dia­gno­se einer sol­chen Erkran­kung auf der vor­ge­la­ger­ten Ebene eine Tat­sa­che im Sinne des § 11 Abs. 2 Satz 2 FeV dar­stel­len, die dem Grunde nach die Bei­brin­gungs­auf­for­de­rung recht­fer­ti­gen kann. Denn eine solche Tat­sa­che ergibt sich in diesen Fällen bereits daraus, dass eine in der Über­schrift eines Kapi­tels der Anlage 4 zur FeV genann­te Erkran­kung dia­gnos­ti­ziert wurde (vgl. BayVGH, Beschl. v. 03.05.2017 – 11 CS 17.312 –, juris Rn. 16). Einem Anfangs­ver­dacht im dar­ge­leg­ten Sinne steht es nicht ent­ge­gen, dass der Füh­rer­schein­stel­le zum Zeit­punkt der Begut­ach­tungs­auf­for­de­rung keine ärzt­li­che Dia­gno­se über das Vor­lie­gen der Dia­be­tes-Erkran­kung vorlag. Denn der Antrag­stel­ler gab in der münd­li­chen Ver­hand­lung vor dem Amts­ge­richt Bre­mer­ha­ven aus­weis­lich des Pro­to­kolls vom 07.01.2019 an, an Dia­be­tes mel­li­tus Typ 2 zu leiden. Dies bestä­tig­te er im Rahmen der per­sön­li­chen Vor­spra­che. Es ist nicht ersicht­lich, wes­halb die Füh­rer­schein­stel­le an der Rich­tig­keit dieser – den Antrag­stel­ler selbst belas­ten­den – Aus­sa­gen hätte zwei­feln sollen. Der Ver­such der Füh­rer­schein­stel­le, durch die Anfor­de­rung eines Attes­tes des Haus­arz­tes Kennt­nis über dia­gnos­ti­zier­te Krank­hei­ten zu erlan­gen, schei­ter­ten an der feh­len­den Mit­wir­kung des Antrag­stel­lers. Sie durfte auf­grund der Wei­ge­rung des Antrag­stel­lers trotz mehr­ma­li­ger Auf­for­de­rung, ein haus­ärzt­li­ches Attest vor­zu­le­gen, davon aus­ge­hen, dass er bewusst ver­hin­dern möchte, dass sie Kennt­nis von einer dia­gnos­ti­zier­ten Erkran­kung – hier einer Zucker­krank­heit nach Ziffer 5 der Anlage 4 zur FeV – oder jeden­falls etwa­igen Aus­wir­kun­gen auf seine Fahr­eig­nung erlangt.

Danach kommt es bezüg­lich einer hin­rei­chen­den Tat­sa­chen­grund­la­ge nicht darauf an, ob die Füh­rer­schein­stel­le den Vor­fall vom 12.05.2018 im Rahmen des Ent­zie­hungs­ver­fah­rens berück­sich­ti­gen durfte oder ob dem § 3 Abs. 4 StVG ent­ge­gen­steht. Gemäß § 3 Abs. 4 StVG darf die Fahr­erlaub­nis­be­hör­de einen Sach­ver­halt, der Gegen­stand der Urteils­fin­dung in einem Straf­ver­fah­ren gegen den Fahr­erlaub­nis­in­ha­ber gewe­sen ist, im Hin­blick auf die Fest­stel­lun­gen des Sach­ver­halts sowie die Beur­tei­lung der Schuld­fra­ge und der Eig­nung zum Führen von Kraft­fahr­zeu­gen nicht abwei­chend zum Nach­teil des Fahr­erlaub­nis­in­ha­bers berück­sich­ti­gen. Hin­ter­grund der Rege­lung ist, dass wider­sprüch­li­che Ent­schei­dun­gen von Gerich­ten und Buß­geld­be­hör­den einer­seits und Fahr­erlaub­nis­be­hör­den ande­rer­seits ver­hin­dert werden sollen. Die Fahr­erlaub­nis­be­hör­den sind bei der Bewer­tung der Fahr­eig­nung des Betrof­fe­nen daher an bestimm­te Ein­schät­zun­gen der Straf­ge­rich­te gebun­den (Koehl in: MüKoSt­VR, 1. Aufl. 2016, StVG § 3 Rn. 72, 73). Da es in dem Urteil des Amts­ge­richts Bre­mer­ha­ven heißt, die Tat habe nicht nach­ge­wie­sen werden können, spricht vieles dafür, dass die Füh­rer­schein­stel­le dem Ent­zie­hungs­ver­fah­ren nicht zugrun­de legen durfte, dass der Antrag­stel­ler mög­li­cher­wei­se unter­zu­ckert die ihm vor­ge­wor­fe­ne Tat began­gen hat. Die – wenn auch denk­bar kurze – Urteils­be­grün­dung des Straf­ge­richts deutet darauf hin, dass es nicht mit der not­wen­di­gen Über­zeu­gung zu der Auf­fas­sung gelangt ist, dass die Tat (im straf­recht­li­chen Sinne) mit­samt den ein­zel­nen Auf­fäl­lig­kei­ten so began­gen wurde, wie sie in der Ankla­ge­schrift dem Antrag­stel­ler zur Last gelegt wurde. Man­gels nähe­rer Aus­füh­run­gen dazu, auf wel­ches Tat­be­stands­merk­mal sich der nicht zu erbrin­gen­de Tat­nach­weis bezieht (Fahr­un­tüch­tig­keit nach § 315c Abs. 1 Nr. 1 StGB, soge­nann­te sieben Tod­sün­den des § 315c Abs. 1 Nr. 2 StGB, kon­kre­ter Gefähr­dungs­er­folg oder sub­jek­ti­ve Tat­be­stands­ele­men­te), dürfte sich die Bin­dungs­wir­kung umfas­send darauf erstre­cken, dass der Tat­be­stand des § 315c StGB nicht ver­wirk­licht wurde. Allein dem Sit­zungs­pro­to­koll und der Ver­fü­gung der Staats­an­walt­schaft Bremen vom 09.01.2019 (Bl. 78 der Straf­ver­fah­rens­ak­te) ist zu ent­neh­men, dass der kon­kre­te Gefähr­dungs­er­folg nicht nach­ge­wie­sen sein dürfte.

Das Vor­brin­gen des Antrag­stel­lers, sein rech­tes Bein sei auf­grund einer Sprung­ge­lenks- Ope­ra­ti­on um meh­re­re Zen­ti­me­ter ver­kürzt und müsse durch einen ortho­pä­di­schen Spe­zi­al­schuh aus­ge­gli­chen werden, begrün­det jeden­falls in der Zusam­men­schau mit der vor­ge­tra­ge­nen Dia­be­tes-Erkran­kung einen Anfangs­ver­dacht, um dem Grunde nach eine Bei­brin­gung eines Gut­ach­tens anzu­ord­nen. Dabei kann dahin­ste­hen, ob das Bein des Antrag­stel­lers um drei – so sein Vor­brin­gen vor dem Straf­ge­richt und in der per­sön­li­chen Vor­spra­che – oder um sechs Zen­ti­me­ter – so die ärzt­li­che Beschei­ni­gung vom 06.06.2019 – ver­kürzt ist. Denn die Bein­ver­kür­zung könnte eine Bewe­gungs­be­hin­de­rung im Sinne der Ziffer 3 der Anlage 4 zur FeV dar­stel­len. Zwar heißt es dort, dass bei Bewe­gungs­be­hin­de­run­gen eine (beding­te) Eig­nung zum Führen von Kraft­fahr­zeu­gen besteht. Zugleich ist aber auf­ge­führt, dass Beschrän­kun­gen oder Auf­la­gen erteilt werden können. Ob und inwie­weit eine etwa­ige Ver­kür­zung des Beines durch einen ortho­pä­di­schen Spe­zi­al­schuh aus­ge­gli­chen werden kann, und dadurch die Fahr­eig­nung nicht beein­träch­tigt ist, kann von der zustän­di­gen Fahr­erlaub­nis­be­hör­de weiter auf­ge­klärt werden, sie ist dabei aber auf die Mit­wir­kung des Betrof­fe­nen ange­wie­sen.

Auf das Vor­lie­gen eines Glau­koms kann sich die Antrags­geg­ne­rin indes nicht beru­fen, da sie erst im gericht­li­chen Ver­fah­ren durch die Vor­la­ge einer ärzt­li­chen Beschei­ni­gung Kennt­nis von dieser mög­li­chen Beein­träch­ti­gung des Seh­ver­mö­gens erlangt hat. Ent­spre­chen­des gilt für den im gericht­li­chen Ver­fah­ren ange­spro­che­nen Vor­fall vom .04.2018, der nicht Gegen­stand des Straf­ver­fah­rens und der Füh­rer­schein­stel­le der Antrags­geg­ne­rin – soweit ersicht­lich – zum Zeit­punkt der Bei­brin­gungs­auf­for­de­rung unbe­kannt war.

(b) Die auf Seite 3 der Anord­nung for­mu­lier­te, im Rahmen der ärzt­li­chen Begut­ach­tung zu beant­wor­ten­de Fra­ge­stel­lung ist hin­rei­chend bestimmt genug.

Hin­sicht­lich des genau­en Grades der Kon­kre­ti­sie­rung, die die von der Fahr­erlaub­nis­be­hör­de fest­zu­le­gen­de und mit­zu­tei­len­de Fra­ge­stel­lung auf­wei­sen muss, kommt es auf die beson­de­ren Umstän­de jedes Ein­zel­falls an (BVerwG, Beschl. v. 05.02.2015 – 3 B 16.14 –, juris Rn. 9; BayVGH, Beschl. v. 10.04.2019 – 11 CS 18.2334 –, juris Rn. 18 m.w.N.). § 11 Abs. 6 Satz 1 FeV ver­pflich­tet die Fahr­erlaub­nis­be­hör­de, die durch ein Fahr­eig­nungs­gut­ach­ten zu klä­ren­de Frage „unter Berück­sich­ti­gung der Beson­der­hei­ten des Ein­zel­fal­les“ fest­zu­le­gen. Diese bin­den­de recht­li­che Vor­ga­be, die ihrer­seits Aus­druck des im Ver­fas­sungs­recht (Art. 20 Abs. 3 GG) wur­zeln­den Ver­hält­nis­mä­ßig­keits­grund­sat­zes ist, schließt es ins­be­son­de­re aus, die Fra­ge­stel­lung so aus­zu­ge­stal­ten, dass die mit der Begut­ach­tung betrau­te Person oder Stelle hier­durch ermäch­tigt wird, die Gesamt­heit der in der Anlage 4 zur FeV erwähn­ten Krank­heits­bil­der zum Gegen­stand der Unter­su­chung zu machen (BayVGH, Beschl. v. 15.11.2010 – 11 C 10.2329 –, juris Rn. 37). Aller­dings ist nach den maß­ge­ben­den Umstän­den des Ein­zel­falls auch nicht in jedem Fall die Angabe der ent­spre­chen­den Nummer oder Unter­num­mer der Anlage 4 erfor­der­lich. Dies kann ins­be­son­de­re dann ent­behr­lich sein, wenn sich die vom Gut­ach­ter zu klä­ren­de Frage mit hin­rei­chen­der Deut­lich­keit den Grün­den ent­neh­men lässt, mit denen die Behör­de ihre Eig­nungs­be­den­ken dar­ge­legt hat (BVerwG, Beschl. v. 05.02.2015 – 3 B 16.14 – juris Rn. 9; BayVGH, Beschl. v. 19.03.2019 – 11 CS 19.387 –, juris Rn. 17). Zudem wird die Fra­ge­stel­lung wohl umso weni­ger kon­kret sein dürfen, umso weni­ger die Behör­de – gerade im Fall einer feh­len­den Mit­wir­kung des Betrof­fe­nen – zu einer wei­te­ren Kon­kre­ti­sie­rung in der Lage ist. Sie ist inso­fern ledig­lich ver­pflich­tet, den Unter­su­chungs­ge­gen­stand so weit wie mög­lich zu kon­kre­ti­sie­ren (vgl. BayVGH, Beschl. v. 19.06.2019 – 11 CS 19.936 –, juris Rn. 26).

Vor­lie­gend wollte die Füh­rer­schein­stel­le mit­hil­fe des ange­for­der­ten Gut­ach­tens auf­klä­ren, ob beim Antrag­stel­ler eine Dia­be­tes-Erkran­kung sowie eine Ver­kür­zung des rech­ten Beines vor­liegt und dies seine Fahr­eig­nung beein­träch­tigt oder gänz­lich in Frage stellt. Dies ist der Fra­ge­stel­lung in der Zusam­men­schau mit den wei­te­ren Anga­ben der Bei­brin­gungs­auf­for­de­rung (noch) hin­rei­chend bestimmt zu ent­neh­men. Unschäd­lich ist inso­weit, dass in der Fra­ge­stel­lung selbst keine (Unter-) Nummer der Anlage 4 zur FeV genannt ist, son­dern im Hin­blick auf die „bekannt gewor­de­nen Erkran­kun­gen“ auf den Inhalt des Anord­nungs­schrei­bens ver­wie­sen wird. Zu unbe­stimmt sind – wie dar­ge­legt – Fra­ge­stel­lun­gen, nach der die mit der Begut­ach­tung beauf­trag­te Stelle ermäch­tigt wird, den Betrof­fe­nen im Hin­blick auf die Gesamt­heit der in der Anlage 4 zur FeV erwähn­ten Krank­heits­bil­der einer Unter­su­chung zu unter­zie­hen. Eine der­ar­ti­ge umfas­sen­de Ermäch­ti­gung ist in der Fra­ge­stel­lung nicht zu sehen. Sie beschränkt sich durch den Ver­weis auf die Gründe des Anord­nungs­schrei­bens – für den Antrag­stel­ler und die Begut­ach­tungs­stel­le ersicht­lich – allein auf die darin erwähn­te Dia­be­tes-Erkran­kung sowie die Ver­kür­zung des rech­ten Fußes. Die Dia­be­tes-Erkran­kung kann dabei aus­schließ­lich der Nummer 5 der Anlage 4 zur FeV (Dia­be­tes mel­li­tus [Zucker­krank­heit]“) und die Ver­kür­zung des rech­ten Fußes der Nummer 3 der Anlage 4 zur FeV („Bewe­gungs­be­hin­de­run­gen“) zuge­ord­net werden.

Das Gericht ver­kennt nicht, dass die Fra­ge­stel­lung bei iso­lier­ter Betrach­tung dahin­ge­hend auf­ge­fasst werden könnte, dass die Begut­ach­tungs­stel­le abs­trakt und los­ge­löst vom kon­kre­ten Ein­zel­fall beant­wor­ten soll, ob die beiden Erkran­kun­gen gene­rell nach Anlage 4 zur FeV die Fahr­eig­nung beein­träch­ti­gen oder gänz­lich in Frage stel­len (können). Diese Frage müsste – iso­liert betrach­tet – zwin­gend bejaht werden, da eine Dia­be­tes mel­li­tus- Erkran­kung und Bewe­gungs­be­hin­de­run­gen in der Anlage 4 zur FeV auf­ge­führt sind, die häufig vor­kom­men­de Erkran­kun­gen und Mängel, die die Eig­nung zum Führen von Kraft­fahr­zeu­gen län­ge­re Zeit beein­träch­ti­gen oder auf­he­ben können, auf­lis­tet (vgl. Ziffer 1 der Vor­be­mer­kung zur Anlage 4 zur FeV). Aus der Zusam­men­schau mit den wei­te­ren Aus­füh­run­gen des Schrei­bens vom 16.07.2019 wird indes hin­rei­chend deut­lich, dass die Fra­ge­stel­lung darauf abzielt, ob diese Erkran­kun­gen beim Antrag­stel­ler vor­lie­gen und ob und inwie­fern sie seine Fahr­eig­nung beein­träch­ti­gen oder gänz­lich in Frage stel­len. So wird drei Absät­ze später auf den „vor­lie­gen­den Fall“ abge­stellt. Zudem wird bereits auf Seite 2 des Auf­for­de­rungs­schrei­bens der Bezug zum kon­kre­ten Ein­zel­fall her­ge­stellt, indem von dem Erfor­der­nis die Rede ist, „Ihre Eig­nung zum Führen von Kraftfahrzeuge[n]“ nun­mehr abschlie­ßend fest­zu­stel­len.

© Die Bei­brin­gungs­auf­for­de­rung ist auch ver­hält­nis­mä­ßig ergan­gen.

Die Anord­nung einer Bei­brin­gung eines ärzt­li­chen Gut­ach­tens muss ver­hält­nis­mä­ßig sein (BVerwG, Beschl. v. 05.02.2015 – 3 B 16/14 –, juris Rn. 8; VG Frank­furt (Oder), Beschl. v. 08.08.2019 – 2 L 78/19 –, juris Rn. 20). Dabei kann es der Grund­satz der Ver­hält­nis­mä­ßig­keit gebie­ten, dass sich die Fahr­erlaub­nis­be­hör­de vor der Auf­for­de­rung zu einer Begut­ach­tung ander­wei­tig genaue­re Kennt­nis­se über Tat­sa­chen ver­schafft, die aus­rei­chen­de Anhalts­punk­te dafür begrün­den können, dass eine Unge­eig­ne­t­heit vor­lie­gen könnte. Ob dies der Fall ist, muss im Ein­zel­fall beur­teilt werden. Hier­bei spielt es u.a. eine Rolle, welche Kennt­nis­se die Fahr­erlaub­nis­be­hör­de bereits von der Erkran­kung hat, um was für eine Erkran­kung es sich han­delt – ins­be­son­de­re ob bei dieser regel­mä­ßig auf eine Nicht­eig­nung zu schlie­ßen ist –, und welche Nach­for­schungs­maß­nah­men die Behör­de bereits ange­stellt hat. Ggf. kann etwa zur Beur­tei­lung, ob noch Zwei­fel ver­blei­ben, auch das Gesund­heits­amt bzw. die Gesund­heits­ab­tei­lung der Behör­de ein­ge­schal­tet werden (vgl. BayVGH, Beschl. v. 03.05.2017 – 11 CS 17.312 –, juris Rn. 19 f.). Gemes­sen daran war die Ent­schei­dung der Füh­rer­schein­stel­le, den Antrag­stel­ler zur Bei­brin­gung eines ärzt­li­chen Gut­ach­tens auf­zu­for­dern, nicht unan­ge­mes­sen.

Die Auf­for­de­rung zur Vor­la­ge eines Gut­ach­tens greift nicht uner­heb­lich in die Rechte des Antrag­stel­lers ein. Zudem begrün­det eine Dia­be­tes­er­kran­kung in einer Viel­zahl der Fälle keine Fah­run­ge­eig­ne­t­heit (vgl. BayVGH, Beschl. v. 03.05.2017 – 11 CS 17.312 –, juris Rn. 17, 19; VG Mün­chen, Beschl. v. 19.01.2017 – M 6 S 16.4526 –, juris Rn. 20). Nach Anlage 4 der FeV liegt bei einer Erkran­kung mit Dia­be­tes mel­li­tus (nur dann) stets eine Fah­run­ge­eig­ne­t­heit vor bei der Nei­gung zu schwe­ren Stoff­wech­sel­ent­glei­sun­gen (Nummer 5.1). Bei erst­ma­li­ger Stoff­wech­sel­ent­glei­sung oder neuer Ein­stel­lung besteht „nach Ein­stel­lung“ eine (beding­te) Fahr­eig­nung (Nummer 5.2). Auch die wei­te­ren Unter­num­mern von Nummer 5 gehen unter näher bestimm­ten Vor­aus­set­zun­gen im Grund­satz von einer (beding­ten) Fahr­eig­nung aus. Dies wird durch die „Begut­ach­tungs­leit­li­ni­en zur Kraft­fahr­eig­nung, Berich­te der Bun­des­an­stalt für Stra­ßen­we­sen, gültig ab 01.05.2014, Stand: 31.12.2019“ (im Fol­gen­den: Begut­ach­tungs­leit­li­ni­en) bestä­tigt. Dort heißt es, dass gut ein­ge­stell­te und geschul­te Men­schen mit Dia­be­tes Fahr­zeu­ge beider Grup­pen der Anlage 4 zur FeV sicher führen könn­ten. Die Gefähr­dung der Ver­kehrs­si­cher­heit gehe beim Dia­be­tes mel­li­tus in erster Linie vom Auf­tre­ten einer Hypo­glyk­ämie (d.h. Unter­zu­cke­rung) mit Kon­troll­ver­lust, Ver­hal­tens­stö­run­gen oder Bewusst­seins­be­ein­träch­ti­gun­gen aus. Eine unge­stör­te Hypo­glyk­ämie­wahr­neh­mung sei Vor­aus­set­zung für die Fahr­eig­nung (siehe dazu Begut­ach­tungs­leit­li­ni­en, S. 22, 23). Es wird darauf hin­ge­wie­sen, dass die Mehr­zahl der Men­schen mit Dia­be­tes die Anfor­de­run­gen an das siche­re Führen von Kraft­fahr­zeu­gen beider Grup­pen erfül­le. Die Fahr­eig­nung könne jedoch ein­ge­schränkt oder aus­ge­schlos­sen sein, wenn durch unzu­rei­chen­de Behand­lung, durch Neben­wir­kun­gen der Behand­lung oder Kom­pli­ka­tio­nen der Erkran­kung ver­kehrs­ge­fähr­den­de Gesund­heits­stö­run­gen bestehen oder zu erwar­ten seien. Diese Men­schen mit Dia­be­tes bedürf­ten der indi­vi­du­el­len Beur­tei­lung in der Frage, ob ihre Fähig­kei­ten den Min­dest­an­for­de­run­gen zum Führen von Kraft­fahr­zeu­gen ent­sprä­chen (Begut­ach­tungs­leit­li­ni­en, S. 24).

Daraus folgt, dass bei einer Erkran­kung an Dia­be­tes mel­li­tus, an der in Deutsch­land ca. 7 % der Erwach­se­nen zwi­schen 18 und 79 Jahren leiden (https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/praevention/gesundheitsgefahren/diabetes.html [23.04.2020]), der Prü­fung von mil­de­ren Mit­teln als einer Begut­ach­tungs­auf­for­de­rung ein beson­ders großes Gewicht bei­zu­mes­sen ist. Die Füh­rer­schein­stel­le, die abge­se­hen von den eige­nen Anga­ben des Antrag­stel­lers keine nähe­ren Kennt­nis­se über die Schwe­re der Erkran­kung oder Stoff­wech­sel­ent­glei­sun­gen hatte, war daher aus Ver­hält­nis­mä­ßig­keits­grün­den gehal­ten, vor der Bei­brin­gungs­auf­for­de­rung mil­de­re Mittel zu ergrei­fen, um den zur Prü­fung gestell­ten Sach­ver­halt weiter auf­zu­klä­ren. Dies ist vor­lie­gend gesche­hen.

Die Füh­rer­schein­stel­le hat vor der Begut­ach­tungs­auf­for­de­rung ver­geb­lich ver­sucht, das Vor­lie­gen einer die Fahr­eig­nung beein­träch­ti­gen­den oder aus­schlie­ßen­den Weise durch Vor­la­ge eines Attes­tes des Haus­arz­tes weiter auf­zu­klä­ren. Sie hat dem Antrag­stel­ler im Rahmen der per­sön­li­chen Vor­spra­che am 20.05.2019 gebe­ten, ein ärzt­li­ches Attest vor­zu­le­gen. Sie hat seine Pro­zess­be­voll­mäch­tig­te, da dieser das Attest des Haus­arz­tes nicht binnen der ange­kün­dig­ten zwei Wochen vor­ge­legt hat, auch an die Vor­la­ge erin­nert und Fris­ten zur Nach­ho­lung bis zum 12.06.2019 und zuletzt 17.06.2019 gesetzt. In der letz­ten Erin­ne­rung wurde darauf hin­ge­wie­sen, dass für den Fall, dass bis zum Ablauf der Frist kein Attest vor­ge­legt werde, die Bei­brin­gung eines Gut­ach­tens einer Begut­ach­tungs­stel­le für Fahr­eig­nung gefor­dert werden wird. Nach­dem auch diese Frist erfolg­los ver­stri­chen war, hat die Füh­rer­schein­stel­le noch einen wei­te­ren Monat abge­war­tet, bevor die Begut­ach­tungs­auf­for­de­rung an den Antrag­stel­ler ver­sandt wurde. Damit hat die Füh­rer­schein­stel­le ange­mes­sen auf die Mit­tei­lung seiner Pro­zess­be­voll­mäch­tig­ten vom 12.06.2019, der Antrag­stel­ler sei beim Arzt vor­stel­lig gewe­sen, ein Attest liege aber noch nicht vor, reagiert. Der Antrag­stel­ler hat nach dem Ver­strei­chen des 17.06.2019 auch nicht um wei­te­re Frist­ver­län­ge­rung gebe­ten oder dar­ge­legt, wes­halb bis­lang kein ärzt­li­ches Attest vor­ge­legt werden konnte. Er hatte vom Zeit­punkt der per­sön­li­chen Vor­spra­che gerech­net fast zwei Monate Zeit, ein Attest seines Haus­arz­tes vor­zu­le­gen. Unter Berück­sich­ti­gung, dass im Rahmen einer Begut­ach­tungs­auf­for­de­rung regel­mä­ßig eine Frist von zwei Mona­ten aus­rei­chend ist (vgl. Hahn/Kalus in: MüKoSt­VR, 1. Aufl. 2016, FeV § 11 Rn. 112), ist diese Frist ins­be­son­de­re auf­grund der mehr­fa­chen Erin­ne­rung an eine Vor­la­ge, aus­rei­chend, um den Ver­hält­nis­mä­ßig­keits­grund­satz zu wahren. Wei­te­re, mil­de­re Maß­nah­men zur Auf­klä­rung etwa­iger gesund­heit­li­cher Beein­träch­ti­gun­gen der Fahr­eig­nung stan­den der Füh­rer­schein­stel­le ersicht­lich nicht zur Ver­fü­gung. Die Not­wen­dig­keit einer Begut­ach­tung ergibt sich hier aus der unter­blie­be­nen Mit­wir­kung des Antrag­stel­lers (vgl. BayVGH, Beschl. v. 03.05.2017 – 11 CS 17.312 –, juris Rn. 20).

(d) Die Begut­ach­tungs­auf­for­de­rung ist auch ermes­sens­feh­ler­frei ergan­gen.

Das Gericht ist der Ansicht, dass es im Rahmen der Auf­for­de­rung zur Bei­brin­gung eines ärzt­li­chen Gut­ach­tens nach § 11 Abs. 2 FeV grund­sätz­lich der Betä­ti­gung eines Ermes­sens und auch der Dar­le­gung der ent­spre­chen­den Erwä­gun­gen bedarf, wobei sich der Umfang der dar­zu­le­gen­den Begrün­dung nach den Umstän­den des jewei­li­gen Ein­zel­fal­les rich­tet. Ob ver­tief­te Aus­füh­run­gen zum Ent­schlie­ßungs­er­mes­sen ange­zeigt sind, hängt ins­be­son­de­re davon ab, ob andere Ermitt­lungs­maß­nah­men rea­lis­ti­scher Weise in Betracht kommen oder aber aus dem bis­he­ri­gen Gesche­hen heraus bereits ersicht­lich wird, dass diese aus­sichts­los oder unge­eig­net sind (siehe dazu VG Bremen, Beschl. v. 17.01.2020 – 5 V 2094/19 –, juris Rn. 43 ff. m.w.N.).

Vor­lie­gend waren ver­tief­te Aus­füh­run­gen zum Ermes­sen ent­behr­lich, da die Füh­rer­schein­stel­le den Antrag­stel­ler wie­der­holt zur Mit­wir­kung auf­ge­for­dert und ihn auf eine Begut­ach­tungs­auf­for­de­rung hin­ge­wie­sen hat. Ermes­sens­feh­ler sind nicht ersicht­lich. Die Füh­rer­schein­stel­le hat bei ihrer Ent­schei­dung über eine Begut­ach­tungs­auf­for­de­rung ins­be­son­de­re nicht ermes­sens­feh­ler­haft Umstän­de berück­sich­tigt, die sie nach § 3 Abs. 4 StVG nicht berück­sich­ti­gen durfte (siehe dazu bereits unter II. 2. a) bb) (3) (a)). Sie hat – wie auch später im Bescheid vom 03.12.2019 – allein auf die Erkran­kun­gen des Antrag­stel­lers, nicht jedoch auf die Vor­fäl­le vom .04.2018 oder .05.2018 abge­stellt. Zwar findet der Vor­fall vom .05.2018 in der Begut­ach­tungs­auf­for­de­rung ein­gangs Erwäh­nung. Die Füh­rer­schein­stel­le stellt jedoch bereits durch die For­mu­lie­rung im Kon­junk­tiv („[…] durch eine unsi­che­re Fahr­wei­se auf­ge­fal­len sein sollen […]“) und den Ver­weis auf die Bitte zur per­sön­li­chen Vor­spra­che klar, dass das Straf­ver­fah­ren ledig­lich der Anlass war, den Antrag­stel­ler zu einem per­sön­li­chen Gespräch ein­zu­la­den.

(4) Der Antrag­stel­ler hat kein Gut­ach­ten einer Begut­ach­tungs­stel­le für Fahr­eig­nung vor­ge­legt und keinen Grund dafür ange­ge­ben, wes­halb ihm dies nicht mög­lich sei. Ihm ist nicht zu folgen, wenn er meint, er habe seine Mit­wir­kungs­pflich­ten voll­um­fäng­lich erfüllt und der Fahr­erlaub­nis­be­hör­de die ärzt­li­che Beschei­ni­gung vom 18.06.2018 vor­ge­legt. Zum einen lässt sich dem Ver­wal­tungs­vor­gang nicht ent­neh­men, dass der Füh­rer­schein­stel­le im Ver­wal­tungs­ver­fah­ren diese Beschei­ni­gung vor­ge­legt wurde. Der Ver­wal­tungs­vor­gang ent­hält ledig­lich ein Schrei­ben an die Staats­an­walt­schaft Bremen vom 26.06.2018, mit dem dieser die ärzt­li­che Beschei­ni­gung vom 18.06.2018 über­sandt wurde. Zum ande­ren beschränkt sich diese Beschei­ni­gung auf die Angabe des Geburts­da­tums und der Adres­se des Antrag­stel­lers sowie die Bestä­ti­gung, dass dieser seit dem …2013 Pati­ent des unter­zeich­nen­den Haus­arz­tes sei.

b) Es besteht zudem ein beson­de­res öffent­li­ches Inter­es­se an der sofor­ti­gen Voll­zie­hung. In Fällen einer sofor­ti­gen Voll­zieh­bar­keit eines Ver­wal­tungs­ak­tes auf Grund­la­ge des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO hat das Gericht bei seiner Ent­schei­dung zu berück­sich­ti­gen, dass die offen­sicht­li­che Recht­mä­ßig­keit des Ver­wal­tungs­ak­tes allein die sofor­ti­ge Voll­zie­hung nicht zu recht­fer­ti­gen vermag. Es kann die behörd­li­che Anord­nung daher nur bestehen lassen, wenn nach seiner Beur­tei­lung ein öffent­li­ches Inter­es­se daran besteht, den offen­sicht­lich recht­mä­ßi­gen Ver­wal­tungs­akt vor Ein­tritt der Bestands­kraft zu voll­zie­hen (Külp­mann in: Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vor­läu­fi­ger Rechts­schutz, 7. Aufl. 2017, Rn. 975 m.w.N.). Dieses beson­de­re öffent­li­che Inter­es­se liegt hier vor.

Zu berück­sich­ti­gen ist, dass die ange­grif­fe­ne Fahr­erlaub­nis­ent­zie­hung der Abwehr von Gefah­ren dient, die mit einer wei­te­ren Teil­nah­me des Antrag­stel­lers am öffent­li­chen Stra­ßen­ver­kehr ein­her­ge­hen. Wenn­gleich man­gels Mit­wir­kung des Antrag­stel­lers das Vor­lie­gen einer seine Fahr­eig­nung beein­träch­ti­gen­den Erkran­kung nicht durch ärzt­li­che Beschei­ni­gun­gen fest­ge­stellt wurde, ist die Fik­ti­ons­wir­kung des § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV zu berück­sich­ti­gen, wonach der Betrof­fe­ne als zum Führen von Kraft­fahr­zeu­gen unge­eig­net ange­se­hen werden kann. Hat die Fahr­erlaub­nis­be­hör­de davon – wie hier – nach sum­ma­ri­scher Prü­fung recht­mä­ßig Gebrauch gemacht, ist der Antrag­stel­ler als fah­run­ge­eig­net anzu­se­hen. Im Hin­blick auf die Sicher­heit des Stra­ßen­ver­kehrs über­wiegt hier das öffent­li­che Inter­es­se, bereits wäh­rend der Dauer des Rechts­be­helfs­ver­fah­rens die Teil­nah­me des Antrag­stel­lers am Stra­ßen­ver­kehr zu unter­bin­den (vgl. OVG Bremen, Beschl. v. 20.04.2010 – 1 B 23/10 –, juris Rn. 11 zur Fahr­erlaub­nis­ent­zie­hung bei gele­gent­li­chem Can­na­bis­kon­sum).

c) Auch die Auf­for­de­rung zur Abgabe des Füh­rer­scheins und die Zwangs­geld­an­dro­hung (Zif­fern 2 und 3 des ange­grif­fe­nen Bescheids) sind nach sum­ma­ri­scher Prü­fung recht­lich nicht zu bean­stan­den.

Die Ver­pflich­tung des Antrag­stel­lers zur Ablie­fe­rung des Füh­rer­scheins ergibt sich aus § 47 Abs. 1 FeV. An der Recht­mä­ßig­keit der im Bescheid ver­füg­ten Andro­hung eines Zwangs­gel­des bestehen keine ernst­li­chen Zwei­fel; sie findet ihre Rechts­grund­la­ge in §§ 11 Abs. 1, 13 Abs. 1 Nr. 1, 14 und 17 des Bre­mi­schen Ver­wal­tungs­voll­stre­ckungs­ge­set­zes (BremV­wVG). Die ange­droh­te Zwangs­geld­fest­set­zung ist sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach ver­hält­nis­mä­ßig. Sie ist geeig­net, den Antrag­stel­ler zur Erfül­lung der ihm auf­er­leg­ten Ver­pflich­tung zur Abgabe seines Füh­rer­scheins anzu­hal­ten, und mil­de­re, gleich wirk­sa­me Mittel sind nicht ersicht­lich. Auf­grund des Inter­es­ses an einer effek­ti­ven Durch­set­zung des Aus­schlus­ses unge­eig­ne­ter Ver­kehrs­teil­neh­mer vom moto­ri­sier­ten Stra­ßen­ver­kehr ist die Andro­hung auch ange­mes­sen. Die Höhe des ange­droh­ten Zwangs­gel­des liegt mit 260,00 Euro im unte­ren Bereich des von § 14 Abs. 2 Satz 1 BremV­wVG eröff­ne­ten Rah­mens.

3. Die Kos­ten­ent­schei­dung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streit­wert­fest­set­zung folgt aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Ziffer 46 des Streit­wert­ka­ta­lo­ges für die Ver­wal­tungs­ge­richts­bar­keit 2013. Die Fahr­erlaub­nis­klas­se 3, die der Antrag­stel­ler am 04.07.1961 erwarb, schließt die aktu­el­len Fahr­erlaub­nis­klas­sen A, A1, AM, B, BE, C1, C1E, CE und L ein (vgl. Nummer 17 der Anlage 3 zur FeV); zudem ist der Antrag­stel­ler auf­grund der Fahr­erlaub­nis­klas­se 2, die er am 14.11.1966 erwarb, wei­ter­hin Inha­ber der Klasse T (vgl. Nummer 12 der Anlage 3 zur FeV). Bei einem Streit um die Ent­zie­hung einer Fahr­erlaub­nis der Fahr­erlaub­nis­klas­se C1E ist in Anleh­nung an Ziffer 46.5 des Streit­wert­ka­ta­lo­ges 2013 der Auf­fang­wert von 5.000,00 Euro anzu­set­zen. Für die Klas­sen B bzw. BE war keine Erhö­hung des Streit­wer­tes vor­zu­neh­men (OVG Bremen, Beschl. v. 30.11.2011 – 2 S 243/11 –, juris Rn. 14 f.; VG Bremen, Beschl. v. 17.01.2020 – 5 V 2094/19 –, juris Rn. 55; a.A.: BayVGH, Beschl. v. 30.01.2014 – 11 CS 13.2342 –, juris Rn. 21 f.). Da die Klasse B wie­der­um die Klas­sen AM und L ein­schließt, wirken auch diese nicht streit­wert­erhö­hend. Bezüg­lich der Klasse A war zu berück­sich­ti­gen, dass der Antrag­stel­ler auf­grund des Zeit­punkts seines Füh­rer­schein­er­werbs dort nur Fahr­zeu­ge führen darf, die den Schlüs­sel­zah­len 79.03 und 79.04 unter­fal­len (siehe Auszug aus der Füh­rer­schein­da­tei des Antrag­stel­lers vom 22.05.2019). Dabei han­delt es sich um drei­räd­ri­ge Fahr­zeu­ge und Fahr­zeug­kom­bi­na­tio­nen (siehe Nummer 126 und 127 der Anlage 9 zur FeV). Das Gericht misst einer sol­cher­ma­ßen ein­ge­schränk­ten Fahr­erlaub­nis dieser Klasse keinen eigen­stän­di­gen Wert für den Antrag­stel­ler zu, zumal diese zum Teil (für Fahr­zeu­ge mit einer Motor­leis­tung bis 15 kW) auch schon in der Klasse B umfasst ist (§ 6 Abs. 3a FeV; VG Bremen, Beschl. v. 17.01.2020 – 5 V 2094/19 –, juris Rn. 55 m.w.N.). Ein eigen­stän­di­ger Wert kommt jedoch der wei­te­ren Berech­ti­gung des Antrag­stel­lers, auf­grund seines Fahr­erlaub­nis­er­werbs vor dem 01.04.1980 und der Schlüs­sel­zahl 79.05 zur Klasse A1 Kraft­rä­der mit einem Leis­tungs­ge­wicht von mehr als 0,1 kW/kg führen zu dürfen (siehe Nummer 17 der Anlage 3 zur FeV und Nummer 128 der Anlage 9 zur FeV), zu. Daher ist zusätz­lich der Streit­wert nach Ziffer 46.2 des Streit­wert­ka­ta­lo­ges (2.500,00 Euro) anzu­set­zen (vgl. BayVGH, Beschl. v. 23.02.2015 – 11 ZB 14.2497 –, juris Rn. 13 und Beschl. v. 09.10.2018 – 11 CS 18.1897 –, juris Rn. 19). Die vom Antrag­stel­ler zudem inne­ge­hab­te Klasse T ist zusätz­lich mit dem halben Auf­fang­wert (2.500,00 Euro) zu bemes­sen (Ziffer 46.11 des Streit­wert­ka­ta­lo­ges; so auch VG Berlin, Beschl. v. 21.10.2019 – 4 L 277.19 –, juris Rn. 26; VG Gera, Beschl. v. 06.11.2018 – 3 E 1514/18 Ge –, juris Rn. 27).

Daraus ergibt sich ins­ge­samt ein Streit­wert in der Haupt­sa­che von 10.000,00 Euro, der für das Eil­ver­fah­ren nach Ziffer 1.5 des Streit­wert­ka­ta­lo­ges zu hal­bie­ren war.