Tenor

Die Revi­si­on wird zurück­ge­wie­sen.

Die Beklag­te hat dem Kläger die außer­ge­richt­li­chen Kosten auch im Revi­si­ons­ver­fah­ren zu erstat­ten.

G r ü n d e :

I

1
Im Streit steht Pfle­ge­geld nach dem Pfle­ge­grad 2 ab 1.1.2017.

2
Bei dem 2009 gebo­re­nen und bei der Beklag­ten pfle­ge­ver­si­cher­ten min­der­jäh­ri­gen Kläger besteht ein insu­lin­pflich­ti­ger Dia­be­tes Mel­li­tus Typ 1. Er ist mit einer Insu­lin­pum­pe ver­sorgt. Auf seinen Antrag auf Leis­tun­gen bei ambu­lan­ter Pflege bewil­lig­te ihm die Beklag­te auf der Grund­la­ge eines von ihr ein­ge­hol­ten Gut­ach­tens des Medi­zi­ni­schen Diensts der Kran­ken­ver­si­che­rung (MDK) Leis­tun­gen der Pfle­ge­ver­si­che­rung nach dem Pfle­ge­grad 1 ab 1.1.2017 (Bescheid vom 17.4.2019). Seinen Wider­spruch hier­ge­gen mit dem Ziel der Bewil­li­gung von Leis­tun­gen zumin­dest nach Pfle­ge­grad 2 wies sie nach Ein­ho­lung eines wei­te­ren MDK-Gut­ach­tens zurück, weil die Summe der gewich­te­ten Punkte nicht die für die Bewil­li­gung des Pfle­ge­grads 2 erfor­der­li­che Punkt­zahl errei­che (Wider­spruchs­be­scheid vom 18.12.2019).

3
Das SG hat nach Ein­ho­lung eines Gut­ach­tens einer Pfle­ge­sach­ver­stän­di­gen die Beklag­te ver­ur­teilt, dem Kläger ab 1.1.2017 die begehr­ten Leis­tun­gen der Pfle­ge­ver­si­che­rung nach dem Pfle­ge­grad 2 zu gewäh­ren. Es bestün­den unter­schied­li­che Auf­fas­sun­gen über die Aus­le­gung der Begut­ach­tungs-Richt­li­ni­en des Spit­zen­ver­bands Bund der Pfle­ge­kas­sen bei Kin­dern mit Dia­be­tes Mel­li­tus Typ 1 und das Gericht folge inso­weit der Aus­le­gung und den Fest­stel­lun­gen im Gut­ach­ten der Pfle­ge­sach­ver­stän­di­gen (Urteil vom 11.1.2022). Das LSG hat nach Ein­ho­lung eines Gut­ach­tens einer wei­te­ren Pfle­ge­sach­ver­stän­di­gen auf die nur von der Beklag­ten ein­ge­leg­te Beru­fung den Tenor des Urteils des SG neu gefasst und die Beklag­te ver­ur­teilt, dem Kläger ab 1.1.2017 Pfle­ge­geld nach dem Pfle­ge­grad 2 zu gewäh­ren; im Übri­gen hat es die Beru­fung zurück­ge­wie­sen. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Beklag­ten seien die allein noch strei­ti­gen Pfle­ge­be­dar­fe in den Modu­len 3 und 4 (§ 14 Abs 2 und § 15 Abs 2 SGB XI) anzu­er­ken­nen mit der Folge, dass eine Pfle­ge­be­dürf­tig­keit des Klä­gers nach dem Pfle­ge­grad 2 bestehe. Im Modul 3 (Ver­hal­tens­wei­sen und psy­chi­sche Pro­blem­la­gen) sei die Abwehr des Klä­gers aus kind­li­cher Angst gegen das schmerz­haf­te Setzen der Kanüle der Insu­lin­pum­pe zu berück­sich­ti­gen. Im Modul 4 (Selbst­ver­sor­gung) sei beim Essen die Kon­trol­le der voll­stän­di­gen Nah­rungs­auf­nah­me im Zusam­men­hang mit der Dosie­rung der Insu­lin­ga­ben zu berück­sich­ti­gen unab­hän­gig davon, ob eine Diät ein­zu­hal­ten sei. Das Ein­hal­ten einer Diät sei in Modul 5 (Bewäl­ti­gung von und selb­stän­di­ger Umgang mit krank­heits- oder the­ra­pie­be­ding­ten Anfor­de­run­gen und Belas­tun­gen) zu berück­sich­ti­gen (Urteil vom 21.8.2023).

4
Mit ihrer vom LSG zuge­las­se­nen Revi­si­on rügt die Beklag­te eine Ver­let­zung ins­be­son­de­re von §§ 14 und 15 SGB XI. Im Modul 3 bei der Abwehr pfle­ge­ri­scher und ande­rer unter­stüt­zen­der Maß­nah­men und im Modul 4 beim Essen hätten keine gewich­te­ten Punkte berück­sich­tigt werden dürfen. Ein selbst­be­stimm­tes Abwehr­ver­hal­ten aus Angst vor Schmer­zen könne auch bei Kin­dern weder nach dem Gesetz noch nach den Begut­ach­tungs-Richt­li­ni­en im Modul 3 bewer­tet werden, solan­ge die Angst nicht selbst Krank­heits­wert habe. Ver­hal­tens­wei­sen, die nicht Folge von Gesund­heits­pro­ble­men seien, könn­ten im Modul 3 nicht berück­sich­tigt werden. Auch ein im Modul 4 zu berück­sich­ti­gen­der Hil­fe­be­darf beim Essen bestehe nicht. Der Hil­fe­be­darf des Klä­gers beim Essen in Form der Kon­trol­le der voll­stän­di­gen Auf­nah­me der an die Insu­lin­ga­ben ange­pass­ten Nah­rung sei nach dem Gesetz wie nach den Begut­ach­tungs-Richt­li­ni­en allein im Modul 5 zu berück­sich­ti­gen. Hier­von unab­hän­gi­ge und nicht alters­ent­spre­chen­de Ein­schrän­kun­gen des Klä­gers bei der Nah­rungs­auf­nah­me seien nicht fest­ge­stellt worden.

5
Die Beklag­te bean­tragt,

die Urtei­le des Schles­wig-Hol­stei­ni­schen Lan­des­so­zi­al­ge­richts vom 21. August 2023 in der Fas­sung des Ände­rungs­be­schlus­ses vom 4. Januar 2024 und des Sozi­al­ge­richts Lübeck vom 11. Januar 2022 auf­zu­he­ben und die Klage abzu­wei­sen.

6
Der Kläger ver­tei­digt die ange­grif­fe­ne Ent­schei­dung und bean­tragt,

die Revi­si­on zurück­zu­wei­sen.

II

7
Die zuläs­si­ge Revi­si­on der Beklag­ten ist unbe­grün­det (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Der Kläger hat Anspruch auf das begehr­te Pfle­ge­geld nach dem Pfle­ge­grad 2 ab 1.1.2017. Zutref­fend haben die Vor­in­stan­zen, gestützt auf die von ihnen ein­ge­hol­ten Gut­ach­ten, die hier allein noch strei­ti­gen Pfle­ge­be­dar­fe in den Modu­len 3 und 4 (§ 14 Abs 2 und § 15 Abs 2 SGB XI) aner­kannt mit der Folge, dass eine Pfle­ge­be­dürf­tig­keit des Klä­gers nach dem Pfle­ge­grad 2 besteht.

8
1. Streit­ge­gen­stand des Revi­si­ons­ver­fah­rens sind neben den vor­in­stanz­li­chen Ent­schei­dun­gen die bezeich­ne­ten Beschei­de der Beklag­ten, mit denen diese das vom Kläger begehr­te Pfle­ge­geld nach dem Pfle­ge­grad 2 ablehn­te. In zeit­li­cher Hin­sicht ist Streit­ge­gen­stand der zutref­fend erho­be­nen kom­bi­nier­ten Anfech­tungs- und Leis­tungs­kla­ge (§ 54 Abs 1 Satz 1, Abs 4 SGG) auf die Ableh­nung von Pfle­ge­geld grund­sätz­lich die gesam­te Spanne zwi­schen der erst­ma­li­gen Gel­tend­ma­chung des Anspruchs bis zur letz­ten münd­li­chen Ver­hand­lung vor dem Tat­sa­chen­ge­richt (vgl BSG vom 17.2.2022  B 3 P 6/20 R  SozR 43300 § 140 Nr 1 RdNr 10), hier also der Zeit­raum vom 1.1.2017 bis 21.8.2023.

9
2. Rechts­grund­la­ge des Anspruchs auf Pfle­ge­geld ist § 37 Abs 1 SGB XI (idF des PSG II vom 21.12.2015, BGBl I 2424). Danach können Pfle­ge­be­dürf­ti­ge der Pfle­ge­gra­de 2 bis 5 anstel­le der häus­li­chen Pfle­ge­hil­fe ein Pfle­ge­geld bean­tra­gen (Satz 1). Der Anspruch setzt voraus, dass der Pfle­ge­be­dürf­ti­ge mit dem Pfle­ge­geld dessen Umfang ent­spre­chend die erfor­der­li­chen kör­per­be­zo­ge­nen Pfle­ge­maß­nah­men und pfle­ge­ri­schen Betreu­ungs­maß­nah­men sowie Hilfen bei der Haus­halts­füh­rung in geeig­ne­ter Weise selbst sicher­stellt (Satz 2).

10
Pfle­ge­be­dürf­tig im Sinne des SGB XI sind Per­so­nen, die gesund­heit­lich beding­te Beein­träch­ti­gun­gen der Selb­stän­dig­keit und der Fähig­kei­ten auf­wei­sen und des­halb der Hilfe durch andere bedür­fen, weil sie dau­er­haft kör­per­li­che, kogni­ti­ve oder psy­chi­sche Beein­träch­ti­gun­gen oder gesund­heit­lich beding­te Belas­tun­gen oder Anfor­de­run­gen nicht selb­stän­dig kom­pen­sie­ren oder bewäl­ti­gen können (§ 14 Abs 1 SGB XI idF des PSG II). Maß­geb­lich für das Vor­lie­gen von gesund­heit­lich beding­ten Beein­träch­ti­gun­gen der Selb­stän­dig­keit oder der Fähig­kei­ten sind pfle­ge­fach­lich begrün­de­te Kri­te­ri­en in ver­schie­de­nen Berei­chen, die § 14 Abs 2 SGB XI (idF des PSG II) benennt, hier im Bereich Ver­hal­tens­wei­sen und psy­chi­sche Pro­blem­la­gen (Nr 3) die Abwehr pfle­ge­ri­scher und ande­rer unter­stüt­zen­der Maß­nah­men und im Bereich Selbst­ver­sor­gung (Nr 4) das Essen. Nach der Schwe­re dieser Beein­träch­ti­gun­gen erhal­ten Pfle­ge­be­dürf­ti­ge einen Pfle­ge­grad, der mit Hilfe eines pfle­ge­fach­lich begrün­de­ten Begut­ach­tungs­in­stru­ments ermit­telt wird (§ 15 Abs 1 SGB XI idF des PSG II) und das nach § 15 Abs 2 SGB XI in Module geglie­dert ist, die den Berei­chen nach § 14 Abs 2 SGB XI ent­spre­chen (§ 15 Abs 2 Satz 1 SGB XI idF des PSG II), hier Modul 3 und 4. In jedem Modul sind für die in den Berei­chen genann­ten Kri­te­ri­en in Anlage 1 zu § 15 SGB XI Kate­go­rien vor­ge­se­hen, die die Schwe­re­gra­de der Beein­träch­ti­gun­gen dar­stel­len und denen pfle­ge­fach­lich fun­dier­te Ein­zel­punk­te zuge­ord­net werden. Die in jedem Modul jeweils erreich­ba­ren Summen aus Ein­zel­punk­ten werden nach den in Anlage 2 zu § 15 SGB XI fest­ge­leg­ten Punkt­be­rei­chen geglie­dert und sodann gewich­tet. Die addier­ten gewich­te­ten Punkte aller Module bilden die Gesamt­punk­te, auf deren Basis Pfle­ge­be­dürf­ti­ge einem Pfle­ge­grad zuge­ord­net werden (§ 15 Abs 3 SGB XI idF des PSG III vom 23.12.2016, BGBl I 3191). Für den hier strei­ti­gen Pfle­ge­grad 2, der nach § 37 SGB XI einen Anspruch auf Pfle­ge­geld begrün­det, sind ab 27 bis unter 47,5 Gesamt­punk­te erfor­der­lich. Diese gesetz­li­chen Maß­stä­be gelten auch bei pfle­ge­be­dürf­ti­gen Kin­dern ent­spre­chend, doch wird bei ihnen der Pfle­ge­grad durch einen Ver­gleich der Beein­träch­ti­gun­gen ihrer Selb­stän­dig­keit und Fähig­kei­ten mit alters­ent­spre­chend ent­wi­ckel­ten Kin­dern ermit­telt (§ 15 Abs 6 SGB XI idF des PSG II).

11
Durch § 15 Abs 6 SGB XI ist hin­rei­chend deut­lich zum Aus­druck gebracht, dass nicht die kin­des­ty­pi­sche (“alters­ent­spre­chend ent­wi­ckel­ten Kin­dern”), son­dern nur eine dar­über hin­aus­ge­hen­de, gesund­heit­lich beding­te Pfle­ge­be­dürf­tig­keit einen Leis­tungs­an­spruch gegen die Pfle­ge­ver­si­che­rung begrün­det; inso­fern sind die Pfle­ge­kri­te­ri­en des § 14 Abs 2 SGB XI (auch) kin­der­spe­zi­fisch zu ver­ste­hen (vgl BTDrucks 18/5926 S 114; Meßling/Weiß in jurisPK-SGB XI, 4. Aufl 2024, § 15 RdNr 115 ff, Stand 1.9.2024).

12
3. Aus­ge­hend von den detail­lier­ten gesetz­li­chen Vor­ga­ben in §§ 14 und 15 SGB XI ist bei dem Kläger im Modul 3 ein Ein­zel­punkt bei Ziffer 3.8 der Anlage 1 zu § 15 SGB XI (Abwehr pfle­ge­ri­scher und ande­rer unter­stüt­zen­der Maß­nah­men) zu berück­sich­ti­gen. Das LSG ist bei seiner ent­spre­chen­den Wür­di­gung der für den Senat bin­dend fest­ge­stell­ten Tat­sa­chen von zutref­fen­den recht­li­chen Maß­stä­ben aus­ge­gan­gen. Seine Wür­di­gung ist revi­si­ons­recht­lich nicht zu bean­stan­den.

13
a) Wenn die Abwehr pfle­ge­ri­scher und ande­rer unter­stüt­zen­der Maß­nah­men durch Kinder gesund­heit­lich bedingt lau­fend über­wun­den werden muss, löst dies einen pfle­ge­re­le­van­ten Hil­fe­be­darf aus, wenn und weil die Abwehr man­gels Ein­sichts­fä­hig­keit und Impuls­kon­troll­fä­hig­keit des Kindes nicht ohne Wei­te­res über­wind­bar ist.

14
Dies trifft nach den von der Beklag­ten nicht mit Ver­fah­rens­rügen ange­grif­fe­nen Fest­stel­lun­gen des LSG auf die noch bis zum Ende des strei­ti­gen Zeit­raums fort­be­stehen­de Abwehr des Klä­gers aus kind­li­cher Angst gegen das schmerz­haf­te Setzen der Kanüle der Insu­lin­pum­pe zu, die über­wun­den werden muss, um die nötige Insu­lin­ga­be zu ermög­li­chen. Inso­fern ist ein­zu­be­zie­hen, dass bei Kin­dern die (freie) Wil­lens­ent­schei­dung und deren Umset­zung durch indi­vi­du­el­le Steue­rungs- und Kon­troll­fä­hig­keit beim Umgang mit Anfor­de­run­gen bei Erkran­kun­gen (noch) stär­ker als bei Erwach­se­nen aus­ein­an­der­fal­len können. Bei an Dia­be­tes erkrank­ten Kin­dern bezie­hen sich diese Anfor­de­run­gen regel­mä­ßig und gerade auf die aus gesund­heit­li­chen Grün­den gefor­der­te, zügige Über­win­dung eines Abwehr­ver­hal­tens.

15
Eine Abwehr aus kind­li­cher Angst hat auch nicht als alters­ent­spre­chend unbe­rück­sich­tigt zu blei­ben, weil sie auf­grund ihrer jeweils indi­vi­du­el­len Bedingt­heit durch die Dia­be­tes­er­kran­kung sich einem Ver­gleich mit alters­ent­spre­chend ent­wi­ckel­ten Kin­dern weit­ge­hend ent­zieht, die diesen gesund­heit­lich bedingt höhe­ren Anfor­de­run­gen nicht aus­ge­setzt sind. Dass nicht alle Kinder mit Dia­be­tes ein pfle­ge­re­le­van­tes Abwehr­ver­hal­ten zeigen, steht der Aner­ken­nung eines Pfle­ge­be­darfs bei Kin­dern, die ein sol­ches Ver­hal­ten zeigen  wie der Kläger nach den nicht mit Ver­fah­rens­rügen ange­grif­fe­nen Fest­stel­lun­gen des LSG , nicht ent­ge­gen.

16
Nicht erfor­der­lich ist, dass eine solche Abwehr gegen­über pfle­ge­ri­schen und ande­ren unter­stüt­zen­den Maß­nah­men eine eigen­stän­di­ge (wei­te­re) gesund­heit­li­che Ursa­che neben einer Dia­be­tes­er­kran­kung hat. Diese Sicht­wei­se der Beklag­ten findet keine Grund­la­ge in den gesetz­li­chen Vor­ga­ben des § 14 Abs 1 Satz 1 SGB XI. Hier­nach müssen gesund­heit­lich beding­te Beein­träch­ti­gun­gen der Selb­stän­dig­keit oder der Fähig­kei­ten vor­lie­gen, ohne dass die ein­zel­nen Berei­che des § 14 Abs 2 SGB XI und die dor­ti­gen Kri­te­ri­en mit (jeweils) kon­kre­ten gesund­heit­li­chen Ursa­chen in Ver­bin­dung gebracht werden. Zwar wird das pfle­ge­fach­lich begrün­de­te Kri­te­ri­um “Abwehr pfle­ge­ri­scher und ande­rer unter­stüt­zen­der Maß­nah­men” meist (auch) mit Erkran­kun­gen auf psych­ia­tri­schem Gebiet ein­her­ge­hen; es ist jedoch offen auch für andere gesund­heit­li­che Ursa­chen. Nach der Ein­gangs­for­mu­lie­rung des § 14 Abs 2 Nr 3 SGB XI (“Ver­hal­tens­wei­sen und psy­chi­sche Pro­blem­la­gen”) können auch solche (pfle­ge­er­schwe­ren­de) Ver­hal­tens­wei­sen ein­be­zo­gen werden, die auf andere als psy­chi­sche Gesund­heits­be­ein­träch­ti­gun­gen zurück­zu­füh­ren sind. Ledig­lich bei dem gleich­falls in § 14 Abs 2 Nr 3 SGB XI erfass­ten, pfle­ge­fach­lich begrün­de­ten Kri­te­ri­um der Antriebs­lo­sig­keit ist als kon­kre­te gesund­heit­li­che Ursa­che “bei depres­si­ver Stim­mungs­la­ge” als ein­engen­de Vor­aus­set­zung auf­ge­nom­men. Es genügt daher, dass gerade die Behand­lung einer Dia­be­tes­er­kran­kung eines Kindes pfle­ge­re­le­van­te inad­äqua­te Hand­lun­gen bedingt, die sich in einer Abwehr äußern, die ihrer­seits gesund­heit­lich bedingt über­wun­den werden muss.

17
b) Nichts ande­res gegen­über diesen gesetz­li­chen Vor­ga­ben ergibt sich aus den auf § 17 Abs 1 SGB XI gestütz­ten Begut­ach­tungs-Richt­li­ni­en des Spit­zen­ver­bands Bund der Pfle­ge­kas­sen in sämt­li­chen im strei­ti­gen Zeit­raum gel­ten­den Fas­sun­gen.

18
Nach § 17 Abs 1 SGB XI (idF des PSG II bis 31.12.2019) erlässt der Spit­zen­ver­band Bund der Pfle­ge­kas­sen mit dem Ziel, eine ein­heit­li­che Rechts­an­wen­dung zu för­dern, unter Betei­li­gung des Medi­zi­ni­schen Diens­tes des Spit­zen­ver­bands Bund der Kran­ken­kas­sen Richt­li­ni­en zur pfle­ge­fach­li­chen Kon­kre­ti­sie­rung der Inhal­te des Begut­ach­tungs­in­stru­ments nach § 15 SGB XI sowie zum Ver­fah­ren der Fest­stel­lung der Pfle­ge­be­dürf­tig­keit nach § 18 SGB XI (Begut­ach­tungs-Richt­li­ni­en). Mit Wir­kung zum 1.1.2020 ist diese Auf­ga­be dem Medi­zi­ni­schen Dienst (MD) Bund über­tra­gen, der im Beneh­men mit dem Spit­zen­ver­band Bund der Pfle­ge­kas­sen han­delt (§ 17 Abs 1 SGB XI idF des MDK-Reform­ge­set­zes vom 14.12.2019, BGBl I 2789; vgl § 53c Abs 3 Satz 4 SGB XI zur Fort­gel­tung der Richt­li­ni­en bis zu deren Ände­rung bzw Auf­he­bung durch den MD Bund, der mit Wir­kung zum 1.1.2022 neu kon­sti­tu­iert wurde und erst­mals am 29.9.2023 Begut­ach­tungs-Richt­li­ni­en erlas­sen hat). Im strei­ti­gen Zeit­raum vom 1.1.2017 bis 21.8.2023 finden die Begut­ach­tungs-Richt­li­ni­en des GKV-Spit­zen­ver­bands in der Fas­sung vom 15.4.2016, geän­dert durch die Beschlüs­se vom 31.3.2017 und 22.3.2021, Anwen­dung.

19
Diese Begut­ach­tungs-Richt­li­ni­en ent­fal­ten nach der Recht­spre­chung des Senats Bin­dungs­wir­kung im Ver­wal­tungs­be­reich und in diesem Rahmen über den all­ge­mei­nen Gleich­heits­satz des Art 3 Abs 1 GG auch im Außen­ver­hält­nis zu den Ver­si­cher­ten, wenn die Kon­kre­ti­sie­rung des Geset­zes durch die Richt­li­ni­en ver­fas­sungs­recht­lich zuläs­sig ist und die Gren­zen der gesetz­li­chen Ermäch­ti­gung durch die strei­ti­gen Richt­li­ni­en­be­stim­mun­gen gewahrt sind (vgl BSG vom 22.2.2024  B 3 P 1/22 R  vor­ge­se­hen für BSGE und SozR 43300 § 15 Nr 8, RdNr 18 ff mwN). Bezo­gen auf die gesetz­li­che Ermäch­ti­gung hat der Gesetz­ge­ber des PSG II wesent­li­che Inhal­te des Begriffs der Pfle­ge­be­dürf­tig­keit für die in § 14 Abs 2 SGB XI bezeich­ne­ten sechs Berei­che hin­sicht­lich rele­van­ter pfle­ge­fach­lich begrün­de­ter Kri­te­ri­en detail­liert und unmit­tel­bar im Gesetz fest­ge­legt und auch das Begut­ach­tungs­in­stru­ment im Ein­zel­nen gesetz­lich bestimmt.

20
Die hier ein­schlä­gi­gen Kon­kre­ti­sie­run­gen im Modul 3 zu dem pfle­ge­fach­lich begrün­de­ten Kri­te­ri­um “Abwehr pfle­ge­ri­scher und ande­rer unter­stüt­zen­der Maß­nah­men” halten sich in den Gren­zen der gesetz­li­chen Ermäch­ti­gung zum Erlass der Begut­ach­tungs-Richt­li­ni­en. Her­an­zu­zie­hen ist jeweils die Fas­sung der Richt­li­ni­en als nicht selbst nor­ma­ti­ve Kon­kre­ti­sie­rung des unver­än­dert geblie­be­nen Geset­zes, die im strei­ti­gen Zeit­raum jeweils aktu­ell war.

21
Aus­ge­hend von der Erst­fas­sung der neuen, ab 1.1.2017 gel­ten­den Begut­ach­tungs-Richt­li­ni­en vom 15.4.2016 wie nach der geän­der­ten Fas­sung vom 31.3.2017 geht es bei Kin­dern im  ein­lei­tend als alters­un­ab­hän­gig gekenn­zeich­ne­ten  Modul 3 um Ver­hal­tens­wei­sen und psy­chi­sche Pro­blem­la­gen als Folge von Gesund­heits­pro­ble­men, die immer wieder auf­tre­ten und eine per­so­nel­le Unter­stüt­zung des Kindes erfor­der­lich machen, soweit es ohne diese sein Ver­hal­ten nicht selbst steu­ern kann. Unter Punkt KF 4.3.8 wird die Abwehr pfle­ge­ri­scher und ande­rer unter­stüt­zen­der Maß­nah­men als Abwehr von Unter­stüt­zung, zum Bei­spiel die Ver­wei­ge­rung not­wen­di­ger Ver­rich­tun­gen, kon­kre­ti­siert. Hier­un­ter fällt auch die Abwehr des not­wen­di­gen Set­zens der Kanüle der Insu­lin­pum­pe aus Angst, die die Fähig­keit des Kindes zur Selbst­steue­rung begrenzt.

22
Soweit in der geän­der­ten Fas­sung der Begut­ach­tungs-Richt­li­ni­en vom 22.3.2021 das Modul 3 in Teilen dahin ver­en­gend kon­kre­ti­siert worden ist, dass ent­wick­lungs­ty­pi­sche ängst­li­che Abwehr­re­ak­tio­nen auf Maß­nah­men wie Insu­lin­in­jek­tio­nen hier nicht zu bewer­ten sind, weil sie nicht Folgen eines psy­chi­schen Gesund­heits­pro­blems sind, vermag dies die Berück­sich­ti­gung des Hil­fe­be­darfs des Klä­gers im Modul 3 nicht aus­zu­schlie­ßen, obgleich bei ihm keine psy­chi­schen Pro­blem­la­gen fest­ge­stellt worden sind. Viel­mehr ist sein kind­li­ches Abwehr­ver­hal­ten aus Angst aus­weis­lich der nicht mit Ver­fah­rens­rügen ange­grif­fe­nen Fest­stel­lun­gen des LSG nach wie vor durch die Behand­lung seiner Dia­be­tes­er­kran­kung bedingt und diese Abwehr muss gesund­heit­lich bedingt über­wun­den werden, auch wenn die durch Angst begrenz­te Fähig­keit zur Selbst­steue­rung nicht Folge eines psy­chi­schen Gesund­heits­pro­blems ist. Eine Ver­en­gung allein hier­auf wäre mit den gesetz­li­chen Vor­ga­ben, die in § 14 Abs 1 Satz 1 und Abs 2 SGB XI ledig­lich gesund­heit­lich beding­te Beein­träch­ti­gun­gen der Selb­stän­dig­keit oder der Fähig­kei­ten vor­se­hen, nicht zu ver­ein­ba­ren und kann den Richt­li­ni­en so auch nicht ent­nom­men werden, die wei­ter­hin für nicht psy­chi­sche Gesund­heits­pro­ble­me offen­ge­blie­ben sind.

23
Das stimmt auch damit über­ein, dass es im Modul 3 nicht um Phasen kind­li­cher Ent­wick­lung, son­dern um tat­säch­li­che Pro­blem­la­gen geht, die in der Regel einen Bedarf an per­so­nel­ler Hilfe mit sich brin­gen, wes­halb in der Bewer­tungs­sys­te­ma­tik nicht auf den alters­ent­spre­chen­den Hil­fe­be­darf bei Kin­dern Bezug genom­men, son­dern wie bei Erwach­se­nen ein krank­heits­be­ding­ter Hil­fe­be­darf ange­nom­men wird (vgl Büker/Meintrup, Anla­gen­band zum Abschluss­be­richt von Wingenfeld/Büscher/Gansweid, Das neue Begut­ach­tungs­as­sess­ment zur Fest­stel­lung von Pfle­ge­be­dürf­tig­keit, 2008, S E‑1; Meintrup/Eckardt/Büker/Gansweid/Wingenfeld, Anpas­sung des neuen Begut­ach­tungs­ver­fah­rens an die Begut­ach­tung von Kin­dern, in Gaert­ner ua, Die Pfle­ge­ver­si­che­rung, 3. Aufl 2014, S 289, 291).

24
4. Zudem sind bei dem Kläger im Modul 4 drei Ein­zel­punk­te bei Ziffer 4.8 der Anlage 1 zu § 15 SGB XI (Essen) zu berück­sich­ti­gen. Auch inso­weit ist das LSG bei seiner ent­spre­chen­den Wür­di­gung der für den Senat bin­dend fest­ge­stell­ten Tat­sa­chen von zutref­fen­den recht­li­chen Maß­stä­ben aus­ge­gan­gen und ist die Wür­di­gung revi­si­ons­recht­lich nicht zu bean­stan­den.

25
a) Wenn und soweit bei Kin­dern mit Dia­be­tes gesund­heit­lich bedingt spe­zi­fi­sche Anfor­de­run­gen an die Nah­rungs­auf­nah­me bestehen und zugleich die Auf­sicht über eine diesen Anfor­de­run­gen ent­spre­chen­de Nah­rungs­auf­nah­me nach Art, Menge und Zeit im Zusam­men­hang mit der Dosie­rung der Insu­lin­ga­ben gesund­heit­lich bedingt gebo­ten ist, löst dies ein­zel­fall­ab­hän­gig einen eigen­stän­di­gen pfle­ge­re­le­van­ten Hil­fe­be­darf aus, wenn und soweit ein Kind abwei­chend von alters­ent­spre­chend ent­wi­ckel­ten Kin­dern nicht stets von sich aus seine Nah­rung voll­stän­dig zeit­nah zu sich nimmt.

26
Inso­fern ist in gene­rel­ler Hin­sicht zugrun­de zu legen, dass eine Dia­be­tes­er­kran­kung mit spe­zi­fi­schen Anfor­de­run­gen an die Nah­rungs­auf­nah­me ein­her­geht, deren Nicht­be­ach­tung durch Kinder zwin­gend zu einer zügi­gen Inter­ven­ti­on der Auf­sichts­per­son führen muss. Anders als bei gesun­den Kin­dern kann die Steue­rung der Nah­rungs­auf­nah­me, also deren zügi­ger Beginn und gesund­heit­lich bedingt kon­kret fest­zu­le­gen­de Zusam­men­set­zung, nicht zeit- oder pha­sen­wei­se dem natür­li­chen Hun­ger­ge­fühl der Kinder und deren (noch ein­ge­schränk­ter) Umset­zungs­fä­hig­keit über­las­sen blei­ben.

27
Der beschrie­be­ne Hil­fe­be­darf beim Essen neben dem bei der Ein­hal­tung krank­heits­be­ding­ter Ess­vor­schrif­ten erfor­dert auch nicht, dass das Kind mit Blick auf die Selb­stän­dig­keit und Fähig­kei­ten beim Essen ins­ge­samt nicht alters­ent­spre­chend ent­wi­ckelt ist. Ent­schei­dend ist viel­mehr, dass das Kind im Zusam­men­hang mit der essens­an­ge­pass­ten Dosie­rung der Insu­lin­ga­ben beim Essen diesen erhöh­ten Anfor­de­run­gen unter­liegt und ob es inso­weit  wie hier nach den nicht mit Ver­fah­rens­rügen ange­grif­fe­nen Fest­stel­lun­gen des LSG  einer beson­de­ren, nicht mehr alters­ent­spre­chen­den Beauf­sich­ti­gung beim Essen bedarf. Ist dem so, tritt dieser Hil­fe­be­darf neben den in Modul 5 bei Ziffer 5.16 (Ein­hal­ten einer Diät oder ande­rer krank­heits- oder the­ra­pie­be­ding­ter Ver­hal­tens­vor­schrif­ten) erfass­ten Hil­fe­be­darf, der im Kern nicht den unmit­tel­ba­ren Vor­gang der Nah­rungs­auf­nah­me, son­dern die Bewäl­ti­gung von und den selb­stän­di­gen Umgang mit krank­heits- oder the­ra­pie­be­ding­ten Anfor­de­run­gen und Belas­tun­gen betrifft.

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Der Ein­be­zie­hung der Ein­zel­punk­te im Modul 4 bei Ziffer 4.8 steht nicht ent­ge­gen, dass beim Kläger im Modul 5 bei Ziffer 5.16  zwei Ein­zel­punk­te berück­sich­tigt sind. Dieser mit dem neuen Pfle­ge­be­dürf­tig­keits­be­griff erfass­te eigen­stän­di­ge Hil­fe­be­darf beim Ein­hal­ten krank­heits­be­ding­ter Ess­vor­schrif­ten im Zusam­men­hang mit einer essens­an­ge­pass­ten Medi­ka­men­ten­ga­be unter­schei­det sich von der Auf­sicht über Kinder mit Dia­be­tes beim Essen jeden­falls dann, wenn und soweit ein Kind nicht stets von sich aus seine Nah­rung voll­stän­dig zeit­nah zu sich nimmt und dies gesund­heit­lich bedingt einen eigen­stän­di­gen Hil­fe­be­darf im Bereich der Selbst­ver­sor­gung begrün­det (vgl zur gesetz­li­chen Kon­zep­ti­on dieses Pfle­ge­be­reichs BTDrucks 18/5926 S 110; vgl ins­be­son­de­re zur Berück­sich­ti­gung des Lebens- und Ver­sor­gungs­all­tags von pfle­ge­be­dürf­ti­gen Kin­dern und ihren Eltern Bericht des Exper­ten­bei­rats zur kon­kre­ten Aus­ge­stal­tung des neuen Pfle­ge­be­dürf­tig­keits­be­griffs, 2013, S 12).

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b) Auch inso­weit ergibt sich nichts ande­res aus den Begut­ach­tungs-Richt­li­ni­en. Nach den Richt­li­ni­en in ihren im strei­ti­gen Zeit­raum gel­ten­den Fas­sun­gen ist im Modul 4 zu bewer­ten, ob das Kind die jewei­li­ge Akti­vi­tät der Selbst­ver­sor­gung prak­tisch und ohne Anlei­tung durch­füh­ren kann oder ob es der Unter­stüt­zung, etwa durch Impuls­ga­be und Auf­sicht, bedarf. Unter Punkt KF 4.4.8 (Essen) wird kon­kre­ti­siert, dass auch zu berück­sich­ti­gen ist, inwie­weit die Not­wen­dig­keit der aus­rei­chen­den Nah­rungs­auf­nah­me (auch ohne Hun­ger­ge­fühl oder Appe­tit) erkannt und die emp­foh­le­ne, gewohn­te Menge tat­säch­lich geges­sen wird. Muss das Kind zum Bei­spiel auf­ge­for­dert werden, wei­ter­zu­es­sen, ist dies als über­wie­gend selb­stän­dig zu werten. Auch hier­nach begrün­det die Auf­sicht über die voll­stän­di­ge zeit­na­he Nah­rungs­auf­nah­me einen anzu­er­ken­nen­den Pfle­ge­be­darf. Zum Aus­druck kommt hier­mit, dass auch die Not­wen­dig­keit eines Anhal­tens zum Essen eine Beein­träch­ti­gung der Selb­stän­dig­keit (im Rahmen der vier­stu­fi­gen Beur­tei­lungs-skala der Selb­stän­dig­keit im Kri­te­ri­um KF 4.4.8) mit sich bringt, soweit krank­heits­be­dingt das natür­li­che Hun­ger­ge­fühl das pfle­ge­be­dürf­ti­ge Kind nicht hin­rei­chend zur Nah­rungs­auf­nah­me moti­viert und daher nicht als Maß­stab für den Umfang der Nah­rungs­auf­nah­me her­an­ge­zo­gen werden kann.

30
Soweit die Beklag­te davon aus­geht, dass in Bezug auf das Essen von einer nicht alters­ent­spre­chen­den, gesund­heit­lich beding­ten Beein­träch­ti­gung der Selb­stän­dig­keit bei an Dia­be­tes erkrank­ten Kin­dern nur dann aus­zu­ge­hen ist, wenn diese zur selb­stän­di­gen und aus­rei­chen­den Nah­rungs­auf­nah­me moto­risch nicht alters­ent­spre­chend in der Lage sind, liegt dem ein zu enges Ver­ständ­nis des Kri­te­ri­ums KF 4.4.8 zugrun­de. Je nach Grund­er­kran­kung werden hier­von aus­weis­lich der Kon­kre­ti­sie­run­gen unter KF 4.4.8 nicht nur kom­pen­sa­to­ri­sche Hil­fe­maß­nah­men beim Essen in Form der unmit­tel­ba­ren Über­win­dung moto­ri­scher Ein­schrän­kun­gen, son­dern auch wei­te­re Unter­stüt­zun­gen im Sinne einer Anlei­tung oder Beauf­sich­ti­gung erfasst, soweit diese durch die Erkran­kung bedingt sind (Auf­for­de­rung, mit dem Essen zu begin­nen oder weiter zu essen).

31
Dem steht auch nach den Richt­li­ni­en nicht ent­ge­gen, dass das Ein­hal­ten von Diäten nicht unter Punkt KF 4.4.8, son­dern unter Punkt KF 4.5.16 (Ein­hal­ten einer Diät oder ande­rer krank­heits- oder the­ra­pie­be­ding­ter Ver­hal­tens­vor­schrif­ten) zu bewer­ten ist. Auch nach den Richt­li­ni­en ist das Ein­hal­ten einer Diät nicht allein unter Punkt KF 4.5.16 zu bewer­ten, son­dern kann inso­weit unter Punkt KF 4.4.8 zu bewer­ten sein, als dort zu berück­sich­ti­gen ist, inwie­weit die Not­wen­dig­keit der aus­rei­chen­den Nah­rungs­auf­nah­me (auch ohne Hun­ger­ge­fühl oder Appe­tit) erkannt und die emp­foh­le­ne, gewohn­te Menge tat­säch­lich geges­sen wird. Die Auf­for­de­rung des Kindes, die dia­be­tes­be­ding­te Nah­rung voll­stän­dig zeit­nah auch ohne Hun­ger­ge­fühl oder Appe­tit auf­zu­neh­men, um Blut­zu­cke­rent­glei­sun­gen zu ver­mei­den, unter­schei­det sich inso­weit vom Ein­hal­ten einer Diät oder ande­rer Ess­vor­schrif­ten, soweit diese sich nicht in der bloßen Nah­rungs­auf­nah­me erschöp­fen, son­dern etwa die Ein­hal­tung einer dem Blut­zu­cker­spie­gel ange­pass­ten Ernäh­rung beinhal­ten.

32
Im Modul 5 ist nach den Richt­li­ni­en zu bewer­ten, ob das Kind die jewei­li­ge Akti­vi­tät prak­tisch durch­füh­ren kann. Ob ein Kind im Sinne der jewei­li­gen Kon­kre­ti­sie­rung in den Richt­li­ni­en unter Punkt KF 4.5.16 die Ein­sichts­fä­hig­keit hat, krank­heits­be­ding­te Ess­vor­schrif­ten selb­stän­dig ein­zu­hal­ten oder ob es inso­weit der Erin­ne­rung, Anlei­tung oder Beauf­sich­ti­gung bedarf, ist noch etwas ande­res als die Frage danach, ob es der Auf­sicht über die dia­be­tes­spe­zi­fi­sche Nah­rungs­auf­nah­me nach Art, Menge und Zeit und der Auf­for­de­rung bedarf, wei­ter­zu­es­sen, weil die Not­wen­dig­keit der Nah­rungs­auf­nah­me auch ohne Hun­ger­ge­fühl oder Appe­tit unge­ach­tet der (gene­rel­len) Ein­sicht in krank­heits­be­ding­te Ess­vor­schrif­ten nicht erkannt wird. Liegen gesund­heit­lich beding­te Beein­träch­ti­gun­gen und hier­aus resul­tie­ren­de, je eigen­stän­di­ge Hil­fe­be­dar­fe  wie vor­lie­gend  sowohl beim Essen als auch beim Ein­hal­ten spe­zi­fi­scher Ess­vor­schrif­ten vor, stehen auch die Richt­li­ni­en nicht einer Berück­sich­ti­gung dieser Bedar­fe sowohl unter KF 4.4.8 als auch unter KF 4.5.16 ent­ge­gen.

33
5. Das jeweils engere Ver­ständ­nis der Begut­ach­tungs-Richt­li­ni­en durch die Beklag­te lässt sich zwar mit dem Wort­laut und der Sys­te­ma­tik von deren hier maß­geb­li­chen Aus­sa­gen noch ver­ein­ba­ren, es stimmt aber nicht mit den weiter gefass­ten gesetz­li­chen Vor­ga­ben über­ein, denen der Vor­rang gebührt und aus denen das hier dar­ge­leg­te geset­zes­kon­for­me Ver­ständ­nis der Begut­ach­tungs-Richt­li­ni­en folgt.

34
6. Zusam­men mit den hier nicht strei­ti­gen Punk­ten sind beim Kläger danach 32,5 gewich­te­te Punkte anzu­er­ken­nen, die zum Pfle­ge­grad 2 und dem Anspruch auf Pfle­ge­geld führen.

35
Die Kos­ten­ent­schei­dung beruht auf § 193 SGG.