Leit­sät­ze

  1. Bei einem ein­heit­li­chen Leis­tungs­fall hat der nach §14 Abs. 1 SGB IX ursprüng­lich leis­ten­de Träger über den Ver­län­ge­rungs­an­trag zu ent­schei­den. Eine Wei­ter­lei­tung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IX schei­det in diesem Fall aus.
  2. Die wegen einer Dia­be­tes-Erkran­kung benö­tig­te Beglei­tung beim Schul­be­such stellt — jeden­falls solan­ge es sich um den Besuch der Grund­schu­le han­delt — einen ein­heit­li­chen Leis­tungs­fall dar.

Tenor

Die Beschwer­de der Antrags­geg­ne­rin gegen den Beschluss des Sozi­al­ge­richts Ulm vom 2. Novem­ber 2020 wird zurück­ge­wie­sen.

Die Antrags­geg­ne­rin trägt auch die außer­ge­richt­li­chen Kosten des Antrag­stel­lers im Beschwer­de­ver­fah­ren. Im Übri­gen sind außer­ge­richt­li­che Kosten im Beschwer­de­ver­fah­ren nicht zu erstat­ten.

Gründe

I.

Zwi­schen den Betei­lig­ten ist die Gewäh­rung einer Beglei­tung für den Schul­be­such des Antrag­stel­lers strei­tig.

Der 2012 gebo­re­ne Antrag­stel­ler ist bei der Antrags­geg­ne­rin fami­li­en­ver­si­chert. Er leidet an einem im Febru­ar 2018 dia­gnos­ti­zier­ten Dia­be­tes mel­li­tus. Er ist mit einer Insu­lin­pum­pe und einem Flash Glu­co­se Moni­to­ring (FGM)-System ver­sorgt, mit dem eine kon­ti­nu­ier­li­che Glu­co­se­mes­sung erfolgt. Die Insu­lin­the­ra­pie erfolgt durch regel­mä­ßi­ge Mes­sun­gen bzw. Able­sun­gen des Blut­zu­ckers vor und nach den Mahl­zei­ten, die Errech­nung der erfor­der­li­chen Insulin­do­sis anhand des Koh­len­hy­drat­ge­halts der Mahl­zeit und des aktu­el­len Blut­zu­ckers, die Abgabe der errech­ne­ten Insu­lin­men­ge über die Insu­lin­pum­pe sowie durch zusätz­li­che Mes­sun­gen des Blut­zu­ckers und dessen Inter­pre­ta­ti­on in Son­der­si­tua­tio­nen, wie bspw. bei Sym­pto­men einer Über- oder Unter­zu­cke­rung, vor dem Schul­sport, län­ge­ren Aus­flü­gen oder akut ein­set­zen­den Erkran­kun­gen. Beim Antrag­stel­ler wurde dar­über hinaus eine Auf­merk­sam­keits­de­fi­zit (hyperaktivitäts)störung AD(H)S fest­ge­stellt. Die bei der Antrags­geg­ne­rin errich­te­te Pfle­ge­kas­se stufte den Antrag­stel­ler in Pfle­ge­grad 2 ein. Es ist ein Grad der Behin­de­rung (GdB) von 60 sowie das Merk­zei­chen H fest­ge­stellt.

Der Antrag­stel­ler besucht seit April 2019 die R.-Grundschule in U.-G.. Nach Schul­ein­tritt wurde im Laufe des ersten Schul­jah­res deut­lich, dass der Antrag­stel­ler mit der Bewäl­ti­gung der im Rahmen der Insu­lin­the­ra­pie erfor­der­li­chen Maß­nah­men über­for­dert war. Durch seinen Vater bean­trag­te er am 19. August 2019 des­halb bei der Bei­gela­de­nen, ihm im Rahmen des Schul­be­suchs für das im Sep­tem­ber 2019 begin­nen­de 2. Schul­jahr eine Beglei­tung zu gewäh­ren. Zur Begrün­dung führte er aus, sein Blut­zu­cker sei schwer ein­stell­bar und in der Schule komme es immer wieder zu Pro­ble­men mit der Blut­zu­cker­mes­sung und der ent­spre­chen­den Insu­lin­ga­be, wes­halb er bereits mehr­fach den Unter­richt vor­zei­tig habe ver­las­sen müssen. Ein inso­weit geschul­ter Lehrer sei an der Schule nicht vor­han­den. Die Klas­sen­leh­re­rin halte eine Schul­be­glei­tung für sinn­voll. Mit Schrei­ben vom 23. August 2019 lei­te­te die Bei­gela­de­ne diesen Antrag gemäß § 14 Neun­tes Buch Sozi­al­ge­setz­buch (SGB IX) an die Antrags­geg­ne­rin mit dem Hin­weis weiter, bean­tragt werde aus ihrer Sicht Behand­lungs­pfle­ge und ggf. Behand­lungs­si­che­rungs­pfle­ge. Da die Not­wen­dig­keit einer päd­ago­gi­schen Hilfe nicht erkenn­bar sei, falle der Antrag nicht in ihren Zustän­dig­keits­be­reich. Nach Vor­la­ge der “Ver­ord­nung häus­li­cher Kran­ken­pfle­ge” des Prof. Dr. W., Klinik für Kinder- und Jugend­me­di­zin des Uni­ver­si­täts­kli­ni­kums U., vom 27. August 2019 für den Zeit­raum vom 1. Sep­tem­ber 2019 bis 31. Juli 2020 und einer ärzt­li­chen Stel­lung­nah­me des PD Dr. D., Ober­arzt in der genann­ten Klinik, wandte sich die Antrags­geg­ne­rin im Rahmen der Prü­fung der Anspruchs­vor­aus­set­zun­gen mit ergän­zen­den Fragen an die behan­deln­den Ärzte (Schrei­ben vom 11. Sep­tem­ber 2019), die sich trotz mehr­fa­cher tele­fo­ni­scher Erin­ne­run­gen nicht äußer­ten.

Am 25. Sep­tem­ber 2019 bean­trag­te der Antrag­stel­ler beim Sozi­al­ge­richt U. (SG; S 16 KR 3397/19 ER), die Antrags­geg­ne­rin im Wege der einst­wei­li­gen Anord­nung zu ver­pflich­ten, ihm eine Schul­be­glei­tung zu gewäh­ren. Die Antrags­geg­ne­rin trat dem Antrag ent­ge­gen. Gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 Fünf­tes Buch Sozi­al­ge­setz­buch (SGB V) erhiel­ten Ver­si­cher­te in ihrem Haus­halt oder ihrer Fami­lie als häus­li­che Kran­ken­pfle­ge Behand­lungs­pfle­ge, wenn diese zur Siche­rung des Ziels der ärzt­li­chen Behand­lung erfor­der­lich sei. Nach Nr. 24 des Leis­tungs­ver­zeich­nis­ses zu der “Richt­li­nie des Gemein­sa­men Bun­des­aus­schus­ses über die Ver­ord­nung häus­li­cher Kran­ken­pfle­ge” (Häus­li­che Kran­ken­pfle­ge-Richt­li­nie, HKP-RL) sei eine spe­zi­el­le Kran­ken­be­ob­ach­tung ver­ord­nungs­fä­hig, wenn mit hoher Wahr­schein­lich­keit sofor­ti­ge pflegerische/ärztliche Inter­ven­ti­on bei lebens­be­droh­li­chen Situa­tio­nen täg­lich erfor­der­lich sei und nur die genau­en Zeit­punk­te und das genaue Ausmaß nicht im Voraus bestimmt werden könn­ten. Diese Vor­aus­set­zun­gen seien beim Antrag­stel­ler nicht gege­ben. Die Über­nah­me der Kosten für den Ein­satz einer Schul­be­glei­tung falle gemäß §§ 53, 54 Zwölf­tes Buch Sozi­al­ge­setz­buch (SGB XII) aus­schließ­lich in den Zustän­dig­keits­be­reich der Bei­gela­de­nen. Die Bei­gela­de­ne ver­trat die Auf­fas­sung, die Zustän­dig­keit der Antrags­geg­ne­rin sei begrün­det, da von einer Behand­lungs- und Behand­lungs­si­che­rungs­pfle­ge aus­zu­ge­hen sei.

Mit Beschluss vom 12. Novem­ber 2019 ver­pflich­te­te das SG die Antrags­geg­ne­rin, dem Antrag­stel­ler vor­läu­fig bis zum 31. Juli 2020, längs­tens aber bis zu einer bestands­kräf­ti­gen Ent­schei­dung über den Antrag vom 19. August 2019, Behand­lungs­pfle­ge als häus­li­che Kran­ken­pfle­ge für den Besuch der Grund­schu­le zu gewäh­ren. Rechts­grund­la­ge für den gel­tend gemach­ten Anspruch sei § 37 Abs. 2 Satz 1 HS 1 SGB V. Die Blut­zu­cker­mes­sun­gen und die dabei not­wen­di­gen Insu­lin­ga­ben seien als Behand­lungs­pfle­ge zu qua­li­fi­zie­ren und bei der Beob­ach­tung des Antrag­stel­lers sowie der Über­wa­chung des Sen­sors und der Insu­lin­pum­pe han­de­le es sich aus­schließ­lich um eine Leis­tung der medi­zi­ni­schen Reha­bi­li­ta­ti­on, näm­lich der Behand­lungs­si­che­rungs­pfle­ge. Sämt­li­che Leis­tun­gen der Assis­tenz bzw. Schul­be­glei­tung setz­ten daran an, die Dia­be­tes­er­kran­kung des Antrag­stel­lers aus­zu­glei­chen und ihre Ver­schlim­me­rung zu ver­hü­ten. Die begehr­te Maß­nah­me diene nicht unmit­tel­bar dem Ziel der Ein­glie­de­rungs­hil­fe, sozia­le Folgen einer Behin­de­rung zu besei­ti­gen oder zu mil­dern. Letzt­lich könne jedoch dahin­ge­stellt blei­ben, ob der Anspruch aus § 37 Abs. 2 SGB V her­zu­lei­ten sei. Denn die Antrags­geg­ne­rin sei gemäß § 14 SGB IX für die Leis­tungs­er­brin­gung zustän­dig, auch wenn der Anspruch auf Assis­tenz wäh­rend des Schul­be­suchs als Leis­tung der Ein­glie­de­rungs­hil­fe gemäß §§ 53 ff. SGB XII anzu­se­hen wäre.

Eine Ent­schei­dung über den Antrag des Antrag­stel­lers vom 19. August 2019 traf die Antrags­geg­ne­rin nach­fol­gend nicht.

Aus­gangs­punkt des vor­lie­gen­den Ver­fah­rens ist der vom Vater des Antrag­stel­lers mit Schrei­ben vom 8. August 2020 bei der Antrags­geg­ne­rin gestell­te wei­te­re Antrag (“Erneu­ter Antrag Schul­be­glei­tung”), dem Antrag­stel­ler eine Schul­be­glei­tung zu gewäh­ren. Hierzu legte er die “Ver­ord­nung häus­li­cher Kran­ken­pfle­ge” des Prof. Dr. W. vom 14. Juli 2020 für die Zeit vom 14. Sep­tem­ber 2020 bis 31. Juli 2021 vor, mit der dieser die Medi­ka­men­ten­ga­be (Insu­lin­ver­sor­gung über Insu­lin­pum­pe) und die Blut­zu­cker­mes­sung, jeweils fünf­mal täg­lich sowie “Über­prü­fen der Insu­lin­pum­pen­funk­ti­on, Über­wa­chen der Mahl­zei­ten, Beur­tei­lung und Beob­ach­tung der Blut­zu­cker­ein­stel­lung” ver­ord­ne­te. Diesen Antrag lei­te­te die Antrags­geg­ne­rin mit Schrei­ben vom 12. August 2020 an die Bei­gela­de­ne weiter und führte aus, die bean­trag­ten behand­lungs­pfle­ge­ri­schen Ein­zel­leis­tun­gen (Blut­zu­cker­mes­sun­gen und Insu­lin­ga­ben) seien vor­aus­sicht­lich als Kas­sen­leis­tun­gen im Rahmen der häus­li­chen Kran­ken­pfle­ge mög­lich, eine ent­spre­chen­de Leis­tungs­prü­fung sei zum aktu­el­len Zeit­punkt noch nicht mög­lich. Aller­dings sei neben der Behand­lungs­pfle­ge auch eine Schul­be­glei­tung bean­tragt, wes­halb der Antrag zur Prü­fung der eige­nen Zustän­dig­keit wei­ter­ge­lei­tet werde. Inte­gra­ti­ons­leis­tun­gen bzw. die Beglei­tung durch einen Integrationshelfer/Schulbegleiter seien gene­rell keine Leis­tun­gen der gesetz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rung. Hier­ge­gen wandte die Bei­gela­de­ne mit Schrei­ben vom 21. August 2020 ein, sie – die Antrags­geg­ne­rin – gewäh­re dem Antrag­stel­ler nach rich­ter­li­cher Anord­nung für den bean­trag­ten Zweck bereits Leis­tun­gen, wes­halb es sich bei dem Schrei­ben vom 12. August 2020 nicht um eine Wei­ter­lei­tung gemäß § 14 SGB IX han­deln könne. Die Antrags­geg­ne­rin sei leis­ten­der Reha­bi­li­ta­ti­ons­trä­ger. Da mit dem Ver­län­ge­rungs­an­trag inhalt­lich der glei­che Teil­ha­be­be­darf pos­tu­liert werde, gehe sie davon aus, dass die Antrags­geg­ne­rin als leis­ten­der Reha­bi­li­ta­ti­ons­trä­ger über den Ver­län­ge­rungs­an­trag ent­schei­de. Soweit sie neue Erkennt­nis­se andeu­te­te, dass nun auch ein sozia­ler Teil­ha­be­be­darf infra­ge kommen könne, werde sie gebe­ten, die ent­spre­chen­den neuen Erkennt­nis­se mit­zu­tei­len. Sie — die Bei­gela­de­ne — werde selbst­ver­ständ­lich den eige­nen Anteil an dem Bedarf prüfen. Mit Schrei­ben vom 31. August 2020 führte die Antrags­geg­ne­rin sodann aus, bei dem wei­ter­ge­lei­te­ten Antrag auf Schul­be­glei­tung han­de­le es sich nicht um einen Ver­län­ge­rungs­an­trag, son­dern um einen sepa­ra­ten Leis­tungs­an­trag für den Zeit­raum des Schul­jah­res 2020/2021. Bei der ange­spro­che­nen rich­ter­li­chen Anord­nung han­de­le es sich ledig­lich um einen Beschluss im ER-Ver­fah­ren, der nur vor­läu­fi­gen Cha­rak­ter habe. Eine abschlie­ßen­de Ent­schei­dung werde erst im Haupt­sa­che­ver­fah­ren getrof­fen. Im Ver­gleich zum abge­lau­fe­nen Schul­jahr habe sich am Sach­ver­halt inhalt­lich nichts geän­dert. Über die medi­zi­ni­schen Ver­rich­tun­gen der Behand­lungs­pfle­ge (Blut­zu­cker­mes­sun­gen und Insu­lin­ga­ben) hinaus bedür­fe der Antrag­stel­ler wei­ter­hin der all­ge­mei­nen Kran­ken­be­ob­ach­tung. Dies sei von dem bis­he­ri­gen Leis­tungs­er­brin­ger noch­mals bestä­tigt worden. Wie bereits erläu­tert, sei die all­ge­mei­ne Kran­ken­be­ob­ach­tung oder Beglei­tung keine geson­dert ver­ord­nungs­fä­hi­ge Leis­tung der häus­li­chen Kran­ken­pfle­ge. Es han­de­le sich um Inte­gra­ti­ons­leis­tun­gen bzw. die Beglei­tung durch einen Integrationshelfer/Schulbegleiter, die in den Zustän­dig­keits­be­reich des Jugend­hil­fe­trä­gers bzw. des Trä­gers der Ein­glie­de­rungs­hil­fe fielen. Mit Schrei­ben vom 31. August 2020 äußer­te sich die Antrags­geg­ne­rin auch gegen­über dem Antrag­stel­ler in diesem Sinne und führte weiter aus, die ver­ord­ne­ten Blut­zu­cker­mes­sun­gen und Insu­lin­ga­ben gehör­ten zum Leis­tungs­ka­ta­log der häus­li­chen Kran­ken­pfle­ge und im Falle der Leis­tungs­er­brin­gung durch einen zuge­las­se­nen Pfle­ge­dienst würde sie die Kosten ent­spre­chend der ver­trag­li­chen Ver­ein­ba­run­gen für fünf Ein­sät­ze täg­lich über­neh­men. Für den Ein­satz einer Lai­en­kraft ohne medi­zi­ni­sche Aus­bil­dung erach­te sie einen täg­li­chen Betrag von 32,79 EUR als ange­mes­sen. Dies ent­spre­che 60 % des Ver­trags­prei­ses für fünf Ein­sät­ze zur Blut­zu­cker­mes­sung durch einen zuge­las­se­nen Pfle­ge­dienst (zur­zeit 10,93 EUR pro Ein­satz). Mit E‑Mail vom 14. Sep­tem­ber 2020 erläu­ter­te die Bei­gela­de­ne der Antrags­geg­ne­rin die von ihr ver­tre­te­ne Rechts­auf­fas­sung, wonach die neue Ver­ord­nung und der gestell­te Fol­ge­an­trag zeige, dass Teil­ha­be­leis­tun­gen auch im neuen Schul­jahr erfor­der­lich seien und das bei der Antrags­geg­ne­rin begon­ne­ne Teil­ha­be­plan­ver­fah­ren nicht geen­det habe. Ein Ver­län­ge­rungs­an­trag sei grund­sätz­lich nicht nach § 14 SGB IX zu behan­deln. Sie bitte daher im Sinne des dring­li­chen Teil­ha­be­be­darfs des Antrag­stel­lers um Fort­füh­rung der Teil­ha­be­pla­nung und Bear­bei­tung des Antrags als leis­ten­der Reha­bi­li­ta­ti­ons­trä­ger. Es bleibe ihr unbe­nom­men, Kos­ten­er­stat­tung anzu­mel­den. Die Antrags­geg­ne­rin wandte mit Schrei­ben vom 15. Sep­tem­ber 2020 hier­ge­gen ein, den Antrag auf Schul­be­glei­tung mit Schrei­ben vom 12. August 2020 gemäß § 15 SGB IX an die Bei­gela­de­ne “teil­wei­se” wei­ter­ge­lei­tet zu haben; inso­weit berich­ti­ge sie ihre Aus­sa­ge im Schrei­ben vom 31. August 2020. Inhalt­lich halte sie an ihrer Rechts­auf­fas­sung fest. Es han­de­le sich nicht um einen Ver­län­ge­rungs­an­trag. Mit der neuen ärzt­li­chen Ver­ord­nung sei für einen neuen Zeit­raum ein neuer Leis­tungs­an­trag für das Schul­jahr 2020/2021 gestellt. Für den Bereich der Behand­lungs­pfle­ge stelle sie die Leis­tun­gen als punk­tu­el­le Ein­zel­leis­tun­gen zur Ver­fü­gung. Den Leis­tungs­um­fang habe sie bereits im Schrei­ben vom 12. August 2020 benannt. Über die eben­falls bean­trag­te Schul­be­glei­tung habe die Bei­gela­de­ne in eige­ner Zustän­dig­keit zu ent­schei­den. Sie sei wei­ter­hin bereit, im Falle einer posi­ti­ven Leis­tungs­ent­schei­dung die Leis­tun­gen zu kom­bi­nie­ren bzw. zu koor­di­nie­ren. Die Bei­gela­de­ne hielt im Rahmen ihrer E‑Mail vom 15. Sep­tem­ber 2020 glei­cher­ma­ßen an ihrer Auf­fas­sung fest.

Am 2. Okto­ber 2020 bean­trag­te der Antrag­stel­ler beim SG, die Antrags­geg­ne­rin im Wege der einst­wei­li­gen Anord­nung zu ver­pflich­ten, ihm vor­läu­fig bis längs­tens 31. Juli 2021, längs­tens aber bis zu einer bestands­kräf­ti­gen Ent­schei­dung über den Antrag vom 8. August 2020 Behand­lungs­pfle­ge als häus­li­che Kran­ken­pfle­ge für den Besuch der Grund­schu­le zu gewäh­ren. Zur Begrün­dung führte er aus, er besu­che jetzt die Klasse 3b der R.-Grundschule und eine wei­te­re Schul­be­glei­tung sei not­wen­dig. Über seinen Antrag vom 8. August 2020 habe die Antrags­geg­ne­rin bisher nicht ent­schie­den. Sie habe mit­ge­teilt, den Antrag an die Bei­gela­de­ne wei­ter­ge­lei­tet zu haben, da die bean­trag­te Leis­tung in deren Zustän­dig­keits­be­reich falle. Auch die Bei­gela­de­ne habe sich nicht bereit erklärt, die Kosten zu über­neh­men und ihre Zustän­dig­keit ver­neint, da die Antrags­geg­ne­rin als leis­ten­der Reha­bi­li­ta­ti­ons­trä­ger (auch) für die Wei­ter­ge­wäh­rung der Leis­tung zustän­dig sei. Die Antrags­geg­ne­rin und die Bei­gela­de­ne hätten sich wohl nicht eini­gen können, wes­halb keine Ent­schei­dung erfolgt sei. Zur wei­te­ren Begrün­dung ver­wies er auf die Aus­füh­run­gen des SG im Beschluss vom 12. Novem­ber 2019 im Ver­fah­ren S 16 KR 3397/19 ER. Er habe einen Rechts­an­spruch auf die bean­trag­te Leis­tung und teile die Auf­fas­sung der Bei­gela­de­nen, dass die Antrags­geg­ne­rin als Reha­bi­li­ta­ti­ons­trä­gern zustän­dig sei. Er benö­ti­ge drin­gend die bean­trag­ten Leis­tun­gen und die inter­nen Auf­tei­lun­gen zwi­schen den Sozi­al­leis­tungs­trä­gern fielen nicht in seine Ver­ant­wor­tung. Ein Zuwar­ten bis die Kos­ten­tra­gung und Kos­ten­ver­tei­lung für die Schul­be­glei­tung zwi­schen den Sozi­al­leis­tungs­trä­gern unter­ein­an­der geklärt sei, sei ihm nicht zumut­bar. Die begehr­te Schul­be­glei­tung könne sinn­vol­ler­wei­se auch nicht in ver­schie­de­ne Leis­tungs­grup­pen auf­ge­teilt werden. Eine Bewil­li­gung der Leis­tung müsse zu seinen Guns­ten erfol­gen und es müsse recht­lich geklärt werden, wer für die Bewil­li­gung der bean­trag­ten Leis­tung zustän­dig sei. Eil­be­dürf­tig­keit liege vor. Seine und die Ein­kom­mens- und Ver­mö­gens­ver­hält­nis­se seiner gesetz­li­chen Ver­tre­ter hätten sich seit dem Vor­jahr nicht geän­dert. Er legte u.a. die Bestä­ti­gung der Schul­lei­te­rin über die Not­wen­dig­keit der Schul­be­glei­tung vom 24. Sep­tem­ber 2020 vor.

Die Antrags­geg­ne­rin trat dem Antrag mit der Begrün­dung ent­ge­gen, bei der begehr­ten Schul­be­glei­tung han­de­le es sich nicht um eine Leis­tung der häus­li­chen Kran­ken­pfle­ge. Zwar sei als Behand­lungs­pfle­ge auch eine spe­zi­el­le Kran­ken­be­ob­ach­tung ver­ord­nungs­fä­hig, jedoch lägen die ent­spre­chen­den Vor­aus­set­zun­gen nicht vor. Auch unter Berück­sich­ti­gung wie­der­holt auf­tre­ten­der Hypo­glyk­ämien könne die Erkran­kung an Dia­be­tes mel­li­tus nicht als lebens­be­droh­li­che oder regel­mä­ßig töd­lich ver­lau­fen­de Erkran­kung ange­se­hen werden. Die Kosten für die Schul­be­glei­tung fielen gemäß § 102 SGB IX aus­schließ­lich in den Zustän­dig­keits­be­reich der Bei­gela­de­nen. Sie habe den Antrag des Antrag­stel­lers zu Recht gemäß §§ 14, 15 SGB IX an die Bei­gela­de­ne wei­ter­ge­lei­tet. Diese sei zum Erlass eines Gesamt­be­schei­des ver­pflich­tet. Deren gegen­tei­li­ger Auf­fas­sung könne nicht gefolgt werden. Soweit sie in dem Ver­fah­ren S 16 KR 3397/19 ER durch Beschluss des SG vom 12. Novem­ber 2019 vor­läu­fig zur Über­nah­me der Schul­be­glei­tung ver­pflich­tet worden sei, habe dies ledig­lich die Zeit bis 31. Juli 2020 betrof­fen. Die vor­lie­gend im Streit ste­hen­de Ver­ord­nung vom 14. Juli 2020 betref­fe einen spä­te­ren Zeit­raum und stelle daher einen eigen­stän­di­gen Leis­tungs­an­trag dar, der erneut zu ver­be­schei­den sei. Es gebe keine Rege­lung, wonach jede Fol­ge­ver­ord­nung auto­ma­tisch wie der Erst­an­trag zu behan­deln sei. Der Antrag­stel­ler habe auch keinen Anord­nungs­grund glaub­haft gemacht, da nicht ersicht­lich sei, wes­halb es ihm unzu­mut­bar sei, die Haupt­sa­che­ent­schei­dung abzu­war­ten. Allein der Umstand, dass der Antrag­stel­ler in Kürze eine Ent­schei­dung erlan­gen möchte, genüge nicht.

Die Bei­gela­de­ne ver­trat die Auf­fas­sung, die Antrags­geg­ne­rin sei für die Leis­tungs­ge­wäh­rung zustän­dig. Im Hin­blick auf den vom Antrag­stel­ler bei unver­än­der­ter Sach­la­ge gestell­ten Ver­län­ge­rungs­an­trag sei keine Zustän­dig­keits­prü­fung nach § 14 SGB IX ange­zeigt, da die einmal begrün­de­te Zustän­dig­keit des leis­ten­den Trä­gers bestehen bleibe. Dieser habe kein schüt­zens­wer­tes Inter­es­se daran, die bei ihm begrün­de­te Zustän­dig­keit anläss­lich eines Ver­län­ge­rungs­an­trags im Außen­ver­hält­nis erneut zur Prü­fung zu stel­len. Nach dem Beschluss des SG vom 12. Novem­ber 2019 in dem Ver­fah­ren S 16 KR 3397/19 ER sei eine Wei­ter­lei­tung des Antrags an sie — die Bei­gela­de­ne — nicht mög­lich gewe­sen. Dies mache auch Sinn, da die Zustän­dig­keit des Leis­tungs­trä­gers ansons­ten jedes Schul­jahr wech­seln würde. Sie ver­wies im Übri­gen auf ihre Aus­füh­run­gen in dem Ver­fah­ren S 16 KR 3397/19.

Mit Beschluss vom 2. Novem­ber 2020 ver­pflich­te­te das SG die Antrags­geg­ne­rin im Wege der einst­wei­li­gen Anord­nung, dem Antrag­stel­ler vor­läu­fig bis zum 31. Juli 2021, längs­tens aber bis zu einer bestands­kräf­ti­gen Ent­schei­dung über den Antrag vom 8. August 2020, Behand­lungs­pfle­ge als häus­li­che Kran­ken­pfle­ge für den Besuch der Grund­schu­le zu gewäh­ren. Der Antrag­stel­ler habe sowohl einen Anord­nungs­an­spruch als auch einen Anord­nungs­grund glaub­haft gemacht. Er habe einen Anspruch gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 HS 1 SGB V in Form der Behand­lungs­si­che­rungs­pfle­ge. Unstrei­tig habe der Antrag­stel­ler wäh­rend des Schul­be­suchs Anspruch auf Blut­zu­cker­mes­sun­gen und die dabei not­wen­di­gen Insu­lin­ga­ben als Behand­lungs­pfle­ge. Dar­über hinaus han­de­le es sich aber auch bei der Beob­ach­tung des Antrag­stel­lers und Über­wa­chung des Sen­sors und der Insu­lin­pum­pe um eine Leis­tung der medi­zi­ni­schen Reha­bi­li­ta­ti­on, näm­lich der Behand­lungs­si­che­rungs­pfle­ge. Sämt­li­che Leis­tun­gen der Assis­tenz bzw. Schul­be­glei­tung setz­ten daran an, die Dia­be­tes-Erkran­kung des Antrag­stel­lers aus­zu­glei­chen und ihre Ver­schlim­me­rung zu ver­hü­ten. Dies gelte ins­be­son­de­re für die Kran­ken­be­ob­ach­tung. Denn die Fest­stel­lung und Beob­ach­tung des jewei­li­gen Kran­ken­zu­stan­des und der Krank­heits­ent­wick­lung sowie die Reak­ti­on hier­auf, also die Kran­ken­be­ob­ach­tung und die Kri­sen­in­ter­ven­ti­on, stell­ten Pfle­ge­maß­nah­men dar, die nur durch eine bestimm­te Krank­heit ver­ur­sacht würden, spe­zi­ell auf den Krank­heits­zu­stand des Ver­si­cher­ten aus­ge­rich­tet seien und dazu bei­trü­gen, die Krank­heit zu heilen, ihre Ver­schlim­me­rung zu ver­hü­ten oder Krank­heits­be­schwer­den zu ver­hin­dern oder zu lin­dern, wobei diese Maß­nah­men typi­scher­wei­se nicht von einem Arzt, son­dern von Ver­tre­tern medi­zi­ni­scher Hilfs­be­ru­fe oder auch von Laien erbracht würden. Auch die stän­di­ge Beob­ach­tung eines Pati­en­ten, um jeder­zeit medi­zi­nisch-pfle­ge­risch ein­grei­fen zu können, wenn es zu einer Ver­schlech­te­rung der gesund­heit­li­chen Situa­ti­on komme, sei eine behand­lungs­pfle­ge­ri­sche Maß­nah­me. Die im Streit ste­hen­de Maß­nah­me diene damit nicht unmit­tel­bar dem Ziel der Ein­glie­de­rungs­hil­fe, sozia­le Folgen einer Behin­de­rung des Antrag­stel­lers zu besei­ti­gen oder zu mil­dern. Daran ändere auch die posi­ti­ve Aus­wir­kung auf den Schul­be­such des Antrag­stel­lers nichts. Die Not­wen­dig­keit einer jeder­zei­ti­gen Inter­ven­ti­ons­mög­lich­keit sei wei­ter­hin gege­ben. Inso­weit habe sich seit dem Beschluss des SG vom 12. Novem­ber 2019 nichts geän­dert. Es lägen alters­ty­pisch schwan­ken­de Blut­zu­cker­wer­te, bedingt etwa durch wech­seln­de kör­per­li­che Akti­vi­tät, unre­gel­mä­ßi­gen Tages­rhyth­mus und Infek­te vor. Mit einer gewis­sen Regel­mä­ßig­keit träten im Tages­ver­lauf Blut­zu­cker­wer­te auf, die nach Beur­tei­lung des aktu­el­len Blut­zu­cker­ver­laufs und der jewei­li­gen Situa­ti­on gege­be­nen­falls ein Ein­grei­fen erfor­der­lich mach­ten. Wäh­rend des Grund­schul­be­suchs sei die gesam­te medi­zi­ni­sche Betreu­ung des Antrag­stel­lers als Behand­lungs­pfle­ge nach § 37 Abs. 2 Satz 1 HS 1 SGB V zu qua­li­fi­zie­ren. Auf die zwi­schen der Antrags­geg­ne­rin und der Bei­gela­de­nen auf­ge­wor­fe­ne Rechts­fra­ge, ob der vor­lie­gen­de Antrag als Ver­län­ge­rungs­an­trag anzu­se­hen und ggf. nicht gemäß § 14 SGB IX zu behan­deln sei, komme es daher nicht an.

Am 26. Novem­ber 2020 hat die Antrags­geg­ne­rin dage­gen beim Lan­des­so­zi­al­ge­richt (LSG) Baden-Würt­tem­berg mit dem Begeh­ren Beschwer­de ein­ge­legt, den Beschluss des SG vom 2. Novem­ber 2020 auf­zu­he­ben “bzw. die Bei­gela­de­ne zur vor­läu­fi­gen Leis­tung zu ver­pflich­ten”. Das SG sei zu Unrecht davon aus­ge­gan­gen, dass der Antrag­stel­ler gegen sie einen Anspruch auf Behand­lungs­si­che­rungs­pfle­ge habe. Die begehr­te Schul­be­glei­tung sei ärzt­li­cher­seits nicht ver­ord­net worden und selbst wenn man davon aus­gin­ge, dass in der Gesamt­schau der vor­lie­gen­den Antrags­un­ter­la­gen eine solche Ver­ord­nung liege, habe der Antrag­stel­ler gegen sie keinen ent­spre­chen­den Anspruch. Das SG habe über­se­hen, dass der Antrag­stel­ler auch an AD(H)S leide und dies sei eine klas­si­sche Dia­gno­se für Leis­tun­gen der Ein­glie­de­rungs­hil­fe. Inso­weit ver­wies sie auf das bei­gefüg­te Gut­ach­ten des Medi­zi­ni­schen Diens­tes der Kran­ken­ver­si­che­rung Baden-Würt­tem­berg (MDK) vom 4. Novem­ber 2019. Jede ärzt­li­che Ver­ord­nung auf häus­li­che Kran­ken­pfle­ge stelle ein iso­liert zu betrach­ten­der Leis­tungs­an­trag dar und der Antrag vom 8. August 2020, den der Antrag­stel­ler auch aus­drück­lich als “Erneu­ter Antrag Schul­be­glei­tung” bezeich­net habe, sei von ihr formal kor­rekt im Sinne des § 15 SGB IX gesplit­tet worden. Über die von ihr zu erbrin­gen­den Leis­tun­gen habe sie ent­schie­den. Der Bescheid datie­re vom 1. Sep­tem­ber 2020 und er sei man­gels Wider­spruch rechts­kräf­tig gewor­den. Der Teil des Antrags vom 8. August 2020, der ihrer Auf­fas­sung nach nicht in den Leis­tungs­be­reich der gesetz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rung falle, sei form- und frist­ge­recht an die Bei­gela­de­ne wei­ter­ge­lei­tet worden. Hier­durch sei die Bei­gela­de­ne final zustän­dig gewor­den, den Reha­be­darf des Antrag­stel­lers abschlie­ßend fest­zu­stel­len und den erfor­der­li­chen Gesamt­be­scheid zu erlas­sen. Dies ver­wei­ge­re die Bei­gela­de­ne. Der ange­foch­te­ne Beschluss laufe ins Leere, da sie den Antrag des Antrag­stel­lers vom 8. August 2020 mit Bescheid vom 1. Sep­tem­ber 2020 ver­be­schie­den und dieser Rechts­kraft erlangt habe.

Die Antrags­geg­ne­rin bean­tragt aus­drück­lich (sach­ge­recht gefasst),

den Beschluss des Sozi­al­ge­richts U. vom 2. Novem­ber 2020 auf­zu­he­ben und “den Antrag auf Erlass einer einst­wei­li­gen Anord­nung” zurück­zu­wei­sen “bzw. die Bei­gela­de­ne zur vor­läu­fi­gen Leis­tung zu ver­pflich­ten”.

Der Antrag­stel­ler bean­tragt,

die Beschwer­de zurück­zu­wei­sen.

Er hält die ange­foch­te­ne Ent­schei­dung für rich­tig und hat vor­ge­bracht, den von der Antrags­geg­ne­rin im Beschwer­de­ver­fah­ren vor­ge­leg­ten Bescheid vom 1. Sep­tem­ber 2020 nicht erhal­ten zu haben. Dieser sei ihm nicht bekannt gege­ben und er sei daher nicht wirk­sam gewor­den. Auch habe er im Rahmen des mit der Bei­gela­de­nen geführ­ten Schrift­wech­sels keine Erwäh­nung gefun­den, ebenso wenig im vor­aus­ge­gan­ge­nen Antrags­ver­fah­ren, wes­halb dessen plötz­li­ches Auf­tau­chen im Beschwer­de­ver­fah­ren nicht nach­voll­zieh­bar sei. Selbst wenn der Bescheid wirk­sam gewor­den sein sollte, sei die Antrags­geg­ne­rin nicht berech­tigt gewe­sen, den Antrag gemäß § 15 SGB IX zu split­ten. Er halte an seiner Rechts­auf­fas­sung fest, dass die Antrags­geg­ne­rin die bean­trag­te Leis­tung zu bewil­li­gen habe. Das Gut­ach­ten des MDK vom 4. Novem­ber 2019 habe die Antrags­geg­ne­rin bereits in dem Ver­fah­ren S 16 KR 3397/19 ER vor­ge­legt und sie sei gleich­wohl ver­ur­teilt worden, die bean­trag­te Schul­be­glei­tung gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 HS 1 SGB V als häus­li­che Kran­ken­pfle­ge zu gewäh­ren. Es könne nicht zu seinen Lasten gehen, dass die Antrags­geg­ne­rin und die Bei­gela­de­ne sich hin­sicht­lich der Auf­tei­lung bzw. Kos­ten­er­stat­tung von Leis­tun­gen nicht eini­gen könn­ten.

Die Bei­gela­de­ne hat keinen Antrag gestellt. Sie ist der Auf­fas­sung, dass die begehr­te Schul­be­glei­tung vom 14. Sep­tem­ber 2020 bis 31. Juli 2021 eine Leis­tung der Behand­lungs­si­che­rungs­pfle­ge gemäß § 37 SGB V dar­stel­le und keine Leis­tung der sozia­len Teil­ha­be nach dem SGB IX. Die von der Antrags­geg­ne­rin ange­spro­che­ne Leis­tung der Ein­glie­de­rungs­hil­fe nach dem SGB XII gebe es nicht mehr. Der Antrag­stel­ler benö­ti­ge wäh­rend der gesam­ten Unter­richts­zeit eine Schul­be­glei­tung, da er die im Zusam­men­hang mit seiner Dia­be­tes­er­kran­kung erfor­der­li­che Kon­trol­le des Blut­zu­cker­spie­gels und die Kon­se­quen­zen der vor­lie­gen­den Werte noch nicht selbst­stän­dig hand­ha­ben könne. Diese Leis­tun­gen seien der Behand­lungs­si­che­rungs­pfle­ge zuzu­ord­nen, wie das SG in dem ange­foch­te­nen Beschluss zutref­fend dar­ge­legt habe. Unzu­tref­fend sei, dass der Antrag­stel­ler wegen der Dia­gno­se AD(H)S Anspruch auf Ein­glie­de­rungs­hil­fe habe. Ein­schrän­kun­gen des Antrag­stel­lers, die auf diese Erkran­kung zurück­gin­gen, seien ihr nicht bekannt. Schul­be­glei­tung benö­ti­ge der Antrag­stel­ler allein wegen der Dia­be­tes-Erkran­kung. Der MDK gehe in seinem Gut­ach­ten vom 4. Novem­ber 2019 im Übri­gen von fal­schen Tat­sa­chen aus. Denn Auf­ga­be der Schul­be­glei­tung sei es nicht, den Antrag­stel­ler im Umgang mit seiner Dia­be­tes-Erkran­kung zu schu­len, son­dern viel­mehr unmit­tel­bar den Besuch der Schule zu ermög­li­chen, indem diese die Auf­ga­ben im Zusam­men­hang mit der Blut­zu­cker­kon­trol­le und Insu­lin­ga­be über­neh­me. Da die Antrags­geg­ne­rin in dem Ver­fah­ren S 16 KR 3397/19 ER durch Beschluss des SG vom 12. Novem­ber 2019 als zweit­an­ge­gan­ge­ner Träger ver­pflich­tet worden sei, die Kosten der Schul­be­glei­tung vor­läu­fig bis 31. Juli 2020 zu über­neh­men, sei sie im Außen­ver­hält­nis zum Antrag­stel­ler auch für den nach­fol­gend am 8. August 2020 gestell­ten Antrag zustän­di­ger Leis­tungs­trä­ger. Eine Wei­ter­lei­tung an sie — die Bei­gela­de­ne — sei unzu­läs­sig gewe­sen, wes­halb sie die Annah­me des Antrags unter Hin­weis auf den Beschluss des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts (OVG) N.-W. vom 22. Okto­ber 2018 (12 B 1348/18) abge­lehnt habe. Es sei sinn­voll und fol­ge­rich­tig den Ver­län­ge­rungs­an­trag nicht nach § 14 SGB IX zu behan­deln, wenn dieser bei dem leis­ten­den und damit im Außen­ver­hält­nis zum Antrag­stel­ler zustän­dig gewor­de­nen Reha­bi­li­ta­ti­ons­trä­ger gestellt werde. Bei einem ein­heit­li­chen Leis­tungs­fall sei das Reha-Ver­fah­ren von dem zunächst leis­ten­den Träger zu Ende zu führen. Bei unver­än­der­ter Sach­la­ge sei auf einen Ver­län­ge­rungs­an­trag hin keine Zustän­dig­keits­prü­fung nach § 14 SGB IX ange­zeigt, da die einmal begrün­de­te Zustän­dig­keit des leis­ten­den Trä­gers bestehen bleibe. Folg­lich könne auch kein Antrags­split­ting im Sinne des § 15 SGB IX durch­ge­führt werden, weil die Zustän­dig­keit als Ganzes bereits durch den Vor­an­trag begrün­det worden sei.

Zur wei­te­ren Dar­stel­lung des Sach­ver­halts sowie des Vor­brin­gens der Betei­lig­ten wird Bezug genom­men auf die Ver­fah­rens­ak­ten des SG und des Senats sowie die dem vor­lie­gen­den Ver­fah­ren und dem Ver­fah­ren S 16 KR 3397/19 ER zu Grunde lie­gen­den Ver­wal­tungs­ak­ten der Antrags­geg­ne­rin.

II.

1. Die gemäß § 173 Satz 1 und 2 Sozi­al­ge­richts­ge­setz (SGG) form- und frist­ge­recht ein­ge­leg­te Beschwer­de der Antrags­geg­ne­rin ist zuläs­sig, ins­be­son­de­re statt­haft. Die Beschwer­de ist nicht nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG aus­ge­schlos­sen, weil die Beru­fung in der Haupt­sa­che nicht der Zulas­sung bedürf­te. Denn die Beschwer der Antrags­geg­ne­rin durch die vom SG aus­ge­spro­che­ne Ver­pflich­tung über­steigt 750,00 EUR (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).

2. Gegen­stand des Beschwer­de­ver­fah­ren ist die vom SG aus­ge­spro­che­ne Ver­pflich­tung der Antrags­geg­ne­rin, vor­läu­fig bis 31. Juli 2021, d.h. bis zum Abschluss des drit­ten Schul­jah­res des Antrag­stel­lers Behand­lungs­pfle­ge als häus­li­che Kran­ken­pfle­ge für den Besuch der Grund­schu­le zu gewäh­ren, längs­tens jedoch bis zu einer bestands­kräf­ti­gen Ent­schei­dung über den vom Antrag­stel­ler am 8. August 2020 gestell­ten Antrag.

Hin­sicht­lich der vom SG aus­ge­spro­che­nen Ver­pflich­tung ist die Antrags­geg­ne­rin rechts­mit­tel­be­fugt. Soweit ihr (Beschwerde-)Antrag aller­dings (“bzw.”) die Ver­pflich­tung der Bei­gela­de­nen umfasst, fehlt ihr hier­für die Befug­nis. Zwar kann ein Bei­gela­de­ner ent­spre­chend § 75 Abs. 5 SGG auch im einst­wei­li­gen Rechts­schutz­ver­fah­ren ver­pflich­tet werden. Vor­aus­set­zung ist aber, dass der Antrag­stel­ler dies (zumin­dest hilfs­wei­se) bean­tragt hat (vgl. Schmidt, in: Meyer-Lade­wi­g/Kel­ler/­Leit­he­rer/­Schmidt, Kom­men­tar zum SGG, 13. Aufl. 2020, § 75 Rn. 18a). Einen sol­chen Antrag hat der rechts­kun­dig ver­tre­te­ne Antrag­stel­ler weder in erster noch in zwei­ter Instanz gestellt (zur Dis­po­si­ti­ons­be­fug­nis des Antrag­stel­lers s. Keller, in: Meyer-Lade­wi­g/Kel­ler/­Leit­he­rer/­Schmidt, Kom­men­tar zum SGG, 13. Aufl. 2020, § 123 Rn. 4a). Der Antrags­geg­ne­rin steht ein sol­cher Antrag nicht zu. Etwa­ige Ansprü­che gegen die Bei­gela­de­ne sind ggf. im Erstat­tungs­ver­fah­ren gemäß § 16 SGB IX gel­tend zu machen.

3. Die Beschwer­de der Antrags­geg­ne­rin ist nicht begrün­det. Das SG ver­pflich­te­te die Antrags­geg­ne­rin zu Recht, dem Antrag­stel­ler in dem ange­foch­te­nen Umfang vor­läu­fig als häus­li­che Kran­ken­pfle­ge eine Beglei­tung für den Besuch der Grund­schu­le zu gewäh­ren.

a) Dem Antrag des Antrag­stel­lers auf Erlass einer einst­wei­li­gen Anord­nung und der aus­ge­spro­che­nen Ver­pflich­tung zur vor­läu­fi­gen Gewäh­rung häus­li­cher Kran­ken­pfle­ge für den Besuch der Grund­schu­le im ange­foch­te­nen Umfang steht ein bestands­kräf­ti­ger Bescheid der Antrags­geg­ne­rin nicht ent­ge­gen.

Eine Ent­schei­dung der Antrags­geg­ne­rin über die Gewäh­rung von häus­li­cher Kran­ken­pfle­ge für den Besuch der Grund­schu­le liegt nicht vor. Ent­ge­gen der Ansicht der Antrags­geg­ne­rin geht der ange­foch­te­ne Beschluss des SG daher auch nicht ins Leere. Die Antrags­geg­ne­rin traf mit Bescheid vom 1. Sep­tem­ber 2020 keine bestands­kräf­tig (vgl. § 77 SGG) gewor­de­ne Ent­schei­dung über die Bewil­li­gung von Blut­zu­cker­mes­sun­gen und Insu­lin­ga­ben wäh­rend des Schul­be­suchs. Dieser Bescheid wurde nicht wirk­sam und ist damit recht­lich nicht exis­tent. Es kann daher auch dahin­ge­stellt blei­ben, ob die Aus­füh­run­gen der Antrags­geg­ne­rin in diesem Bescheid, wonach die Kosten für die wei­te­ren Hilfen “Arz­nei­en ver­ab­rei­chen und über­wa­chen” und “Tag­pau­scha­le” nicht über­nom­men werden könn­ten, als Ableh­nung der bean­trag­ten Schul­be­glei­tung aus­zu­le­gen wäre.

Gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 Zehn­tes Buch Sozi­al­ge­setz­buch (SGB X) wird ein Ver­wal­tungs­akt dem­je­ni­gen gegen­über, für den er bestimmt ist oder der von ihm betrof­fen wird, in dem Zeit­punkt wirk­sam, indem er ihm bekannt gege­ben wird. Die Bekannt­ga­be von Ver­wal­tungs­ak­ten gegen­über Min­der­jäh­ri­gen erfolgt gegen­über deren gesetz­li­chen Ver­tre­tern. Denn die elter­li­che Sorge umfasst gemäß § 1629 Abs. 1 Bür­ger­li­ches Gesetz­buch (BGB) auch die gesetz­li­che Ver­tre­tung des Min­der­jäh­ri­gen. Min­der­jäh­ri­ge Kinder werden dabei von ihren Eltern gemein­schaft­lich ver­tre­ten (vgl. § 1629 Abs. 1 Satz 2 BGB). Hin­sicht­lich der Bekannt­ga­be von Ver­wal­tungs­ak­ten gegen­über Min­der­jäh­ri­gen genügt jedoch die Bekannt­ga­be an einen der gesetz­li­chen Ver­tre­ter (BSG, Urteil vom 4. Juni 2014 — B 14 AS 2/08 R — juris, Rn. 23; BSG, Urteil vom 7. Juli 2011 — B 14 AS 153/10 R — juris, Rn. 23 ff.; BSG, Urteil vom 13. Novem­ber 2008 — B 14 AS 2/08 R — juris, Rn. 21). Ein Ver­wal­tungs­akt ist gegen­über einem Min­der­jäh­ri­gen wirk­sam bekannt gege­ben, wenn die Behör­de die getrof­fe­ne Ver­fü­gung ziel­ge­rich­tet dem Rege­lungs­adres­sa­ten über seinen gesetz­li­chen Ver­tre­ter bekannt gibt.

Vor­lie­gend erge­ben sich keine Anhalts­punk­te dafür, dass der von der Antrags­geg­ne­rin im Beschwer­de­ver­fah­ren mit Schrift­satz vom 26. Novem­ber 2020 vor­ge­leg­te Bescheid vom 1. Sep­tem­ber 2020 dem gesetz­li­chen Ver­tre­ter des Antrag­stel­lers bekannt gege­ben wurde. Dieser Bescheid ist weder Gegen­stand der dem Senat von der Antrags­geg­ne­rin vor­ge­leg­ten Ver­wal­tungs­ak­te und der Ver­wal­tungs­ak­te sind auch keine Hin­wei­se darauf zu ent­neh­men, dass am 1. Sep­tem­ber 2020 ein Bescheid erging. Ein sol­cher Bescheid findet weder im Rahmen eines Akten­ver­merks Erwäh­nung noch in dem Schrift­wech­sel, den die Antrags­geg­ne­rin mit dem Antrag­stel­ler und der Bei­gela­de­nen führte. Akten­kun­dig ist ledig­lich das am Vortag von der Antrags­geg­ne­rin an den Antrag­stel­ler gerich­te­te Schrei­ben vom 31. August 2020, mit dem diese unter Bezug­nah­me auf ihr Schrei­ben vom 12. August 2020 aus­führ­te, dass die ver­ord­ne­ten Blut­zu­cker­mes­sun­gen und Insu­lin­ga­ben zum Leis­tungs­ka­ta­log der gesetz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rung gehör­ten und sie im Falle der Leis­tungs­er­brin­gung durch einen zuge­las­se­nen Pfle­ge­dienst die Kosten ent­spre­chend der ver­trag­li­chen Ver­ein­ba­run­gen für fünf Ein­sät­ze täg­lich über­neh­men würde und sie beim Ein­satz einer Lai­en­kraft ohne medi­zi­ni­sche Aus­bil­dung 60 % dieses Ver­trags­prei­ses für ange­mes­sen erach­te. Nach­fol­gend findet sich in der Ver­wal­tungs­ak­te ledig­lich noch der Schrift­wech­sel mit der Bei­gela­de­nen, im Rahmen dessen ein Bescheid vom 1. Sep­tem­ber 2020 keine Erwäh­nung findet. Soweit der Antrag­stel­ler im Rahmen seiner Beschwer­de­er­wi­de­rung daher aus­ge­führt hat, einen Bescheid vom 1. Sep­tem­ber 2020 nicht erhal­ten zu haben, hat der Senat an der Rich­tig­keit dessen keine Zwei­fel, zumal dieser Bescheid im Antrags­ver­fah­ren von keinem der Ver­fah­rens­be­tei­lig­ten erwähnt wurde und die Antrags­geg­ne­rin sich erst­mals im Beschwer­de­ver­fah­ren darauf beru­fen und ihn vor­ge­legt hat. Zudem ent­hält das Schrift­stück keinen Abgangs­ver­merk und die Antrags­geg­ne­rin hat keinen Zustell­nach­weis vor­le­gen können. Eine Bekannt­ga­be an den Antrag­stel­ler liegt auch nicht darin, dass der Bescheid dem Antrag­stel­ler bzw. dessen Bevoll­mäch­tig­ten im Beschwer­de­ver­fah­ren durch den Senat als Anlage zu dem Schrift­satz der Antrags­geg­ne­rin vom 26. Novem­ber 2020 zur Kennt­nis gege­ben wurde. Denn eine wirk­sa­me Bekannt­ga­be setzt — wie dar­ge­legt — die ziel­ge­rich­te­te Über­mitt­lung der getrof­fe­nen Ver­fü­gung an den Rege­lungs­adres­sa­ten voraus. Dem genügt die Über­mitt­lung in einem gericht­li­chen Ver­fah­ren durch das Gericht als Anlage zu einem vor­ge­leg­ten Schrift­satz nicht.

b) Der Antrag des Antrag­stel­lers auf Erlass einer einst­wei­li­gen Anord­nung ist begrün­det.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Haupt­sa­che, soweit — wie hier — nicht ein Fall des Abs. 1 vor­liegt, eine einst­wei­li­ge Anord­nung in Bezug auf den Streit­ge­gen­stand tref­fen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Ver­än­de­rung des bestehen­den Zustands die Ver­wirk­li­chung eines Rechts des Antrag­stel­lers ver­ei­telt oder wesent­lich erschwert werden könnte. Einst­wei­li­ge Anord­nun­gen sind auch zur Rege­lung eines vor­läu­fi­gen Zustan­des in Bezug auf ein strei­ti­ges Rechts­ver­hält­nis zuläs­sig, wenn eine solche Rege­lung zur Abwen­dung wesent­li­cher Nach­tei­le nötig erscheint (Satz 2). Der Erlass einer einst­wei­li­gen Anord­nung ver­langt grund­sätz­lich die – sum­ma­ri­sche – Prü­fung der Erfolgs­aus­sich­ten in der Haupt­sa­che sowie die Erfor­der­lich­keit einer vor­läu­fi­gen gericht­li­chen Ent­schei­dung. Die Erfolgs­aus­sicht des Haupt­sa­che­rechts­be­helfs (Anord­nungs­an­spruch) und die Eil­be­dürf­tig­keit der erstreb­ten einst­wei­li­gen Rege­lung (Anord­nungs­grund) sind glaub­haft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivil­pro­zess­ord­nung [ZPO]). Dabei sind die inso­weit zu stel­len­den Anfor­de­run­gen umso nied­ri­ger, je schwe­rer die mit der Ver­sa­gung vor­läu­fi­gen Recht­schut­zes ver­bun­de­nen Belas­tun­gen — ins­be­son­de­re auch im Hin­blick auf ihre Grund­rechts­re­le­vanz — wiegen (Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt, Kam­mer­be­schlüs­se vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05 – juris, Rn. 23 ff. und vom 25. Febru­ar 2009 – 1 BvR 120/09 – juris, Rn. 11). Anord­nungs­an­spruch und Anord­nungs­grund stehen nicht bezie­hungs­los neben­ein­an­der, son­dern bilden auf Grund ihres funk­tio­na­len Zusam­men­hangs ein beweg­li­ches System. Je schwe­rer die Belas­tun­gen des Betrof­fe­nen wiegen, die mit der Ver­sa­gung des begehr­ten Rechts­schut­zes ver­bun­den sind, umso weni­ger darf das Inter­es­se an einer vor­läu­fi­gen Rege­lung oder Siche­rung der gel­tend gemach­ten Rechts­po­si­ti­on zurück­ge­stellt werden (Senats­be­schluss vom 27. März 2014 – L 4 KR 3593/13 ER‑B – juris, Rn. 30). Maß­ge­bend für die Beur­tei­lung der Anord­nungs­vor­aus­set­zun­gen sind regel­mä­ßig die Ver­hält­nis­se im Zeit­punkt der gericht­li­chen Ent­schei­dung.

aa) Unter Berück­sich­ti­gung dieser Maß­stä­be liegt ein Anord­nungs­an­spruch vor. Es ist über­wie­gend wahr­schein­lich, dass der Antrag­stel­ler einen mate­ri­ell-recht­li­chen Anspruch gegen die Antrags­geg­ne­rin hat.

Hier­bei kann im Ergeb­nis offen­blei­ben, ob die begehr­te Leis­tung in vollem Umfang der häus­li­chen Kran­ken­pfle­ge gemäß § 37 SGB V zuzu­ord­nen ist, wovon der Antrag­stel­ler und die Bei­gela­de­ne aus­ge­hen, oder in gewis­sem Umfang (auch) der Ein­glie­de­rungs­hil­fe als Leis­tung zur Teil­ha­be an Bil­dung nach §§ 75, 112 SGB IX, weil beim Antrag­stel­ler neben dem Dia­be­tes mel­li­tus auch eine AD(H)S fest­ge­stellt wurde, die grund­sätz­lich solche Leis­tungs­an­sprü­che begrün­den könnte. Denn die Antrags­geg­ne­rin ist im Außen­ver­hält­nis gegen­über dem Antrag­stel­ler aus § 14 SGB IX für beide Leis­tun­gen zustän­dig (hierzu (1)), sowohl für Leis­tun­gen der häus­li­chen Kran­ken­pfle­ge – inso­weit auch ori­gi­när als Trä­ge­rin der gesetz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rung, deren Mit­glied der Antrag­stel­ler ist – (hierzu (2)) als auch für Leis­tun­gen der Teil­ha­be an Bil­dung (hierzu (3)).

Gebo­ten ist inso­weit eine umfas­sen­de Prü­fung der begehr­ten Leis­tung Schul­be­glei­tung. Vorab ist darauf hin­zu­wei­sen, dass die Antrags­geg­ne­rin ver­kennt, dass das Begeh­ren des Antrag­stel­lers nicht einer­seits auf die Gewäh­rung von Blut­zu­cker­kon­trol­len und Insu­lin­ga­ben im Rahmen der häus­li­chen Kran­ken­pfle­ge und ande­rer­seits auf eine Beglei­tung zu seiner Beob­ach­tung, jeweils wäh­rend des Schul­be­suchs, gerich­tet ist. Die begehr­te Leis­tung ver­eint und ver­zahnt diese Leis­tun­gen, indem die Begleit­per­son wäh­rend des Schul­be­suchs einer­seits die regel­mä­ßig erfor­der­li­chen Blut­zu­cker­kon­trol­len und Insu­lin­ga­ben über­nimmt, glei­cher­ma­ßen aber auch in Son­der­si­tua­tio­nen, wie bspw. vor dem Schul­sport oder län­ge­ren Aus­flü­gen, und gerade auch bei unvor­her­seh­bar auf­tre­ten­den Sym­pto­men einer Über- oder Unter­zu­cke­rung Blut­zu­cker­mes­sun­gen durch­führt und nach Inter­pre­ta­ti­on der Blut­zu­cker­wer­te die ent­spre­chen­de Insulin­do­sis ver­ab­reicht.

(1) Die Zustän­dig­keit der Antrags­geg­ne­rin im Außen­ver­hält­nis zum Antrag­stel­ler folgt aus § 14 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB IX (in der ab 1. Januar 2018 gel­ten­den Fas­sung vom 23. Dezem­ber 2016).

Werden Leis­tun­gen zur Teil­ha­be bean­tragt, stellt der Reha­bi­li­ta­ti­ons­trä­ger inner­halb von zwei Wochen nach Ein­gang des Antra­ges bei ihm fest, ob er nach dem für ihn gel­ten­den Leis­tungs­ge­setz für die Leis­tung zustän­dig ist; bei den Kran­ken­kas­sen umfasst die Prü­fung auch die Leis­tungs­pflicht nach § 40 Abs. 4 SGB V (Satz 1). Stellt er bei der Prü­fung fest, dass er für die Leis­tung ins­ge­samt nicht zustän­dig ist, leitet er den Antrag unver­züg­lich dem nach seiner Auf­fas­sung zustän­di­gen Reha­bi­li­ta­ti­ons­trä­ger zu und unter­rich­tet hier­über den Antrag­stel­ler (Satz 2). Wird der Antrag nicht wei­ter­ge­lei­tet, stellt der Reha­bi­li­ta­ti­ons­trä­ger nach § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX den Reha­bi­li­ta­ti­ons­be­darf anhand der Instru­men­te zur Bedarfs­er­mitt­lung nach § 13 SGB IX unver­züg­lich und umfas­send fest und erbringt die Leis­tun­gen (leis­ten­der Reha­bi­li­ta­ti­ons­trä­ger). Wird der Antrag wei­ter­ge­lei­tet, gelten nach Satz 4 der Rege­lung die Sätze 1 und 3 für den Reha­bi­li­ta­ti­ons­trä­ger, an den der Antrag wei­ter­ge­lei­tet worden ist, ent­spre­chend; die Frist beginnt mit dem Antrags­ein­gang bei diesem Reha­bi­li­ta­ti­ons­trä­ger.

Der Antrag­stel­ler bean­trag­te erst­mals am 19. August 2019 wegen seiner Dia­be­tes-Erkran­kung für den Besuch der Grund­schu­le, damals für den Besuch der 2. Klasse, die Gewäh­rung einer Schul­be­glei­tung. Diesen sei­ner­zeit bei der Bei­gela­de­nen gestell­ten Antrag, lei­te­te die Bei­gela­de­ne mit Schrei­ben vom 23. August 2019 und dem Hin­weis an die Antrags­geg­ne­rin weiter, aus ihrer Sicht begeh­re der Antrag­stel­ler Behand­lungs­pfle­ge sowie ggf. Behand­lungs­si­che­rungs­pfle­ge, für die die Zustän­dig­keit der Antrags­geg­ne­rin begrün­det sei. Durch diese Wei­ter­lei­tung inner­halb von zwei Wochen wurde die Antrags­geg­ne­rin im Außen­ver­hält­nis zum Antrag­stel­ler im Wege einer auf­drän­gen­den Ver­wei­sung end­gül­tig und abschlie­ßend zustän­dig (BSG, Urteil vom 11. Mai 2011 – B 5 R 54/10 R – juris, Rn. 31; Ulrich, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, Stand 15. Januar 2018, § 14 Rn. 88 mit zahl­rei­chen Hin­wei­sen auf die höchst­rich­ter­li­che Recht­spre­chung). Inhalt­lich bewirk­te die Wei­ter­lei­tung, dass sich die Leis­tungs­pflicht der Antrags­geg­ne­rin als zweit­an­ge­gan­ge­ne Trä­ge­rin nicht mehr allein nach ihren Leis­tungs­ge­set­zen und der nach dem geglie­der­ten System vor­ge­ge­be­nen mate­ri­ell-recht­li­chen Zustän­dig­keit bestimm­te, son­dern in Durch­bre­chung von § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IX auf alle Anspruchs­grund­la­gen des SGB erstreck­te, die in der jewei­li­gen Bedarfs­si­tua­ti­on über­haupt in Betracht kamen. Ein­ge­schlos­sen war hier­bei auch das Leis­tungs­recht des erstan­ge­gan­ge­nen Trä­gers. Ent­ge­gen ihrer hier­nach begrün­de­ten Zustän­dig­keit und Ver­pflich­tung über den Anspruch inner­halb von drei Wochen zu ent­schei­den, traf die Antrags­geg­ne­rin über den gel­tend gemach­ten Anspruch keine frist­ge­rech­te Ent­schei­dung. Nach­fol­gend ver­pflich­te­te das SG die Antrags­geg­ne­rin in dem einst­wei­li­gen Rechts­schutz­ver­fah­ren S 2 KR 2536/20 ER mit Beschluss vom 12. Novem­ber 2019 sodann dem Antrag­stel­ler vor­läu­fig bis zum 31. Juli 2020, längs­tens jedoch bis zu einer bestands­kräf­ti­gen Ent­schei­dung über den Antrag vom 19. August 2019, Behand­lungs­pfle­ge als häus­li­che Kran­ken­pfle­ge für den Besuch der Grund­schu­le zu gewäh­ren. Über den vom Antrag­stel­ler am 19. Febru­ar 2019 gestell­ten Antrag traf die Antrags­geg­ne­rin auch in der Fol­ge­zeit keine Ent­schei­dung.

Den vor­lie­gend in Rede ste­hen­den, bei der Antrags­geg­ne­rin sodann am 8. August 2020 gestell­ten (wei­te­ren) Antrag des Antrag­stel­lers, ihm Schul­be­glei­tung nun­mehr für das 3. Schul­jahr zu gewäh­ren, ver­be­schied die Antrags­geg­ne­rin glei­cher­ma­ßen nicht. Statt eine Ent­schei­dung zu tref­fen, lei­te­te die Antrags­geg­ne­rin diesen Antrag — obwohl das SG ihre Leis­tungs­pflicht nach dem für sie gel­ten­den Recht (§ 37 SGB V) in dem Ver­fah­ren S 2 KR 2536/20 ER zuvor bejaht hatte — an die Bei­gela­de­ne weiter und ver­trat unter Auf­split­tung der bean­trag­ten Leis­tung in die “Ein­zel­leis­tun­gen” Blut­zu­cker­mes­sung und Insu­lin­ga­be einer­seits sowie eine Leis­tung Beglei­tung ande­rer­seits die Auf­fas­sung, für die zuletzt genann­te Leis­tung sei die Zustän­dig­keit der Bei­gela­de­nen begrün­det.

Durch die mit Schrei­ben der Antrags­geg­ne­rin vom 12. August 2020 erfolg­te Wei­ter­lei­tung des Antrags vom 8. August 2020 an die Bei­gela­de­ne wurde eine Zustän­dig­keit der Bei­gela­de­nen als zweit­an­ge­gan­ge­ner Leis­tungs­trä­ger gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IX nicht begrün­det. Der wei­ter­ge­lei­te­te Antrag war ent­ge­gen der Ansicht der Antrags­geg­ne­rin nicht als neuer Antrag im Sinne von § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IX zu werten. Dies war auch nicht des­halb der Fall, weil der Antrag­stel­ler seinen Antrag im Betreff des Schrei­bens vom 8. August 2020 selbst als neuen Antrag bezeich­ne­te (“Erneu­ter Antrag Schul­be­glei­tung”). Denn der Antrag­stel­ler machte mit seinem Antrag der Sache nach keinen neuen Reha­bi­li­ta­ti­ons­be­darf gel­tend. Bei unver­än­der­ter Erkran­kung begehr­te er viel­mehr die Fort­set­zung der im 2. Schul­jahr gewähr­ten Schul­be­glei­tung auch in dem sich nun anschlie­ßen­den Grund­schul­jahr (3. Klasse), weil er die erfor­der­li­chen Maß­nah­men im Zusam­men­hang mit seiner Dia­be­tes-Erkran­kung alters­be­dingt auch wei­ter­hin nicht selbst­stän­dig zu hand­ha­ben ver­moch­te. Der Antrag vom 8. August 2020 stellt sich daher als Ver­län­ge­rungs­an­trag im Hin­blick auf die sei­tens der Antrags­geg­ne­rin auf­grund des Beschlus­ses des SG vom 12. Novem­ber 2019 in dem Ver­fah­ren S 16 KR 3397/19 ER für den Schul­be­such des Antrag­stel­lers vor­läu­fig bis 31. Juli 2020 als häus­li­che Kran­ken­pfle­ge gewähr­te Behand­lungs­pfle­ge dar. Die vom Antrag­stel­ler wegen seiner Dia­be­tes-Erkran­kung benö­tig­te Beglei­tung beim Schul­be­such stellt — jeden­falls solan­ge es sich um den Besuch der Grund­schu­le han­delt — einen ein­heit­li­chen Leis­tungs­fall dar. Dieser ist vom ursprüng­lich leis­ten­den Träger abzu­schlie­ßen. Dies ent­spricht dem Rechts­ge­dan­ken des § 4 Abs. 2 Satz 2 SGB IX und dem Grund­satz der Leis­tungs­er­brin­gung “aus einer Hand”. Denn nach der genann­ten Rege­lung erbrin­gen die Leis­tungs­trä­ger die Leis­tun­gen im Rahmen der für sie gel­ten­den Rechts­vor­schrif­ten nach Lage des Ein­zel­falls so voll­stän­dig, umfas­send und in glei­cher Qua­li­tät, dass Leis­tun­gen eines ande­ren Trä­gers mög­lichst nicht erfor­der­lich werden. Der Senat teilt die Auf­fas­sung des OVG N.-W. im Beschluss vom 22. Okto­ber 2018 (a.a.O.), dass ein Ver­län­ge­rungs­an­trag nicht gemäß § 14 SGB IX zu behan­deln ist (ebenso Ulrich, a.a.O., § 14 Rn. 58 m.w.N.; a.A. zur Ein­glie­de­rungs­hil­fe LSG N.-W., Beschluss vom 9. Okto­ber 2013 – L 20 SO 380/13 B ER – juris, Rn. 35). Zu Recht hat die Bei­gela­de­ne darauf hin­ge­wie­sen, dass die Anwen­dung des § 14 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB IX auch für Fol­ge­an­trä­ge dazu führen könne, dass sich der Antrag­tel­ler in jedem neuen Schul­jahr einem ande­ren Leis­tungs­trä­ger gegen­über­sieht.

Aus­ge­hend hier­von war die Antrags­geg­ne­rin als zweit­an­ge­gan­ge­ner und leis­ten­der Reha­bi­li­ta­ti­ons­trä­ger ver­pflich­tet, auch über den Fol­ge­an­trag des Antrag­stel­lers vom 8. August 2020 zu ent­schei­den und die Leis­tung zu erbrin­gen. Die sach­li­che Not­wen­dig­keit des mit § 14 SGB IX ver­folg­ten Ziels, eine zeit­na­he Ent­schei­dung durch die Begrün­dung der Zustän­dig­keit eines Leis­tungs­trä­gers im Außen­ver­hält­nis zum Antrag­stel­ler zu erwir­ken, wird anhand der vor­lie­gend zu beur­tei­len­de Fall­ge­stal­tung mehr als deut­lich. So ent­schied die Antrags­geg­ne­rin zeit­ge­recht nicht über den Antrag vom 19. August 2019 und die von ihr ange­nom­me­ne Unzu­stän­dig­keit für den Fol­ge­an­trag führte dazu, dass auch über den vom Antrag­stel­lers am 8. August 2020 gestell­ten wei­te­ren Antrag zeit­ge­recht keine Ent­schei­dung getrof­fen wurde. Dadurch war der Antrag­stel­ler zur Durch­set­zung der drin­gend benö­tig­ten Leis­tun­gen gezwun­gen, gericht­li­che Hilfe sowohl hin­sicht­lich seines Erst­an­trags als auch wegen des nach­fol­gen­den Ver­län­ge­rungs­an­trags in Anspruch zu nehmen.

(2) Der Antrag­stel­ler erfüllt die Vor­aus­set­zun­gen für einen Anspruch auf häus­li­che Kran­ken­pfle­ge nach §§ 27 Abs. 1, 2 Nr. 4, 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V. Danach erhal­ten Ver­si­cher­te in ihrem Haus­halt, ihrer Fami­lie oder sonst an einem geeig­ne­ten Ort, ins­be­son­de­re in betreu­ten Wohn­for­men, Schu­len und Kin­der­gär­ten, bei beson­ders hohem Pfle­ge­be­darf auch in Werk­stät­ten für behin­der­te Men­schen als häus­li­che Kran­ken­pfle­ge Behand­lungs­pfle­ge, wenn diese zur Siche­rung des Ziels der ärzt­li­chen Behand­lung erfor­der­lich ist (Behand­lungs­si­che­rungs­pfle­ge). In Richt­li­ni­en nach § 92 SGB V legt der Gemein­sa­me Bun­des­aus­schuss (GBA) fest, an wel­chen Orten und in wel­chen Fällen Leis­tun­gen nach den Absät­zen 1 und 2 auch außer­halb des Haus­halts und der Fami­lie des Ver­si­cher­ten erbracht werden können (§ 37 Abs. 6 SGB V). Der GBA hat in Umset­zung seiner gesetz­li­chen Ver­pflich­tung in der HKP-RL vom 17. Sep­tem­ber 2009 (BAnz vom 9. Febru­ar 2010, zuletzt geän­dert am 17. Sep­tem­ber 2020, BAnz AT 4. Dezem­ber 2020 B3) nähere Fest­le­gun­gen vor­ge­nom­men. Der kran­ken­ver­si­che­rungs­recht­li­che Anspruch auf häus­li­che Kran­ken­pfle­ge in Form der Behand­lungs­si­che­rungs­pfle­ge besteht neben dem Anspruch auf Leis­tun­gen bei häus­li­cher Pflege aus der sozia­len Pfle­ge­ver­si­che­rung (§ 13 Abs. 2 SGB XI). Zur Behand­lungs­pfle­ge gehö­ren alle Pfle­ge­maß­nah­men, die durch bestimm­te Erkran­kun­gen erfor­der­lich werden, spe­zi­ell auf den Krank­heits­zu­stand des Ver­si­cher­ten aus­ge­rich­tet sind und dazu bei­tra­gen, die Krank­heit zu heilen, ihre Ver­schlim­me­rung zu ver­hü­ten oder Krank­heits­be­schwer­den zu ver­hin­dern oder zu lin­dern, wobei diese Maß­nah­men typi­scher­wei­se nicht von einem Arzt, son­dern von Ver­tre­tern medi­zi­ni­scher Hilfs­be­ru­fe oder auch von Laien erbracht werden. Die Hil­fe­leis­tun­gen umfas­sen Maß­nah­men ver­schie­dens­ter Art, wie z.B. Injek­tio­nen, Ver­band­wech­sel, Kathe­te­ri­sie­rung, Ein­läu­fe, Spü­lun­gen, Ein­rei­bun­gen, Deku­bi­tus­ver­sor­gung, Kri­sen­in­ter­ven­ti­on, Fest­stel­lung und Beob­ach­tung des jewei­li­gen Kran­ken­stan­des und der Krank­heits­ent­wick­lung, die Siche­rung not­wen­di­ger Arzt­be­su­che, die Medi­ka­men­ten­ga­be sowie die Kon­trol­le der Wir­kun­gen und Neben­wir­kun­gen von Medi­ka­men­ten (BSG, Urteil vom 10. Novem­ber 2005 – B 3 KR 38/04 R – juris, Rn. 14 m.w.N.).

Diese Art von Leis­tun­gen benö­tigt der Antrag­stel­ler. Die begehr­te Schul­be­glei­tung dient der Ver­sor­gung der Erkran­kung des Antrag­stel­lers, des Dia­be­tes mel­li­tus. Die Gewäh­rung regel­mä­ßi­ger Blut­zu­cker­mes­sun­gen und Insu­lin­ga­ben wäh­rend des Schul­be­suchs zu im Voraus bestimm­ten Zeiten genügt inso­weit nicht. Auf­grund der alters­ty­pisch schwan­ken­den Blut­zu­cker­wer­te infol­ge wech­seln­der kör­per­li­cher Akti­vi­tä­ten, unre­gel­mä­ßi­gem Tages­rhyth­mus und Infek­ten besteht die Not­wen­dig­keit einer jeder­zei­ti­gen Inter­ven­ti­ons­mög­lich­keit. Der Antrag­stel­ler benö­tigt daher auch wäh­rend des Schul­be­suchs eine stän­di­ge Beob­ach­tung, damit in den jewei­li­gen, unvor­her­seh­bar auf­tre­ten­den Situa­tio­nen die geeig­ne­ten Maß­nah­men ergrif­fen werden, um Über- und Unter­zu­cke­run­gen zu ver­mei­den. Zur Hand­ha­bung all dessen ist der Antrag­stel­ler selbst­stän­dig und ohne Hilfe wegen seines Alters nicht in der Lage. Hier­von ist das SG zutref­fend aus­ge­gan­gen. Inso­weit sieht der Senat gemäß § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG daher von einer wei­te­ren Dar­stel­lung der Ent­schei­dungs­grün­de ab und weist die Beschwer­de aus den Grün­den der ange­foch­te­nen Ent­schei­dung zurück.

Soweit die Antrags­geg­ne­rin auf Nr. 24 des Leis­tungs­ver­zeich­nis­ses zur HKP-RL ver­wies und die Auf­fas­sung ver­trat, die spe­zi­el­le Kran­ken­be­ob­ach­tung sei nur ver­ord­nungs­fä­hig, wenn bei vor­aus­sicht­lich täg­lich zu erwar­ten­den lebens­be­droh­li­chen Situa­tio­nen pfle­ge­ri­sche Inter­ven­ti­on erfor­der­lich sei und ein sol­cher Fall liege beim Antrag­stel­ler nicht vor, ist darauf hin­zu­wei­sen, dass ein nach Maß­ga­be des Geset­zes­rechts in § 37 Abs. 2 SGB V bestehen­der Leis­tungs­an­spruch nicht durch mög­li­cher­wei­se ent­ge­gen­ste­hen­des Richt­li­ni­en­recht ein­ge­schränkt oder aus­ge­schlos­sen werden kann. Zwar han­delt es sich bei den Richt­li­ni­en nach § 92 Abs. 1 SGBV um unter­ge­setz­li­che Normen, die grund­sätz­lich auch inner­halb des Leis­tungs­rechts zu beach­ten sind; sie ver­sto­ßen aber gegen höher­ran­gi­ges Recht, soweit sie einen Aus­schluss der im Ein­zel­fall gebo­te­nen Kran­ken­be­ob­ach­tung aus dem Kata­log der ver­ord­nungs­fä­hi­gen Leis­tun­gen ent­hal­ten. Die HKP-RL binden die Gerich­te inso­weit nicht (BSG, Urteil vom 10. Novem­ber 2005 – B 3 KR 38/04 R – juris, Rn. 19).

In Anwen­dung dieser Grund­sät­ze hält es der Senat für aus­rei­chend wahr­schein­lich, dass der Antrag­stel­ler gegen die Antrags­geg­ne­rin einen Anspruch auf die Gewäh­rung von häus­li­cher Kran­ken­pfle­ge nicht nur im Umfan­ge der Blut­zu­cker­mes­sung und Insu­lin­ga­be hat, son­dern auch in Form der Kran­ken­be­ob­ach­tung wäh­rend des Schul­be­suchs. Maß­ge­bend ist hier­für, dass die Blut­zu­cker­mes­sung und Anpas­sung der Insu­lin­ga­be beim Antrag­stel­ler wäh­rend des Schul­be­suchs täg­lich zu unbe­stimm­ten Zeit­punk­ten nötig wird und die stän­di­ge Beob­ach­tung der gesund­heit­li­chen Situa­ti­on des Antrag­stel­lers wegen der Gefahr von gesund­heit­li­chen Kom­pli­ka­tio­nen und die hier­durch gege­be­ne Mög­lich­keit der jeder­zei­ti­gen Inter­ven­ti­on erfol­gen muss (so bereits LSG Baden-Würt­tem­berg, Beschluss vom 20. Novem­ber 2019 – L 2 SO 3106/19 ER‑B).

(3) Ein Anspruch auf Leis­tun­gen zur Teil­ha­be an Bil­dung als Ein­glie­de­rungs­hil­fe kommt für den Antrag­stel­ler nach §§ 75, 90 Abs. 4, 112 SGB IX in Betracht.

(a) Leis­tun­gen der Ein­glie­de­rungs­hil­fe erhal­ten Per­so­nen nach § 53 Abs. 1 und 2 SGB XII und den §§ 1 bis 3 der Ein­glie­de­rungs­hil­fe-Ver­ord­nung in der am 31. Dezem­ber 2019 gel­ten­den Fas­sung (§ 99 SGB IX in der ab 1. Januar 2020 gel­ten­den Fas­sung vom 23. Dezem­ber 2016). Nach § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII in der bis 31. Dezem­ber 2019 gel­ten­den Fas­sung erhal­ten Per­so­nen, die durch eine Behin­de­rung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX wesent­lich in ihrer Fähig­keit, an der Gesell­schaft teil­zu­ha­ben, ein­ge­schränkt oder von einer sol­chen wesent­li­chen Behin­de­rung bedroht sind, Leis­tun­gen der Ein­glie­de­rungs­hil­fe, wenn und solan­ge nach der Beson­der­heit des Ein­zel­fal­les, ins­be­son­de­re nach Art oder Schwe­re der Behin­de­rung, Aus­sicht besteht, dass die Auf­ga­be der Ein­glie­de­rungs­hil­fe erfüllt werden kann. Beson­de­re Auf­ga­be der Teil­ha­be an Bil­dung als Ein­glie­de­rungs­hil­fe ist es, Leis­tungs­be­rech­tig­ten eine ihren Fähig­kei­ten und Leis­tun­gen ent­spre­chen­de Schul­bil­dung und schu­li­sche und hoch­schu­li­sche Aus- und Wei­ter­bil­dung für einen Beruf zur För­de­rung ihrer Teil­ha­be am Leben in der Gesell­schaft zu ermög­li­chen (§ 90 Abs. 4 SGB IX). Leis­tun­gen zur Teil­ha­be an Bil­dung umfas­sen nach § 112 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB IX Hilfen zu einer Schul­bil­dung, ins­be­son­de­re im Rahmen der all­ge­mei­nen Schul­pflicht und zum Besuch wei­ter­füh­ren­der Schu­len ein­schließ­lich der Vor­be­rei­tung hierzu; die Bestim­mun­gen über die Ermög­li­chung der Schul­bil­dung im Rahmen der all­ge­mei­nen Schul­pflicht blei­ben unbe­rührt. Die Hilfen nach Satz 1 Nr. 1 schlie­ßen Leis­tun­gen zur Unter­stüt­zung schu­li­scher Ganz­tags­an­ge­bo­te in der offe­nen Form ein, die im Ein­klang mit dem Bil­dungs- und Erzie­hungs­auf­trag der Schule stehen und unter deren Auf­sicht und Ver­ant­wor­tung aus­ge­führt werden, an den stun­den­plan­mä­ßi­gen Unter­richt anknüp­fen und in der Regel in den Räum­lich­kei­ten der Schule oder in deren Umfeld durch­ge­führt werden. Hilfen nach Satz 1 Nr. 1 umfas­sen auch heil­päd­ago­gi­sche und sons­ti­ge Maß­nah­men, wenn die Maß­nah­men erfor­der­lich und geeig­net sind, der leis­tungs­be­rech­tig­ten Person den Schul­be­such zu ermög­li­chen oder zu erleich­tern (§ 112 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB IX). Ein Bei­trag aus eige­nem Ein­kom­men oder Ver­mö­gen – des Antrag­stel­lers oder seiner Eltern – ist bei Leis­tun­gen nach § 112 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB IX nicht zu erbrin­gen (§§ 138 Abs. 1 Nr. 4, 140 Abs. 3 SGB IX).

Beim Antrag­stel­ler liegt eine Behin­de­rung i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX vor, da seine kör­per­li­che Funk­ti­on durch den Dia­be­tes mel­li­tus und die AD(H)S für länger als sechs Monate von dem für das Lebens­al­ter typi­schen Zustand abweicht und daher dadurch seine Teil­ha­be am Leben in der Gesell­schaft, gerade auch beim Besuch der Schule, beein­träch­tigt ist. Dies ist hin­sicht­lich der Dia­be­tes-Erkran­kung zwi­schen den Betei­lig­ten nicht umstrit­ten. Der Anspruch aus § 112 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB IX umfasst auch Leis­tun­gen der Schul­as­sis­tenz, soweit diese nicht im Kern­be­reich der päd­ago­gi­schen Arbeit liegen (Luthe, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 3. Aufl., Stand Novem­ber 2020, § 112 Rn. 45). Ob der Antrag­stel­ler auch sol­cher Leis­tun­gen bedarf, ist zwi­schen der Antrags­geg­ne­rin und der Bei­gela­de­nen umstrit­ten. Soweit die Antrags­geg­ne­rin auf die AD(H)S hin­ge­wie­sen hat, hat sie kon­kret erfor­der­li­che Unter­stüt­zungs­maß­nah­men nicht bezeich­net. Der Antrag­stel­ler hat solche nicht gel­tend gemacht. Deren Not­wen­dig­keit kann jedoch offen­blei­ben, da die Zustän­dig­keit der Antrags­geg­ne­rin im Außen­ver­hält­nis zum Antrag­stel­ler auch inso­weit gege­ben wäre.

bb) Auch ein Anord­nungs­grund ist zu beja­hen. Ohne die Unter­stüt­zung durch eine Schul­be­glei­tung kann der Antrag­stel­ler die 3. Klasse der Grund­schu­le nicht besu­chen. Dass die Prä­senz­pflicht wegen der SARS-CoV-2-Pan­de­mie der­zeit im Land Baden-Würt­tem­berg auf­ge­ho­ben ist, ändert hieran nichts. Denn die Grund­schu­len haben der­zeit wieder geöff­net, d.h. den Grund­schü­lern wird der Prä­senz­un­ter­richt grund­sätz­lich ermög­licht. Zudem wäre eine Schul­be­glei­tung auch bei einer Inan­spruch­nah­me der Not­be­treu­ung in der schu­li­schen Ein­rich­tung not­wen­dig.

Soweit die Antrags­geg­ne­rin im Antrag­ver­fah­ren eine Eil­be­dürf­tig­keit ver­nein­te, weil dem Antrag­stel­ler zumut­bar sei, das Haupt­sa­che­ver­fah­ren abzu­war­ten, ist dies nicht nach­voll­zieh­bar. Der Antrag­stel­ler ist nicht in der Lage, auch unter Berück­sich­ti­gung von Unter­halts­an­sprü­chen gegen seine Eltern, die für die Schul­be­glei­tung auf­zu­wen­den­den Kosten vor­läu­fig selbst zu tragen. Hier­von geht der Senat auf der Grund­la­ge der in dem Ver­fah­ren S 16 KR 3397/19 ER aus­führ­lich dar­ge­leg­ten Ein­kom­mens- und Ver­mö­gens­ver­hält­nis­sen aus, die keine Ände­run­gen erfah­ren haben. Inso­weit hat auch die Antrags­geg­ne­rin im Beschwer­de­ver­fah­ren nichts Abwei­chen­des gel­tend gemacht.

4. Die Kos­ten­ent­schei­dung ergeht ent­spre­chend § 193 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 SGG.

5. Dieser Beschluss ist unan­fecht­bar (§ 177 SGG).