Die Beschwer­de des Antrags­geg­ners gegen den Beschluss des Sozi­al­ge­richts Fulda vom 25. Januar 2017 wird zurück­ge­wie­sen.

Der Antrags­geg­ner hat dem Antrag­stel­ler seinen not­wen­di­gen außer­ge­richt­li­chen Kosten auch für das Beschwer­de­ver­fah­ren zu erstat­ten.

Gründe:

Die zuläs­si­ge Beschwer­de des Antrags­geg­ners, mit der dieser bean­tragt,

den Beschluss des Sozi­al­ge­richts Fulda vom 25. Januar 2017 auf­zu­he­ben und den Antrag auf Erlass einer einst­wei­li­gen Anord­nung abzu­leh­nen,

ist zuläs­sig, aber nicht begrün­det.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 und 2 Sozi­al­ge­richts­ge­setz (SGG) kann das Gericht der Haupt­sa­che auf Antrag eine einst­wei­li­ge Anord­nung in Bezug auf den Streit­ge­gen­stand tref­fen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Ver­än­de­rung des bestehen­den Zustands die Ver­wirk­li­chung eines Rechts des Antrag­stel­lers ver­ei­telt oder wesent­lich erschwert werden könnte. Einst­wei­li­ge Anord­nun­gen sind auch zur Rege­lung eines vor­läu­fi­gen Zustands in Bezug auf ein strei­ti­ges Rechts­ver­hält­nis zuläs­sig, wenn eine solche Rege­lung zur Abwen­dung wesent­li­cher Nach­tei­le nötig erscheint. Nach § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivil­pro­zess­ord­nung (ZPO) sind der Anord­nungs­an­spruch und der Anord­nungs­grund glaub­haft zu machen.

Zunächst hat der Antrag­stel­ler einen Anord­nungs­an­spruch glaub­haft gemacht.

Der Senat kann im Rahmen der im einst­wei­li­gen Rechts­schutz­ver­fah­ren gebo­te­nen sum­ma­ri­schen Prü­fung offen lassen, ob Rechts­grund­la­ge für den gel­tend gemach­ten Anspruch auf Leis­tun­gen der Hilfe/Übernahme der Blut­zu­cker­mes­sun­gen und Insu­lin­ga­be mit­tels Insu­lin­pum­pe sowie der Über­wa­chung des Antrag­stel­lers hin­sicht­lich der Nah­rungs­auf­nah­me sowie zum Schutz vor Unter­zu­cke­run­gen § 37 Abs. 2 Satz 1 Sozi­al­ge­setz­buch Fünf­tes Buch (SGB V) – Gesetz­li­che Kran­ken­ver­si­che­rung (Behand­lungs­si­che­rungs­pfle­ge) oder §§ 53 Abs. 1, 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozi­al­ge­setz­buch Zwölf­tes Buch (SGB XII) — Sozi­al­hil­fe – ist, denn jeden­falls ist der Antrags­geg­ner für die Leis­tungs­er­brin­gung zustän­dig gewor­den.

Die Zustän­dig­keit des Antrags­geg­ners für die Leis­tungs­er­brin­gung auch für Leis­tun­gen nach § 37 SGB V ergibt sich dabei unab­hän­gig von der mate­ri­ell-recht­li­chen Zustän­dig­keit aus § 14 Sozi­al­ge­setz­buch Neun­tes Buch (SGB IX) – Reha­bi­li­ta­ti­on und Teil­ha­be behin­der­ter Men­schen. Nach Absatz 1 Satz 1 dieser Norm stellt der Reha­bi­li­ta­ti­ons­trä­ger, sofern Leis­tun­gen zur Teil­ha­be bean­tragt werden, inner­halb von zwei Wochen nach Ein­gang des Antra­ges fest, ob er nach dem für ihn gel­ten­den mate­ri­el­len Recht für die Leis­tung zustän­dig ist. Stellt er fest, dass er hier­für nicht zustän­dig ist, leitet er den Antrag unver­züg­lich dem nach seiner Auf­fas­sung zustän­di­gen Reha­bi­li­ta­ti­ons­trä­ger zu (§ 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IX). Wird der Antrag nicht wei­ter­ge­lei­tet, stellt der Reha­bi­li­ta­ti­ons­trä­ger den Reha­bi­li­ta­ti­ons­be­darf unver­züg­lich fest (§ 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX). Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX ver­liert der mate­ri­ell-recht­lich an sich zustän­di­ge Reha­bi­li­ta­ti­ons­trä­ger (§ 6 SGB IX) im Außen­ver­hält­nis zu den Ver­si­cher­ten oder Leis­tungs­emp­fan­gen­den seine Zustän­dig­keit für eine Teil­ha­be­leis­tung, sobald der zuerst ange­gan­ge­ne Reha­bi­li­ta­ti­ons­trä­ger eine nach § 14 Abs. 1 SGB IX frist­ge­rech­te Zustän­dig­keits­klä­rung ver­säumt hat und dem­zu­fol­ge die Zustän­dig­keit nach allen in Betracht kom­men­den reha­bi­li­ta­ti­ons­recht­li­chen Rechts­grund­la­gen auf ihn über­ge­gan­gen ist. Ein sol­cher Fall der ver­säum­ten Zustän­dig­keits­klä­rung liegt hier vor, denn der Antrags­geg­ner als Reha­bi­li­ta­ti­ons­trä­ger im Sinne von § 6 Abs. 1 Nr. 7 SGB IX hat den am 6. April 2016 bei ihm ein­ge­gan­ge­nen Teil­ha­be­an­trag (§ 4, 5 SGB IX) auf Schul­be­glei­tung in Form einer Teil­ha­be­as­sis­tenz nicht an die Bei­gela­de­ne als Reha­bi­li­ta­ti­ons­trä­ger nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX wei­ter­ge­lei­tet. Der Zustän­dig­keits­be­grün­dung als erstan­ge­gan­ge­ner Reha­bi­li­ta­ti­ons­trä­ger steht nicht ent­ge­gen, dass es sich bei den hier (auch) in Betracht kom­men­den Leis­tun­gen nach dem SGB V nicht um Teil­ha­be­leis­tun­gen im Sinne von §§ 4, 5 SGB IX han­delt son­dern um Leis­tun­gen der Kran­ken­be­hand­lung nach § 27 i. V. m. § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V, denn § 14 SGB IX ist auch in den Fällen anzu­wen­den, in denen die Zustän­dig­keit des­halb umstrit­ten ist, weil unklar bleibt, ob Teil­ha­be­leis­tun­gen oder Maß­nah­men der Kran­ken­be­hand­lung erfor­der­lich sind (Luik in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 2. Aufl. 2015, § 14 SGB IX, Rn. 60 m. w. N.; a. A. LSG Nie­der­sach­sen-Bremen, L 8 SO 385/12, juris Rn. 27, aller­dings in einem Ver­fah­ren, in dem der Antrag nicht auf Teil­ha­be­as­sis­tenz son­dern auf häus­li­che Kran­ken­pfle­ge gerich­tet war). Das gilt jeden­falls dann, wenn – wie hier — die Abgren­zung von Kran­ken­be­hand­lung und medi­zi­ni­scher Reha­bi­li­ta­ti­on im Ein­zel­fall schwie­rig ist.

Die Abgren­zung zwi­schen Ein­glie­de­rungs­hil­fe als medi­zi­ni­scher Reha­bi­li­ta­ti­on und (Behandlungs-)Sicherungspflege hat nach der Ziel­rich­tung der Leis­tung zu erfol­gen (Hess. Lan­des­so­zi­al­ge­richt, Beschluss vom 29. Juni 2011 – L 6 SO 57/11 B ER –, Rn. 12, juris). Dient die Leis­tung der Bewäl­ti­gung von Anfor­de­run­gen des Schul­all­tags (Inte­gra­ti­ons­hel­fer), ist der Bedarf der Ein­glie­de­rungs­hil­fe nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII zuzu­ord­nen. Han­delt es sich um die Not­wen­dig­keit, die kör­per­li­che Situa­ti­on zu beob­ach­ten und ggf. in medi­zi­nisch-pfle­ge­ri­scher Hin­sicht zu inter­ve­nie­ren, so han­delt es sich um Siche­rungs­pfle­ge nach § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V. Es kann den wei­te­ren Ermitt­lun­gen im Haupt­sa­che­ver­fah­ren über­las­sen blei­ben, ob der vom Antrag­stel­ler glaub­haft gemach­te Bedarf unter Berück­sich­ti­gung dieser Abgren­zungs­kri­te­ri­en ganz oder teil­wei­se dem Bereich der Ein­glie­de­rungs­hil­fe oder dem Bereich der Behand­lungs­pfle­ge zuzu­ord­nen ist. Dabei wird fest­zu­stel­len sein, ob und inwie­weit die an sich dem medi­zi­nisch-pfle­ge­ri­schen Bereich der Behand­lungs­si­che­rungs­pfle­ge zuzu­ord­nen­den Blut­zu­cker­mes­sun­gen und Insu­lin­ga­ben sich als unmit­tel­bar mit dem Schul­be­such ver­knüpft erwei­sen und allein dem­sel­ben dienen (vgl. zum Maß­stab BSG, Urteil vom 20. Sep­tem­ber 2012 – B 8 SO 15/11 R, juris, Rn. 21), was nach der ober­ge­richt­li­chen Recht­spre­chung dann der Fall sein kann, wenn die erfor­der­li­che Maß­nah­me über­haupt nur die Zeit des Schul­be­suchs betrifft und wenn ohne die Unter­stüt­zung der Kon­trol­le und der Regu­lie­rung des Blut­zu­cker­spie­gels eine Teil­nah­me am Unter­richt nicht gesi­chert wäre (vgl. LSG Berlin-Bran­den­burg, Beschluss vom 18. Januar 2017, L 15 SO 355/16 B ER, juris, zur Not­wen­dig­keit eines Ein­zel­fall­hel­fers zur Sicher­stel­lung der Teil­nah­me am Sport­un­ter­richt). Ebenso ist im Haupt­sa­che­ver­fah­ren zu ermit­teln, inwie­weit hin­sicht­lich des vom Antrag­stel­ler glaub­haft gemach­ten Bedarfs an Hilfe- und Über­wa­chungs­maß­nah­men, die erfor­der­lich sind, um Über- bzw. Unter­zu­cke­rungs­sym­pto­me zu erken­nen, ihnen vor­zu­beu­gen, sie adäquat zu behan­deln und die Koh­le­hy­drat­men­ge im Rahmen der Nah­rungs­auf­nah­me zu regu­lie­ren, die genann­te unmit­tel­ba­re Ver­knüp­fung besteht. Wenn und soweit sich die erfor­der­li­chen Maß­nah­men unab­hän­gig vom Schul­be­such als medi­zi­nisch not­wen­dig erwei­sen, dürfte es an der unmit­tel­ba­ren Ver­knüp­fung mit dem Schul­be­such fehlen, wobei aller­dings zu berück­sich­ti­gen ist, dass eine gerade auf­grund der beson­de­ren Anfor­de­run­gen des Schul­all­tags fest­stell­ba­re insta­bi­le Blut­zu­cker­stoff­wech­sel­si­tua­ti­on einen Teilhabe(mehr)bedarf begrün­den kann.

Der Antrag­stel­ler hat wei­ter­hin glaub­haft gemacht, dass er auf­grund des bei ihm dia­gnos­ti­zier­ten Dia­be­tes mel­li­tus Typ I zum Kreis der behin­der­ten Men­schen nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Sozi­al­ge­setz­buch Neun­tes Buch (SGB IX) – Reha­bi­li­ta­ti­on und Teil­ha­be behin­der­ter Men­schen und wei­ter­ge­hend zum Kreis der­je­ni­gen gehört, die dem Grunde nach Leis­tun­gen der Ein­glie­de­rungs­hil­fe nach den §§ 53ff SGB XII bean­spru­chen können (§ 1 Nr. 3 Ver­ord­nung nach § 60 SGB XII [Ein­glie­de­rungs­hil­fe-VO]). Ebenso gehört er auf­grund dieser Erkran­kung zu dem nach § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V leis­tungs­be­rech­tig­ten Per­so­nen­kreis.

Dar­über hinaus ist – worauf auch das Sozi­al­ge­richt schon zutref­fend abge­stellt hat — durch die Stel­lung­nah­me der Klas­sen­leh­re­rin des Antrag­stel­lers vom 10. Januar 2017 glaub­haft gemacht, dass der (gerade) noch sechs- bzw. (fast) sie­ben­jäh­ri­ge Antrags­stel­ler im Hin­blick auf die (noch) feh­len­de Ein­sichts­fä­hig­keit und Reife nicht eigen­stän­dig adäquat mit seiner Behin­de­rung umzu­ge­hen in der Lage ist. Ebenso kann dies nicht von der Klas­sen­leh­re­rin für den Antrag­stel­ler über­nom­men werden, ohne dass sie ihre Lehr- und Auf­sichts­ver­pflich­tung gegen­über den übri­gen Kin­dern in der Grund­schul­klas­se des Antrag­stel­lers ver­nach­läs­sigt, wie sich eben­falls aus ihrer Stel­lung­nah­me vom 10. Januar 2017 ergibt. Schließ­lich können die streit­ge­gen­ständ­li­chen Leis­tun­gen – unge­ach­tet der sich hier­aus erge­ben­den Folgen für die Inte­gra­ti­on des Antrag­stel­lers in den Klas­sen­ver­band und die Ent­wick­lung seiner Eigen­stän­dig­keit — schon des­halb nicht von seiner Mutter aus­ge­führt werden, weil ihre Erwerbs­tä­tig­keit dem ent­ge­gen­steht. Auch wenn das Risiko des Ver­lusts des Arbeits­plat­zes nicht glaub­haft gemacht ist, kann ihr als allein­er­zie­hen­der Mutter die dau­er­haf­te Sicher­stel­lung der Betreu­ung des Antrag­stel­lers wäh­rend des Schul­be­suchs selbst dann nicht zuge­mu­tet werden, wenn es sich – etwa durch ent­spre­chen­de Gestal­tung ihres Dienst­pla­nes – orga­ni­sie­ren ließe, dass sie wäh­rend des Unter­richts anwe­send wäre, da ange­sichts ihrer Voll­zeit­be­rufs­tä­tig­keit bei lebens­na­her Betrach­tungs­wei­se wochen­tags keine Zeit für die Erzie­hung und Betreu­ung des Antrag­stel­lers außer­halb der Schul­zeit ver­blie­be.

Schließ­lich ist auch ein Anord­nungs­grund glaub­haft gemacht. Dem Antrag­stel­ler ist das Abwar­ten einer Haupt­sach­ent­schei­dung nicht zuzu­mu­ten, da ohne die streit­ge­gen­ständ­li­chen Leis­tun­gen sein Schul­be­such gefähr­det ist.

Die Kos­ten­ent­schei­dung ergeht in ent­spre­chen­der Anwen­dung von § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unan­fecht­bar.