Tenor

Die Beru­fung der Klä­ge­rin gegen das Urteil des Sozi­al­ge­richts Darm­stadt vom 27. Juni 2022 wird zurück­ge­wie­sen.
Die Betei­lig­ten haben sich auch im Beru­fungs­ver­fah­ren keine Kosten zu erstat­ten.
Die Revi­si­on wird nicht zuge­las­sen.

Tat­be­stand

Die Betei­lig­ten strei­ten um die Kos­ten­über­nah­me und die Kos­ten­er­stat­tung für post­ba­ria­tri­sche Wie­der­her­stel­lungs­ope­ra­tio­nen in den Berei­chen der Ober­schen­kel beid­seits, der Ober­ar­me beid­seits, der Brust und der Bauch­de­cke.

Die 1977 gebo­re­ne Klä­ge­rin ist bei der Beklag­ten gesetz­lich kran­ken­ver­si­chert. Am 01.03.2018 bean­trag­te sie bei der Beklag­ten die Über­nah­me der oben genann­ten Wie­der­her­stel­lungs­ope­ra­tio­nen mit der Begrün­dung, sie habe sich auf­grund ortho­pä­di­scher Beschwer­den und Schmer­zen im August 2016 in der Türkei einer Schlauch­ma­gen­ope­ra­ti­on unter­zo­gen. Zudem habe sie Ernäh­rungs­be­ra­tun­gen in Anspruch genom­men, ihre Ernäh­rung umge­stellt, ver­schie­de­ne Abnehm­pro­duk­te ein­ge­nom­men sowie ver­mehrt Sport getrie­ben und hier­durch ihr Gewicht von 118 kg auf 75 kg redu­ziert. Sie habe nun­mehr bei einer Kör­per­grö­ße von 158 cm einen Body-Mass-Index von 30. Trotz ent­spre­chen­der täg­li­cher Pflege leide sie aller­dings unter der­ma­to­lo­gi­schen Pro­ble­men im Bereich der Haut­fal­ten und der Fett­schür­ze. Ihr sozia­les Leben sei hier­durch ein­ge­schränkt. Im Febru­ar 2018 habe sie sich in einem Kran­ken­haus über ope­ra­ti­ve Mög­lich­kei­ten bera­ten lassen. Die nun bean­trag­ten Ope­ra­tio­nen seien ihr dort ärzt­li­cher­seits drin­gend ange­ra­ten worden. Zum Nach­weis fügte sie ein Attest der Ärzte Prof. C. und Dr. H. aus dem G. Kran­ken­haus in Frank­furt am Main bei, aus dem her­vor­geht, dass die Ope­ra­tio­nen „befür­wor­tet“ (Zitat) würden. Das eben­falls bei­gefüg­te Attest des Der­ma­to­lo­gen Dr. D. aus A‑Stadt beschreibt rezi­di­vie­ren­de Ent­zün­dun­gen in den Haut­fal­ten unter der Bauch­schür­ze; diese führ­ten zu star­kem Juck­reiz und zeit­wei­se zu blu­ten­den ero­si­ven Haut­lä­sio­nen; eine end­gül­ti­ge Lösung des Pro­blems sei nur durch eine ope­ra­ti­ve Bauch­de­cken­straf­fung zu errei­chen, die er daher emp­feh­le.

Im 18.05.2018 ließ die Klä­ge­rin im Kreis­kran­ken­haus Groß-Umstadt eine abdo­mi­na­le Straf­fung der Haut durch­füh­ren und bezahl­te die Rech­nung in Höhe von 5.000,00 Euro.

Im Auf­trag der Beklag­ten stell­te der Medi­zi­ni­sche Dienst der Kran­ken­ver­si­che­rung Hessen (MDK) in seinem Gut­ach­ten vom 16.04.2018 fest, dass keine oder nur eine gering­gra­di­ge Bewe­gungs­ein­schrän­kung durch die Haut­über­schüs­se bestün­de. Die täg­li­che Intim­pfle­ge oder die Mobi­li­tät seien nicht ein­ge­schränkt. Zwar werde von der­ma­to­lo­gi­schen Pro­ble­men berich­tet, eine fach­der­ma­to­lo­gi­sche Behand­lung über einen län­ge­ren Zeit­raum sei aber nicht doku­men­tiert. Ent­stel­lung liege im Sinne der hierzu ergan­ge­nen Recht­spre­chung nicht vor. Ein wei­te­rer Rück­gang des Gewe­bes sei zu erwar­ten, wenn eine wei­te­re Gewichts­re­duk­ti­on vor­ge­nom­men werde. Das wei­te­re Gut­ach­ten des Medi­zi­ni­schen Diens­tes vom 23.10.2018 bestä­tig­te das erste Gut­ach­ten. Hin­wei­se auf höher­gra­dig abge­lau­fe­ne Ent­zün­dun­gen der Haut seien in Kennt­nis der von der Klä­ge­rin vor­ge­leg­ten Foto­do­ku­men­ta­ti­on nicht erkenn­bar.

Dar­auf­hin lehnte die Beklag­te den Antrag der Klä­ge­rin mit Bescheid vom 20.04.2018 in Gestalt des Wider­spruchs­be­schei­des vom 13.12.2018 ab. Dage­gen hat die Klä­ge­rin am 10.01.2019 Klage vor dem Sozi­al­ge­richt Darm­stadt erho­ben.

Mit Urteil vom 27.06.2022 hat das Sozi­al­ge­richt die Klage abge­wie­sen und zur Begrün­dung im Wesent­li­chen aus­ge­führt: Als Rechts­grund­la­ge für einen Kos­ten­er­stat­tungs­an­spruch komme vor­lie­gend allein §13 Abs. 3 SGB V in Betracht. Der Anspruch auf Kos­ten­er­stat­tung reiche inso­weit nicht weiter als der Sach­leis­tungs­an­spruch, den er erset­ze. Nicht als Sach­leis­tung geschul­de­te Leis­tun­gen könn­ten also auch auf dem Erstat­tungs­we­ge nicht ver­langt werden. Gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 1, 5 SGB V hätten Ver­si­cher­te Anspruch auf Kran­ken­be­hand­lung, wenn sie not­wen­dig sei, um eine Krank­heit zu erken­nen, zu heilen, ihre Ver­schlim­me­rung zu ver­hü­ten oder Krank­heits­be­schwer­den zu lin­dern. Die Kran­ken­be­hand­lung umfas­se u. a. ärzt­li­che Behand­lun­gen und Kran­ken­haus­be­hand­lun­gen. Diese Rechts­grund­la­ge sei ferner für die Anträ­ge auf Kos­ten­über­nah­me für die noch nicht durch­ge­führ­ten Wie­der­her­stel­lungs­ope­ra­tio­nen ein­schlä­gig. Im vor­lie­gen­den Fall stehe zur Über­zeu­gung der Kammer aber fest, dass eine Behand­lung der Haut­fal­ten der Klä­ge­rin durch eine Straf­fungs­ope­ra­ti­on keine not­wen­di­ge Kran­ken­be­hand­lung dar­stel­le. Die Haut­fal­ten der Klä­ge­rin an sich hätten bereits keinen Krank­heits­wert im kran­ken­ver­si­che­rungs­recht­li­chen Sinne. Eine durch die die Haut­fal­ten aus­ge­lös­te und durch eine Straf­fung der Haut­fal­ten zu behan­deln­de der­ma­to­lo­gi­sche Erkran­kung sei nicht nach­ge­wie­sen. Auch liege kein ent­stel­len­der Zustand bei der Klä­ge­rin vor.

Gegen das ihr am 19.07.2022 zuge­stell­te Urteil hat die Klä­ge­rin am 15.08.2022 Beru­fung zum Hes­si­schen Lan­des­so­zi­al­ge­richt erho­ben.

Die Klä­ge­rin ver­tritt die Auf­fas­sung, dass bei ihr ein regel­wid­ri­ger Zustand der Haut vor­lie­ge, da der nor­ma­le Zustand des Men­schen in der Regel keine mas­si­ven, über­schüs­si­gen Haut­area­le mit Fal­ten­bil­dung auf­wei­se. Dieser regel­wid­ri­ge Zustand sei zu Lasten der Kran­ken­kas­se zu besei­ti­gen. Die chir­ur­gi­sche Sanie­rung des Haut- und Weich­teil­man­tel­über­schus­ses sei inte­gra­ler Bestand­teil einer ein­heit­li­chen Behand­lung der Adi­po­si­tas. Dabei ver­weist die Klä­ge­rin auf das Säch­si­sches Lan­des­so­zi­al­ge­richt (Urteil vom 31.05.2018, Az. L 1 KR 249/16) und die aktu­el­le S3-Leit­li­nie „Chir­ur­gie der Adi­po­si­tas und meta­bo­li­scher Erkran­kun­gen“.

Die Klä­ge­rin bean­tragt (sinn­ge­mäß),

das Urteil des Sozi­al­ge­richts Darm­stadt vom 27.06.2022 sowie den Bescheid der Beklag­ten vom 20.04.2018 in der Gestalt des Wider­spruchs­be­schei­des vom 13.12.2018 auf­zu­he­ben und die Beklag­te zu ver­ur­tei­len, ihr drei post­ba­ria­tri­schen Wie­der­her­stel­lungs­ope­ra­tio­nen (Ober­schen­kel­straf­fung beid­seits, Ober­arm­straf­fung beid­seits, Brust­straf­fung) unter voll­sta­tio­nä­ren Bedin­gun­gen als Sach­leis­tung zu gewäh­ren und ihr die Kosten für eine selbst­be­schaff­te post­ba­ria­tri­sche Wie­der­her­stel­lungs­ope­ra­ti­on (Bauch­de­cken­straf­fung) in Höhe von 5.000,00 € zu erstat­ten.

Die Beklag­te bean­tragt,

die Beru­fung zurück­zu­wei­sen.

Die Beklag­te sieht ihre Rechts­auf­fas­sung durch die erst­in­stanz­li­che Ent­schei­dung bestä­tigt und meint, dass eine Behand­lung der Haut­fal­ten der Klä­ge­rin durch eine Straf­fungs­ope­ra­ti­on keine not­wen­di­ge Kran­ken­be­hand­lung dar­stel­le.

Zur Sach­ver­halts­auf­klä­rung von Amts wegen hat der Senat den haut­ärzt­li­chen Befund­be­richt von Dr. D. vom 06.02.2023 ein­ge­holt.

Auf den Antrag der Klä­ge­rin nach § 109 Sozi­al­ge­richts­ge­setz (SGG) hat der Senat den Arzt Dr. S. mit der Erstel­lung eines Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­tens mit Unter­su­chung der Klä­ge­rin beauf­tragt. Nach­dem der Sach­ver­stän­di­ge ver­geb­lich ver­sucht hatte, die Klä­ge­rin für eine Unter­su­chung ein­zu­be­stel­len, hat der Pro­zess­be­voll­mäch­tig­te der Klä­ge­rin den Antrag nach § 109 SGG zurück­ge­nom­men.

Die Betei­lig­ten haben ihr Ein­ver­ständ­nis mit einer Ent­schei­dung ohne münd­li­che Ver­hand­lung erklärt.

Wegen des Vor­brin­gens der Betei­lig­ten im Übri­gen sowie wegen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten wird auf den Inhalt der Gerichts­ak­te und der Ver­wal­tungs­ak­te der Beklag­ten, der Gegen­stand der Ent­schei­dungs­fin­dung des Senats gewe­sen ist, Bezug genom­men.

Ent­schei­dungs­grün­de

Die Ent­schei­dung konnte ohne münd­li­che Ver­hand­lung erge­hen, da sich die Betei­lig­ten mit dieser Vor­ge­hens­wei­se ein­ver­stan­den erklärt haben, § 153 Abs.1 in Ver­bin­dung mit § 124 Abs. 2 SGG.

Die zuläs­si­ge Beru­fung ist unbe­grün­det.

Das Sozi­al­ge­richt Darm­stadt hat die Klage mit Urteil vom 27.06.2022 zu Recht abge­wie­sen. Der ange­grif­fe­ne Bescheid der Beklag­ten vom 20.04.2018 in der Gestalt des Wider­spruchs­be­schei­des vom 13.12.2018 ist nicht auf­zu­he­ben, denn er ist nicht rechts­wid­rig. Die Klä­ge­rin hat keinen Anspruch auf eine Kos­ten­über­nah­me und auf die Kos­ten­er­stat­tung für post­ba­ria­tri­sche Wie­der­her­stel­lungs­ope­ra­tio­nen in den Berei­chen der Ober­schen­kel beid­seits, der Ober­ar­me beid­seits, der Brust und der Bauch­de­cke.

Zur Begrün­dung wird gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die aus­führ­li­chen und zutref­fen­den Aus­füh­run­gen der erst­in­stanz­li­chen Ent­schei­dung des Sozi­al­ge­richts Darm­stadt ver­wie­sen.

Ergän­zend führt der Senat aus:

Vor­lie­gend ist die Kos­ten­über­nah­me und die Erstat­tung von Kosten für selbst­be­schaff­te post­ba­ria­tri­sche Straf­fungs- bzw. Wie­der­her­stel­lungs­ope­ra­tio­nen im Streit. Es han­delt sich dabei um ein Begeh­ren, das zu den nicht selten auf­tre­ten­den Rechts­strei­tig­kei­ten vor den Sozi­al­ge­rich­ten gehört. Die recht­li­chen Fra­ge­stel­lun­gen zu sol­chen Fol­ge­ope­ra­tio­nen nach adi­po­si­tas­chir­ur­gi­scher Schlauch­ma­gen­ope­ra­ti­on und die Vor­aus­set­zun­gen für eine Kos­ten­er­stat­tung sind in der Recht­spre­chung nicht zuletzt des erken­nen­den Senats klar umris­sen (vgl. bei­spiel­haft Urtei­le vom 18.05.2021, L 1 KR 406/20 und vom 02.06.2020, L 1 KR 718/18).

Rechts­grund­la­ge für die Gewäh­rung der begehr­ten Ope­ra­tio­nen zur Gewe­be­re­duk­ti­on als Sach­leis­tung ist § 27 SGB V. Gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Ver­si­cher­te Anspruch auf Kran­ken­be­hand­lung, wenn sie not­wen­dig ist, um eine Krank­heit zu erken­nen, zu heilen, um ihre Ver­schlim­me­rung zu ver­hü­ten oder Krank­heits­be­schwer­den zu lin­dern.

Unter Krank­heit ist nach der Recht­spre­chung ein regel­wid­ri­ger, vom Leit­bild des gesun­den Men­schen abwei­chen­der Körper — oder Geis­tes­zu­stand zu ver­ste­hen, der einer ärzt­li­chen Behand­lung bedarf oder den Betrof­fe­nen arbeits­un­fä­hig macht (BSG, Urteil vom 30.09.1999, B 8 KN 9/98 KR; BSG, Urteil vom 10.02.1993, B 1 RK 14/92). Nicht jeder kör­per­li­chen Unre­gel­mä­ßig­keit kommt Krank­heits­wert zu. Eine Krank­heit liegt nur vor, wenn der Ver­si­cher­te in seinen Kör­per­funk­tio­nen beein­träch­tigt wird oder wenn die ana­to­mi­sche Abwei­chung ent­stel­lend wirkt (BSG, Urteil vom 19.10.2004, B 1 KR 3/03 R).

Zur Behand­lung einer Krank­heit kann grund­sätz­lich auch eine mit­tel­ba­re The­ra­pie vom Leis­tungs­an­spruch umfasst sein. Wird durch eine Ope­ra­ti­on dabei jedoch in ein funk­tio­nell intak­tes Organ ein­ge­grif­fen und dieses regel­wid­rig ver­än­dert, bedarf diese mit­tel­ba­re Behand­lung einer spe­zi­el­len Recht­fer­ti­gung, wobei die Art und Schwe­re der Erkran­kung, die Dring­lich­keit der Inter­ven­ti­on, die Risi­ken und der zu erwar­ten­de Nutzen der The­ra­pie sowie etwa­ige Fol­ge­kos­ten für die Kran­ken­ver­si­che­rung gegen­ein­an­der abzu­wä­gen sind (BSG, Urteil vom 19.02.2003, B 1 KR 1/02 R und Beschluss vom 17.10.2006, B 1 KR 104/06 B; LSG Rhein­land-Pfalz, Urteil vom 09.01.2014, L 5 KR 325/12; Hes­si­sches LSG, Urtei­le vom 09.02.2017, L 1 KR 134/14 und vom 06.10.2016, L 8 KR 291/14). Bei­spiels­wei­se darf eine chir­ur­gi­sche Behand­lung in Form einer Ver­klei­ne­rung der Brust nur die ultima ratio sein, da ein ope­ra­ti­ver Ein­griff stets mit einem erheb­li­chen Risiko (Nar­ko­se, Ope­ra­ti­ons­fol­gen wie z.B. Ent­zün­dun­gen, Throm­bo­se bzw. Lun­gen­em­bo­lie, ope­ra­ti­ons-spe­zi­fi­sche Kom­pli­ka­tio­nen) ver­bun­den ist. Werden z.B. ortho­pä­di­sche Beschwer­den in Folge von über­gro­ßen Brüs­ten gel­tend gemacht, ist zu for­dern, dass eine schwer­wie­gen­de Erkran­kung der Wir­bel­säu­le vor­liegt, alle kon­ser­va­ti­ven ortho­pä­di­schen Behand­lungs­maß­nah­men aus­ge­schöpft wurden und mit die an Sicher­heit gren­zen­de Wahr­schein­lich­keit gege­ben ist, dass die Maß­nah­me auch den gewünsch­ten Behand­lungs­er­folg bringt (Hes­si­sches LSG, Urteil vom 15.04.2013, L 1 KR 119/11; LSG Ham­burg, Urteil vom 25.08.2016, L 1 KR 38/15).

Bestehen Ver­än­de­run­gen der Haut infol­ge des Auf­ein­an­der­rei­bens über­lap­pen­der Haut­area­le unter­halb der Brust, am Bauch oder zwi­schen den Ober­schen­keln oder an den Ober­ar­men, bedarf es des Nach­wei­ses nach­hal­ti­ger Struk­tur­ver­än­de­run­gen der Haut als Folge einer per­sis­tie­ren­den Ent­zün­dung, z.B. in Form ero­dier­ter Berei­che (vgl. Hes­si­sches LSG, Urteil vom 15.04.2013, L 1 KR 119/11). Ein Krank­heits­wert ist nur dann zu beja­hen, wenn dau­er­haft the­ra­pie­re­sis­ten­te Haut­rei­zungs­er­schei­nun­gen wie Pilz­be­fall, Sekre­tio­nen oder ent­zünd­li­che Ver­än­de­run­gen vor­lie­gen (vgl. Lan­des­so­zi­al­ge­richt Sach­sen-Anhalt, Urteil vom 16.11.2006, L 4 KR 60/04). Ent­spre­chend ist im Fall post­ba­ria­tri­scher Straf­fungs­ope­ra­tio­nen nach Auf­fas­sung des Senats ein schwer­wie­gen­des Krank­heits­bild der Haut zu for­dern, um einen ope­ra­ti­ven Ein­griff zu recht­fer­ti­gen (vgl. zur The­ma­tik ins­ge­samt Hes­si­sches LSG, Urteil vom 02.06.2020, L 1 KR 718/18).

Bei der Klä­ge­rin bestehen bzw. bestan­den jedoch keine Haut­ver­än­de­run­gen, die aus­schließ­lich durch Straf­fungs­ope­ra­tio­nen der Ober­schen­kel beid­seits, der Ober­ar­me beid­seits, der Brust und der Bauch­de­cke the­ra­pier­bar wären. Die durch die Gut­ach­ten des MDK vom 14.04.2018 und 23.10.2018 beschrie­be­nen und durch Fotos doku­men­tier­ten Haut­ver­än­de­run­gen sind nach Auf­fas­sung des Senats nicht als derart schwer­wie­gend und als nicht the­ra­pier­bar zu bewer­ten, so dass daraus ein Anspruch auf die begehr­ten Straf­fungs­ope­ra­tio­nen folgen könnte. Aus­weis­lich der Foto­do­ku­men­ta­ti­on und der MDK-Gut­ach­ten liegen zur Über­zeu­gung des Senats keine Funk­ti­ons­ein­schrän­kun­gen vor. Auch aus dem vom Senat ein­ge­hol­ten Befund­be­richt des Der­ma­to­lo­gen Dr. D. vom 06.02.2023 erge­ben sich keine Anhalts­punk­te für eine not­wen­di­ge oder durch­ge­führ­te sys­te­ma­ti­sche, fach­der­ma­to­lo­gi­sche Behand­lung an den hier streit­ge­gen­ständ­li­chen Haut­par­tien oder für eine daraus resul­tie­ren­de Arbeits­un­fä­hig­keit. Eine behand­lungs­be­dürf­ti­ge Erkran­kung, welche die begehr­te Kos­ten­er­stat­tung bzw. Sach­leis­tung begrün­den könnte, ist den medi­zi­ni­schen Unter­la­gen folg­lich nicht zu ent­neh­men.

Eine Leis­tungs­pflicht ergibt sich auch nicht unter dem Gesichts­punkt der Ent­stel­lung. Eine Ent­stel­lung ist der gut­ach­ter­li­chen Fest­stel­lung des MDK, der sich der Senat nach eige­ner Über­zeu­gung unter Zugrun­de­le­gung der Gut­ach­ten und der Foto­do­ku­men­ta­ti­on anschließt, offen­sicht­lich nicht gege­ben. Für die Annah­me einer Ent­stel­lung muss eine beacht­li­che Erheb­lich­keits­schwel­le über­schrit­ten sein. Es genügt nicht allein ein mar­kan­tes Gesicht oder gene­rell die unge­wöhn­li­che Aus­ge­stal­tung von Orga­nen, etwa die Aus­bil­dung eines sechs­ten Fin­gers an einer Hand. Viel­mehr muss die kör­per­li­che Auf­fäl­lig­keit in einer sol­chen Aus­prä­gung vor­han­den sein, dass sie sich schon bei flüch­ti­ger Begeg­nung in all­täg­li­chen Situa­tio­nen quasi „im Vor­bei­ge­hen” bemerk­bar macht und regel­mä­ßig zur Fixie­rung des Inter­es­ses ande­rer auf den Betrof­fe­nen führt. Dies gilt gerade auch vor dem Hin­ter­grund, dass die Rechts­ord­nung im Inter­es­se der Ein­glie­de­rung behin­der­ter Men­schen for­dert, dass Nicht­be­hin­der­te ihre Wahr­neh­mung von Behin­de­rung kor­ri­gie­ren müssen (vgl. BSG, Urteil vom 28.02.2008, B 1 KR 19/07 R). Die Recht­spre­chung hat als Bei­spie­le für eine Ent­stel­lung das Fehlen natür­li­chen Kopf­haa­res bei einer Frau oder eine Wan­gen­atro­phie oder Narben im Lip­pen­be­reich ange­nom­men oder erör­tert (BSG, Urteil vom 19.10.2004, B 1 KR 3/03 R).

Vor diesem Hin­ter­grund ist im Fall der Klä­ge­rin die Erheb­lich­keits­schwel­le zur Ent­stel­lung bei weitem nicht erreicht. Zum einen kann die Klä­ge­rin die betref­fen­den Kör­per­stel­len durch ein­fachs­te Mittel, näm­lich durch das Tragen ange­pass­ter Klei­dung, ver­de­cken. Zum ande­ren kann zwar mit der neue­ren Recht­spre­chung des Bun­des­so­zi­al­ge­richts (vgl. Urteil vom 10. März 2022, B 1 KR 3/21 R) über den bis­lang ver­tre­te­nen Begriff der Ent­stel­lung hinaus auch kör­per­li­chen Anoma­lien ein Krank­heits­wert zuge­mes­sen werden, die sich in Berei­chen befin­den, die übli­cher­wei­se von Klei­dung bedeckt sind. Aller­dings müssen in diesen Berei­chen die Auf­fäl­lig­kei­ten beson­ders schwer­wie­gend sein. Erfor­der­lich ist, dass selbst die Offen­ba­rung im pri­va­ten Bereich die Teil­ha­be an der Gesell­schaft, etwa im Rahmen der Sexua­li­tät, nahezu aus­schließt. Hier­bei ist nicht das sub­jek­ti­ve Emp­fin­den des Betrof­fe­nen maß­geb­lich, son­dern allein die objek­tiv zu erwar­ten­de Reak­ti­on. Die Auf­fäl­lig­keit muss evi­dent absto­ßend wirken. Dies ist in aller Regel bei Haut­über­schüs­sen nach baria­tri­schen Ope­ra­tio­nen – wie im Fall der Klä­ge­rin – nicht der Fall. Eine beson­ders schwer­wie­gen­de Auf­fäl­lig­keit kann der Senat auch der Foto­do­ku­men­ta­ti­on nicht ent­neh­men.

Die begehr­ten Straf­fungs­ope­ra­tio­nen stel­len ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Klä­ge­rin auch keinen Bestand­teil einer ein­heit­li­chen Behand­lung der Adi­po­si­tas dar; ins­be­son­de­re ist eine baria­tri­sche Ope­ra­ti­on (hier: Magen­by­pass) nicht zwin­gend mit einer post­ba­ria­tri­schen Wie­der­her­stel­lungs­ope­ra­ti­on in Form ver­schie­de­ner Straf­fungs­ope­ra­tio­nen abzu­schlie­ßen. Sowohl für baria­tri­sche Ope­ra­tio­nen als auch für die hier strei­ti­gen Straf­fungs­ope­ra­tio­nen sind jeweils geson­dert Art und Schwe­re der Erkran­kung, die Dring­lich­keit der Inter­ven­ti­on, die Risi­ken und der zu erwar­ten­de Nutzen der The­ra­pie sowie etwa­ige Fol­ge­kos­ten für die Kran­ken­ver­si­che­rung gegen­ein­an­der abzu­wä­gen. Der dem Urteil des Säch­si­schen LSG vom 31. Mai 2018 (L 1 KR 249/16) zugrun­de­lie­gen­de Sach­ver­halt unter­schei­det sich vom vor­lie­gen­den: Wäh­rend die Klä­ge­rin dort selbst im Winter unter nach­hal­ti­gen Haut­pro­ble­men mit mas­si­ven Ent­zün­dun­gen litt, konnte das sozi­al­me­di­zi­ni­sche Gut­ach­ten des MDK und der Befund­be­richt des Haut­arz­tes kein schwer­wie­gen­des Krank­heits­bild der Haut fest­stel­len, so dass auch der Schluss des Säch­si­schen Lan­des­so­zi­al­ge­richts — baria­tri­sche Ope­ra­ti­on ver­ur­sacht mas­si­ven krank­haf­ten Haut­be­fund, der ope­ra­tiv zu besei­ti­gen ist — auf den vor­lie­gen­den Sach­ver­halt nicht über­tra­gen werden kann.

Der Hin­weis der Klä­ge­rin auf die Emp­feh­lun­gen der S3-Leit­li­nie „Chir­ur­gie der Adi­po­si­tas und meta­bo­li­scher Erkran­kun­gen“ von 2018 kann den Senat nicht über­zeu­gen. Die dort gege­be­nen Emp­feh­lun­gen stel­len schon nach ihrem Selbst­ver­ständ­nis keine Grund­la­ge für die Annah­me einer Kos­ten­er­stat­tungs­pflicht der gesetz­li­chen Kran­ken­kas­sen dar. Aus­weis­lich der Aus­füh­run­gen in dieser Leit­li­nie (vgl. dort S. 9) „sind nach der Emp­feh­lung des Euro­pa­rats Leit­li­ni­en sys­te­ma­tisch ent­wi­ckel­te Ent­schei­dungs­hil­fen für Leis­tungs­er­brin­ger und Pati­en­ten über die ange­mes­se­ne Vor­ge­hens­wei­se bei spe­zi­el­len Gesund­heits­pro­ble­men, sie stel­len jedoch keine gesetz­li­chen Rege­lun­gen dar. Des­halb sind kei­ner­lei Leit­li­ni­en der wis­sen­schaft­li­chen medi­zi­ni­schen Fach­ge­sell­schaf­ten für Ärzte recht­lich bin­dend und haben daher weder haf­tungs­be­grün­den­de noch haf­tungs­be­frei­en­de Wir­kung. Was im juris­ti­schen Sinne den ärzt­li­chen Stan­dard in der kon­kre­ten Behand­lung eines Pati­en­ten dar­stellt, kann nur im Ein­zel­fall ent­schie­den werden.“

Die von der Klä­ge­rin zitier­te Leit­li­nie stellt zwar als Emp­feh­lung 6.31 fest (Zitat): „Jeder Pati­ent nach adi­po­si­tas­chir­ur­gi­scher oder meta­bo­li­scher Ope­ra­ti­on, der nach­hal­tig an Gewicht ver­lo­ren hat, soll die Mög­lich­keit bekom­men, sich bei einem Fach­arzt für Plas­ti­sche Chir­ur­gie mit der ent­spre­chend vor­han­de­ner Exper­ti­se auf dem Gebiet der Rekon­struk­ti­on der Kör­per­form nach Gewichts­re­duk­ti­on vor­zu­stel­len.“ Als wei­te­re Emp­feh­lung 6.32 führt die Leit­li­nie zudem aus: „Bei Pati­en­ten­wunsch und ent­spre­chen­der medi­zi­ni­scher Indi­ka­ti­on soll eine Straf­fungs­ope­ra­ti­on ange­bo­ten und durch­ge­führt werden. Sind meh­re­re Kör­per­re­gio­nen betrof­fen, soll mehr­zei­tig ope­riert werden.“ Im unmit­tel­bar nach­fol­gen­den Text der Leit­li­nie heißt es wört­lich: „Nicht jeder Pati­ent, der Gewicht abge­nom­men hat, benö­tigt eine plas­tisch-chir­ur­gi­sche Straf­fungs­ope­ra­ti­on.“

Damit kommt der Leit­li­nie schon nach ihrem Selbst­ver­ständ­nis kei­ner­lei recht­li­che Bin­dungs­wir­kung, son­dern viel­mehr ein klar auf den Ein­zel­fall und die jewei­li­ge medi­zi­ni­sche Indi­ka­ti­on abstel­len­der reiner Emp­feh­lungs­cha­rak­ter zu. Indem somit die S3-Leit­li­nie nichts über die Kos­ten­tra­gung durch die gesetz­li­che Kran­ken­ver­si­che­rung zu bestim­men vermag, ver­bleibt es inso­weit bei den all­ge­mei­nen Rege­lun­gen. Die haut­straf­fen­de Ope­ra­ti­on als Leis­tung der gesetz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rung nach dras­ti­schem Gewichts­ver­lust infol­ge einer adi­po­si­tas­chir­ur­gi­schen Behand­lung kommt nur bei klarer medi­zi­ni­scher Indi­ka­ti­on infol­ge von Funk­ti­ons­stö­run­gen oder deut­li­cher Ent­stel­lung in Betracht (s.o.). Beides liegt im Falle der Klä­ge­rin nicht vor.

Die Kos­ten­ent­schei­dung beruht auf § 193 SGG.

Die Revi­si­on war nicht zuzu­las­sen, da die Vor­aus­set­zun­gen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vor­lie­gen.