Tenor

Die Beklag­te wird unter Auf­he­bung des Beschei­des vom 22.02.2016 in der Gestalt des Wider­spruchs­be­schei­des vom 10.06.2016 ver­ur­teilt, dem Kläger die Kosten für den am 24.12.2015 durch­ge­führ­ten Trans­port mit dem Ret­tungs­trans­port­wa­gen in Höhe von 415,18 Euro zu erstat­ten. Die Beklag­te trägt die not­wen­di­gen außer­ge­richt­li­chen Kosten des Klä­gers.

Tat­be­stand:

Die Betei­lig­ten strei­ten über die Erstat­tung der Kosten für einen Trans­port mit dem Ret­tungs­wa­gen.

Der Kläger ist am 00.00.1976 gebo­ren und bei der Beklag­ten gegen Krank­heit ver­si­chert.

Er leidet an Dia­be­tes mel­li­tus Typ I. Am 24.12.2015 brach er zu Hause zusam­men. Er hatte Kreis­lauf­pro­ble­me. Ihm wurde schlecht und er hatte Schmer­zen im linken Arm und schwitz­te sehr stark. Die Ver­mie­te­rin des Klä­gers fand ihn gegen 19:00 Uhr und alar­mier­te den Ret­tungs­dienst über die Nr. 112. Die Ret­tungs­sa­ni­tä­ter unter­such­ten den Kläger vor Ort und ver­brach­ten ihn not­fall­mä­ßig ins Johan­nes-Wes­ling-Kli­ni­kum in Minden.

Dort wurde der Kläger – ohne dass er hier­von Kennt­nis hatte – an den ambu­lan­ten Not­dienst, der sich eben­falls in den Räum­lich­kei­ten der Klinik befin­det, wei­ter­ge­lei­tet. Warum keine unmit­tel­ba­re Ver­sor­gung in der Zen­tra­len Not­auf­nah­me erfolg­te, ist unklar. Fest steht allein, dass der Kläger, der in der Lage war, eigen­stän­dig zu laufen, bei Ankunft im Johan­nes-Wes­ling-Kli­ni­kum zur Not­fall­am­bu­lanz geschickt wurde. Die Behand­lung wurde dort von Dr. I (Praxis Dr. L, C) durch­ge­führt und über diesen abge­rech­net. Dr. I stell­te nach der Unter­su­chung erneut eine Ver­ord­nung für Kran­ken­haus­be­hand­lung aus, wor­auf­hin der Kläger sich wie­der­um in die Not­auf­nah­me begab. Dort fanden bis 0:30 Uhr wei­te­re Unter­su­chun­gen statt. Eine sta­tio­nä­re Behand­lung schloss sich nicht an.

Mit Gebüh­ren­be­scheid der Stadt N vom 14.01.2016 wurde dem Kläger die Fahrt mit dem Ret­tungs­wa­gen ins Kran­ken­haus in Rech­nung gestellt. Hier­für ent­stan­den Kosten i.H.v. 425,18 EUR. Der hier­ge­gen erho­be­ne Wider­spruch wurde mit Wider­spruchs­be­scheid vom 04.02.2016 zurück­ge­wie­sen. Zur Begrün­dung wurde darauf hin­ge­wie­sen, dass in der Regel die Stadt N die Abrech­nung von Kran­ken­trans­port- und Ret­tungs­dien­st­ein­sät­zen unmit­tel­bar mit der Kran­ken­kas­se des Pati­en­ten vor­nimmt. Dieses Ver­fah­ren werde von den Kran­ken­kas­sen jedoch nur dann akzep­tiert, wenn den Abrech­nungs­un­ter­la­gen die Ver­ord­nung einer Kran­ken­be­för­de­rung bei­gefügt ist. Für die Abrech­nung des Ein­sat­zes habe das Ret­tungs­dienst­per­so­nal im Fall des Klä­gers ver­merkt, dass er bei seiner Ein­lie­fe­rung von der Not­auf­nah­me direkt an den kas­sen­ärzt­li­chen Not­dienst ver­wie­sen worden sei. Die Ver­ord­nung einer Kran­ken­be­för­de­rung sei des­halb nicht vom Arzt in der Not­auf­nah­me unter­schrie­ben worden. Vor diesem Hin­ter­grund sei die Abrech­nung des Ein­sat­zes mit dem Kläger als Selbst­zah­ler erfolgt.

Der Kläger wandte sich am 18.02.2016 an die Beklag­te und bat um Prü­fung der Über­nah­me der Fahr­kos­ten.

Mit Bescheid vom 22.02.2016 wies die Beklag­te darauf hin, dass die Kosten nicht über­nom­men werden können, da keine ärzt­li­che Ver­ord­nung für den Trans­port vor­ge­le­gen habe.

Mit seinem Wider­spruch machte der der Kläger gel­tend, dass er zusam­men­ge­bro­chen und des­halb der Not­arzt geru­fen worden sei. Not­fall­mä­ßig sei er ins Kli­ni­kum ver­bracht worden.

Mit Wider­spruchs­be­scheid vom 10.06.2016 wurde der Wider­spruch des Klä­gers zurück­ge­wie­sen. Zur Begrün­dung führte die Beklag­te aus, eine vor­he­ri­ge Geneh­mi­gung der Fahrt zur ambu­lan­ten Behand­lung habe nicht statt­ge­fun­den. Weder der Not­arzt noch der behan­deln­de Arzt im Johan­nes-Wes­ling-Kli­ni­kum Minden habe durch die Aus­stel­lung einer ent­spre­chen­den Ver­ord­nung die medi­zi­ni­sche Not­wen­dig­keit des in Anspruch genom­me­nen Trans­ports bestä­tigt.

Hier­ge­gen rich­tet sich die am 15.06.2016 erho­be­ne Klage, mit der der Kläger wei­ter­hin die Erstat­tung der Kosten für den Ein­satz des Ret­tungs­trans­port­wa­gens ver­langt. Offen­bar sei er auf­grund eines Orga­ni­sa­ti­ons­ver­schul­dens im Kli­ni­kum von der Not­auf­nah­me heraus an den ver­trags­ärzt­li­chen Not­dienst im Kli­ni­kum ver­wie­sen worden. Hier­von habe er keine Kennt­nis gehabt. Er befand sich räum­lich in der Not­auf­nah­me und wurde dort auch not­fall­mä­ßig ver­sorgt. Welche Art von Papie­ren vor Ort aus­ge­füllt worden seien, wisse er nicht. Jeden­falls stehe fest, dass er einer ärzt­li­chen Behand­lung bedurft habe. Schließ­lich sei er auch von Herrn I erneut in die Not­auf­nah­me des Kran­ken­hau­ses über­stellt und erst von dort wieder ent­las­sen worden.

Beim Ver­wal­tungs­ge­richt Minden hat der Kläger gegen den Wider­spruchs­be­scheid der Stadt N vom 04.02.2016 Klage erho­ben. Das Ver­fah­ren wurde im Hin­blick auf das beim Sozi­al­ge­richt anhän­gi­ge Ver­fah­ren aus­ge­setzt. Die Gebüh­ren hat der Kläger zwi­schen­zeit­lich begli­chen.

Der Kläger bean­tragt,

die Beklag­te unter Abän­de­rung des Beschei­des vom 22.02.2016 in der Gestalt des Wider­spruchs­be­schei­des vom 10.06.2016 zu ver­ur­tei­len, die Kosten für den Trans­port im Ret­tungs­trans­port­wa­gen am 24.12.2015 in Höhe von 425,18 Euro abzüg­lich der gesetz­li­chen Zuzah­lung zu erstat­ten.

Die Beklag­te hat schrift­sätz­lich bean­tragt,

die Klage abzu­wei­sen.

Sie ist der Auf­fas­sung, der ange­foch­te­ne Bescheid ent­spre­che der Sach- und Rechts­la­ge und sei daher nicht zu bean­stan­den. Die Praxis Dr. L habe für die Behand­lung des Klä­gers die ent­spre­chen­de Not­fall­pau­scha­le mit der zustän­di­gen kas­sen­ärzt­li­chen Ver­ei­ni­gung West­fa­len-Lippe abge­rech­net. Der Kläger sei daher mit dem Ret­tungs­wa­gen zur ambu­lan­ten Behand­lung trans­por­tiert worden. Von dort sei keine Not­wen­dig­keit des Trans­ports bestä­tigt worden. Es wurden ledig­lich Glu­ko­se­mes­sun­gen durch­ge­führt und eine Kran­ken­haus­ein­wei­sung aus­ge­füllt. Ggf. müsse das Kran­ken­haus die Ver­ord­nung nach­ho­len. Die Bekla­ge regt inso­weit an, die Müh­len­k­reis­kli­ni­ken AöR als Trä­ge­rin des Johan­nes-Wes­ling-Kli­ni­kums bei­zu­la­den.

Das Gericht hat die Unter­la­gen des Johan­nes-Wes­ling-Kli­ni­kums über die Behand­lung des Klä­gers am 24.12.2015 ange­for­dert und mit den Betei­lig­ten eine Erör­te­rungs­ter­min durch­ge­führt.

Das Gericht hat sodann eine wei­te­re Anfra­ge an die Müh­len­k­reis­kli­ni­ken und an Dr. I (Praxis Dr. L) gerich­tet. Auf Inhalt und Ergeb­nis­se der Stel­lung­nah­men vom 18.01.2019 und 13.02.2019 wird ver­wie­sen. Schließ­lich hat das Gericht den Ein­satz­be­richt des Ret­tungs­diens­tes der Stadt N vom 24.12.2015 ange­for­dert, auf dessen Inhalt eben­falls Bezug genom­men wird.

Wegen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten im Sach- und Streit­stand nimmt die Kammer Bezug auf den Inhalt der Gerichts­ak­ten und den der bei­gezo­ge­nen Ver­wal­tungs­ak­te der Beklag­ten. Dieser war Gegen­stand der münd­li­chen Ver­hand­lung.

Ent­schei­dungs­grün­de:

Die Kammer konnte den Rechts­streit trotz Abwe­sen­heit eines Ver­tre­ters des Beklag­ten ent­schei­den. Mit der Ladung vom 07.10.2019 wurde auf diese Mög­lich­keit hin­ge­wie­sen (§ 110 Abs. 1 S. 2 Sozi­al­ge­richts­ge­setz – SGG).

Die zuläs­si­ge Klage ist begrün­det. Der Kläger ist durch den ange­foch­te­nen Bescheid vom 22.06.2016 in der Gestalt des Wider­spruchs­be­schei­des vom 10.06.2016 beschwert im Sinne des § 54 Abs 2 S. 1 SGG, denn der Bescheid ist rechts­wid­rig.

Der Kläger hat gegen­über der Beklag­ten einen Anspruch auf Kos­ten­er­stat­tung für die am 24.12.2015 durch­ge­führ­te Fahrt abzüg­lich der von ihm zu leis­ten­den Zuzah­lung i.H.v. 10 Euro.

Das vom Sach­leis­tungs­prin­zip gepräg­te System der gesetz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rung erlaubt eine Kos­ten­er­stat­tung anstel­le der Sach- oder Dienst­leis­tung nur, wenn die Kran­ken­kas­se eine unauf­schieb­ba­re Leis­tung nicht recht­zei­tig erbrin­gen konnte oder sie eine Leis­tung zu Unrecht abge­lehnt hat und dadurch dem Ver­si­cher­ten für die selbst­be­schaff­te Leis­tung Kosten ent­stan­den sind. Soweit die Leis­tung not­wen­dig war, hat die Kran­ken­kas­se die Kosten in der ent­stan­de­nen Höhe zu erstat­ten. Dabei reicht der Kos­ten­er­stat­tungs­an­spruch nicht weiter als ein ent­spre­chen­der Sach­leis­tungs­an­spruch; er setzt daher voraus, dass die selbst­be­schaff­te Leis­tung zu den­je­ni­gen Leis­tun­gen gehört, welche die Kran­ken­kas­sen all­ge­mein in Natur als Sach- oder Dienst­leis­tung zu erbrin­gen haben (std. Rspr, vergl. BSGE 79, 125, 126).

Die Beklag­te hat die Über­nah­me der Fahr­kos­ten zu Unrecht ver­wei­gert. Auf­grund des Gebüh­ren­be­schei­des der Stadt N war der Kläger einer Zah­lungs­ver­pflich­tung aus­ge­setzt.

Grund­sätz­lich haben Ver­si­cher­te Anspruch auf Über­nah­me der Fahr­kos­ten nach Maß­ga­be des § 60 SGB V. Danach über­nimmt die Kran­ken­kas­se die Kosten der Ret­tungs­fahrt zum Kran­ken­haus abzüg­lich der Zuzah­lung durch den Ver­si­cher­ten (§ 60 Abs. 2 S. 2 in Ver­bin­dung mit § 61 S. 1 SGB V).

Der Gesetz­ge­ber hat mit der Rege­lung des § 60 SGB V klar­ge­stellt, dass Fahr­kos­ten nur bean­sprucht werden können, wenn sie im Zusam­men­hang mit einer Haupt­leis­tung der Kran­ken­kas­se aus zwin­gen­den medi­zi­ni­schen Grün­den not­wen­dig sind (vgl. BSG, Urteil vom 06.11.2008, B 1 KR 38/07 R. juris.de). Unter Berück­sich­ti­gung der hierzu erlas­se­nen Richt­li­ni­en des gemein­sa­men Bun­des­aus­schus­ses nach § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 12 SGB V steht fest, dass Fahr­kos­ten stets dann über­nah­me­fä­hig sind, wenn sie der Inan­spruch­nah­me sta­tio­när zu erbrin­gen­den Leis­tun­gen anfal­len. Geht es hin­ge­gen um Fahr­ten von Ver­si­cher­ten zu einer ambu­lan­ten Kran­ken­be­hand­lung, hängt der Anspruch auf Fahr­kos­ten­er­stat­tung von wei­te­ren in der Richt­li­nie fest­ge­leg­ten Vor­aus­set­zun­gen ab.

Die Vor­aus­set­zun­gen des § 60 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SGB V liegen vor. Am 24.12.2015 wurde für den Kläger eine Ret­tungs­fahrt zum Kran­ken­haus durch­ge­führt. Auch die Beklag­te bestrei­tet nicht, dass für den Kläger ein Notruf beim Ret­tungs­dienst abge­setzt wurde, der Ret­tungs­dienst am Wohn­ort des Klä­gers einen Ein­satz ver­rich­tet und den Kläger im Anschluss daran zum Johan­nes-Wes­se­ling-Kran­ken­haus gefah­ren hat, mit dem Ziel ihn dort in der zen­tra­len Not­auf­nah­me behan­deln zu lassen. Dies ergibt sich ein­deu­tig aus dem Ein­satz­pro­to­koll des Ret­tungs­diens­tes. Ergeb­nis der Unter­su­chung durch den Ret­tungs­sa­ni­tä­ter vor Ort war, den Kläger in das nächs­te Kran­ken­haus, dort in die Not­auf­nah­me, zu trans­por­tie­ren, wobei ver­merkt wurde, dass ein Not­arzt nicht benö­tigt wurde.

Der Argu­men­ta­ti­on der Beklag­ten, es habe kein Not­fall vor­ge­le­gen, vermag die Kammer nicht zu folgen. Auch wenn sich die Vital­pa­ra­me­ter bei Auf­fin­den des Klä­gers rela­tiv unauf­fäl­lig dar­stell­ten, sah sich der Ret­tungs­dienst nicht ver­an­lasst, die Not­wen­dig­keit wei­te­rer Behand­lung zu ver­nei­nen. Viel­mehr wurde bei der Ein­stu­fung der Not­fall­ka­te­go­rie ange­ge­ben, dass sich der Ein­satz aus einer akuten Erkran­kung des Klä­gers heraus erge­ben habe, wohin­ge­gen gleich­falls die Mög­lich­keit bestan­den hätte, dort zu ver­mer­ken, dass kein Not­fall vor­liegt. Im Übri­gen spre­chen auch die glaub­haf­ten Anga­ben des Klä­gers für eine plötz­lich auf­ge­tre­te­ne Blut­zu­cke­rent­glei­sung. Dies kann mit stär­ke­ren Schwin­del­er­schei­nun­gen und kurzen Bewusst­lo­sig­keits­zei­ten ein­her­ge­hen, die gege­be­nen­falls auch für Außen­ste­hen­de so akut erschei­nen, dass das Abset­zen eines Not­ru­fes gerecht­fer­tigt erscheint. In medi­zi­ni­scher Hin­sicht wird dieser Sach­ver­halt auch von Dr. I bestä­tigt, der selbst nach Ver­strei­chen eines Zeit­raums von ein paar Stun­den noch von einer Dia­be­tes­ent­glei­sung aus­ging und für den Kläger eine Kran­ken­haus­ver­ord­nung aus­stell­te.

Im Übri­gen kann sich die Beklag­te nach Auf­fas­sung der Kammer nicht darauf beru­fen, dass die Fahrt mit dem Ret­tungs­trans­port­wa­gen nicht not­wen­dig man­gels akuten Not­falls war. Ret­tungs­fahr­ten im Sinne von § 60 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SGB V sind zunächst solche Trans­por­te zum Kran­ken­haus, die mit einem für einen Not­fall­ein­satz beson­ders aus­ge­stat­te­ten Fahr­zeug durch­ge­führt werden. Das Fahr­zeug ist in der Regel mit einem Not­arzt, jeden­falls aber mit einem Ret­tungs­as­sis­ten­ten oder einem Ret­tungs­sa­ni­tä­ter besetzt. Inso­weit bestrei­tet die Beklag­te nicht, dass eine Ret­tungs­fahrt in diesem Sinne statt­ge­fun­den hat. § 60 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SGB V knüpft zwar daran an, dass die Fahrt erfor­der­lich sein muss. Wer diese Ent­schei­dung vor Antritt der Fahrt zu tref­fen hat, sagt das Gesetz aller­dings nicht. Die Ein­schät­zung des Ret­tungs­as­sis­ten­ten, ob der Ver­si­cher­te in die Not­auf­nah­me eines Kran­ken­hau­ses trans­por­tiert wird, hängt davon ab, ob sich der Ver­si­cher­te sei es auf­grund einer akuten Ver­let­zung oder auf­grund einer Krank­heit ent­we­der bereits in Lebens­ge­fahr befin­det oder sich sein Gesund­heits­zu­stand als­bald lebens­ge­fähr­lich zu ver­schlech­tern droht. Wie der Ein­satz­be­richt zeigt, wurde eine dahin­ge­hen­de Not­la­ge ange­nom­men, als dass auf­grund einer akuten Erkran­kung – Dia­be­tes­lei­den – eine mög­li­cher­wei­se lebens­ge­fähr­li­che Ver­schlech­te­rung des Gesund­heits­zu­stan­des des Klä­gers hätte ein­tre­ten können.

Der tat­säch­li­che Lebens­sach­ver­halt erfor­dert in der­ar­ti­gen Fällen regel­mä­ßig, dass die Beset­zung des Ret­tungs­wa­gens eine Vor­ab­einschät­zung vor­nimmt, die von dem später behan­deln­den Arzt in der Not­auf­nah­me durch Abzeich­nung des Trans­port­scheins fak­tisch zur Kennt­nis genom­men wird. Eine Prü­fung, ob die Ein­schät­zung des Ret­tungs­as­sis­ten­ten zutref­fend war, wird jeden­falls in den Grenz­fäl­len, in denen es dann später nicht zur sta­tio­nä­ren Wei­ter­be­hand­lung des Pati­en­ten kommt, natur­ge­mäß nicht mehr voll­um­fäng­lich mög­lich sein. Dies gilt umso mehr, als dass häufig Not­ru­fe von Ver­si­cher­ten selbst oder Ange­hö­ri­gen als Erst­hel­fer abge­setzt werden, die außer­stan­de sind, die objek­ti­ven Kri­te­ri­en eines medi­zi­ni­schen Not­falls zu erken­nen und einen sub­jek­ti­ven Maß­stab hin­sicht­lich der Beur­tei­lung der Bedro­hungs­si­tua­ti­on anset­zen.

Die Beklag­te kann ferner nicht mit dem Argu­ment gehört werden, eine Behand­lung habe in der Not­auf­nah­me des Johan­nes-Wes­ling-Kli­ni­kums nicht statt­ge­fun­den hat. Rich­tig ist viel­mehr, dass der Kläger zunächst offen­bar in die zen­tra­le Not­auf­nah­me des Kran­ken­hau­ses gebracht wurde, denn dort wurde aus­weis­lich der Unter­la­gen des Kran­ken­hau­ses um 20:20 Uhr ein erstes Pro­to­koll gefer­tigt. Eine sehr hohe Dring­lich­keit zur Behand­lung des Klä­gers wurde dabei nicht fest­ge­stellt. Die Behand­lung sollte inner­halb der nächs­ten 90 Minu­ten erfol­gen. Dass die ein­ge­hen­de­re ärzt­li­che Unter­su­chung dann aller­dings nicht durch die Ärz­tin­nen und Ärzte in der zen­tra­len Not­auf­nah­me erfolgt ist, son­dern durch den ambu­lan­ten Not­dienst, dessen Räum­lich­kei­ten sich in unmit­tel­ba­rer Nähe zu der zen­tra­len Not­auf­nah­me befin­den, kann nicht dazu führen, eine Ret­tungs­fahrt mit dem Ziel einer ambu­lan­ten Behand­lung anzu­neh­men, für die der Kläger bei Fehlen einer ärzt­li­chen Ver­ord­nung allein die Kosten zu tragen hätte.

§ 60 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SGB V stellt klar, dass die Kran­ken­kas­se für Ret­tungs­fahr­ten zum Kran­ken­haus auch dann die Kosten über­nimmt, wenn eine sta­tio­nä­re Behand­lung nicht erfor­der­lich ist. Glei­ches muss auch dann gelten, wenn anstel­le einer offen­sicht­lich geplan­ten Unter­su­chung in der Not­auf­nah­me eines Kran­ken­hau­ses die erste ärzt­li­che Unter­su­chung von dem dienst­ha­ben­den Arzt der Not­fall­pra­xis vor­ge­nom­men wird. Wenn dieser zusätz­lich eine Ver­ord­nung für Kran­ken­haus­be­hand­lung aus­stellt, kann sich die Beklag­te erst recht nicht darauf beru­fen, im Anschluss an den Kran­ken­trans­port habe nur eine ambu­lan­te Behand­lung statt­ge­fun­den. Aus wel­chen Grün­den der Kläger von der zen­tra­len Not­auf­nah­me an den ambu­lan­ten Not­dienst ver­wie­sen wurde, lässt sich nach den Ermitt­lun­gen des Gerichts nicht mehr ein­deu­tig fest­stel­len. Dr. I hat für das Gericht jeden­falls gut nach­voll­zieh­bar dar­ge­legt, dass der ent­gleis­te Blut­zu­cker einen Anlass für die Not­wen­dig­keit sta­tio­nä­rer Kran­ken­haus­be­hand­lung dar­ge­stellt hat. Ebenso wurde von Seiten des Kran­ken­hau­ses bestä­tigt, dass die Ret­tungs­fahrt “höchst­wahr­schein­lich” erfor­der­lich war. Ferner ist auch nicht erklär­bar, wes­halb der Ret­tungs­sa­ni­tä­ter die Bestä­ti­gung für die Durch­füh­rung des Trans­ports nicht in der zen­tra­len Not­auf­nah­me abge­ru­fen hat, wenn zuvor ent­schie­den wurde, den Kläger wegen der Akut­er­kran­kung in ein Kran­ken­haus zu beför­dern.

Damit sind die Vor­aus­set­zun­gen für die Über­nah­me der Fahrt­kos­ten nach § 60 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SGB V gege­ben.

Das Fehlen der Ver­ord­nung schließt die Gel­tend­ma­chung des Anspruchs nicht grund­sätz­lich aus. § 60 SGB V for­dert nicht aus­drück­lich das Bestehen einer ärzt­li­chen Ver­ord­nung für die Durch­füh­rung einer Kran­ken­fahrt. Allen­falls im Ver­hält­nis der Kran­ken­kas­se zum nicht­ärzt­li­chen Leis­tungs­er­brin­ger kann das Fehlen einer Ver­ord­nung gemäß § 73 Abs. 2 Nr. 7 SGB V die Kran­ken­kas­se dazu berech­ti­gen, mit Bezug auf die feh­len­de medi­zi­ni­sche Not­wen­dig­keit der erbrach­ten Leis­tung die Beglei­chung der in Rech­nung gestell­ten Ver­gü­tung zu ver­wei­gern. Im Ver­hält­nis zum Ver­si­cher­ten kann sich die Kran­ken­kas­se nicht auf die feh­len­de Ver­ord­nung einer Leis­tung beru­fen (für den Hilfs­mit­tel­be­reich: BSG, Urteil vom 10. März 2010 – B 3 KR 1/09 R –, SozR 4–2500 § 33 Nr 29). Zwar umfasst nach § 73 Abs. 2 Nr. 7 SGB V die ärzt­li­che Ver­sor­gung auch die Ver­ord­nung von Kran­ken­trans­por­ten, wobei die Ein­zel­hei­ten hierzu durch die nach § 92 Abs. 1 Nr. 12 SGB V erlas­se­nen Richt­li­ni­en des GBA gere­gelt sind. So äußert sich die Richt­li­nie auch zur Ver­ord­nungs­fä­hig­keit von Fahr­ten mit dem Ret­tungs­wa­gen (§ 5 KrTrRL), wobei diese Bestim­mung jedoch keine Aus­sa­ge dazu trifft, ob der Ver­si­cher­te eine Ver­ord­nung für die Erstat­tungs­fä­hig­keit der Kosten vor­le­gen muss oder nicht. Nach der Richt­li­nie ist jedoch für die Durch­füh­rung einer Kran­ken­fahrt mit dem pri­va­ten PKW keine Ver­ord­nung erfor­der­lich (§ 2 Abs. 3 KrTrRL). Die Durch­füh­rung einer Ret­tungs­fahrt, die in der Regel den Städ­ten und Kom­mu­nen obliegt und der Daseins­vor­sor­ge dient, kann ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Beklag­ten nicht in die sche­ma­ti­schen Rege­lun­gen für die Ver­ord­nungs­fä­hig­keit von Kran­ken­trans­por­ten ein­ge­ord­net werden. Die KrTrRL nehmen hier­auf Bezug und weisen in § 2 Abs. 2 KrTrRL darauf hin, dass die Ver­ord­nung vor der Beför­de­rung aus­ge­stellt werden soll und in Aus­nah­me­fäl­len, ins­be­son­de­re in Not­fäl­len, nach­träg­lich ver­ord­net werden kann. Auf diese Weise wird regel­mä­ßig ver­fah­ren, wenn der Ret­tungs­wa­gen zum Ein­satz kommt, nicht aber gleich­zei­tig auch ein Not­arzt, der eine Ver­ord­nung aus­stel­len könnte, hin­zu­ge­ru­fen wird. Wenn in der­ar­ti­gen Fällen der Ret­tungs­sa­ni­tä­ter, der den Ein­satz mit dem Ret­tungs­wa­gen leitet, ent­schei­det, den Pati­en­ten (trotz Vor­lie­gen einer Baga­tell­er­kran­kun­gen) ins Kran­ken­haus und dort in die zen­tra­le Not­auf­nah­me zu brin­gen, liegt dort die Pflicht, sich zur Abre­chen­bar­keit der Leis­tung gegen­über der Kran­ken­kas­se an einen Arzt zu wenden und die Not­wen­dig­keit der Beför­de­rung beschei­ni­gen zu lassen.

Der Kläger musste hin­ge­gen nicht davon aus­ge­hen, dass die Fahrt mit dem Ret­tungs­wa­gen auf eigene Kosten erfolgt und keine Leis­tung der gesetz­li­chen Kran­ken­kas­se dar­stel­len könnte. Denn der Kläger ist nach der Vor­ga­be des § 60 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SGB V trans­por­tiert worden. Er wurde zur zen­tra­len Not­auf­nah­me gebracht und erhielt dort eine (ambu­lan­te) Behand­lung, bevor ihn die Ärzte der zen­tra­le Not­auf­nah­me nach wei­te­ren Unter­su­chun­gen ent­lie­ßen, da eine wei­te­re sta­tio­nä­re Behand­lungs­be­dürf­tig­keit aus medi­zi­ni­scher Sicht nicht bestand. Für die Kammer ist inso­weit nicht ersicht­lich, an wel­cher Stelle der Kläger für die Ver­ord­nung der Trans­port­leis­tung hätte sorgen können. Eine Ver­pflich­tung hierzu bestand nicht. Ebenso wenig kann er darauf ver­wie­sen werden, in den Unter-lagen des Johan­nes-Wes­ling-Kli­ni­kums sei ver­merkt worden, es habe ein “pri­va­ter” Trans­port statt­ge­fun­den. Der tat­säch­li­che Gesche­hens­ab­lauf stell­te sich anders dar, so dass die Ein­tra­gung in dem Bericht der Klinik objek­tiv nicht rich­tig ist, ins­be­son­de­re unter Berück­sich­ti­gung des Ein­satz­be­rich­tes des Ret­tungs­diens­tes.

Dem Kläger sind auch Kosten im Sinne des § 13 Abs. 3 S. 1 SGB V ent­stan­den, denn die Stadt N hat ihm gegen­über einen voll­stre­ckungs­fä­hi­gen Gebüh­ren­be­scheid erlas­sen. Dabei kann dahin­ste­hen, ob dieser recht­mä­ßig ist, da auch ein bestands­kräf­ti­ger rechts­wid­ri­ger Ver­wal­tungs­akt einen Gebüh­ren­an­spruch begrün­den kann. Grund­sätz­lich ist einem gesetz­lich Ver­si­cher­ten in einer sol­chen Situa­ti­on nicht zuzu­mu­ten, auf eigene Kosten gegen den Bescheid wegen der Trans­port­kos­ten zu klagen (Lan­des­so­zi­al­ge­richt für das Land Nord­rhein West­fa­len, Urteil vom 26.04.2012, L 16 KR 192/11, juris, Rn. 22). Vor diesem Hin­ter­grund ist es nach Auf­fas­sung der Kammer nicht erheb­lich, ob die Stadt N in recht­mä­ßi­ger Weise einen Gebüh­ren­be­scheid gegen­über dem Kläger erlas­sen durfte. Zwei­fel hieran könn­ten jeden­falls des­halb bestehen, weil der Ret­tungs­as­sis­tent sich nach Durch­füh­rung des Ein­sat­zes die Ver­ord­nung für den Trans­port von einem der Ärzte in der zen­tra­len Not­auf­nah­me des Johan­nes Wis­sing Kli­ni­kums hätte bestä­ti­gen lassen können. Ohne Bestä­ti­gung der Ver­ord­nung war nach den ver­trag­li­chen Bestim­mun­gen des Ret­tungs­diens­tes mit der Beklag­ten eine unmit­tel­ba­re Abrech­nung des Trans­ports nicht mög­lich. Ob allein dieser Umstand den Erlass eines Gebüh­ren­be­schei­des recht­fer­tigt, kann nach Auf­fas­sung der Kammer dahin­ste­hen, denn auch unter Berück­sich­ti­gung der mate­ri­ell-recht­li­chen Vor­aus­set­zun­gen nach dem SGB V war die Beklag­te ver­pflich­tet, die Kosten für den Trans­port im Ver­hält­nis zum Kläger zu über­neh­men.

Die gesetz­li­che Zuzah­lung i.H.v. 10 Euro war von dem Erstat­tungs­be­trag abzu­zie­hen (§ 61 SGB V).

Vor diesem Hin­ter­grund war die Klage erfolg­reich.

Unter Berück­sich­ti­gung des Streit­werts unter 750,00 EUR ist die Beru­fung nicht zuläs­sig. Ein Zulas­sungs­grund nach § 144 Abs. 2 SGG ist nicht gege­ben. Eine grund­sätz­li­che Bedeu-tung der Ange­le­gen­heit, die vor­lie­gend von den Beson­der­hei­ten des Ein­zel­fal­les geprägt ist, ist nicht gege­ben.

Die Kos­ten­ent­schei­dung beruht auf §§ 183, 193 SGG.