Tenor

Die Beru­fung der Beklag­ten gegen das Urteil des Sozi­al­ge­richts Stutt­gart vom 20.07.2021 wird zurück­ge­wie­sen.

Die Beklag­te hat auch die Kosten des Beru­fungs­ver­fah­rens zu tragen.

Tat­be­stand

Der Kläger begehrt von der Beklag­ten die Frei­stel­lung von Kosten für eine Assis­tenz­kraft wäh­rend des Schul­be­suchs im Schul­jahr 2020/2021.

Der 2013 gebo­re­ne Kläger ist fami­li­en­ver­si­cher­tes Mit­glied der Beklag­ten. Er leidet an einem insu­lin­pflich­ti­gen Dia­be­tes mel­li­tus Typ 1 und ist mit einer Insu­lin­pum­pe ver­sorgt. Bei ihm ist ein Grad der Behin­de­rung (GdB) von 50 sowie das Merk­zei­chen H aner­kannt. Seit dem 13.09.2018 gewährt die bei der Beklag­ten errich­te­te Pfle­ge­kas­se Pfle­ge­geld nach Pfle­ge­grad 2.

Der Kläger besuch­te bis zum 31.08.2020 die Tages­ein­rich­tung für Kinder in der Fstra­ße in S, zu deren Besuch ihm die Bei­gela­de­ne vom 01.07.2017 bis 31.08.2020 Ein­glie­de­rungs­hil­fe in Höhe von zuletzt monat­lich 1.131,00 EUR gewähr­te. Die Beklag­te gewähr­te eben­falls seit dem 01.07.2017 Leis­tun­gen im Rahmen der häus­li­chen Kran­ken­pfle­ge im Umfang von drei Mal täg­lich Blut­zu­cker­mes­sung und Insu­lin­ga­be wäh­rend des Kin­der­gar­ten­be­suchs des Klä­gers.

Am 07.02.2020 bean­trag­te der Kläger bei der Bei­gela­de­nen die Kos­ten­über­nah­me für eine Ein­glie­de­rungs­hil­fe zum Besuch der E Gesamt­schu­le ab Sep­tem­ber 2020. Seinem Antrag fügte er eine Stel­lung­nah­me der künf­ti­gen Schule sowie einen Arzt­brief des H des Ohos­pi­tals S, vom 02.12.2019 bei. Die Bei­gela­de­ne lei­te­te diesen Antrag mit Schrei­ben vom 12.02.2020 an die Beklag­te weiter, weil sie sich nicht für zustän­dig hielt. Der Antrag ging bei der Beklag­ten am 18.02.2020 ein.

Im Anschluss daran beauf­trag­te die Beklag­te den Medi­zi­ni­schen Dienst der Kran­ken­ver­si­che­rung (MDK) mit der Erstat­tung eines Gut­ach­tens. In diesem kam B (Gut­ach­ten vom 02.03.2020) zu dem Ergeb­nis, dass bei dem Kläger auch in der Schule die Blut­zu­cker­wer­te regel­mä­ßig gemes­sen werden müss­ten und er abhän­gig von den Werten zusätz­lich wei­te­re Insu­lin­ein­hei­ten über die Insu­lin­pum­pe benö­ti­ge, eine per­ma­nen­te Inter­ven­ti­ons­be­reit­schaft aus vita­ler Sicht sei aber nicht erfor­der­lich.

Mit Bescheid vom 12.03.2020 lehnte die Beklag­te unter Bezug­nah­me auf die Aus­füh­run­gen des MDK den Antrag des Klä­gers ab. Leis­tun­gen für den Schul­be­such psy­cho­mo­to­risch alters­ge­recht ent­wi­ckel­ter Kinder mit insu­lin­pflich­ti­gem Dia­be­tes mel­li­tus könn­ten von den Land­rats­äm­tern im Rahmen der Ein­glie­de­rungs­hil­fe für einen ange­mes­se­nen Schul­be­such über­nom­men werden. Eine Kos­ten­über­nah­me im Rahmen der häus­li­chen Kran­ken­pfle­ge könne nicht erfol­gen.

Hier­ge­gen legte der Kläger am 24.03.2020 Wider­spruch ein. Zur Begrün­dung führte er aus, es sei rät­sel­haft, wie der MDK zu der Ein­schät­zung gelan­ge, dass er seine Vital­funk­tio­nen selbst­stän­dig über­wa­chen könne. Er benö­ti­ge per­ma­nen­te Beob­ach­tung, da er nicht selbst­stän­dig wahr­neh­me, wenn er in Unter­zu­cker gerate. Im Kin­der­gar­ten sei es immer wieder zu schwie­ri­gen Situa­tio­nen auf­grund von Unter­zu­cke­rung gekom­men. Er benö­ti­ge Über­wa­chung und Unter­stüt­zung beim Bedie­nen der Pumpe, ansons­ten sei ein Schul­be­such nicht mög­lich.

Mit Wider­spruchs­be­scheid vom 22.06.2020 wies die Beklag­te den Wider­spruch zurück. Es bestehe weder ein Anspruch auf häus­li­che Kran­ken­pfle­ge im Sinne von Kran­ken­be­ob­ach­tung wäh­rend des Schul­be­su­ches (Behand­lungs­pfle­ge) zu Lasten der gesetz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rung, noch ein Anspruch auf Leis­tun­gen der Ein­glie­de­rungs­hil­fe. Obwohl der Kläger infol­ge seines Dia-betes mel­li­tus Typ 1 zu den Men­schen mit Behin­de­rung gehöre, sei seine Fähig­keit, an der Gesell­schaft teil­zu­ha­ben, kon­kret am Besuch an einer Schule, nicht ein­ge­schränkt. Zwar bestehe ein insu­lin­pflich­ti­ger Dia­be­tes mel­li­tus, zu Ent­glei­sun­gen des Blut­zu­ckers sei es in den letz­ten Jahren jedoch nicht gekom­men. Kon­troll­maß­nah­men könn­ten vom Lehr­per­so­nal der Grund­schu­le vor­ge­nom­men werden, ebenso könne die Auf­nah­me und der Zeit­punkt der Nah­rungs­auf­nah­me durch die Schul­kräf­te beob­ach­tet und ggf. gesteu­ert werden.

Am 21.07.2020 hat der Kläger Klage zum Sozi­al­ge­richt Stutt­gart (SG) erho­ben und zudem einen Antrag auf einst­wei­li­gen Rechts­schutz (S 23 KR 2965/20 ER) gestellt. Eine Schul­be­glei­tung sei drin­gend erfor­der­lich, da er nicht mit seiner Insu­lin­pum­pe zurecht­kom­me. Ein Gespräch mit der Schule habe bereits erge­ben, dass eine Über­wa­chung und Bedie­nung der Insu­lin­pum­pe sowie die not­wen­di­ge Dosis­an­pas­sung durch die Leh­re­rin nicht über­nom­men werden könne. Daher sei die Beklag­te zu ver­pflich­ten, die Kosten für eine medi­zi­nisch geschul­te Beglei­tung des Klä­gers für den Besuch der E Gemein­schafts­schu­le in S mon­tags bis don­ners­tags von 8:00 Uhr bis 15:00 Uhr und frei­tags von 8:00 Uhr bis 12:45 Uhr als Leis­tun­gen der häus­li­chen Kran­ken­pfle­ge zu über­neh­men, hilfs­wei­se, sei die Bei­gela­de­ne zu ver­pflich­ten. die Kosten für eine medi­zi­nisch geschul­te Beglei­tung des Klä­gers für den Besuch der E Gemein­schafts­schu­le in S mon­tags bis don­ners­tags von 8:00 Uhr bis 15:00 Uhr und frei­tags von 8:00 Uhr bis 12:45 Uhr als Leis­tun­gen zur Teil­ha­be zu über­neh­men. Zur Unter­maue­rung seines Vor­trags hat der Kläger ein Schrei­ben des H vom 15.07.2020 vor­ge­legt, wonach eine stän­di­ge Beob­ach­tung des Ver­hal­tens des Klä­gers wäh­rend des Schul­be­suchs auf­grund mög­li­cher Hypo­glyk­ämien unbe­dingt ebenso erfor­der­lich sei, wie die adäqua­te Beur­tei­lung und ange­mes­se­ne Reak­ti­on auf die ange­zeig­ten Blut­wer­te. Der Kläger habe bedingt durch sein Alter starke Blut­zu­cker­schwan­kun­gen, die stän­di­ge Kon­trol­len und Insu­lin­an­pas­sun­gen ver­lang­ten.

Die Beklag­te ist der Klage ent­ge­gen­ge­tre­ten. Sie ver­tritt die Auf­fas­sung, die Bei­gela­de­ne sei zu ver­pflich­ten, die Kosten für die Schul­be­glei­tung des Klä­gers als Leis­tun­gen zur Teil­ha­be an Bil­dung und zur Reha­bi­li­ta­ti­on zu über­neh­men. Unter Bezug­nah­me auf ihren Bescheid und Wider­spruchs­be­scheid hat sie ergän­zend vor­ge­tra­gen, dass aus­schließ­lich die Ver­sor­gung der Insu­lin­pum­pe und das Messen des Blut­zu­ckers Auf­ga­ben und Tätig­kei­ten seien, welche im Rahmen der häus­li­chen Kran­ken­pfle­ge erbracht werden könn­ten. Nicht zu diesen Auf­ga­ben und Tätig­kei­ten gehör­ten die Kon­trol­le des Ess­ver­hal­tens des Klä­gers oder die Auf­klä­rung ande­rer Per­so­nen oder das Tref­fen von Vor­keh­run­gen und das Beach­ten von Ver­hal­tens­wei­sen im Umgang mit dem Kläger. Letz­te­re Auf­ga­ben und Maß­nah­men seien Auf­ga­be und Bestand­teil einer per­sön­li­chen Assis­tenz und würden von Assis­ten­ten oder Inte­gra­ti­ons­hel­fern im Rahmen der Ein­glie­de­rungs­hil­fe erbracht.

Die mit Beschluss vom 05.11.2020 Bei­gela­de­ne hat dem­ge­gen­über bean­tragt, die Beklag­te zu ver­pflich­ten, die Kosten für die Schul­be­glei­tung des Klä­gers als Reha­bi­li­ta­ti­ons­trä­ger für alle in Frage kom­men­den Anspruchs­grund­la­gen zu über­neh­men. Der Kläger benö­ti­ge auf­grund seiner chro­ni­schen Erkran­kung einen Unter­stüt­zungs­be­darf in der Schule in Form regel­mä­ßi­ger Über­prü­fung des Blut­zu­cker­spie­gels und der Nah­rungs­auf­nah­me, Über­wa­chung der Insu­lin­pum­pe und Regu­lie­rung der kör­per­li­chen Belas­tung zur Ver­mei­dung von Über- und Unter­zu­cke­rung. Hier­bei handle es sich ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Beklag­ten aus­schließ­lich um einen Bedarf nach den Leis­tungs­ge­set­zen der gesetz­li­chen Kran­ken­kas­se, so dass allein Leis­tun­gen der häus­li­chen Kran­ken­pfle­ge und Behand­lungs­si­che­rungs­pfle­ge zu erbrin­gen seien. Die Vor­aus­set­zun­gen für Ein­glie­de­rungs­hil­fe­leis­tun­gen seien auf­grund des Nach­ran­gig­keits­prin­zips sowie der vor­ran­gi­gen und bedarfs­de­cken­den Leis­tungs­pflicht der Kran­ken­kas­se nicht erfüllt.

Zwi­schen­zeit­lich hatte das SG die Beklag­te mit Beschluss vom 20.08.2020 im Wege der einst­wei­li­gen Anord­nung ver­pflich­tet, vor­läu­fig die Kosten für die voll­um­fäng­li­che Beglei­tung des Klä­gers bei dessen Besuch der E Gemein­schafts­schu­le durch eine medi­zi­nisch geschul­te Fach­kraft bis zum Abschluss der Haupt­sa­che, längs­tens jedoch bis zum 15.02.2021 zu über­neh­men (S 23 KR 2965/20 ER).

Zur wei­te­ren Auf­klä­rung des Sach­ver­hal­tes hat das Gericht die beiden Leh­re­rin­nen des Klä­gers an der E Gemein­schafts­schu­le, Frau W und Frau W1, sowie seinen Schul­be­glei­ter Herrn G schrift­lich als Zeugen gehört. Diese haben über­ein­stim­mend (Aus­künf­te von Frau W1 vom 02.02.2021, Frau W vom 21.01.2021 und Herrn G vom 14.01.2021) ange­ge­ben, dass der Kläger alters­ge­mäß ent­wi­ckelt sei und im Schul­all­tag keine Beson­der­hei­ten gegen­über seinen Mit­schü­lern auf­wei­se. Ein Schul­be­such ohne Schul­be­glei­ter sei hin­ge­gen undenk­bar, da der Kläger alters­be­dingt seine Insu­lin­pum­pe noch nicht allein bedie­nen könne und immer wieder schnell Hilfe von außen benö­ti­ge, wenn Unter- oder Über­zu­cke­run­gen ein­trä­ten. Diese Hilfe könn­ten die Lehrer nicht leis­ten, da sie mit den ande­ren Schü­lern beschäf­tigt seien und ansons­ten den Unter­richt kom­plett unter­bre­chen müss­ten.

Am 07.12.2020 hat der Kläger bei der Beklag­ten die Wei­ter­ge­wäh­rung der Schul­be­glei­tung über den 15.02.2021 hinaus bean­tragt. Nach Ein­ho­lung eines wei­te­ren MDK-Gut­ach­tens (von P vom 02.02.2021) hat die Beklag­te mit nicht mit einer Rechts­be­helfs­be­leh­rung ver­se­he­nem Bescheid vom 08.02.2021 auch den wei­te­ren Antrag des Klä­gers abge­lehnt. Zwar benö­ti­ge der Kläger für den Schul­be­such beglei­ten­de Hil­fe­stel­lun­gen bei All­tags­hand­lun­gen. Diese stell­ten jedoch — unter Beru­fung auf den MDK — weder eine all­ge­mei­ne noch eine spe­zi­el­le Kran­ken­be­ob­ach­tung im Sinne der Richt­li­nie Häus­li­che Kran­ken­pfle­ge dar. Leis­tun­gen für den Schul­be­such psy­cho­mo­to­risch alters­ge­recht ent­wi­ckel­ter Kinder mit insu­lin­pflich­ti­gen Dia­be­tes mel­li­tus seien viel­mehr von den Land­rats­äm­tern im Rahmen der Ein­glie­de­rungs­hil­fe für einen ange­mes­se­nen Schul­be­such zu über­neh­men. Gegen diesen Bescheid hat der Kläger am 24.02.2021 Wider­spruch ein­ge­legt. Über diesen Wider­spruch hat die Beklag­te bis­lang nicht ent­schie­den.

Unter dem 04.01.2021 hat H1 für die Zeit vom 21.09.2020 bis 30.06.2021 häus­li­che Kran­ken­pfle­ge für den Kläger in Form einer medi­zi­nisch geschul­ten Beglei­tung Montag bis Don­ners­tag von 8:00 — 15:00 Uhr und frei­tags von 8:00 — 12:45 Uhr ver­ord­net. Maß­nah­men der Behand­lungs­pfle­ge sei das Essen wiegen und beglei­ten, Blut­zu­cker messen und die Pum­pen­über­wa­chung.

In der Zeit vom 06.01.2021 bis 10.02.2021 hat der Kläger auf Kosten der Deut­schen Ren­ten­ver­si­che­rung Baden-Würt­tem­berg eine sta­tio­nä­re Reha­bi­li­ta­ti­ons­maß­nah­me in der Fach­kli­nik P1 durch­ge­führt.

In einem wei­te­ren Ver­fah­ren auf einst­wei­li­gen Rechts­schutz (S 23 KR 604/21 ER) hat das SG die Beklag­te mit Beschluss vom 20.05.2021 erneut ver­pflich­tet, auch über den 15.02.2021 hinaus bis zum Ende des Schul­jah­res 2020/2021 vor­läu­fig die Kosten für die voll­um­fäng­li­che Beglei­tung des Klä­gers bei dessen Besuch der E Gemein­schafts­schu­le durch eine medi­zi­nisch geschul­te Fach­kraft zu über­neh­men, nach­dem P2 von der Fach­kli­nik P1 auf Nach­fra­ge des SG am 01.04.2021 mit­ge­teilt hatte, dass der Kläger seine Dia­be­tes­the­ra­pie nicht allei­ne mana­gen könne und hierzu auf Hilfe ange­wie­sen sei. Zwar könne der Kläger seinen Blut­zu­cker selbst messen, er könne jedoch keine kon­se­quen­te Hand­lung aus dem gemes­se­nen Wert ziehen. Der Besuch der Grund­schu­le sei ohne medi­zi­nisch geschul­te Beglei­tung nicht mög­lich.

Mit Urteil vom 20.07.2021 hat das SG die Beklag­te unter Auf­he­bung des Beschei­des vom 12.03.2020 in der Gestalt des Wider­spruchs­be­schei­des vom 22.06.2020 ver­pflich­tet, die Kosten für die medi­zi­nisch geschul­te Beglei­tung des Klä­gers für den Besuch der E Gemein­schafts­schu­le in S im Schul­jahr 2020/2021 mon­tags bis don­ners­tags von 08.00 Uhr bis 15.00 Uhr und frei­tags von 08.00 Uhr bis 12.45 Uhr zu über­neh­men. Die Klage sei zuläs­sig und begrün­det. Der Kläger habe gegen die Beklag­te einen Anspruch auf Über­nah­me der Kosten für eine medi­zi­nisch geschul­te Beglei­tung bei seinem Besuch der E Schule im Schul­jahr 2020/2021. Die Beklag­te sei im Außen­ver­hält­nis zum Kläger der allein zustän­di­ge Träger für die bean­trag­ten Leis­tun­gen. Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Sozi­al­ge­setz­buch Neun­tes Buch (SGB IX) stelle der erstan­ge­gan­ge­ne Reha­bi­li­ta­ti­ons­trä­ger, bei dem Leis­tun­gen zur Teil­ha­be bean­tragt seien, binnen zwei Wochen nach Ein­gang des Antrags bei ihm fest, ob er nach dem für ihn gel­ten­den Leis­tungs­ge­setz für die Leis­tung zustän­dig sei. Werde der Antrag nicht wei­ter­ge­lei­tet, stelle der erstan­ge­gan­ge­ne Reha­bi­li­ta­ti­ons­trä­ger den Reha­bi­li­ta­ti­ons­be­darf unver­züg­lich fest (§ 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX). Müsse für diese Fest­stel­lung kein Gut­ach­ten ein­ge­holt werden, ent­schei­de der leis­ten­de Reha­bi­li­ta­ti­ons­trä­ger inner­halb von drei Wochen nach Antrags­ein­gang (§ 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IX). Sei für die Fest­stel­lung des Reha­bi­li­ta­ti­ons­be­darfs ein Gut­ach­ten erfor­der­lich, werde die Ent­schei­dung inner­halb von zwei Wochen nach Vor­lie­gen des Gut­ach­tens getrof­fen (§ 14 Abs. 2 Satz 3 SGB IX). Werde der Antrag wei­ter­ge­lei­tet, gälten die Sätze 1 und 2 für den Reha­bi­li­ta­ti­ons­trä­ger, an den der Antrag wei­ter­ge­lei­tet worden ist, ent­spre­chend; die in Satz 2 genann­te Frist begin­ne mit dem Ein­gang bei diesem Reha­bi­li­ta­ti­ons­trä­ger (§ 14 Abs. 2 Satz 3 SGB IX). Die vom Kläger bei der Bei­gela­de­nen bean­trag­te Leis­tung einer Ein­glie­de­rungs­hil­fe zum Besuch der Grund­schu­le sei eine Leis­tung zur Teil­ha­be im Sinne des § 14 SGB IX. Aus­weis­lich der Ver­wal­tungs­ak­te der Beklag­ten sei ihr der Antrag vom 07.02.2020 auf Kos­ten­über­nah­me für eine Ein­glie­de­rungs­hil­fe zum Besuch der E Gesamt­schu­le von der Bei­gela­de­nen binnen zwei Wochen nach Ein­gang des Antrags wei­ter­ge­lei­tet worden. Damit habe die Beklag­te über den Anspruch des Klä­gers auf eine Beglei­tung zum Besuch der Grund­schu­le umfas­send zu ent­schei­den. Es könne vor­lie­gend dahin gestellt blei­ben, ob es sich bei der begehr­ten Leis­tung auch nach dem Leis­tungs­recht des Sozi­al­ge­setz­buch Fünf­tes Buch (SGB V) um eine Reha­bi­li­ta­ti­ons­leis­tung han­de­le; denn § 14 SGB IX gelte seiner Inten­ti­on nach auch in den Fällen, in denen eine Leis­tung bean­tragt werde, die von einem ande­ren in § 6 SGB IX genann­ten Träger als Reha­bi­li­ta­ti­ons­leis­tung zu erbrin­gen wäre, wenn wie hier der erstan­ge­gan­ge­ne Leis­tungs­trä­ger (hier der bei­gela­de­ne Sozi­al­hil­fe­trä­ger) jeden­falls Reha­bi­li­ta­ti­ons­trä­ger i.S. des § 6 SGB IX sei (unter Hin­weis auf Bun­des­so­zi­al­ge­richt , Urteil vom 29.09.2009 — B 8 SO 19/08 R -, in juris, Rn. 12). Hinzu komme, dass die Beklag­te ohne­hin ori­gi­när, d.h. ohne Anwen­dung des § 14 SGB IX, zustän­dig sei, wenn es sich um einen Fall der häus­li­chen Kran­ken­pfle­ge nach § 37 Abs. 2 SGB V han­de­le. Der Kläger erfül­le die Vor­aus­set­zun­gen für einen Anspruch auf häus­li­che Kran­ken­pfle­ge nach §§ 27 Abs. 1, 2 Nr. 4, 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V. Danach erhiel­ten Ver­si­cher­te in ihrem Haus­halt, ihrer Fami­lie oder sonst an einem geeig­ne­ten Ort, ins­be­son­de­re in betreu­ten Wohn­for­men, Schu­len und Kin­der­gär­ten, bei beson­ders hohem Pfle­ge­be­darf auch in Werk­stät­ten für behin­der­te Men­schen als häus­li­che Kran­ken­pfle­ge Behand­lungs­pfle­ge, wenn diese zur Siche­rung des Ziels der ärzt­li­chen Behand­lung erfor­der­lich sei (Behand­lungs­si­che­rungs­pfle­ge). In Richt­li­ni­en nach § 92 SGB V lege der Gemein­sa­me Bun­des­aus­schuss (GBA) fest, an wel­chen Orten und in wel­chen Fällen Leis­tun­gen nach den Absät­zen 1 und 2 auch außer­halb des Haus­halts und der Fami­lie des Ver­si­cher­ten erbracht werden könn­ten (§ 37 Abs. 6 SGB V). Der GBA habe in Umset­zung seiner gesetz­li­chen Ver­pflich­tung in der Häus­li­che Kran­ken­pfle­ge-Richt­li­nie (HKP-RL) vom 17.09.2009 (BAnz vom 09.02.2010, zuletzt geän­dert am 17.09.2020, BAnz AT 04.12.2020 B3) nähere Fest­le­gun­gen vor­ge­nom­men. Der kran­ken­ver­si­che­rungs­recht­li­che Anspruch auf häus­li­che Kran­ken­pfle­ge in Form der Behand­lungs­si­che­rungs­pfle­ge bestehe neben dem Anspruch auf Leis­tun­gen bei häus­li­cher Pflege aus der sozia­len Pfle­ge­ver­si­che­rung (§ 13 Abs. 2 Sozi­al­ge­setz­buch Elftes Buch ). Zur Behand­lungs­pfle­ge gehör­ten alle Pfle­ge­maß­nah­men, die durch bestimm­te Erkran­kun­gen erfor­der­lich würden, spe­zi­ell auf den Krank­heits­zu­stand des Ver­si­cher­ten aus­ge­rich­tet seien und dazu bei­trü­gen, die Krank­heit zu heilen, ihre Ver­schlim­me­rung zu ver­hü­ten oder Krank­heits­be­schwer­den zu ver­hin­dern oder zu lin­dern, wobei diese Maß­nah­men typi­scher­wei­se nicht von einem Arzt, son­dern von Ver­tre­tern medi­zi­ni­scher Hilfs­be­ru­fe oder auch von Laien erbracht würden. Die Hil­fe­leis­tun­gen umfass­ten Maß­nah­men ver­schie­dens­ter Art, wie z.B. Injek­tio­nen, Ver­band­wech­sel, Kathe­te­ri­sie­rung, Ein­läu­fe, Spü­lun­gen, Ein­rei­bun­gen, Deku­bi­tus­ver­sor­gung, Kri­sen­in­ter­ven­ti­on, Fest­stel­lung und Beob­ach­tung des jewei­li­gen Kran­ken­stan­des und der Krank­heits­ent­wick­lung, die Siche­rung not­wen­di­ger Arzt­be­su­che, die Medi­ka­men­ten­ga­be sowie die Kon­trol­le der Wir­kun­gen und Neben­wir­kun­gen von Medi­ka­men­ten (unter Hin­weis auf BSG, Urteil vom 10.11.2005 — B 3 KR 38/04 R -, in juris, Rn. 14 m.w.N.). Diese Art von Leis­tun­gen benö­ti­ge der Kläger. Die begehr­te Schul­be­glei­tung diene der Ver­sor­gung der Erkran­kung des Klä­gers, des Dia­be­tes mel­li­tus. Die Gewäh­rung regel­mä­ßi­ger Blut­zu­cker­mes­sun­gen und Insu­lin­ga­ben wäh­rend des Schul­be­suchs zu im Voraus bestimm­ten Zeiten genüge inso­weit nicht. Auf­grund der alters­ty­pisch schwan­ken­den Blut­zu­cker­wer­te infol­ge wech­seln­der kör­per­li­cher Akti­vi­tä­ten, unre­gel­mä­ßi­gem Tages­rhyth­mus und Infek­ten bestehe die Not­wen­dig­keit einer jeder­zei­ti­gen Inter­ven­ti­ons­mög­lich­keit. Der Kläger benö­ti­ge daher auch wäh­rend des Schul­be­suchs eine stän­di­ge Beob­ach­tung, damit in den jewei­li­gen, unvor­her­seh­bar auf­tre­ten­den Situa­tio­nen die geeig­ne­ten Maß­nah­men ergrif­fen würden, um Über- und Unter­zu­cke­run­gen zu ver­mei­den. Zur Hand­ha­bung all dessen sei der Kläger selbst­stän­dig und ohne Hilfe wegen seines Alters nicht in der Lage. Dies ergebe sich aus den Zeu­gen­aus­sa­gen der Leh­re­rin­nen W1 und H, des Schul­be­glei­ters G und der im Ver­fah­ren des einst­wei­li­gen Rechts­schut­zes S 23 KR 604/21 ER als sach­ver­stän­di­ge Zeugin gehör­ten P2 von der Fach­kli­nik P1. Diese hätten über­ein­stim­mend mit­ge­teilt, dass der Kläger seine Dia­be­tes­the­ra­pie nicht allei­ne mana­gen könne und hierzu auf Hilfe ange­wie­sen sei. So sei der Kläger zwar in der Lage, seinen Blut­zu­cker selbst zu messen, alters­be­dingt sei es ihm jedoch nicht mög­lich, Hand­lungs­not­wen­dig­kei­ten aus dem gemes­se­nen Wert zu ziehen und adäquat zu reagie­ren. Im ersten Schul­halb­jahr 2020/2021 sei es daher auch mehr­fach zu Situa­tio­nen star­ker Unter­zu­cke­rung gekom­men, die das sofor­ti­ge Ein­grei­fen des Schul­be­glei­ters G nötig gemacht hätten. Danach habe der Kläger Anspruch auf die Gewäh­rung von häus­li­cher Kran­ken­pfle­ge nicht nur im Umfan­ge der Blut­zu­cker­mes­sung und Insu­lin­ga­be, son­dern auch in Form der Kran­ken­be­ob­ach­tung wäh­rend des Schul­be­suchs. Maß­ge­bend sei hier­für, dass die Blut­zu­cker­mes­sung und Anpas­sung der Insu­lin­ga­be bei dem Kläger wäh­rend des Schul­be­suchs täg­lich zu unbe­stimm­ten Zeit­punk­ten nötig werde und die stän­di­ge Beob­ach­tung der gesund­heit­li­chen Situa­ti­on des Klä­gers wegen der Gefahr von gesund­heit­li­chen Kom­pli­ka­tio­nen und die hier­durch gege­be­ne Mög­lich­keit der jeder­zei­ti­gen Inter­ven­ti­on erfol­gen müsse (unter Hin­weis auf Lan­des­so­zi­al­ge­richt Baden-Würt­tem­berg, Beschluss vom 25.03.2021 — L 4 KR 3741/20 ER‑B -; LSG Baden- Würt­tem­berg, Beschluss vom 20.11.2019 — L 2 SO 3106/19 ER‑B -, beide in juris). Einen (dar­über­hin­aus­ge­hen­den) Anspruch auf Leis­tun­gen zur Teil­ha­be an Bil­dung als Ein­glie­de­rungs­hil­fe nach §§ 75, 90 Abs. 4, 112 Sozi­al­ge­setz­buch Zwölf­tes Buch (SGB XII) habe das SG nicht fest­zu­stel­len ver­mocht. Leis­tun­gen der Ein­glie­de­rungs­hil­fe erhiel­ten Per­so­nen nach § 53 Abs. 1 und 2 SGB XII und den §§ 1 bis 3 der Ein­glie­de­rungs­hil­fe-Ver­ord­nung. Nach § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII erhiel­ten Per­so­nen, die durch eine Behin­de­rung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX wesent­lich in ihrer Fähig­keit, an der Gesell­schaft teil­zu­ha­ben, ein­ge­schränkt oder von einer sol­chen wesent­li­chen Behin­de­rung bedroht seien, Leis­tun­gen der Ein­glie­de­rungs­hil­fe, wenn und solan­ge nach der Beson­der­heit des Ein­zel­fal­les, ins­be­son­de­re nach Art oder Schwe­re der Behin­de­rung, Aus­sicht bestehe, dass die Auf­ga­be der Ein­glie­de­rungs­hil­fe erfüllt werden könne. Beson­de­re Auf­ga­be der Teil­ha­be an Bil­dung als Ein­glie­de­rungs­hil­fe sei es, Leis­tungs­be­rech­tig­ten eine ihren Fähig­kei­ten und Leis­tun­gen ent­spre­chen­de Schul­bil­dung und schu­li­sche und hoch­schu­li­sche Aus- und Wei­ter­bil­dung für einen Beruf zur För­de­rung ihrer Teil­ha­be am Leben in der Gesell­schaft zu ermög­li­chen (§ 90 Abs. 4 SGB IX). Leis­tun­gen zur Teil­ha­be an Bil­dung umfass­ten nach § 112 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB IX Hilfen zu einer Schul­bil­dung, ins­be­son­de­re im Rahmen der all­ge­mei­nen Schul­pflicht und zum Besuch wei­ter­füh­ren­der Schu­len ein­schließ­lich der Vor­be­rei­tung hierzu; die Bestim­mun­gen über die Ermög­li­chung der Schul­bil­dung im Rahmen der all­ge­mei­nen Schul­pflicht blie­ben unbe­rührt. Die Hilfen nach Satz 1 Nr. 1 schlös­sen Leis­tun­gen zur Unter­stüt­zung schu­li­scher Ganz­tags­an­ge­bo­te in der offe­nen Form ein, die im Ein­klang mit dem Bil­dungs- und Erzie­hungs­auf­trag der Schule stün­den und unter deren Auf­sicht und Ver­ant­wor­tung aus­ge­führt würden, an den stun­den­plan­mä­ßi­gen Unter­richt anknüpf­ten und in der Regel in den Räum­lich­kei­ten der Schule oder in deren Umfeld durch­ge­führt würden. Hilfen nach Satz 1 Nr. 1 umfass­ten auch heil­päd­ago­gi­sche und sons­ti­ge Maß­nah­men, wenn die Maß­nah­men erfor­der­lich und geeig­net seien, der leis­tungs­be­rech­tig­ten Person den Schul­be­such zu ermög­li­chen oder zu erleich­tern (§ 112 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB IX). Bei dem Kläger liege eine Behin­de­rung i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX vor, da seine kör­per­li­che Funk­ti­on durch den Dia­be­tes mel­li­tus für länger als sechs Monate von dem für das Lebens­al­ter typi­schen Zustand abwei­che und daher dadurch seine Teil­ha­be am Leben in der Gesell­schaft, gerade auch beim Besuch der Schule, beein­träch­tigt sei. Dies sei zwi­schen den Betei­lig­ten nicht umstrit­ten. Der Anspruch aus § 112 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB IX umfas­se auch Leis­tun­gen der Schul­as­sis­tenz, soweit diese nicht im Kern­be­reich der päd­ago­gi­schen Arbeit lägen (Luthe, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, § 112 Rn. 45). Dass der Kläger sol­cher Leis­tun­gen bedür­fe, sei für die Kammer nicht ersicht­lich. Aus­weis­lich des Ent­las­sungs­be­rich­tes der Fach­kli­nik P1 vom 11.02.2021 bestün­den bei dem Kläger außer dem Dia­be­tes mel­li­tus Typ 1 keine Gesund­heits­stö­run­gen, welche Unter­stüt­zungs­maß­nah­men wäh­rend des Schul­be­suchs erfor­der­lich mach­ten. So habe der Kläger wäh­rend seines Auf­ent­hal­tes in der Reha­bi­li­ta­ti­ons­ein­rich­tung dort die schu­li­sche Not­be­treu­ung besucht und sich hier­bei stets freund­lich und auf­ge­schlos­sen gezeigt. Er habe sich von inne­ren und äuße­ren Stör­rei­zen selten ablen­ken lassen und habe seine Auf­merk­sam­keit über eine ange­mes­se­ne Zeit fokus­sie­ren können. Er habe sich lern­wil­lig gezeigt und habe ent­spre­chend seines Alters Lern­schrit­te gemein­sam mit der Lehr­kraft planen und selbst­stän­dig orga­ni­sie­ren können. Erwor­be­nes Wissen habe er häufig aus dem Gedächt­nis abru­fen und neue Inhalt zeit­wei­se ver­knüp­fen können. Er habe ein ange­mes­se­nes Sozi­al­ver­hal­ten gezeigt und ver­ein­bar­te Regeln stets ein­hal­ten können. Pro­ble­me im Schul­ver­lauf bzw. inter­kur­ren­te Erkran­kun­gen seien ver­neint worden. Dies werde durch die als Zeugen gehör­ten Leh­re­rin­nen des Klä­gers, Frau W1 und Frau H, bestä­tigt, welche über­ei­stim­mend ange­ge­ben hätten, dass der Kläger über eine alters­ge­mä­ße Ent­wick­lung ver­fü­ge, sich die Inter­ak­ti­on mit ihm unpro­ble­ma­tisch gestal­te und er gut in seiner Klasse inte­griert sei. Unter­schie­de bezüg­lich des Lern­ver­hal­tens zwi­schen dem Kläger und seinen Mit­schü­lern, die auf seiner Krank­heit beruh­ten, bestün­den nicht. Die Vor­aus­set­zun­gen für einen Anspruch auf Ein­glie­de­rungs­hil­fe zur Ermög­li­chung des Schul­be­su­ches seien damit nicht erfüllt. Ledig­lich ergän­zend sei aus­zu­füh­ren, dass die Zustän­dig­keit der Beklag­ten im Außen­ver­hält­nis zum Kläger auch inso­weit gege­ben wäre.

Gegen das ihr 02.08.2021 zuge­stell­te Urteil hat die Beklag­te am 17.08.2021 Beru­fung zum LSG Baden-Würt­tem­berg erho­ben.

Zur Begrün­dung führt sie wie­der­ho­lend und teil­wei­se ergän­zend aus, der Kläger habe für das Schul­jahr 2020/2021 zunächst keine ver­trags­ärzt­li­che Ver­ord­nung häus­li­cher Kran­ken­pfle­ge vor­ge­legt. Erst am 04.01.2021 habe H1 eine Ver­ord­nung häus­li­cher Kran­ken­pfle­ge aus­ge­stellt. Ohne ärzt­li­che Ver­ord­nung von Maß­nah­men der häus­li­chen Kran­ken­pfle­ge habe bereits aus diesem Grund für die Zeit vor dem 04.02.2021 (gemeint wohl: 04.01.2021) grund­sätz­lich kein Anspruch auf Leis­tun­gen der gesetz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rung in Form häus­li­cher Kran­ken­pfle­ge ent­ste­hen können. Zu Ent­glei­sun­gen des Blut­zu­cker­werts sei es zudem in den letz­ten Jahren nicht gekom­men. Unter­zu­cke­run­gen (Hypo­glyk­ämien) seien bis zur Auf­nah­me der Reha­bi­li­ta­ti­ons­maß­nah­me am 06.01.2021 ent­spre­chend der Aus­sa­ge der Ärzte der Reha­kli­nik im Ent­las­sungs­be­richt drei- bis fünf­mal pro Monat auf­ge­tre­ten. Eine schwe­re Hypo­glyk­ämie sei bei dem Kläger zuletzt im Sommer 2019 auf­ge­tre­ten. Kon­troll­maß­nah­men und ggf. mög­li­che Ände­run­gen der Insu­lin­pum­pen­ein­stel­lun­gen könn­ten vom Lehr­per­so­nal der Grund­schu­le vor­ge­nom­men werden. Die all­ge­mei­ne Kran­ken­be­ob­ach­tung gehöre nicht zu den Maß­nah­men der Kran­ken­be­hand­lung im Sinne des § 27 Abs. 1 SGB V. Ob nun ein Ver­trags­arzt eine Ver­ord­nung häus­li­cher Kran­ken­pfle­ge für das Schul­jahr 2020/2021 aus­ge­stellt habe und die Kran­ken­kas­se zur Erbrin­gung bestimm­ten Maß­nah­men der Kran­ken­be­hand­lung ver­pflich­tet habe, oder ob — wie im kon­kre­ten Fall des Klä­gers — zunächst kein Ver­trags­arzt eine Ver­ord­nung häus­li­cher Kran­ken­pfle­ge aus­ge­stellt und aus diesem Grund die Beklag­te nicht zur Erbrin­gung bestimm­ter Maß­nah­men der Kran­ken­be­hand­lung ver­pflich­tet sei, berüh­re nicht die zeit­glei­che Leis­tungs­ver­pflich­tung der Bei­gela­de­nen als Trä­ge­rin der Ein­glie­de­rungs­hil­fe für Maß­nah­men der Schul­be­glei­tung als Teil­ha­be­leis­tung. Für Leis­tun­gen der Teil­ha­be an der Schul­bil­dung sei die Bei­gela­de­ne allei­ni­ger und ein­zi­ger Reha­bi­li­ta­ti­ons­trä­ger. Diese Leis­tungs­pflicht als Teil­ha­be­trä­ger für Schul­bil­dung sei aus diesem Grund auch nicht nach­ran­gig gegen­über einer mög­li­chen Maß­nah­me der Kran­ken­be­hand­lung der Beklag­ten. Viel­mehr sei die Bei­gela­de­ne als Trä­ge­rin der Ein­glie­de­rungs­hil­fe — falls eine Leis­tungs­pflicht der Beklag­ten auf Maß­nah­men der Kran­ken­be­hand­lung im kon­kre­ten Fall des Klä­gers nicht bestehe — auch für die Leis­tun­gen der medi­zi­ni­schen Reha­bi­li­ta­ti­on, für die Kran­ken­be­hand­lungs­maß­nah­men, allein zustän­di­ger Reha­bi­li­ta­ti­ons­trä­ge­rin. Dies ergebe sich aus dem Beschluss des LSG Baden-Würt­tem­berg vom 12.12.2017 (- L 7 SO 3798/17 ER‑B -, in juris).

Die Beklag­te bean­tragt,

das Urteil des Sozi­al­ge­richts Stutt­gart vom 20.07.2021 auf­zu­he­ben und die Klage abzu­wei­sen.

Der Kläger bean­tragt,

die Beru­fung zurück­zu­wei­sen,

Er führt unter Vor­la­ge einer von H1 am 23.09.2020 aus­ge­stell­ten Ver­ord­nung häus­li­cher Kran­ken­pfle­ge für die Zeit vom 21.09.2020 bis 15.02.2021 aus, das ange­foch­te­ne Urteil sei recht­mä­ßig. Ihm stün­den die zuge­spro­che­nen Leis­tun­gen zu. Unab­hän­gig von der Frage, ob eine ver­trags­ärzt­li­che Ver­ord­nung unab­ding­ba­re Vor­aus­set­zung für die Gewäh­rung der häus­li­chen Kran­ken­pfle­ge sei, habe die Beklag­te mehr als ein halbes Jahr lang Zeit gehabt, darauf hin­zu­wei­sen, dass eine ver­trags­ärzt­li­che Ver­ord­nung erfor­der­lich sei. Dieser Hin­weis sei erst nach Bean­tra­gung der Wei­ter­be­wil­li­gung über den 15.02.2021 hinaus erfolgt. Dem­entspre­chend könne das Fehlen einer ver­trags­ärzt­li­chen Ver­ord­nung kei­nes­falls dazu führen, dass der Leis­tungs­an­spruch ins­ge­samt abge­lehnt werde. Zudem habe seine Mutter die im Beru­fungs­ver­fah­ren vor­ge­leg­te ärzt­li­che Ver­ord­nung vom 23.09.2020 für die Zeit vom 21.09.2020 bis 15.02.2021 bei der Kran­ken­kas­se zeit­nah abge­ge­ben. Den Akten­sei­ten 190, 196 und 206 der Anla­gen zum Schrift­satz vom 21.02.2022 sei zu ent­neh­men, dass ärzt­li­che Ver­ord­nun­gen für die Zeit vom 21.09.2020 bis zum Ende des Schul­jah­res 2020/2021 vor­lä­gen. Die Ver­ord­nun­gen seien am 23.09.2020, 07.01.2021 und 25.06.2021 bei der Beklag­ten ein­ge­gan­gen. Zudem ergebe sich aus dem von der Beklag­ten zur Begrün­dung her­an­ge­zo­ge­nen Beschluss des LSG Baden-Würt­tem­berg vom 12.12.2017 (- L 7 SO 3798/17 ER‑B -, in juris), dass der Sach­ver­halt nicht mit dem Vor­lie­gen­den ver­gleich­bar sei. Im dor­ti­gen Fall sei “der Antrag­stel­ler … alters­be­dingt und auch wegen einer Sprach­ent­wick­lungs­ver­zö­ge­rung, fein­mo­to­ri­schen Schwie­rig­kei­ten, einer moto­ri­schen Hyper­ak­ti­vi­tät sowie Schwie­rig­kei­ten bei der Impuls­kon­trol­le, in der Auf­merk­sam­keit und Kon­zen­tra­ti­on noch nicht in der Lage [gewe­sen], sein Befin­den hin­rei­chend sicher im Hin­blick auf dro­hen­de Unter- und Über­zu­cke­rung zu beob­ach­ten und ein­zu­schät­zen.” Genau diese, den dor­ti­gen vom hie­si­gen Fall unter­schei­den­de Pas­sa­ge, zitie­re die Beklag­te aus dem Beschluss nicht. Im Übri­gen habe der 7. Senat offen­ge­las­sen, ob dem dor­ti­gen Antrag­stel­ler ein über die von der bei­gela­de­nen Kran­ken­kas­se gewähr­ten Leis­tun­gen (3‑malige Blut­zu­cker­mes­sun­gen, Medi­ka­men­ten­ga­be und Injek­tio­nen je Werk­tag) hin­aus­ge­hen­der Anspruch auf Behand­lungs­si­che­rungs­pfle­ge nach § 37 Abs. 2 SGB V zuste­he. Die von der Beklag­ten genann­ten Maß­nah­men seien im dor­ti­gen Fall auf­grund der oben dar­ge­leg­ten Beein­träch­ti­gun­gen des dor­ti­gen Antrag­stel­lers erfor­der­lich gewe­sen. Die Fall­kon­stel­la­ti­on sei somit ins­ge­samt nicht ver­gleich­bar. Im Übri­gen sei die Beklag­te mitt­ler­wei­le — im Gegen­satz zu den Aus­füh­run­gen in erster Instanz — offen­bar der Auf­fas­sung, dass die Bei­gela­de­ne Leis­tun­gen zur Teil­ha­be zu erbrin­gen habe. Dem­entspre­chend sei die Bei­gela­de­ne ent­spre­chend des Hilfs­an­trags zu ver­ur­tei­len, sollte der Senat die Rechts­auf­fas­sung der Beklag­ten teilen. Jeden­falls stün­den dem Kläger die sei­tens des Sozi­al­ge­richts zuge­spro­che­nen Leis­tun­gen zu. Der Zustän­dig­keits­streit der betei­lig­ten Sozi­al­leis­tungs­trä­ger könne nicht auf dem Rücken des Klä­gers aus­ge­tra­gen werden.

Die Bei­gela­de­ne bean­tragt,

die Beru­fung der Beklag­ten zurück­zu­wei­sen.

Sie teile die Auf­fas­sung des SG und ver­wei­se zur Begrün­dung auf dessen Urteil. Das SG habe bei seiner Urteils­be­grün­dung auf die aktu­el­le Ent­schei­dung des LSG Baden-Würt­tem­berg (Beschluss vom 25.03.2021 — L 4 KR 3741/20 ER‑B -, in juris) Bezug genom­men, in dem die Ver­pflich­tung zur Gewäh­rung einer Beglei­tung für den Besuch der Grund­schu­le als häus­li­che Kran­ken­pfle­ge bestä­tigt worden sei. Das Fehlen einer Ver­ord­nung häus­li­cher Kran­ken­pfle­ge vor dem 04.01.2021 könne sei­tens der Beklag­ten nach Vor­la­ge der ent­spre­chen­den Ver­ord­nung nicht mehr gel­tend gemacht werden.

Einen wei­te­ren, unter Vor­la­ge einer ärzt­li­chen Ver­ord­nung für häus­li­che Kran­ken­pfle­ge am 17.11.2021 gestell­ten Ver­län­ge­rungs­an­trag auf Ein­glie­de­rungs­hil­fe ab 01.01.2022, hat die Beklag­te mit Bescheid vom 26.11.2021 abge­lehnt. Über den hier­ge­gen ein­ge­leg­ten Wider­spruch vom 14.12.2021 hat die Beklag­te bis­lang nicht ent­schie­den. Das SG hat die Beklag­te mitt­ler­wei­le im Ver­fah­ren S 18 KR 36/22 ER mit Beschluss vom 21.02.2022 ver­pflich­tet, dem Kläger für die Zeit vom 10.01.2022 bis zur Bestands­kraft des Bescheids vom 26.11.2021 — längs­tens bis zum 27.07.2022 — vor­läu­fig die Kosten für eine medi­zi­nisch geschul­te Beglei­tung des Klä­gers beim Besuch der E Gemein­schafts­schu­le in S mon­tags bis don­ners­tags von 8:00 Uhr bis 15:00 Uhr und frei­tags von 8:00 Uhr bis 12:45 Uhr zu über­neh­men. Der Kläger habe das Vor­lie­gen der Vor­aus­set­zun­gen für einen Anspruch auf häus­li­che Kran­ken­pfle­ge glaub­haft gemacht.

Die Bericht­erstat­te­rin hat den Sach- und Streit­stand mit den Betei­lig­ten am 27.01.2022 erör­tert. Im Termin haben die Betei­lig­ten ihr Ein­ver­ständ­nis damit bekun­det, dass der Streit­ge­gen­stand auf den Anspruch des Klä­gers auf Schul­be­glei­tung im Zeit­raum des Schul­jah­res 2020/2021 beschränkt werde.

Zu den wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des Sach- und Streit­stan­des wird auf die Gerichts­ak­te im Ver­fah­ren S 23 KR 2931/20, die Akten der Ver­fah­ren des einst­wei­li­gen Recht­schut­zes S 23 KR 2965/20 ER, S 23 KR 604/21 ER und S 18 KR 36/22 ER, die Senats­ak­te sowie auf die bei­gezo­ge­nen Akten der Beklag­ten Bezug genom­men.

Gründe

1. Die gemäß § 151 Abs. 1 Sozi­al­ge­richts­ge­setz (SGG) form- und frist­ge­recht erho­be­ne und gemäß § 143 SGG statt­haf­te Beru­fung der Beklag­ten ist auch im Übri­gen zuläs­sig. Die Beru­fung bedurf­te nicht der Zulas­sung, denn die Beschwer der Beklag­ten durch die vom SG aus­ge­spro­che­ne Ver­pflich­tung über­steigt 750,00 EUR (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).

2. Gegen­stand des Beru­fungs­ver­fah­rens ist der Bescheid der Beklag­ten vom 12.03.2020 in der Gestalt des Wider­spruchs­be­schei­des vom 22.06.2020, mit dem die Beklag­te die Über­nah­me der Kosten für eine Assis­tenz­kraft wäh­rend des Schul­be­suchs des Klä­gers ab dem Schul­jahr 2020/2021 abge­lehnt hat. Gegen­stand des Rechts­streits ist auch der wäh­rend des Kla­ge­ver­fah­rens ergan­ge­ne Bescheid vom 08.02.2021. Er han­delt sich inso­weit um einen abän­dern­den Ver­wal­tungs­akt, da er als Fol­ge­be­scheid auf den zeit­lich nicht beschränk­ten Dau­er­ver­wal­tungs­akt ergan­gen ist (BSG, Urteil vom 17.12.2015 — B 8 SO 14/14 R — Rn. 11; B. Schmidt in Meyer-Lade­wi­g/Kel­ler/­Leit­he­rer/B. Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020 § 96 Rn. 4a), wes­halb er kraft Geset­zes Gegen­stand des Kla­ge­ver­fah­rens gewor­den ist. Nicht Streit­ge­gen­stand ist, nach­dem sich die Betei­lig­ten im am 27.01.2022 durch­ge­führ­ten Erör­te­rungs­ter­min darauf geei­nigt haben, dass nur der Anspruch des Klä­gers auf Schul­be­glei­tung im Schul­jahr 2020/2021 in Streit ist, der Bescheid vom 26.11.2021, der Assis­tenz­leis­tun­gen für die Zeit ab 01.01.2022 betrifft.

3. Die so gefass­te Beru­fung der Beklag­ten ist nicht begrün­det. Das SG hat die Beklag­te zu Recht ver­pflich­tet, dem Kläger in dem ange­foch­te­nen Umfang als häus­li­che Kran­ken­pfle­ge eine Beglei­tung für den Besuch der Grund­schu­le im Schul­jahr 2020/2021 zu gewäh­ren.

a) Die Beklag­te war für die Bewil­li­gung der begehr­ten Leis­tung im Außen­ver­hält­nis gegen­über dem Kläger zustän­dig. Dies folgt aus § 14 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB IX (in der ab 01.01.2018 gel­ten­den Fas­sung vom 23.12.2016).

Werden Leis­tun­gen zur Teil­ha­be bean­tragt, stellt der Reha­bi­li­ta­ti­ons­trä­ger inner­halb von zwei Wochen nach Ein­gang des Antra­ges bei ihm fest, ob er nach dem für ihn gel­ten­den Leis­tungs­ge­setz für die Leis­tung zustän­dig ist; bei den Kran­ken­kas­sen umfasst die Prü­fung auch die Leis­tungs­pflicht nach § 40 Abs. 4 SGB V (Satz 1). Stellt er bei der Prü­fung fest, dass er für die Leis­tung ins­ge­samt nicht zustän­dig ist, leitet er den Antrag unver­züg­lich dem nach seiner Auf­fas­sung zustän­di­gen Reha­bi­li­ta­ti­ons­trä­ger zu und unter­rich­tet hier­über den Antrag­stel­ler (Satz 2). Wird der Antrag nicht wei­ter­ge­lei­tet, stellt der Reha­bi­li­ta­ti­ons­trä­ger nach § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX den Reha­bi­li­ta­ti­ons­be­darf anhand der Instru­men­te zur Bedarfs­er­mitt­lung nach § 13 SGB IX unver­züg­lich und umfas­send fest und erbringt die Leis­tun­gen (leis­ten­der Reha­bi­li­ta­ti­ons­trä­ger). Wird der Antrag wei­ter­ge­lei­tet, gelten nach Satz 4 der Rege­lung die Sätze 1 und 3 für den Reha­bi­li­ta­ti­ons­trä­ger, an den der Antrag wei­ter­ge­lei­tet worden ist, ent­spre­chend; die Frist beginnt mit dem Antrags­ein­gang bei diesem Reha­bi­li­ta­ti­ons­trä­ger.

Die vom Kläger bei der Bei­gela­de­nen am 07.02.2020 bean­trag­te Leis­tung einer Ein­glie­de­rungs­hil­fe zum Besuch der Grund­schu­le ist eine Leis­tung zur Teil­ha­be im Sinne des § 14 SGB IX. Die Bei­gela­de­ne lei­te­te diesen Antrag mit Schrei­ben vom 12.02.2020 an die Beklag­te weiter, weil sie sich nicht für zustän­dig hielt. Bei der Beklag­ten ging der Antrag am 18.12.2020 ein. Durch diese Wei­ter­lei­tung inner­halb von zwei Wochen wurde die Beklag­te im Außen­ver­hält­nis zum Kläger im Wege einer auf­drän­gen­den Ver­wei­sung end­gül­tig und abschlie­ßend zustän­dig (BSG, Urteil vom 11.05.2011 — B 5 R 54/10 R -, in juris, Rn. 31; Ulrich, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, Stand 15.01.2018, § 14 Rn. 88 mit zahl­rei­chen Hin­wei­sen auf die höchst­rich­ter­li­che Recht­spre­chung). Inhalt­lich bewirk­te die Wei­ter­lei­tung, dass sich die Leis­tungs­pflicht der Beklag­ten als zweit­an­ge­gan­ge­ne Trä­ge­rin nicht mehr allein nach ihren Leis­tungs­ge­set­zen und der nach dem geglie­der­ten System vor­ge­ge­be­nen mate­ri­ell-recht­li­chen Zustän­dig­keit bestimm­te, son­dern in Durch­bre­chung von § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IX auf alle Anspruchs­grund­la­gen des SGB erstreck­te, die in der jewei­li­gen Bedarfs­si­tua­ti­on über­haupt in Betracht kamen. Ein­ge­schlos­sen war hier­bei auch das Leis­tungs­recht des erstan­ge­gan­ge­nen Trä­gers.

Der dem Bescheid vom 08.02.2021 unter Vor­la­ge einer ärzt­li­chen Ver­ord­nung für häus­li­che Kran­ken­pfle­ge vom 04.01.2021 zugrun­de­lie­gen­de Ver­län­ge­rungs­an­trag auf Ein­glie­de­rungs­hil­fe war nicht als neuer Antrag im Sinne von § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IX zu werten. Denn der Kläger machte mit diesen der Sache nach keinen neuen Reha­bi­li­ta­ti­ons­be­darf gel­tend. Bei unver­än­der­ter Erkran­kung begehr­te er viel­mehr die Fort­set­zung der im Ver­lauf des Schul­jah­res gewähr­ten Schul­be­glei­tung auch für die Zeit nach dem 15.02.2021. Denn das SG hatte die Beklag­te mit Beschluss vom 20.08.2020 im Wege der einst­wei­li­gen Anord­nung nur ver­pflich­tet, vor­läu­fig die Kosten für die voll­um­fäng­li­che Beglei­tung des Klä­gers bei dessen Besuch der E Gemein­schafts­schu­le durch eine medi­zi­nisch geschul­te Fach­kraft bis zum Abschluss der Haupt­sa­che, längs­tens jedoch bis zum 15.02.2021 zu über­neh­men (S 23 2965/20 ER).

b) Das SG hat zu Recht auch in der Sache einen Anspruch des Klä­gers gegen die Beklag­te bejaht. Der Kläger kann die begehr­te Beglei­tung als Hilfe zur häus­li­chen Kran­ken­pfle­ge bean­spru­chen (dazu aa). Ein Anspruch auf Leis­tun­gen zur Teil­ha­be an Bil­dung als Ein­glie­de­rungs­hil­fe kommt für den Kläger nach §§ 75, 90 Abs. 4, 112 SGB IX dem­ge­gen­über nicht in Betracht (dazu bb).

aa) Der Kläger erfüllt die Vor­aus­set­zun­gen für einen Anspruch auf häus­li­che Kran­ken­pfle­ge nach §§ 27 Satz 1, 2 Nr. 4, 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V. Danach erhal­ten Ver­si­cher­te in ihrem Haus­halt, ihrer Fami­lie oder sonst an einem geeig­ne­ten Ort, ins­be­son­de­re in betreu­ten Wohn­for­men, Schu­len und Kin­der­gär­ten, bei beson­ders hohem Pfle­ge­be­darf auch in Werk­stät­ten für behin­der­te Men­schen als häus­li­che Kran­ken­pfle­ge Behand­lungs­pfle­ge, wenn diese zur Siche­rung des Ziels der ärzt­li­chen Behand­lung erfor­der­lich ist (Behand­lungs­si­che­rungs­pfle­ge). In Richt­li­ni­en nach § 92 SGB V legt der GBA fest, an wel­chen Orten und in wel­chen Fällen Leis­tun­gen nach den Absät­zen 1 und 2 auch außer­halb des Haus­halts und der Fami­lie des Ver­si­cher­ten erbracht werden können (§ 37 Abs. 6 SGB V). Der GBA hat in Umset­zung seiner gesetz­li­chen Ver­pflich­tung in der HKP-RL vom 17.09.2009 (BAnz vom 09.02.2010, zuletzt geän­dert am 17.09.2020, BAnz AT 04.12.2020 B3) nähere Fest­le­gun­gen vor­ge­nom­men. Der kran­ken­ver­si­che­rungs­recht­li­che Anspruch auf häus­li­che Kran­ken­pfle­ge in Form der Behand­lungs­si­che­rungs­pfle­ge besteht neben dem Anspruch auf Leis­tun­gen bei häus­li­cher Pflege aus der sozia­len Pfle­ge­ver­si­che­rung (§ 13 Abs. 2 SGB XI). Zur Behand­lungs­pfle­ge gehö­ren alle Pfle­ge­maß­nah­men, die durch bestimm­te Erkran­kun­gen erfor­der­lich werden, spe­zi­ell auf den Krank­heits­zu­stand des Ver­si­cher­ten aus­ge­rich­tet sind und dazu bei­tra­gen, die Krank­heit zu heilen, ihre Ver­schlim­me­rung zu ver­hü­ten oder Krank­heits­be­schwer­den zu ver­hin­dern oder zu lin­dern, wobei diese Maß­nah­men typi­scher­wei­se nicht von einem Arzt, son­dern von Ver­tre­tern medi­zi­ni­scher Hilfs­be­ru­fe oder auch von Laien erbracht werden. Die Hil­fe­leis­tun­gen umfas­sen Maß­nah­men ver­schie­dens­ter Art, wie z.B. Injek­tio­nen, Ver­band­wech­sel, Kathe­te­ri­sie­rung, Ein­läu­fe, Spü­lun­gen, Ein­rei­bun­gen, Deku­bi­tus­ver­sor­gung, Kri­sen­in­ter­ven­ti­on, Fest­stel­lung und Beob­ach­tung des jewei­li­gen Kran­ken­stan­des und der Krank­heits­ent­wick­lung, die Siche­rung not­wen­di­ger Arzt­be­su­che, die Medi­ka­men­ten­ga­be sowie die Kon­trol­le der Wir­kun­gen und Neben­wir­kun­gen von Medi­ka­men­ten (BSG, Urteil vom 10.11.2005 — B 3 KR 38/04 R -, in juris, Rn. 14 m.w.N.).

Ent­spre­chen­de Leis­tun­gen benö­tigt der Kläger. Die begehr­te Schul­be­glei­tung dient der Ver­sor­gung der beim Kläger vor­lie­gen­den Erkran­kung, des Dia­be­tes mel­li­tus. Inso­weit genügt die Gewäh­rung regel­mä­ßi­ger Blut­zu­cker­mes­sun­gen und Insu­lin­ga­ben wäh­rend des Schul­be­suchs zu im Voraus bestimm­ten Zeiten nicht. Auf­grund der alters­ty­pisch schwan­ken­den Blut­zu­cker­wer­te infol­ge wech­seln­der kör­per­li­cher Akti­vi­tä­ten, unre­gel­mä­ßi­gem Tages­rhyth­mus und Infek­ten besteht die Not­wen­dig­keit einer jeder­zei­ti­gen Inter­ven­ti­ons­mög­lich­keit. Folg­lich benö­tigt der Kläger daher auch wäh­rend des Schul­be­suchs eine stän­di­ge Beob­ach­tung, damit in den jewei­li­gen, unvor­her­seh­bar auf­tre­ten­den Situa­tio­nen die geeig­ne­ten Maß­nah­men ergrif­fen werden, um Über- und Unter­zu­cke­run­gen zu ver­mei­den. Hierzu ist der Kläger wegen seines Alters selbst­stän­dig und ohne Hilfe nicht in der Lage. Davon ist das SG zutref­fend aus­ge­gan­gen. Inso­weit sieht der Senat von einer wei­te­ren ein­ge­hen­den Dar­stel­lung der Ent­schei­dungs­grün­de ab, und ver­weist auf die zutref­fen­den Aus­füh­run­gen der ange­foch­te­nen Ent­schei­dung (§ 153 Abs. 2 SGG).

In Anwen­dung dieser Grund­sät­ze ist der Senat davon über­zeugt, dass der Kläger gegen die Beklag­te einen Anspruch auf die Gewäh­rung von häus­li­cher Kran­ken­pfle­ge nicht nur im Umfang der Blut­zu­cker­mes­sung und Insu­lin­ga­be hat, son­dern auch in Form der Kran­ken­be­ob­ach­tung wäh­rend des Schul­be­suchs. Maß­ge­bend ist hier­für, dass die Blut­zu­cker­mes­sung und Anpas­sung der Insu­lin­ga­be beim Kläger wäh­rend des Schul­be­suchs täg­lich zu unbe­stimm­ten Zeit­punk­ten nötig wird und die stän­di­ge Beob­ach­tung der gesund­heit­li­chen Situa­ti­on des Klä­gers wegen der Gefahr von gesund­heit­li­chen Kom­pli­ka­tio­nen und die hier­durch gege­be­ne Mög­lich­keit der jeder­zei­ti­gen Inter­ven­ti­on erfol­gen muss (so bereits LSG Baden-Würt­tem­berg, Beschluss vom 20.11.2019 — L 2 SO 3106/19 ER‑B — und Beschluss vom 25.03.2021 — L 4 KR 3741/20 ER‑B -, beide in juris).

Soweit die Beklag­te gestützt auf den Beschluss des LSG Baden-Würt­tem­berg vom 12.12.2017 (L 7 SO 3798/17 ER‑B, in juris) davon aus­geht, die Bei­gela­de­ne sei als Trä­ge­rin der Ein­glie­de­rungs­hil­fe — falls eine Leis­tungs­pflicht der Beklag­ten auf Maß­nah­men der Kran­ken­be­hand­lung im kon­kre­ten Fall des Klä­gers nicht bestehe — auch für die Leis­tun­gen der medi­zi­ni­schen Reha­bi­li­ta­ti­on, für die Kran­ken­be­hand­lungs­maß­nah­men, allein zustän­di­ge Reha­bi­li­ta­ti­ons­trä­ge­rin, kann ihr nicht zuge­stimmt werden. Dies lässt sich dem genann­ten Beschluss nicht ent­neh­men. Zudem liegt der Ent­schei­dung ein ande­rer Sach­ver­halt zugrun­de. Denn im dor­ti­gen Fall war der Antrag­stel­ler zusätz­lich zu seiner Dia­be­tes mel­li­tus Erkran­kung alters­be­dingt und auch wegen einer Sprach­ent­wick­lungs­ver­zö­ge­rung, fein­mo­to­ri­schen Schwie­rig­kei­ten, einer moto­ri­schen Hyper­ak­ti­vi­tät sowie Schwie­rig­kei­ten bei der Impuls­kon­trol­le, in der Auf­merk­sam­keit und Kon­zen­tra­ti­on noch nicht in der Lage gewe­sen, sein Befin­den hin­rei­chend sicher im Hin­blick auf dro­hen­de Unter- und Über­zu­cke­rung zu beob­ach­ten und ein­zu­schät­zen. Daher hat der dort zustän­di­ge Senat vor­läu­fig Leis­tun­gen der Ein­glie­de­rungs­hil­fe gewährt. Im Übri­gen kann der Kläger hier die begehr­te Beglei­tung als Hilfe zur häus­li­chen Kran­ken­pfle­ge bean­spru­chen (dazu aa). Inso­weit ver­kennt die Beklag­te, dass das Begeh­ren des Klä­gers nicht einer­seits auf die Gewäh­rung von Blut­zu­cker­kon­trol­len und Insu­lin­ga­ben im Rahmen der häus­li­chen Kran­ken­pfle­ge und ande­rer­seits auf eine Beglei­tung zu seiner Beob­ach­tung, jeweils wäh­rend des Schul­be­suchs, gerich­tet ist. Die begehr­te Leis­tung ver­eint und ver­zahnt diese Leis­tun­gen, indem die Begleit­per­son wäh­rend des Schul­be­suchs einer­seits die regel­mä­ßig erfor­der­li­chen Blut­zu­cker­kon­trol­len und Insu­lin­ga­ben über­nimmt, glei­cher­ma­ßen aber auch in Son­der­si­tua­tio­nen, wie bei­spiels­wei­se vor dem Schul­sport oder län­ge­ren Aus­flü­gen, und gerade auch bei unvor­her­seh­bar auf­tre­ten­den Sym­pto­men einer Über- oder Unter­zu­cke­rung Blut­zu­cker­mes­sun­gen durch­führt und nach Inter­pre­ta­ti­on der Blut­zu­cker­wer­te die ent­spre­chen­de Insulin­do­sis ver­ab­reicht (vgl. LSG Baden-Würt­tem­berg, Beschluss vom 25.03.2021 – L 4 KR 3741/20 ER‑B -, in juris).

Die Beklag­te geht fehl in der Annah­me, ein Anspruch auf häus­li­che Kran­ken­pfle­ge in Form der Schul­be­glei­tung schei­te­re am recht­zei­ti­gen Vor­le­gen der hierzu erfor­der­li­chen ärzt­li­chen Ver­ord­nun­gen. Diese wurden aus­weis­lich der Ver­wal­tungs­ak­te der Beklag­ten (Bl. 190, 196 und 206 der Anla­gen zum Schrift­satz der Beklag­ten vom 21.02.2022) für die Zeit vom 21.09.2020 bis zum Ende des Schul­jah­res 2020/2021 vor­ge­legt. Die Ver­ord­nun­gen sind danach am 23.09.2020, 07.01.2021 und 25.06.2021 bei der Beklag­ten ein­ge­gan­gen.

bb) Ein Anspruch auf Leis­tun­gen zur Teil­ha­be an Bil­dung als Ein­glie­de­rungs­hil­fe kommt für den Kläger nach §§ 75, 90 Abs. 4, 112 SGB IX nicht in Betracht.

Leis­tun­gen der Ein­glie­de­rungs­hil­fe erhal­ten Per­so­nen nach § 53 Abs. 1 und 2 SGB XII und den §§ 1 bis 3 der Ein­glie­de­rungs­hil­fe-Ver­ord­nung in der am 31.12.2019 gel­ten­den Fas­sung (§ 99 SGB IX in der ab 01.01.2020 gel­ten­den Fas­sung vom 23.12.2016). Nach § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII in der bis 31.12.2019 gel­ten­den Fas­sung erhal­ten Per­so­nen, die durch eine Behin­de­rung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX wesent­lich in ihrer Fähig­keit, an der Gesell­schaft teil­zu­ha­ben, ein­ge­schränkt oder von einer sol­chen wesent­li­chen Behin­de­rung bedroht sind, Leis­tun­gen der Ein­glie­de­rungs­hil­fe, wenn und solan­ge nach der Beson­der­heit des Ein­zel­fal­les, ins­be­son­de­re nach Art oder Schwe­re der Behin­de­rung, Aus­sicht besteht, dass die Auf­ga­be der Ein­glie­de­rungs­hil­fe erfüllt werden kann. Beson­de­re Auf­ga­be der Teil­ha­be an Bil­dung als Ein­glie­de­rungs­hil­fe ist es, Leis­tungs­be­rech­tig­ten eine ihren Fähig­kei­ten und Leis­tun­gen ent­spre­chen­de Schul­bil­dung und schu­li­sche und hoch­schu­li­sche Aus- und Wei­ter­bil­dung für einen Beruf zur För­de­rung ihrer Teil­ha­be am Leben in der Gesell­schaft zu ermög­li­chen (§ 90 Abs. 4 SGB IX). Leis­tun­gen zur Teil­ha­be an Bil­dung umfas­sen nach § 112 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB IX Hilfen zu einer Schul­bil­dung, ins­be­son­de­re im Rahmen der all­ge­mei­nen Schul­pflicht und zum Besuch wei­ter­füh­ren­der Schu­len ein­schließ­lich der Vor­be­rei­tung hierzu; die Bestim­mun­gen über die Ermög­li­chung der Schul­bil­dung im Rahmen der all­ge­mei­nen Schul­pflicht blei­ben unbe­rührt. Die Hilfen nach Satz 1 Nr. 1 schlie­ßen Leis­tun­gen zur Unter­stüt­zung schu­li­scher Ganz­tags­an­ge­bo­te in der offe­nen Form ein, die im Ein­klang mit dem Bil­dungs- und Erzie­hungs­auf­trag der Schule stehen und unter deren Auf­sicht und Ver­ant­wor­tung aus­ge­führt werden, an den stun­den­plan­mä­ßi­gen Unter­richt anknüp­fen und in der Regel in den Räum­lich­kei­ten der Schule oder in deren Umfeld durch­ge­führt werden. Hilfen nach Satz 1 Nr. 1 umfas­sen auch heil­päd­ago­gi­sche und sons­ti­ge Maß­nah­men, wenn die Maß­nah­men erfor­der­lich und geeig­net sind, der leis­tungs­be­rech­tig­ten Person den Schul­be­such zu ermög­li­chen oder zu erleich­tern (§ 112 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB IX). Ein Bei­trag aus eige­nem Ein­kom­men oder Ver­mö­gen – des Klä­gers oder seiner Eltern – ist bei Leis­tun­gen nach § 112 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB IX nicht zu erbrin­gen (§§ 138 Abs. 1 Nr. 4, 140 Abs. 3 SGB IX).

Eine Behin­de­rung i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX liegt beim Kläger vor, da seine kör­per­li­che Funk­ti­on durch den Dia­be­tes mel­li­tus für länger als sechs Monate von dem für das Lebens­al­ter typi­schen Zustand abweicht und daher dadurch seine Teil­ha­be am Leben in der Gesell­schaft, gerade auch beim Besuch der Schule, beein­träch­tigt ist. Der Anspruch aus § 112 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB IX umfasst auch Leis­tun­gen der Schul­as­sis­tenz, soweit diese nicht im Kern­be­reich der päd­ago­gi­schen Arbeit liegen (Luthe, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 3. Aufl., Stand Novem­ber 2020, § 112 Rn. 45).

Ebenso wie das SG ist aber auch der Senat davon über­zeugt, dass der Kläger Leis­tun­gen dieser Art nicht benö­tigt. Der Kläger ver­fügt über eine alters­ge­mä­ße Ent­wick­lung, die Inter­ak­ti­on mit ihm gestal­tet sich unpro­ble­ma­tisch und er ist gut in seine Klasse inte­griert. Unter­schie­de bezüg­lich des Lern­ver­hal­tens zwi­schen dem Kläger und seinen Mit­schü­lern, die auf seiner Krank­heit, dem Dia­be­tes mel­li­tus, beru­hen, bestehen nicht. Die Vor­aus­set­zun­gen für einen Anspruch auf Ein­glie­de­rungs­hil­fe zur Ermög­li­chung des Schul­be­su­ches sind damit nicht erfüllt. Auch inso­weit sieht der Senat von einer wei­te­ren ein­ge­hen­den Dar­stel­lung der Ent­schei­dungs­grün­de ab, und ver­weist auf die zutref­fen­den Aus­füh­run­gen der ange­foch­te­nen Ent­schei­dung (§ 153 Abs. 2 SGG).

4. Die Kos­ten­ent­schei­dung beruht auf § 193 SGG.

5. Gründe, die Revi­si­on zuzu­las­sen, liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).