Leit­satz

1. In ver­fah­rens­mä­ßi­ger Hin­sicht ver­langt das Benach­tei­li­gungs­ver­bot zuguns­ten Behin­der­ter, dass Ent­schei­dun­gen, die im Zusam­men­hang mit einer Behin­de­rung erge­hen und eine Benach­tei­li­gung des Behin­der­ten dar­stel­len können, sub­stan­ti­iert begrün­det werden, also bei einem an einer inte­gra­ti­ven bzw. inklu­si­ven Beschu­lung inter­es­sier­ten Kind erken­nen lassen, auf wel­chen Erwä­gun­gen der Schul­be­hör­de dessen Über­wei­sung an die För­der­schu­le im Ein­zel­nen beruht. (Rn.6)

2. Die Über­wei­sung eines behin­der­ten Schü­lers an eine För­der­schu­le stellt dann eine nach Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG ver­bo­te­ne Benach­tei­li­gung dar, wenn ent­we­der seine Erzie­hung und Unter­rich­tung an der Regel­schu­le seinen Fähig­kei­ten ent­sprä­che und ohne beson­de­ren Auf­wand mög­lich wäre, oder die För­der­schul­über­wei­sung erfolgt, obwohl der Besuch der Regel­schu­le durch einen ver­tret­ba­ren Ein­satz von son­der­päd­ago­gi­scher För­de­rung ermög­licht werden könnte.(Rn.9)

3. Vor einer Über­wei­sung an eine För­der­schu­le gegen den Willen der Per­so­nen­sor­ge­be­rech­tig­ten ist eine umfas­sen­de Prü­fung der Mög­lich­keit des gemein­sa­men Unter­richts unter Ein­be­zie­hung der Per­so­nen­sor­ge­be­rech­tig­ten, der betrof­fe­nen Lehrer, der Schul­ver­wal­tung, ggf. auch des Trä­gers der Ein­glie­de­rungs­hil­fe, von Kran­ken­kas­sen und des Schul­trä­gers, wenn etwa bestimm­te bau­li­che Maß­nah­me in Rede stehen, vor­zu­neh­men und hier­bei ins­be­son­de­re auch zu prüfen, ob und wie ein säch­li­ches oder per­so­nel­les Defi­zit in ver­tret­ba­rem Umfang beho­ben werden kann, um den gemein­sa­men Unter­richt an der Regel­schu­le zu ermög­li­chen.(Rn.14)

Gründe

Die zuläs­si­ge Beschwer­de ist begrün­det.
Das Ver­wal­tungs­ge­richt hat den Antrag des Antrag­stel­lers auf Gewäh­rung vor­läu­fi­gen Rechts­schut­zes gegen die am 27. August 2013 ver­füg­te Anord­nung der sofor­ti­gen Voll­zie­hung des Beschei­des vom 21. Juni 2013 zu Unrecht abge­lehnt.
Der auf die Wie­der­her­stel­lung der auf­schie­ben­den Wir­kung der Klage des Antrag­stel­lers vom 10. Juli 2013 gegen den Bescheid des Antrags­geg­ners vom 21. Juni 2013 gerich­te­te Antrag ist nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO statt­haft und hat in der Sache Erfolg. Das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt macht von der ihm mit § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ein­ge­räum­ten Befug­nis, auf Antrag nach seinem Ermes­sen die auf­schie­ben­de Wir­kung einer Klage wie­der­her­zu­stel­len Gebrauch, wenn sich die ange­foch­te­ne Ver­fü­gung bei der im Ver­fah­ren über die Gewäh­rung vor­läu­fi­gen Rechts­schut­zes nur mög­li­chen sum­ma­ri­schen Sach­prü­fung im Haupt­sa­che­ver­fah­ren vor­aus­sicht­lich als rechts­wid­rig erwei­sen wird. Das ist hier der Fall.
Der Antrag ist zuläs­sig, ins­be­son­de­re ver­fügt der Antrag­stel­ler über die erfor­der­li­che Antrags­be­fug­nis. Der Antrag­stel­ler hat unter Vor­la­ge des Beschlus­ses des Amts­ge­richts Wer­ni­ge­ro­de vom 30. Mai 2013 dar­ge­legt, dass ihm allein die elter­li­che Sorge für die Ent­schei­dung über die Beschu­lung seiner Toch­ter C. (befris­tet auf den Besuch der Grund­schu­le) über­tra­gen worden ist.
Der Senat lässt es wie das Ver­wal­tungs­ge­richt offen, ob die Begrün­dung des Sofort­voll­zu­ges in der Ver­fü­gung vom 27. August 2013 den Anfor­de­rung des § 80 Abs. 3 VwGO genügt (zu den Anfor­de­run­gen an die Begrün­dung des Sofort­voll­zugs einer För­der­schul­ver­pflich­tung: Sächs­OVG, Beschl. v. 12.09.2013 — 2 B 396/13 -, juris).
Der ange­foch­te­ne Bescheid vom 21. Juni 2013 leidet zunächst unter for­mel­len Män­geln. In ver­fah­rens­mä­ßi­ger Hin­sicht ver­langt das Benach­tei­li­gungs­ver­bot zuguns­ten Behin­der­ter, dass Ent­schei­dun­gen, die im Zusam­men­hang mit einer Behin­de­rung erge­hen und eine Benach­tei­li­gung des Behin­der­ten dar­stel­len können, sub­stan­ti­iert begrün­det werden, also bei einem an einer inte­gra­ti­ven bzw. inklu­si­ven Beschu­lung inter­es­sier­ten Kind erken­nen lassen, auf wel­chen Erwä­gun­gen der Schul­be­hör­de dessen Über­wei­sung an die För­der­schu­le im Ein­zel­nen beruht. Dabei sind die Gesichts­punk­te dar­zu­le­gen, deren Beach­tung Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG ver­langt. Anzu­ge­ben sind danach je nach Lage des Falles Art und Schwe­re der Behin­de­rung und die Gründe, die die Behör­de zu der Ein­schät­zung haben gelan­gen lassen, dass Erzie­hung und Unter­rich­tung des betref­fen­den Schü­lers am besten in einer För­der­schu­le gewähr­leis­tet erschei­nen. Es sind auch orga­ni­sa­to­ri­sche, per­so­nel­le oder säch­li­che Schwie­rig­kei­ten sowie die Gründe dar­zu­le­gen, warum diese Schwie­rig­kei­ten im kon­kre­ten Fall nicht über­wun­den werden können. In einem wie im ande­ren Fall setzt eine aus­rei­chen­de Begrün­dung der Ent­schei­dung zuguns­ten einer För­der­schul­un­ter­rich­tung ein Ein­ge­hen auf ent­ge­gen­ge­setz­te Erzie­hungs­wün­sche des Kindes und seiner Erzie­hungs­be­rech­tig­ten voraus. Sie sind in Bezie­hung zu setzen zu den Erwä­gun­gen der Schul­be­hör­de und mit deren Vor­stel­lun­gen in einer Weise abzu­wä­gen, die die staat­li­che Maß­nah­me nach­voll­zieh­bar und damit auch gericht­lich über­prüf­bar macht (vgl. OVG LSA, Urt. v. 01.10.1999 — A 2 S 140/98 -, juris unter Hin­weis auf BVerfG, Beschl. v. 08.10.1997 — 1 BvR 9/97 -, juris). Diesen Vor­ga­ben fol­gend hat der Ver­ord­nungs­ge­ber in dem bis zum 31. Juli 2013 gel­ten­den § 11 Abs. 2 Satz 2 der Ver­ord­nung über die son­der­päd­ago­gi­sche För­de­rung vom 2. August 2005 (SoPädFV 2005, GVBl. LSA S. 482, zuletzt geän­dert durch Ver­ord­nung vom 23. Januar 2013, GVBl. LSA S. 46) bzw. (sinn­ge­mäß) in dem ab dem 1. August 2013 gel­ten­den § 4 Abs. 4 der Ver­ord­nung über die För­de­rung von Schü­le­rin­nen und Schü­lern mit son­der­päd­ago­gi­schem Bildungs‑, Bera­tungs- und Unter­stüt­zungs­be­darf vom 8. August 2013 (SoPädFV 2013, GVBl. LSA S. 414) eine beson­de­re Begrün­dungs­pflicht bzw. Bera­tungs­pflicht bei Ent­schei­dun­gen über schu­li­sche Maß­nah­men bei Kin­dern mit einem fest­ge­stell­ten son­der­päd­ago­gi­schen För­der­be­darf vor­ge­se­hen, wenn dem Wunsch der Erzie­hungs­be­rech­tig­ten nach einem inte­gra­ti­ven bzw. inklu­si­ven Unter­richt nicht ent­spro­chen wird.
Diesen for­mel­len Anfor­de­run­gen genügt der Bescheid vom 21. Juni 2013 nicht, da dort unter Angabe der ein­schlä­gi­gen gesetz­li­chen Vor­schrif­ten ledig­lich aus­ge­führt wird, dass für die Toch­ter des Antrag­stel­lers im Ergeb­nis des son­der­päd­ago­gi­schen Fest­stel­lungs­ver­fah­rens im Schul­jahr 2012/2013 ein son­der­päd­ago­gi­scher För­der­be­darf mit Schwer­punkt „kör­per­lich-moto­ri­sche Entwicklung/langfristige Erkran­kung“ fest­ge­stellt worden ist. Weiter ent­hält der Bescheid keine wei­te­re Begrün­dung, son­dern nur einen ver­fü­gen­den Teil, näm­lich dass die Toch­ter des Antrag­stel­lers ab dem 29. August 2013 die För­der­schu­le „Mari­an­ne …“ in D‑Stadt in der Schul­ein­gangs­pha­se 2 zu besu­chen hat und nach dem Lehr­plan der Grund­schu­le unter­rich­tet wird. Ferner behal­te man sich für den Fall einer Ände­rung des son­der­päd­ago­gi­schen För­der­be­darfs den Wider­ruf vor.
Der ange­foch­te­ne Bescheid ist nach sum­ma­ri­scher Prü­fung auch mate­ri­ell rechts­wid­rig. Die Ent­schei­dung, ob bei einem fest­ge­stell­ten son­der­päd­ago­gi­schen För­der­be­darf die Über­wei­sung an eine För­der­schu­le gebo­ten ist, steht — wie sich bereits aus dem Wort­laut von § 39 Abs. 1 und 2 SchulG LSA ergibt — nicht im Ermes­sen des Antrags­geg­ners. Ferner ist dem Antrags­geg­ner hin­sicht­lich dieser Frage auch kein Beur­tei­lungs­spiel­raum ein­ge­räumt (OVG LSA, Urt. v. 01.10.1999, a. a. O.). Die vom Antrags­geg­ner vor­ge­tra­ge­nen Gründe lassen nicht den Schluss zu, dass die Über­wei­sung der Toch­ter des Antrag­stel­lers an die För­der­schu­le für Kör­per­be­hin­der­te in D‑Stadt gegen dessen aus­drück­li­chen Willen durch § 39 Abs. 1 und 2 SchulG LSA gedeckt ist. Auch wenn an För­der­schu­len den indi­vi­du­el­len Vor­aus­set­zun­gen ent­spre­chend alle Abschlüs­se der all­ge­mein­bil­den­den Schu­len erwor­ben werden können (§ 8 Abs. 2 Satz 2 SchulG LSA), folgt schon aus der all­ge­mei­nen Rege­lung über För­der­schu­len, dass deren Besuch nur für Kinder vor­ge­se­hen werden darf, die wegen der Beein­träch­ti­gung einer oder meh­re­rer Funk­tio­nen auch durch beson­de­re Hilfen in ande­ren Schul­for­men nicht aus­rei­chend geför­dert werden können (§ 8 Abs. 2 Satz 1 SchulG LSA); Ziel ist vor allem, dort eine För­de­rung auf einer reha­bi­li­ta­ti­ons­päd­ago­gi­schen Grund­la­ge zu suchen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SchulG LSA). In glei­cher Weise wird der Aus­nah­me­cha­rak­ter durch § 39 Abs. 1 SchulG LSA beschrie­ben; dort ist vor­aus­ge­setzt, dass eine beson­de­re päd­ago­gi­sche För­de­rung erfor­der­lich ist, die nicht in einer Schule einer ande­ren Schul­form geleis­tet werden kann. Ferner lässt vor allem § 1 Abs. 3a SchulG LSA erken­nen, dass dabei vor­ran­gig geprüft werden soll, ob eine inte­gra­ti­ve bzw. inklu­si­ve Beschu­lung in Betracht kommt (OVG LSA, Urt. v. 01.10.1999, a. a. O. bereits zur vor 2001 gel­ten­den Rechts­la­ge).
Danach stellt die Über­wei­sung eines behin­der­ten Schü­lers an eine För­der­schu­le dann eine nach Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG ver­bo­te­ne Benach­tei­li­gung dar, wenn ent­we­der seine Erzie­hung und Unter­rich­tung an der Regel­schu­le seinen Fähig­kei­ten ent­sprä­che und ohne beson­de­ren Auf­wand mög­lich wäre, oder die För­der­schul­über­wei­sung erfolgt, obwohl der Besuch der Regel­schu­le durch einen ver­tret­ba­ren Ein­satz von son­der­päd­ago­gi­scher För­de­rung ermög­licht werden könnte (vgl. BVerfG, Beschl. v. 08.10.1997, a. a. O.). Ob dies der Fall ist, sich also eine inte­gra­ti­ve bzw. inklu­si­ve Beschu­lung errei­chen lässt, die das behin­der­te Kind mit Aus­sicht auf Erfolg durch­lau­fen kann, ist das Ergeb­nis einer Gesamt­be­trach­tung im Ein­zel­fall, bei der Art und Schwe­re der jewei­li­gen Behin­de­rung ebenso zu berück­sich­ti­gen sind wie Vor- und Nach­tei­le einer­seits einer inte­gra­ti­ven bzw. inklu­si­ven Erzie­hung und Unter­rich­tung an einer Regel­schu­le und ande­rer­seits einer Beschu­lung in einer För­der­schu­le. Dabei sind, soweit es um die Bewer­tung einer inte­gra­ti­ven bzw. inklu­si­ven Beschu­lung geht, nicht nur die dem behin­der­ten Kind damit eröff­ne­ten Chan­cen für seine Aus­bil­dung und sein spä­te­res Leben, son­dern auch die mit einer sol­chen Maß­nah­me denk­ba­ren Belas­tun­gen für Mit­schü­ler und Lehrer in die Gesamt­be­trach­tung ein­zu­stel­len (vgl. BVerfG a. a. O.).
Gemes­sen an diesen Maß­stä­ben ist nach den vor­lie­gen­den Unter­la­gen nicht ersicht­lich, warum ein erfolg­rei­cher gemein­sa­mer Grund­schul­un­ter­richt der Toch­ter des Antrag­stel­lers an der Grund­schu­le Martin Luther in A‑Stadt, wie vom Antrag­stel­ler in der Stel­lung­nah­me vom 13. März 2013 gewünscht, nicht erwar­tet werden kann. Die Beschu­lung an der Grund­schu­le ver­langt keine Vor­aus­set­zun­gen, welche der Schul­ver­wal­tung nicht zuge­mu­tet werden könn­ten.
Nach der unda­tier­ten, aber jeden­falls vor dem 13. März 2013 erstell­ten Doku­men­ta­ti­on des Mobi­len Sozia­len Dia­gnos­ti­schen Diens­tes (MSDD) wurde bei der Toch­ter des Antrag­stel­lers C. im Mai 2011 Dia­be­tes Mel­li­tus Typ 1 fest­ge­stellt. Das Kran­ken­bild beein­träch­ti­ge das schu­li­sche Lernen. C. ver­fü­ge über eine gerin­ge kör­per­li­che Belast­bar­keit. Es zeig­ten sich Anzei­chen einer kör­per­li­chen Regres­si­on. Dieser auf­tre­ten­de Ver­lust des kör­per­li­chen Erle­bens zeige sich in einem Rück­zug in eine Traum­welt. C. sei dann nicht mehr in aus­rei­chen­dem Maß auf­nah­me­fä­hig. Auch zeig­ten sich Arbeits­tem­po, Auf­merk­sam­keit und Kon­zen­tra­ti­on gra­vie­rend beein­träch­tigt. Als ange­mes­se­ne Vor­keh­run­gen zur pädagogischen/sonderpädagogischen För­de­rung werden die Gewäh­rung des Nach­teils­aus­glei­ches hin­sicht­lich indi­vi­du­el­ler päd­ago­gi­scher Maß­nah­men (zeit­li­che Vor­ga­ben, Leis­tungs­dif­fe­ren­zie­rung), Ergo­the­ra­pie, kon­trol­lier­te Nah­rungs­auf­nah­me, spe­zi­el­le Diät sowie Blut­zu­cker­mes­sen auf­ge­führt. Als zu schaf­fen­de sach­li­che Unter­stüt­zungs­an­ge­bo­te für den Bereich Moto­rik werden ein Sitz­ball zur Sti­mu­lie­rung des Gleich­ge­wich­tes, geeig­ne­te Stifte (z. B. Jum­bob­lei­stif­te), Bereit­stel­len von ergän­zen­den Räum­lich­kei­ten sowie die regel­mä­ßi­ge Medi­ka­ti­on mit­tels Insu­lin­pum­pe genannt. Als per­so­nel­le Unter­stüt­zungs­maß­nah­men wird dort eine För­der­schul­lehr­kraft, päd­ago­gi­scher Mit­ar­bei­ter, Inte­gra­ti­ons­hel­fer und ein Ergo­the­ra­peut genannt. Unter Ziffer 3 dieser Doku­men­ta­ti­on wird die Posi­ti­on der Grund­schu­le wie­der­ge­ge­ben. Hier­nach könne C. man­gels per­so­nel­ler Vor­aus­set­zun­gen an der Grund­schu­le nicht ihren Bedürf­nis­sen ent­spre­chend geför­dert werden. Ferner seien an der Grund­schu­le die not­wen­di­gen räum­li­chen Bedin­gun­gen nicht gege­ben, da keine Rück­zugs­mög­lich­kei­ten für C. auf glei­cher Ebene vor­han­den seien. Die För­der­leh­re­rin sei nur teil­zeit­be­schäf­tigt und habe 12 Kinder mit schwer­wie­gen­den Pro­ble­men zu betreu­en sowie die prä­ven­ti­ve För­de­rung zu sichern.
Unab­hän­gig von der Frage, ob dem Wunsch des Antrag­stel­lers auf Beschu­lung an der Grund­schu­le Martin Luther in A‑Stadt das Argu­ment ent­ge­gen gehal­ten werden kann, dass eine an dieser Schule beschäf­tig­te För­der­lehr­kraft bereits mit der Betreu­ung ande­rer behin­der­ter Kinder aus­ge­las­tet sei, welche mög­li­cher­wei­se schwer­wie­gen­de­re Funk­ti­ons­be­ein­träch­ti­gun­gen als seine Toch­ter auf­wei­sen, ist nach den vor­lie­gen­den Unter­la­gen nicht ersicht­lich, dass nicht durch einen ver­tret­ba­ren son­der­päd­ago­gi­schen Auf­wand eine Beschu­lung an der bisher besuch­ten Grund­schu­le gewähr­leis­tet werden kann. Nach dem vom Antrag­stel­ler vor­ge­leg­ten Kurz­be­richt der Fach­ärz­tin für Kinder- und Jugend­me­di­zin Dr. G. — welche zugleich Dia­be­to­lo­gin ist — vom 14. Novem­ber 2013 wird die Dia­be­tes­er­kran­kung bei C. mit Hilfe einer Insu­lin­pum­pe, regel­mä­ßi­gen Blut­zu­cker­kon­trol­len und einer koh­len­hy­drat­bi­lan­zier­ten The­ra­pie behan­delt. Die The­ra­pie­richt­li­ni­en könne C. adäquat umset­zen. Ferner erken­ne C. in der Regel die Früh­zei­chen einer Unter­zu­cke­rung.
Nach den vor­lie­gen­den Unter­la­gen wird C. wäh­rend des Schul­be­suchs mehr­mals täg­lich durch einen von der Kran­ken­kas­se des Antrag­stel­lers finan­zier­ten Pfle­ge­dienst bei der Blut­zu­cker­mes­sung und Bedie­nung der Insu­lin­pum­pe unter­stützt.
Auch wenn aus den Anga­ben der Rek­to­rin der Grund­schu­le Martin Luther vom 17. Sep­tem­ber 2013 zu erken­nen ist, dass C. wegen ihrer chro­ni­schen Erkran­kung eines beson­de­ren Maßes an Zuwen­dung bedarf, welche mög­li­cher­wei­se mit dem der­zeit an der Grund­schu­le vor­han­de­nen Per­so­nal nicht erbracht werden kann, recht­fer­tigt dies ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Antrags­geg­ners nicht bereits den Schluss, dass die Über­wei­sung an die För­der­schu­le nach § 39 Abs. 1 und 2 SchulG LSA gerecht­fer­tigt ist. Wie bereits in dem vor­ge­nann­ten Urteil vom 1. Okto­ber 1999 zur bis 2001 gel­ten­den Rechts­la­ge aus­ge­führt und nun­mehr in § 9 und 10 SoPädFV 2013 aus­drück­lich durch den Ver­ord­nungs­ge­ber gere­gelt, ist vor einer Über­wei­sung an eine För­der­schu­le gegen den Willen der Per­so­nen­sor­ge­be­rech­tig­ten eine umfas­sen­de Prü­fung der Mög­lich­keit des gemein­sa­men Unter­richts unter Ein­be­zie­hung der Per­so­nen­sor­ge­be­rech­tig­ten, der betrof­fe­nen Lehrer, der Schul­ver­wal­tung, ggf. auch des Trä­gers der Ein­glie­de­rungs­hil­fe, von Kran­ken­kas­sen und des Schul­trä­gers, wenn etwa bestimm­te bau­li­che Maß­nah­me in Rede stehen, vor­zu­neh­men und hier­bei ins­be­son­de­re auch zu prüfen, ob und wie ein säch­li­ches oder per­so­nel­les Defi­zit in ver­tret­ba­rem Umfang beho­ben werden kann, um den gemein­sa­men Unter­richt zu ermög­li­chen. Dass eine solche Prü­fung durch­ge­führt worden ist und dass diese umfas­sen­de Prü­fung zu dem Ergeb­nis geführt hat, dass wegen eines im vor­ge­nann­ten Sinne nicht beheb­ba­ren Defi­zits an der Grund­schu­le Martin Luther in A‑Stadt nur eine Beschu­lung an der För­der­schu­le in D‑Stadt in Betracht kommt, lässt sich weder dem Bescheid vom 21. Juni 2013 noch den Ver­wal­tungs­ak­ten ent­neh­men. Dass der gemein­sa­me Unter­richt mit C. die Lern­ent­wick­lung ande­rer Schü­ler bzw. die sons­ti­gen Rechte von Mit­glie­dern der Schul­ge­mein­schaft – abge­se­hen von der von der Rek­to­rin der Grund­schu­le geschil­der­ten und aus ihrer Sicht unzu­rei­chen­den Per­so­nal­aus­stat­tung — beein­träch­tigt, ist vom Antrags­geg­ner nicht sub­stan­ti­iert vor­ge­tra­gen worden, wobei im Falle des Bestehens von Unsi­cher­hei­ten oder Vor­be­hal­ten im Zusam­men­hang mit der Dia­be­tes-Erkran­kung von C. vor­ran­gig die Fort­bil­dung der Lehr­kräf­te bzw. die Unter­rich­tung der Mit­schü­ler über die Erkran­kung ange­zeigt wäre (vgl. z. B. Arbeits­ge­mein­schaft Päd­ia­tri­sche Dia­be­to­lo­gie, „Kinder mit Dia­be­tes in der Schule“, ver­öf­fent­licht unter www.diabetes-kinder.de/modularx/include/module/dateimanager/data/ schulbroschuere_neu_05_2010.pdf).
Die Kos­ten­ent­schei­dung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Streit­wert war für das Beschwer­de­ver­fah­ren nach §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2, 47 Abs. 1 Satz 1 GKG auf den hälf­ti­gen Auf­fang­st­reit­wert in Höhe von 2.500,- € fest­zu­set­zen.
Dem Antrag­stel­ler ist Pro­zess­kos­ten­hil­fe unter Bei­ord­nung von Rechts­an­walt B. zu bewil­li­gen, da er durch Vor­la­ge der Erklä­rung über die per­sön­li­chen und wirt­schaft­li­chen Ver­hält­nis­se dar­ge­legt hat, dass er die Kosten der Pro­zess­füh­rung nicht auf­brin­gen kann und die beab­sich­tig­te Rechts­ver­fol­gung hin­rei­chen­de Aus­sicht auf Erfolg bietet (vgl. §§ 166 VwGO, 114 Satz 1 ZPO).
Dieser Beschluss ist unan­fecht­bar, § 152 Abs. 1 VwGO; §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG.