Tenor

Die Revi­si­on der Beklag­ten gegen das Urteil des Säch­si­schen Lan­des­ar­beits­ge­richts vom 21. August 2009 — 3 Sa 698/08 — wird auf ihre Kosten zurück­ge­wie­sen.

Tat­be­stand

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Die Par­tei­en strei­ten noch über die Wirk­sam­keit einer außer­or­dent­li­chen Kün­di­gung.
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Die Beklag­te betreibt in C ein Steu­er­be­ra­tungs­bü­ro. In S unter­hielt sie eine Zweigstelle/Beratungsstelle.
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Der Kläger, der über keinen Abschluss als Steu­er­be­ra­ter ver­fügt, war seit Okto­ber 1994 bei der Beklag­ten bzw. deren Rechts­vor­gän­ge­rin tätig. Ihm oblag die Bear­bei­tung der lau­fen­den Geschäf­te der Zweig­stel­le. Außer­dem war er „fach­li­cher Ansprech­part­ner“ der in S ein­ge­setz­ten Arbeit­neh­mer der Beklag­ten.
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Seit August 2006 war der Kläger arbeits­un­fä­hig. Am 2. Januar 2007 bean­trag­te er beim Amt für Fami­lie und Sozia­les — Ver­sor­gungs­amt — der Stadt C rück­wir­kend ab dem 27. Sep­tem­ber 2006 „die Fest­stel­lung einer Behin­de­rung, des Grades der Behin­de­rung (GdB) und die Aus­stel­lung eines Schwer­be­hin­der­ten­aus­wei­ses“.
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Im Febru­ar 2007 kün­dig­te die Beklag­te das Arbeits­ver­hält­nis ordent­lich zum 31. Juli 2007 wegen Schlie­ßung der Zweig­stel­le. Dage­gen erhob der Kläger Kün­di­gungs­schutz­kla­ge. Mit außer­ge­richt­li­chem Schrei­ben vom 7. März 2007 teilte sein Pro­zess­be­voll­mäch­tig­ter der Beklag­ten — unter Hin­weis auf die ihm vor­lie­gen­de Kün­di­gung und die bereits ein­ge­reich­te Klage — „der Voll­stän­dig­keit halber“ mit, dass der Kläger beim Ver­sor­gungs­amt C „einen Antrag auf Fest­stel­lung über das Vor­lie­gen einer Behin­de­rung“ gestellt habe. Eine Ent­schei­dung liege noch nicht vor.
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Mit Bescheid vom 21. März 2007 stell­te das Ver­sor­gungs­amt die Schwer­be­hin­de­rung des Klä­gers mit einem GdB von 100 rück­wir­kend ab dem 27. Sep­tem­ber 2006 fest.
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Am 16. April 2007 fand in dem Kün­di­gungs­schutz­pro­zess die Güte­ver­hand­lung statt. Ob der Pro­zess­be­voll­mäch­tig­te des Klä­gers dabei nähere Anga­ben zu dem Antrag beim Ver­sor­gungs­amt und zum Stand des Ver­fah­rens machte, ist zwi­schen den Par­tei­en strei­tig. Die Ver­hand­lung endete mit dem Abschluss eines für den Kläger bis zum 30. April 2007 wider­ruf­li­chen Ver­gleichs, der hin­sicht­lich einer ver­ein­bar­ten Abfin­dung eine Raten­zah­lung vorsah.
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Am 27. April 2007 suchte der Kläger die Beklag­te in S auf und begehr­te die Zah­lung der zuge­sag­ten Abfin­dung in einer Summe. Das lehnte die Beklag­te ebenso ab wie eine vom Kläger alter­na­tiv gefor­der­te Sicher­heits­leis­tung. Dar­auf­hin wider­rief der Kläger den Ver­gleich. Seine Kün­di­gungs­schutz­kla­ge nahm er später zurück.
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Die Beklag­te erstat­te­te nach dem Gespräch gegen den Kläger Straf­an­zei­ge mit der Begrün­dung, der Kläger habe ver­sucht, sie zu nöti­gen. Außer­dem kün­dig­te sie das Arbeits­ver­hält­nis — ohne Zustim­mung des Inte­gra­ti­ons­amts — mit Schrei­ben vom 8. Mai 2007 frist­los.
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Gegen diese Kün­di­gung hat sich der Kläger mit seiner vor­lie­gen­den Kün­di­gungs­schutz­kla­ge gewandt und gel­tend gemacht, ein wich­ti­ger Grund liege nicht vor. Zudem sei die Kün­di­gung wegen feh­len­der Zustim­mung des Inte­gra­ti­ons­amts unwirk­sam. Er habe die Beklag­te durch das Schrei­ben vom 7. März 2007 hin­rei­chend über seine zur Fest­stel­lung bean­trag­te Schwer­be­hin­de­rung unter­rich­tet. Wäh­rend der Güte­ver­hand­lung im ersten Kün­di­gungs­schutz­pro­zess habe sein Pro­zess­be­voll­mäch­tig­ter zudem mit­ge­teilt, das Antrags­ver­fah­ren sei abge­schlos­sen und er — der Kläger — sei „zu 100 % schwer­be­hin­dert“.
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Der Kläger hat — soweit noch von Bedeu­tung — bean­tragt
fest­zu­stel­len, dass das Arbeits­ver­hält­nis der Par­tei­en durch die außer­or­dent­li­che Kün­di­gung vom 8. Mai 2007 nicht auf­ge­löst worden ist.
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Die Beklag­te hat bean­tragt, die Klage abzu­wei­sen. Sie hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, die frist­lo­se Kün­di­gung sei wirk­sam. Der Kläger habe anläss­lich des Gesprächs in S mit unlau­te­ren Mit­teln ver­sucht, sie zum Ein­ge­hen auf seine For­de­run­gen betref­fend die Abfin­dungs­zah­lung zu bewe­gen. Außer­dem habe er gegen ein bestehen­des Verbot ver­sto­ßen, Abschrif­ten aus Hand­ak­ten und Man­dan­ten­un­ter­la­gen zu fer­ti­gen. Ein sons­ti­ger Unwirk­sam­keits­grund liege nicht vor. Der Kläger habe das Recht, sich auf einen beson­de­ren Kün­di­gungs­schutz als schwer­be­hin­der­ter Mensch zu beru­fen, ver­wirkt. Er habe sich gegen­über der Kün­di­gung vom 8. Mai 2007 — unstrei­tig — erst­mals im Güte­ter­min vom 14. Juni 2007 auf seine Schwer­be­hin­de­rung beru­fen. Das Schrei­ben vom 7. März 2007 habe ihr keine aus­rei­chen­de Kennt­nis der Mög­lich­keit des Bestehens einer Schwer­be­hin­de­rung ver­schafft. Es fehle an der Mit­tei­lung des Datums der Antrag­stel­lung und des Akten­zei­chens des beim Ver­sor­gungs­amt bear­bei­te­ten Vor­gangs. Im Güte­ter­min des Vor­pro­zes­ses habe sich der Pro­zess­be­voll­mäch­tig­te des Klä­gers nicht in der Lage gese­hen, hierzu nähere Anga­ben zu machen.
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Das Arbeits­ge­richt hat der Klage statt­ge­ge­ben. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die Beru­fung der Beklag­ten zurück­ge­wie­sen. Mit der Revi­si­on begehrt die Beklag­te wei­ter­hin, die Klage abzu­wei­sen.

Ent­schei­dungs­grün­de

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Die Revi­si­on ist unbe­grün­det. Die frist­lo­se Kün­di­gung vom 8. Mai 2007 ist nach § 134 BGB nich­tig. Die Kün­di­gung bedurf­te gemäß § 91 Abs. 1, § 85 SGB IX der vor­he­ri­gen Zustim­mung des Inte­gra­ti­ons­amts. Daran fehlt es.
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I. Der Kläger hat gegen die Kün­di­gung gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 iVm. § 4 Satz 1 KSchG binnen Drei­wo­chen­frist Kün­di­gungs­schutz­kla­ge erho­ben. Dass er sich erst nach Ablauf dieser Frist auf seine Schwer­be­hin­de­rung und einen daraus resul­tie­ren­den Unwirk­sam­keits­grund beru­fen hat, ist mit Blick auf die Kla­ge­er­he­bungs­frist unschäd­lich; er hat die erfor­der­li­che Rüge ord­nungs­ge­mäß (§ 6 KSchG) inner­halb des ersten Rechts­zugs nach­ge­holt (vgl. BAG 11. Dezem­ber 2008 — 2 AZR 395/07 — Rn. 15, BAGE 129, 25; 23. April 2008 — 2 AZR 699/06 — Rn. 22, AP KSchG 1969 § 4 Nr. 65 = EzA KSchG § 4 nF Nr. 84).
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II. Dem Kläger stand im Kün­di­gungs­zeit­punkt der Son­der­kün­di­gungs­schutz nach §§ 85 ff. SGB IX zu.
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1. Gemäß § 85 SGB IX bedarf die Kün­di­gung des Arbeits­ver­hält­nis­ses eines schwer­be­hin­der­ten Men­schen durch den Arbeit­ge­ber der vor­he­ri­gen Zustim­mung des Inte­gra­ti­ons­amts. Das gilt unein­ge­schränkt auch für die außer­or­dent­li­che Kün­di­gung, § 91 Abs. 1 SGB IX.
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Aller­dings findet das Zustim­mungs­er­for­der­nis nach § 90 Abs. 2a SGB IX dann keine Anwen­dung, wenn zum Zeit­punkt des Aus­spruchs der Kün­di­gung die Eigen­schaft als schwer­be­hin­der­ter Mensch nicht nach­ge­wie­sen ist oder das Ver­sor­gungs­amt nach Ablauf der Frist des § 69 Abs. 1 Satz 2 SGB IX eine Fest­stel­lung wegen feh­len­der Mit­wir­kung nicht tref­fen konnte. Das Ein­grei­fen des Son­der­kün­di­gungs­schut­zes setzt damit grund­sätz­lich voraus, dass im Zeit­punkt des Zugangs der Kün­di­gung ent­we­der die Schwer­be­hin­de­rung bereits aner­kannt (oder eine Gleich­stel­lung erfolgt) ist oder die Stel­lung des Antrags auf Aner­ken­nung der Schwer­be­hin­de­rung (bzw. auf Gleich­stel­lung) min­des­tens drei Wochen zurück­liegt (BAG 29. Novem­ber 2007 — 2 AZR 613/06 — Rn. 15, AP SGB IX § 90 Nr. 5 = EzA SGB IX § 90 Nr. 3; 1. März 2007 — 2 AZR 217/06 — BAGE 121, 335).
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2. Diese Vor­aus­set­zun­gen sind hier erfüllt. Nach den Fest­stel­lun­gen des Lan­des­ar­beits­ge­richts hat das Ver­sor­gungs­amt am 21. März 2007 — und damit vor Zugang der frist­lo­sen Kün­di­gung — die Schwer­be­hin­de­rung des Klä­gers mit einem Grad von 100 fest­ge­stellt.
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III. Der Kläger musste die Beklag­te nicht binnen drei Wochen nach Zugang der Kün­di­gung vom 8. Mai 2007 auf seine Aner­ken­nung als schwer­be­hin­der­ter Mensch hin­wei­sen, um sich den beson­de­ren Kün­di­gungs­schutz zu erhal­ten.
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1. Ist der Arbeit­neh­mer im Kün­di­gungs­zeit­punkt bereits als schwer­be­hin­der­ter Mensch aner­kannt, steht ihm der Kün­di­gungs­schutz gemäß §§ 85 ff. SGB IX nach dem Wort­laut des Geset­zes auch dann zu, wenn der Arbeit­ge­ber von der Schwer­be­hin­der­ten­ei­gen­schaft oder dem Aner­ken­nungs­an­trag nichts wusste. Das ergibt sich schon daraus, dass § 85 iVm. § 2 SGB IX mit der „Schwer­be­hin­de­rung“ ohne­hin auf einen objek­ti­ven Grad der Behin­de­rung und nicht auf dessen behörd­li­che Fest­stel­lung abstellt (BAG 6. Sep­tem­ber 2007 — 2 AZR 324/06 — Rn. 24, BAGE 124, 43; 12. Januar 2006 — 2 AZR 539/05 — Rn. 15, AP SGB IX § 85 Nr. 3 = EzA SGB IX § 85 Nr. 5).
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2. Gleich­wohl trifft den Arbeit­neh­mer — sowohl im Fall der außer­or­dent­li­chen als auch der ordent­li­chen Kün­di­gung — bei Unkennt­nis des Arbeit­ge­bers von der Schwer­be­hin­de­rung bzw. der Antrag­stel­lung die Oblie­gen­heit, inner­halb einer ange­mes­se­nen Frist — die in der Regel drei Wochen beträgt — auf den beson­de­ren Kün­di­gungs­schutz hin­zu­wei­sen (vgl. BAG 23. Febru­ar 2010 — 2 AZR 659/08 — Rn. 16, AP SGB IX § 85 Nr. 8 = EzA SGB IX § 85 Nr. 6; 12. Januar 2006 — 2 AZR 539/05 — zu II 3 b der Gründe, AP SGB IX § 85 Nr. 3 = EzA SGB IX § 85 Nr. 5). Dies trägt dem Ver­wir­kungs­ge­dan­ken (§ 242 BGB) Rech­nung und ist aus Grün­den des Ver­trau­ens­schut­zes gerecht­fer­tigt (BAG 13. Febru­ar 2008 — 2 AZR 864/06 — Rn. 16, BAGE 125, 345; 20. Januar 2005 — 2 AZR 675/03 — zu II 3 a der Gründe, AP SGB IX § 85 Nr. 1 = EzA SGB IX § 85 Nr. 3). Der Arbeit­ge­ber, der keine Kennt­nis von dem bestehen­den oder mög­li­chen Schutz­tat­be­stand hat, hat keinen Anlass, eine behörd­li­che Zustim­mung zur Kün­di­gung ein­zu­ho­len. Je nach dem Stand des Ver­fah­rens beim Ver­sor­gungs­amt ist ihm dies sogar unmög­lich. Das Erfor­der­nis, sich zeit­nah auf den beson­de­ren Kün­di­gungs­schutz zu beru­fen, ist geeig­net, einer Über­for­de­rung des Arbeit­ge­bers vor­zu­beu­gen. Dieser müsste ande­ren­falls vor Kün­di­gun­gen stets vor­sorg­lich einen Antrag auf Zustim­mung beim Inte­gra­ti­ons­amt stel­len, damit nicht der beson­de­re Schutz­tat­be­stand ggf. erst nach län­ge­rer Pro­zess­dau­er offen­bar wird. Das Erfor­der­nis trägt zugleich dem Gebot der Rechts­si­cher­heit Rech­nung (BAG 20. Januar 2005 — 2 AZR 675/03 — zu II 3 a der Gründe, aaO).
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3. Eine Ein­schrän­kung der Mög­lich­keit des Arbeit­neh­mers, sich auf den Kün­di­gungs­schutz als schwer­be­hin­der­ter Mensch zu beru­fen, ist aber nur gerecht­fer­tigt, wenn der Arbeit­ge­ber tat­säch­lich schutz­be­dürf­tig ist. Das ist hier nicht der Fall.
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a) Das Rechts­in­sti­tut der Ver­wir­kung ver­folgt nicht den Zweck, den Schuld­ner stets dann von seiner Ver­pflich­tung zu befrei­en, wenn der Gläu­bi­ger sich län­ge­re Zeit nicht auf seine Rechte beru­fen hat (Zeit­mo­ment). Der Gläu­bi­ger muss viel­mehr unter Umstän­den untä­tig geblie­ben sein, die den Ein­druck erweckt haben, er wolle sein Recht nicht mehr wahr­neh­men, so dass der Ver­pflich­te­te sich darauf ein­stel­len durfte, nicht mehr in Anspruch genom­men zu werden (Umstands­mo­ment). Hier­bei muss das Bedürf­nis nach Ver­trau­ens­schutz auf Seiten des Ver­pflich­te­ten das Inter­es­se an der Rechts­aus­übung auf Seiten des Berech­tig­ten derart über­wie­gen, dass ers­te­rem die Erfül­lung seiner Ver­pflich­tung nicht mehr zuzu­mu­ten ist (BAG 15. Febru­ar 2007 — 8 AZR 431/06 — Rn. 42, BAGE 121, 289).
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b) Danach kann der Arbeit­ge­ber regel­mä­ßig keinen Ver­trau­ens­schutz für sich in Anspruch nehmen, wenn er die Schwer­be­hin­de­rung oder den Antrag vor Aus­spruch der Kün­di­gung kannte und des­halb mit dem Zustim­mungs­er­for­der­nis rech­nen musste (vgl. BAG 23. Febru­ar 2010 — 2 AZR 659/08 — Rn. 16, AP SGB IX § 85 Nr. 8 = EzA SGB IX § 85 Nr. 6; 6. Sep­tem­ber 2007 — 2 AZR 324/06 — Rn. 25, BAGE 124, 43). Der Arbeit­ge­ber ist auch dann nicht schutz­be­dürf­tig, wenn die Schwer­be­hin­de­rung des Arbeit­neh­mers offen­kun­dig ist und er des­halb auch ohne Kennt­nis von Aner­ken­nung oder Antrag­stel­lung Anlass hatte, vor­sorg­lich die Zustim­mung zur Kün­di­gung zu bean­tra­gen (BAG 13. Febru­ar 2008 — 2 AZR 864/06 — Rn. 15, 20, BAGE 125, 345).
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c) Gemes­sen hieran sind die Vor­aus­set­zun­gen einer Ver­wir­kung nicht erfüllt. Der Beklag­ten war durch das Schrei­ben des Klä­gers vom 7. März 2007 die Antrag­stel­lung beim Ver­sor­gungs­amt bekannt. Sie musste mit einer Aner­ken­nung des Klä­gers als schwer­be­hin­der­ter Mensch und damit der Zustim­mungs­be­dürf­tig­keit der Kün­di­gung vom 8. Mai 2007 rech­nen. Wei­ter­ge­hen­der Infor­ma­tio­nen bedurf­te sie nicht. Ins­be­son­de­re war der Kläger nicht ver­pflich­tet, ihr das Datum der Antrag­stel­lung mit­zu­tei­len oder seine Schwer­be­hin­de­rung inner­halb von drei Wochen nach Zugang der Kün­di­gung durch Vor­la­ge des Fest­stel­lungs­be­scheids nach­zu­wei­sen.
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aa) Das Schrei­ben vom 7. März 2007 war geeig­net, der Beklag­ten die erfor­der­li­che Kennt­nis von der Mög­lich­keit des Bestehens einer Schwer­be­hin­de­rung des Klä­gers zu ver­mit­teln.
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(1) Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX stel­len die für die Durch­füh­rung des Bun­des­ver­sor­gungs­ge­set­zes zustän­di­gen Behör­den auf Antrag das Vor­lie­gen einer Behin­de­rung und den Grad der Behin­de­rung fest. Der Antrag auf Fest­stel­lung einer „Behin­de­rung“ schließt, da die Ver­sor­gungs­äm­ter die Behin­de­rung von Amts wegen fest­zu­stel­len haben, die Fest­stel­lung einer Schwer­be­hin­de­rung iSv. § 2 Abs. 2 SGB IX ein. Dar­über hinaus bedarf es — soweit die Schwer­be­hin­de­rung nicht ohne­hin offen­sicht­lich ist — einer (förm­li­chen) Fest­stel­lung der Behin­de­rung und ihres Grades nach § 69 SGB IX nur für die Inan­spruch­nah­me der beson­de­ren Hilfen zur Teil­ha­be Schwer­be­hin­der­ter am Arbeits­le­ben und für einen Nach­teils­aus­gleich nach Teil 2 SGB IX (vgl. dazu BT-Drucks. 14/5074 S. 98; Neu­man­n/­Pah­len/­Ma­jer­ski-Pahlen SGB IX 12. Aufl. § 2 Rn. 26). Dazu zählt auch der beson­de­re Kün­di­gungs­schutz nach §§ 85 ff. SGB IX.
29
(2) Die Beklag­te hat die Mit­tei­lung ersicht­lich zunächst so ver­stan­den, dass sich der Antrag des Klä­gers (auch) auf die Fest­stel­lung einer Schwer­be­hin­de­rung bezog. Sie hat behaup­tet, ihr Pro­zess­be­voll­mäch­tig­ter habe sich im Güte­ter­min vom 16. April 2007 nach dem Datum der Antrag­stel­lung und dem Akten­zei­chen des Vor­gangs erkun­digt. Diese Fragen ziel­ten erkenn­bar darauf, die Rele­vanz der Antrag­stel­lung für die Wirk­sam­keit der ersten (ordent­li­chen) Kün­di­gung mit Blick auf vom Kläger ein­zu­hal­ten­de Fris­ten (§ 90 Abs. 2a iVm. § 69 Abs. 2 SGB IX) abzu­klä­ren. Wäre die Beklag­te im Zwei­fel dar­über gewe­sen, ob sich der Antrag auch auf die Fest­stel­lung einer Schwer­be­hin­de­rung bezog, hätte sie dies aller Wahr­schein­lich­keit nach zum Aus­druck gebracht.
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(3) Ob der Pro­zess­be­voll­mäch­tig­te des Klä­gers im Güte­ter­min vom 16. April 2007 in der Lage war, nähere Aus­künf­te zum Antrags­ver­fah­ren zu ertei­len, kann offen­blei­ben. Selbst wenn dies — wie die Beklag­te behaup­tet — nicht der Fall gewe­sen sein sollte, war daraus nicht abzu­lei­ten, die Anga­ben im Schrei­ben vom 7. März 2007 ent­behr­ten jeg­li­cher Grund­la­ge. Wenn die Beklag­te dies den­noch tat, han­del­te sie auf eige­nes Risiko.
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bb) Die Beklag­te war auf­grund der Anga­ben im Schrei­ben vom 7. März 2007 aus­rei­chend in die Lage ver­setzt, zumin­dest vor­sorg­lich die Zustim­mung zur Kün­di­gung zu bean­tra­gen. Nach § 87 Abs. 1 SGB IX ist der Zustim­mungs­an­trag schrift­lich bei dem für den Sitz des Betrie­bes zustän­di­gen Inte­gra­ti­ons­amt anzu­brin­gen. Dabei ist anzu­ge­ben, ob das Arbeits­ver­hält­nis ordent­lich oder außer­or­dent­lich gekün­digt werden soll, und sind die Gründe der Kün­di­gung ein­schließ­lich des in Auge gefass­ten Kün­di­gungs­ter­mins zu benen­nen. Dar­über hinaus sind Anga­ben zur Person des Betrof­fe­nen wie Name und Anschrift erfor­der­lich (vgl. Düwell in Dau/Düwell/Joussen SGB IX 3. Aufl. § 87 Rn. 9; Knit­tel SGB IX 5. Aufl. § 87 Rn. 5a; Kos­sens in Kossens/von der Heide/Maaß SGB IX 3. Aufl. § 87 Rn. 2 ff.; jeweils mwN). Eine Ver­pflich­tung des Arbeit­ge­bers, kon­kre­te Anga­ben zu einem bestimm­ten Fest­stel­lungs­an­trag des Arbeit­neh­mers zu machen, lässt sich dem Gesetz nicht ent­neh­men. Die Zustim­mungs­be­dürf­tig­keit der beab­sich­tig­ten Kün­di­gung hat das Inte­gra­ti­ons­amt nach § 20 Abs. 1 SGB X von Amts wegen auf­zu­klä­ren. Dabei haben sowohl der Arbeit­ge­ber als auch der Arbeit­neh­mer mit­zu­wir­ken. Sie sollen ins­be­son­de­re ihnen bekann­te Tat­sa­chen und Beweis­mit­tel ange­ben (§ 21 Abs. 2 SGB X).
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cc) Zu Unrecht meint die Beklag­te, der Mit­tei­lung des Datums der Antrag­stel­lung habe es bedurft, um ihr eine Über­prü­fung der Rele­vanz der Antrag­stel­lung mit Blick auf die Frist des § 90 Abs. 2a SGB IX zu ermög­li­chen.
33
(1) Aller­dings ist der Zeit­punkt der Antrag­stel­lung durch­aus von Bedeu­tung. Ist die Schwer­be­hin­de­rung des Arbeit­neh­mers im Kün­di­gungs­zeit­punkt noch nicht fest­ge­stellt, son­dern ist ledig­lich ein ent­spre­chen­der Antrag gestellt, besteht der Son­der­kün­di­gungs­schutz nur, wenn der Arbeit­neh­mer den Antrag so früh­zei­tig gestellt hat, dass eine Ent­schei­dung bei Aus­spruch der Kün­di­gung binnen der Frist des § 69 Abs. 1 Satz 2 SGB IX mög­lich gewe­sen wäre. Hat dem­nach der Arbeit­neh­mer seinen Antrag nicht min­des­tens drei Wochen vor Zugang der Kün­di­gung gestellt und liegt im Kün­di­gungs­zeit­punkt auch noch kein Bescheid vor, der seine Schwer­be­hin­de­rung fest­stellt, kann er keinen beson­de­ren Kün­di­gungs­schutz bean­spru­chen (BAG 1. März 2007 — 2 AZR 217/06 — Rn. 43, BAGE 121, 335). Aus diesem Grund wird im Schrift­tum die Auf­fas­sung ver­tre­ten, der Arbeit­neh­mer, der sich nach Aus­spruch der Kün­di­gung auf eine bereits gel­tend gemach­te, aber noch nicht durch Bescheid fest­ge­stell­te Schwer­be­hin­de­rung berufe, müsse zugleich die Recht­zei­tig­keit der Antrag­stel­lung dar­le­gen (vgl. Neu­man­n/­Pah­len/­Ma­jer­ski-Pahlen SGB IX 12. Aufl. § 85 Rn. 37).
34
(2) Ob dieser Auf­fas­sung zu folgen ist, kann dahin­ste­hen. Im Streit­fall kam es auf die Recht­zei­tig­keit der Antrag­stel­lung schon des­halb nicht an, weil im Kün­di­gungs­zeit­punkt ein die Schwer­be­hin­de­rung des Klä­gers fest­stel­len­der Bescheid bereits vorlag. Zudem waren seit der Mit­tei­lung vom 7. März 2007 bis zur Kün­di­gung am 8. Mai 2007 mehr als drei Wochen ver­stri­chen.
35
4. § 90 Abs. 2a SGB IX ver­langt nicht, dass der Arbeit­neh­mer dem Arbeit­ge­ber den Bescheid über die Schwer­be­hin­de­rung vor­legt, damit der Son­der­kün­di­gungs­schutz erhal­ten bleibt. Aus­rei­chend ist die objek­ti­ve Exis­tenz eines geeig­ne­ten Beschei­des, der die Schwer­be­hin­de­rung nach­weist (BAG 11. Dezem­ber 2008 — 2 AZR 395/07 — Rn. 28, BAGE 129, 25). Der Arbeit­ge­ber, der die Schwer­be­hin­de­rung des Arbeit­neh­mers im Kün­di­gungs­zeit­punkt nicht kennt, ist aus­rei­chend durch die vom Senat ent­wi­ckel­ten Grund­sät­ze zur Ver­wir­kung geschützt. Bezwei­felt er die ihm mit­ge­teil­te Schwer­be­hin­de­rung oder Antrag­stel­lung, kann er die Aner­ken­nung bestrei­ten und sich auf diese Weise Klar­heit ver­schaf­fen (BAG 11. Dezem­ber 2008 — 2 AZR 395/07 — aaO). Hat der Arbeit­neh­mer vor­pro­zes­su­al eine Antrag­stel­lung behaup­tet, kann der Arbeit­ge­ber beim Inte­gra­ti­ons­amt vor­sorg­lich einen Antrag auf Zustim­mung zur Kün­di­gung stel­len. Erhält er auf seinen form- und frist­ge­recht gestell­ten Antrag ein Nega­tiv­at­test, besei­tigt dieses, jeden­falls wenn es bestands­kräf­tig ist, die Kün­di­gungs­sper­re (BAG 6. Sep­tem­ber 2007 — 2 AZR 324/06 — Rn. 15, BAGE 124, 43).
36
IV. Darauf, ob ein wich­ti­ger Grund zur Kün­di­gung im Sinne von § 626 BGB vorlag, kommt es nicht an.
37
V. Die Beklag­te hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolg­lo­sen Revi­si­on zu tragen.
    Kreft
    Schmitz-Schole­mann
    Berger
    H. Frey
    Nie­le­bock