Leit­sät­ze

Teilt ein Bewer­ber im Bewer­bungs­schrei­ben seine Schwer­be­hin­de­rung mit, ist der Arbeit­ge­ber ver­pflich­tet, das Bewer­bungs­schrei­ben bei seinem Ein­gang voll­stän­dig zur Kennt­nis zu nehmen. Diese Pflicht beruht für Alt­fäl­le auf § 81 SGB IX in der bis 17. August 2006 gel­ten­den Fas­sung (aF). Über­se­hen die für den Arbeit­ge­ber han­deln­den Per­so­nen den Hin­weis auf die Schwer­be­hin­der­ten­ei­gen­schaft und ver­stößt der Arbeit­ge­ber des­halb gegen seine Pflich­ten aus § 81 SGB IX aF, wird eine Benach­tei­li­gung wegen einer Behin­de­rung ver­mu­tet. Die unter­las­se­ne Kennt­nis­er­lan­gung der in seinem Ein­fluss­be­reich ein­ge­setz­ten Per­so­nen wird dem Arbeit­ge­ber als objek­ti­ve Pflicht­ver­let­zung zuge­rech­net. Auf ein Ver­schul­den der han­deln­den Per­so­nen kommt es nicht an.

Tenor

Die Revi­si­on des Beklag­ten gegen das Urteil des Säch­si­schen Lan­des­ar­beits­ge­richts vom 19. Sep­tem­ber 2007 — 5 Sa 552/06 — wird zurück­ge­wie­sen.

Der Beklag­te hat die Kosten des Revi­si­ons­ver­fah­rens zu tragen.

Tat­be­stand

1
Die Par­tei­en strei­ten dar­über, ob der beklag­te Frei­staat der Klä­ge­rin eine Ent­schä­di­gung zu zahlen hat, weil er sie bei der Begrün­dung eines Arbeits­ver­hält­nis­ses wegen ihrer Behin­de­rung benach­tei­lig­te.
2
Die Klä­ge­rin hat einen Grad der Behin­de­rung (GdB) von 80. Sie ist aus­ge­bil­de­te Wirt­schafts­kauf­frau.
3
Das Staats­mi­nis­te­ri­um für Kultus des Frei­staats Sach­sen als Träger der Säch­si­schen Aka­de­mie für Leh­rer­fort­bil­dung (Aka­de­mie) schrieb im Juni 2005 „die Stelle einer/eines Mitarbeiterin/Mitarbeiters in der Ver­wal­tung für Buchhaltung/Kasse“ aus. Die Posi­ti­on war befris­tet bis längs­tens März 2007 zu beset­zen. Das Auf­ga­ben­ge­biet wurde wie folgt beschrie­ben:
„-
Füh­rung der Geld­an­nah­me­stel­le (Kas­sie­rung, Ein­zah­lung und Buchung der Bar­geld­ein­nah­men von Lehr­gän­gen, Essens­geld etc.)
-
Erstel­len von Zah­lungs­auf­for­de­run­gen für Ver­pfle­gungs­leis­tun­gen und Über­nach­tun­gen von Lehr­gangs­teil­neh­mern im Hause
-
Monat­li­che Gesamt­ab­rech­nung der Bar­geld-Ein­nah­men je Buchungs­stel­le bei der Haupt­kas­se
-
Buchung und Titel­ver­wal­tung der Buchungs­stel­le für Hono­ra­re
-
monat­li­che Abstim­mung der aus­ge­führ­ten Buchun­gen mit den Buchungs­lis­ten der Haupt­kas­se“
4
Die bis 5. Juli 2005 befris­te­te Stel­len­aus­schrei­bung for­der­te eine „abge­schlos­se­ne Aus­bil­dung in einem ein­schlä­gi­gen Beruf bzw. eine abge­schlos­se­ne Aus­bil­dung als Verwaltungsfachangestellte/r“. Die Ver­gü­tung sollte sich nach dem BAT‑O rich­ten. Das Monats­ge­halt hätte in VergGr. VII BAT‑O 2.037,92 Euro brutto betra­gen.
5
Die Klä­ge­rin bewarb sich unter dem 24. Juni 2005 aus der unbe­fris­te­ten und unge­kün­dig­ten Posi­ti­on einer Sach­be­ar­bei­te­rin in einem städ­ti­schen Haupt­amt um die aus­ge­schrie­be­ne Stelle. Ihr Bewer­bungs­schrei­ben lautet aus­zugs­wei­se:
„Vom 11.03.2002 bis 10.03.2004 umfass­te mein Auf­ga­ben­ge­biet die Bezü­ge­be­rech­nung für Beamte, Wahl­be­am­te, Ange­stell­te und Arbei­ter unter Fest­set­zen von stän­di­gen und unstän­di­gen Lohn­be­stand­tei­len, Berech­nung von Kin­der­geld, Rei­se­kos­ten sowie Errech­nung von Ein­mal­zah­lun­gen, die Zah­lung von Vor­schüs­sen, Pfän­dungs­zah­lun­gen unter den der­zeit gül­ti­gen Ver­wal­tungs­richt­li­ni­en BAT‑O und BMT-G‑O sowie die monat­li­che Sum­men­zu­sam­men­stel­lung über die gezahl­ten Bezüge gegen­über der Käm­me­rei und die End­ab­rech­nun­gen der AB-Maß­nah­men gegen­über dem Arbeits­amt. …
Mein Auf­ga­ben­ge­biet umfasst der­zeit die Bear­bei­tung der Ein­gangs­post, zen­tra­le Erfas­sung von Rech­nun­gen, Lite­ra­tur- und Büro­be­stel­lun­gen für die Ämter, Betreu­ung der Zen­tral­re­gis­tra­tur. Wei­ter­hin bin ich für die Hand­kas­se des Haupt­am­tes ver­ant­wort­lich und deren Abrech­nung gegen­über der Stadt­kas­se.
Seit Mai vori­gen Jahres besu­che ich in meiner Frei­zeit (frei­tags 13:00 — 20:00 Uhr und sonn­abends 08:00 — 15:30 Uhr) bei der Säch­si­schen Ver­wal­tungs- und Wirt­schafts-Aka­de­mie Dres­den den Vor­be­rei­tungs­lehr­gang für die Abschluss­prü­fung zum Ver­wal­tungs­an­ge­stell­ten, wel­cher vor­aus­sicht­lich im Früh­jahr 2006 been­det sein wird.
Nicht ver­schwei­gen möchte ich, dass ich durch meine Dia­be­tes als schwer­be­hin­dert gelte, was sich kei­nes­falls auf meine Arbeits­leis­tung und ‑bereit­schaft aus­wirkt.“
6
Um die aus­ge­schrie­be­ne Stelle bewar­ben sich 126 Per­so­nen. Die Aka­de­mie erfass­te alle Bewer­ber in einer Über­sicht. Die Auf­stel­lung ent­hielt eine Spalte, in der eine mög­li­che (Schwer-)Behinderung oder Gleich­stel­lung ein­zu­tra­gen war. Die Klä­ge­rin wurde in der Über­sicht nicht als schwer­be­hin­dert erfasst, weil der frü­he­re Ver­wal­tungs­lei­ter der Aka­de­mie und eine Per­so­nal­sach­be­ar­bei­te­rin den Hin­weis auf ihre Schwer­be­hin­de­rung über­se­hen hatten. Die Klä­ge­rin wurde nicht zu einem Vor­stel­lungs­ge­spräch ein­ge­la­den.
7
Die Aka­de­mie teilte der Schwer­be­hin­der­ten­ver­tre­tung mit Schrei­ben vom 28. August 2005, hand­schrift­lich berich­tigt auf den 28. Juli 2005, mit, die Ver­mitt­lungs­an­zei­ge für schwer­be­hin­der­te Men­schen bei der Agen­tur für Arbeit sei ergeb­nis­los geblie­ben. Unter den 126 Bewer­bern seien drei Per­so­nen mit einer gering­fü­gi­gen Behin­de­rung und drei Per­so­nen, die schwer­be­hin­der­ten Men­schen gleich­ge­stellt seien, jedoch keine Schwer­be­hin­der­ten. Es sei beab­sich­tigt, eine der Bewer­be­rin­nen bereits am 1. August 2005 ein­zu­stel­len, weil die Stelle drin­gend besetzt werden müsse. Das war mit der Schwer­be­hin­der­ten­ver­tre­tung schon zwei Tage zuvor tele­fo­nisch bespro­chen worden.
8
Der dama­li­ge Ver­wal­tungs­lei­ter der Aka­de­mie lehnte die Bewer­bung der Klä­ge­rin mit Schrei­ben vom 28. Juli 2005, ihr zuge­gan­gen am 30. Juli 2005, ab und schick­te ihr die Bewer­bungs­un­ter­la­gen zurück.
9
Die Stelle wurde am 1. August 2005 mit einer Mit­be­wer­be­rin der Klä­ge­rin besetzt. Diese ver­fügt über den Abschluss einer staat­lich geprüf­ten kauf­män­ni­schen Assis­ten­tin und ist zudem Fach­an­ge­stell­te für Büro­kom­mu­ni­ka­ti­on.
10
Die Klä­ge­rin unter­nahm meh­re­re Ver­su­che, den Grund der Ableh­nung ihrer Bewer­bung zu erfah­ren. Ihr Pro­zess­be­voll­mäch­tig­ter machte mit Schrei­ben vom 23. Sep­tem­ber 2005, dem Beklag­ten zuge­gan­gen am 25. Sep­tem­ber 2005, einen Scha­dens­er­satz­an­spruch wegen Benach­tei­li­gung auf­grund einer Behin­de­rung nach § 81 Abs. 2 SGB IX in der bis 17. August 2006 gel­ten­den Fas­sung vom 23. April 2004 (aF) gegen­über der Aka­de­mie gel­tend.
11
Die Direk­to­rin der Aka­de­mie führte in ihrem Ant­wort­schrei­ben vom 11. Okto­ber 2005 aus, den Bewer­bungs­un­ter­la­gen sei der erfor­der­li­che Nach­weis der Schwer­be­hin­de­rung nicht zu ent­neh­men gewe­sen. Die Schwer­be­hin­der­ten­ver­tre­tung sei daher „nicht expli­zit“ auf die Schwer­be­hin­de­rung der Klä­ge­rin hin­ge­wie­sen worden. Die Behör­den des Frei­staats Sach­sen arbei­te­ten mit dem Buchungs­sys­tem SaxMBS. Eine Mit­be­wer­be­rin habe im Unter­schied zur Klä­ge­rin ent­spre­chen­de Kennt­nis­se gehabt. Dieser Umstand habe nach § 82 „Ziffer 3“ SGB IX ein Vor­stel­lungs­ge­spräch mit der Klä­ge­rin ent­behr­lich gemacht. Hinzu komme, dass die Rah­men­be­din­gun­gen der glei­ten­den Arbeits­zeit die wei­te­re Teil­nah­me der Klä­ge­rin an dem Lehr­gang der Säch­si­schen Ver­wal­tungs- und Wirt­schafts-Aka­de­mie aus­ge­schlos­sen hätten.
12
Die Klä­ge­rin hat in ihrer dem Beklag­ten am 3. Febru­ar 2006 zuge­stell­ten Klage behaup­tet, in der Bewer­bungs­map­pe habe sich eine Kopie ihres Schwer­be­hin­der­ten­aus­wei­ses befun­den. Sie habe sich in ihrem bis­he­ri­gen Arbeits­ver­hält­nis in einer Kon­flikt­si­tua­ti­on befun­den. Die Klä­ge­rin meint, die unter­blie­be­ne Ein­la­dung zu einem Vor­stel­lungs­ge­spräch ver­sto­ße gegen § 82 SGB IX. Die Schwer­be­hin­der­ten­ver­tre­tung sei nicht ord­nungs­ge­mäß betei­ligt worden.
13
Die Klä­ge­rin hat bean­tragt,
den Beklag­ten zu ver­ur­tei­len, an sie Scha­dens­er­satz nach bil­li­gem Ermes­sen des Gerichts, min­des­tens jedoch iHv. 6.554,67 Euro zuzüg­lich Ver­zugs­zin­sen hier­aus seit dem 25. Sep­tem­ber 2005 von fünf Pro­zent­punk­ten über dem Basis­zins­satz zu zahlen.
14
Der beklag­te Frei­staat hat bean­tragt, die Klage abzu­wei­sen. Er ist der Ansicht, dass die Klä­ge­rin für die Stelle offen­sicht­lich nicht geeig­net und die Bewer­bung wegen ihres unbe­fris­te­ten Arbeits­ver­hält­nis­ses nicht ernst­haft gewe­sen sei. Eine Benach­tei­li­gung der Klä­ge­rin „wegen ihrer Behin­de­rung“ nach § 81 Abs. 2 Satz 1 SGB IX aF schei­de jeden­falls des­halb aus, weil die für den Beklag­ten han­deln­den Per­so­nen die Schwer­be­hin­de­rung der Klä­ge­rin ver­se­hent­lich über­le­sen hätten. Der Ent­schä­di­gungs­an­spruch setze Kennt­nis von der Schwer­be­hin­de­rung des Bewer­bers voraus. Die Schwer­be­hin­de­rung müsse zumin­dest einer der Beweg­grün­de für die ableh­nen­de Ent­schei­dung des Arbeit­ge­bers sein. Fehle diese Kau­sa­li­tät, sei der Tat­be­stand des § 81 Abs. 2 Satz 1 SGB IX aF nicht erfüllt, ohne dass es auf die Recht­fer­ti­gung der unter­schied­li­chen Behand­lung durch einen sach­li­chen Grund ankom­me.
15
Das Arbeits­ge­richt hat der Klage teil­wei­se statt­ge­ge­ben. Es hat der Klä­ge­rin anstel­le der ein­ge­klag­ten drei Gehäl­ter von jeweils 2.184,89 Euro eine Ent­schä­di­gung von 3.056,88 Euro — andert­halb Gehäl­tern auf der Grund­la­ge eines Monats­ent­gelts von 2.037,92 Euro brutto — nebst Ver­zugs­zin­sen von fünf Pro­zent­punk­ten über dem Basis­zins­satz seit 25. Sep­tem­ber 2005 zuge­spro­chen. Auf die Beru­fung des Beklag­ten hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt das Urteil des Arbeits­ge­richts teil­wei­se abge­än­dert und die Ver­ur­tei­lung des Beklag­ten zur Ent­schä­di­gungs­zah­lung nur in Höhe eines Monats­ge­halts von 2.037,92 Euro nebst Pro­zess­zin­sen von fünf Pro­zent­punk­ten über dem Basis­zins­satz seit 3. Febru­ar 2006 auf­recht­erhal­ten. Das Beru­fungs­ge­richt hat die auf Zah­lung wei­te­rer 3.056,88 Euro gerich­te­te Anschluss­be­ru­fung der Klä­ge­rin zurück­ge­wie­sen. Mit der vom Lan­des­ar­beits­ge­richt zuge­las­se­nen Revi­si­on ver­folgt der Beklag­te seinen Antrag auf Abwei­sung der gesam­ten Klage mit Aus­nah­me des Zins­an­trags für den 3. Febru­ar 2006 weiter. Der Beklag­te hat in der Revi­si­ons­ver­hand­lung auf den Angriff gegen die Ver­ur­tei­lung zur Ver­zin­sung dieses Tags ver­zich­tet. Die Klä­ge­rin bean­tragt, die Revi­si­on zurück­zu­wei­sen.

Ent­schei­dungs­grün­de

16
A. Die Revi­si­on des Beklag­ten ist unbe­grün­det.
17
I. Die Klage ist zuläs­sig, ins­be­son­de­re hin­rei­chend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
18
Dem steht nicht ent­ge­gen, dass die Klä­ge­rin die Höhe der von ihr begehr­ten Ent­schä­di­gung in das Ermes­sen des Gerichts gestellt hat. Ein sol­cher Kla­ge­an­trag ist hier zuläs­sig, weil der Betrag gemäß § 81 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 1. Halbs. SGB IX aF nach bil­li­gem Ermes­sen des Gerichts zu bestim­men ist. Die Klä­ge­rin hat die Tat­sa­chen, die das Gericht bei seiner Ermes­sens­aus­übung her­an­zie­hen soll, benannt und die Grö­ßen­ord­nung der gel­tend gemach­ten For­de­rung ange­ge­ben (vgl. aus­führ­lich Senat 12. Sep­tem­ber 2006 — 9 AZR 807/05 — Rn. 12, BAGE 119, 262; 15. Febru­ar 2005 — 9 AZR 635/03 — BAGE 113, 361, zu A der Gründe) .
19
II. Der mit der Revi­si­on zur Ent­schei­dung des Senats ange­fal­le­ne Teil der Klage von 2.037,92 Euro nebst Pro­zess­zin­sen seit 4. Febru­ar 2006 ist begrün­det.
20
1. Der Ent­schä­di­gungs­an­spruch der Klä­ge­rin beruht auf § 81 Abs. 2 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 Nr. 1, 2 und 3 SGB IX aF iVm. § 82 Satz 2 SGB IX und § 81 Abs. 1 Satz 4 und 6 SGB IX aF, § 95 Abs. 2 Satz 1 1. Halbs. SGB IX.
21
a) Auf den Streit­fall sind noch nicht die am 18. August 2006 in Kraft getre­te­nen §§ 1, 2 Abs. 1 Nr. 1, §§ 7 und 15 AGG anzu­wen­den.
22
aa) Die Über­gangs­vor­schrift des § 33 Abs. 1 AGG bezieht sich nach ihrem Wort­laut nur auf Benach­tei­li­gun­gen nach §§ 611a, 611b, 612 Abs. 3 BGB und sexu­el­le Beläs­ti­gun­gen nach dem Beschäf­tig­ten­schutz­ge­setz. § 33 Abs. 1 AGG soll jedoch nicht rück­wir­kend Sach­ver­hal­te regeln, die bei Inkraft­tre­ten des AGG am 18. August 2006 bereits abge­schlos­sen waren. Neues Recht ist nur anzu­wen­den, wenn nach dem 17. August 2006 Tat­sa­chen ent­ste­hen, die für die Benach­tei­li­gungs­ver­bo­te des AGG erheb­lich sind. Die Über­gangs­re­ge­lung des § 33 Abs. 1 AGG meint daher alle uner­laub­ten Benach­tei­li­gun­gen, die zeit­lich vor Inkraft­tre­ten des AGG liegen, auch Benach­tei­li­gun­gen wegen Behin­de­run­gen. Nach der Begrün­dung des Regie­rungs­ent­wurfs findet auf solche — schon vor dem 18. August 2006 abge­schlos­se­nen — Benach­tei­li­gun­gen die alte Rechts­la­ge ein­schließ­lich des § 81 Abs. 2 SGB IX aF Anwen­dung (vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 53). Es kommt auf den Zeit­punkt der Benach­tei­li­gungs­hand­lung an. IdR ist die zugrun­de lie­gen­de Ent­schei­dung des Arbeit­ge­bers maß­geb­lich, etwa die Ent­schei­dung, einen Bewer­ber nicht ein­zu­stel­len (vgl. zu dem auf­ge­ho­be­nen § 611a BGB Senat 14. August 2007 — 9 AZR 943/06 — Rn. 28, AP AGG § 33 Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 611a Nr. 5; all­ge­mei­ner zu der Gel­tung alten Rechts im Zusam­men­hang mit § 17 BErzGG/BEEG 20. Mai 2008 — 9 AZR 219/07 — Rn. 10, NZA 2008, 1237).
23
bb) Die Hand­lun­gen des Beklag­ten waren hier vor Inkraft­tre­ten des AGG am 18. August 2006 abge­schlos­sen. Der Beklag­te lehnte die Bewer­bung mit Schrei­ben vom 28. Juli 2005, der Klä­ge­rin zuge­gan­gen am 30. Juli 2005, ab. Er besetz­te die Stelle am 1. August 2005 mit einer Mit­be­wer­be­rin.
24
b) Als Anspruchs­grund­la­gen kommen nur § 81 Abs. 2 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 Nr. 1, 2 und 3 SGB IX aF iVm. § 82 Satz 2 SGB IX und § 81 Abs. 1 Satz 4 und 6 SGB IX aF, § 95 Abs. 2 Satz 1 1. Halbs. SGB IX in Betracht. Die Ent­schä­di­gung ist für Alt­fäl­le in § 81 Abs. 2 SGB IX aF abschlie­ßend gere­gelt (Senat 12. Sep­tem­ber 2006 — 9 AZR 807/05 — Rn. 14 f., BAGE 119, 262; 15. Febru­ar 2005 — 9 AZR 635/03 — BAGE 113, 361, zu B I der Gründe) .
25
c) Die drei­mo­na­ti­ge Kla­ge­frist des § 61b Abs. 1 ArbGG in seiner am 18. August 2006 in Kraft getre­te­nen Fas­sung vom 14. August 2006 (BGBl. I S. 1897, 1908), die nicht ein­ge­hal­ten wäre, gilt für den Streit­fall noch nicht. Erst die Neu­fas­sung des § 61b ArbGG bezieht auch Ent­schä­di­gungs­kla­gen auf­grund von Benach­tei­li­gun­gen wegen einer Behin­de­rung (§§ 1, 15 AGG) in den Gel­tungs­be­reich der Drei­mo­nats­frist ein. § 61b Abs. 1 ArbGG idF vom 24. Juni 1994 (BGBl. I S. 1406, 1412) war nur auf Ent­schä­di­gungs­kla­gen wegen geschlechts­be­zo­ge­ner Benach­tei­li­gun­gen nach § 611a Abs. 2 BGB anzu­wen­den (vgl. zB Schwab/Weth/Walker ArbGG 2. Aufl. § 61b Rn. 2).
26
2. Die vom Lan­des­ar­beits­ge­richt fest­ge­stell­ten Tat­sa­chen lassen eine Benach­tei­li­gung der Klä­ge­rin wegen ihrer Behin­de­rung ver­mu­ten. Die recht­li­che Wür­di­gung dieser Tat­sa­chen durch das Beru­fungs­ge­richt ist nicht zu bean­stan­den. Die Klä­ge­rin wurde zu Unrecht nicht zu einem Vor­stel­lungs­ge­spräch ein­ge­la­den. Die Schwer­be­hin­der­ten­ver­tre­tung wurde in dem Bewer­bungs­ver­fah­ren nicht ord­nungs­ge­mäß betei­ligt. Die daraus fol­gen­de Ver­mu­tung hat der Beklag­te nicht wider­legt.
27
a) Nach den Fest­stel­lun­gen des Beru­fungs­ge­richts über­sa­hen die für den Beklag­ten han­deln­den Per­so­nen den Hin­weis der Klä­ge­rin auf ihre Schwer­be­hin­de­rung im letz­ten Absatz des Bewer­bungs­schrei­bens. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Revi­si­on ist den­noch eine Benach­tei­li­gung der Klä­ge­rin „wegen ihrer Behin­de­rung“ iSv. § 81 Abs. 2 Satz 1 SGB IX aF anzu­neh­men.
28
aa) Im Rahmen der von § 81 Abs. 2 Satz 1 SGB IX aF vor­aus­ge­setz­ten Benach­tei­li­gung „wegen … Behin­de­rung“ kann offen­blei­ben, ob der Arbeit­ge­ber Umstän­de nach­schie­ben kann, über die er den Bewer­ber ent­ge­gen § 81 Abs. 1 Satz 9 SGB IX aF nicht unver­züg­lich unter­rich­te­te (dage­gen Hes­si­sches LAG 22. März 2006 — 2 Sa 1686/05 — juris Rn. 26, AR-Blat­tei ES 1440 Nr. 146). Erlangt der Arbeit­ge­ber durch Hand­lun­gen oder Unter­las­sun­gen der für ihn han­deln­den Per­so­nen trotz eines Hin­wei­ses im Bewer­bungs­schrei­ben keine posi­ti­ve Kennt­nis von der Schwer­be­hin­de­rung des Bewer­bers, wird eine Benach­tei­li­gung „wegen der Behin­de­rung“ nach § 81 Abs. 2 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Satz 3 SGB IX aF gleich­wohl ver­mu­tet. Die Hand­lun­gen oder Unter­las­sun­gen der für ihn han­deln­den Per­so­nen sind dem Arbeit­ge­ber objek­tiv zuzu­rech­nen.
29
bb) Die Tat­sa­chen der unter­blie­be­nen Ein­la­dung der Klä­ge­rin zu einem Vor­stel­lungs­ge­spräch und der nicht erfolg­ten Unter­rich­tung der Schwer­be­hin­der­ten­ver­tre­tung über die Schwer­be­hin­de­rung der Klä­ge­rin begrün­den die Ver­mu­tung einer Benach­tei­li­gung iSv. § 81 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Satz 3 SGB IX aF.
30
(1) Der Senat hat in seinem Urteil vom 12. Sep­tem­ber 2006 (- 9 AZR 807/05 — Rn. 44, BAGE 119, 262) zu den „nicht auf die Behin­de­rung bezo­ge­nen, sach­li­chen Grün­den“ des § 81 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Satz 3 SGB IX aF aus­ge­führt, es komme nicht darauf an, ob der Arbeit­ge­ber nicht beab­sich­ti­ge, behin­der­te Bewer­ber zu benach­tei­li­gen. Es genüge, dass die unter­las­se­nen Maß­nah­men objek­tiv geeig­net seien, schwer­be­hin­der­ten Bewer­bern keine oder schlech­te­re Chan­cen ein­zu­räu­men. Die Revi­si­on meint dem­ge­gen­über, die Grund­la­ge der Ver­mu­tung des § 81 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Satz 3 SGB IX aF bestehe nicht, wenn die für den Arbeit­ge­ber han­deln­den Per­so­nen die Schwer­be­hin­der­ten­ei­gen­schaft nicht zur Kennt­nis genom­men hätten. Bleibe dem Arbeit­ge­ber die Schwer­be­hin­de­rung unbe­kannt, könne er den Bewer­ber nicht „wegen seiner Behin­de­rung“ benach­tei­li­gen iSv. § 81 Abs. 2 Satz 1 SGB IX aF (ebenso LAG Nürn­berg 1. April 2004 — 7 SHa 4/04 — juris Rn. 11, AP SGB IX § 81 Nr. 6; ArbG Kiel 9. Febru­ar 2006 — ö.D. 5 Ca 1995 d/05 — juris Rn. 46 f., SchlHa 2007, 443, zu a bb der Gründe).
31
(2) § 81 Abs. 2 SGB IX aF war dem inzwi­schen auf­ge­ho­be­nen § 611a BGB nach­ge­bil­det, der vor Inkraft­tre­ten des AGG das Verbot der Dis­kri­mi­nie­rung wegen des Geschlechts regel­te. § 81 Abs. 2 SGB IX aF diente zudem der Umset­zung der Richt­li­nie 2000/78/EG des Rates vom 27. Novem­ber 2000 zur Fest­le­gung eines all­ge­mei­nen Rah­mens für die Ver­wirk­li­chung der Gleich­be­hand­lung in Beschäf­ti­gung und Beruf (ABl. EG Nr. L 303 vom 2. Dezem­ber 2000 S. 16; vgl. Senat 12. Sep­tem­ber 2006 — 9 AZR 807/05 — Rn. 22, BAGE 119, 262; 15. Febru­ar 2005 — 9 AZR 635/03 — BAGE 113, 361, zu B I der Gründe).
32
(3) Der Ent­schä­di­gungs­an­spruch wegen geschlechts­be­zo­ge­ner Benach­tei­li­gung aus § 611a Abs. 2 BGB setzte in der bis 2. Juli 1998 gel­ten­den Fas­sung vom 24. Juni 1994 (BGBl. I S. 1406, 1411) voraus, dass der Arbeit­ge­ber den Ver­stoß gegen das Benach­tei­li­gungs­ver­bot des § 611a Abs. 1 BGB bei der Begrün­dung eines Arbeits­ver­hält­nis­ses zu ver­tre­ten hatte. Der Gerichts­hof der Euro­päi­schen Gemein­schaf­ten erklär­te das Ver­schul­dens­er­for­der­nis jedoch in seiner Draehmpaehl-Ent­schei­dung für unver­ein­bar mit Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 der Richt­li­nie 76/207/EWG (22. April 1997 — C‑180/95 — Rn. 16 ff., ins­be­son­de­re Rn. 21 f., EuGHE I 1997, 2195). Der deut­sche Gesetz­ge­ber hob dar­auf­hin mit Wir­kung vom 3. Juli 1998 durch Gesetz vom 29. Juni 1998 (BGBl. I S. 1694) das Ver­schul­dens­er­for­der­nis in § 611a Abs. 2 BGB auf.
33
(4) Die in der Ent­schei­dung des Achten Senats vom 5. Febru­ar 2004 für Dis­kri­mi­nie­run­gen wegen des Geschlechts auf­ge­stell­ten Grund­sät­ze (- 8 AZR 112/03 — BAGE 109, 265, zu II 2 b bb (2) der Gründe mit Bezug auf EuGH 22. April 1997 — C‑180/95 — [Draehmpaehl] EuGHE I 1997, 2195) können auf die Benach­tei­li­gung wegen einer Behin­de­rung über­tra­gen werden. Dafür spre­chen vor allem die „Vor­bild­funk­ti­on“ des auf­ge­ho­be­nen § 611a Abs. 2 BGB für § 81 Abs. 2 SGB IX aF, der Wort­laut der beiden Normen und der ihnen zugrun­de lie­gen­den Richt­li­ni­en sowie die Geset­zes­ge­schich­te des § 611a Abs. 2 BGB. Der Achte Senat hat aaO für die Ver­let­zung einer Pflicht zur geschlechts­neu­tra­len Stel­len­aus­schrei­bung durch einen ein­ge­schal­te­ten Drit­ten darauf abge­stellt, dass es nicht um eine Ver­schul­dens­zu­rech­nung (iSv. § 278 Satz 1 2. Alt. BGB) gehe, son­dern um eine Zurech­nung der objek­ti­ven Hand­lungs­bei­trä­ge der für den Arbeit­ge­ber han­deln­den Per­so­nen im vor­ver­trag­li­chen Ver­trau­ens­ver­hält­nis. Sank­tio­niert sei der objek­ti­ve Ver­stoß des Arbeit­ge­bers gegen das Dis­kri­mi­nie­rungs­ver­bot. Auch nach der Senats­recht­spre­chung kommt es für den anspruchs­be­grün­den­den Tat­be­stand des § 81 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB IX aF auf ein Ver­schul­den nicht an. Ledig­lich bei der Bestim­mung der ange­mes­se­nen Höhe der Ent­schä­di­gung ist die Schwe­re des Ver­sto­ßes und damit der Ver­schul­dens­grad zu berück­sich­ti­gen (12. Sep­tem­ber 2006 — 9 AZR 807/05 — Rn. 22, BAGE 119, 262).
34
(5) Diese Grund­sät­ze sind auch im Streit­fall anzu­wen­den, in dem es die vom Beklag­ten ein­ge­setz­ten Per­so­nen unter­lie­ßen, von der Schwer­be­hin­de­rung Kennt­nis zu nehmen, obwohl die Klä­ge­rin im Bewer­bungs­schrei­ben hin­rei­chend deut­lich auf ihre Schwer­be­hin­der­ten­ei­gen­schaft hin­ge­wie­sen hatte. Die unter­las­se­ne Kennt­nis­er­lan­gung ist dem Beklag­ten als objek­ti­ve Pflicht­ver­let­zung zuzu­rech­nen.
35
(a) Jeder Arbeit­ge­ber hat die Erle­di­gung seiner Per­so­nal­an­ge­le­gen­hei­ten so zu orga­ni­sie­ren, dass er die gesetz­li­chen Pflich­ten zur För­de­rung schwer­be­hin­der­ter Bewer­ber erfül­len kann. Die für den Arbeit­ge­ber han­deln­den Per­so­nen sind ver­pflich­tet, das Bewer­bungs­schrei­ben voll­stän­dig zu lesen und zur Kennt­nis zu nehmen. Es kann dahin­ste­hen, ob diese Pflicht aus dem vor­ver­trag­li­chen Ver­trau­ens­ver­hält­nis folgt. Sie beruht jeden­falls auf der gesetz­li­chen Kon­zep­ti­on der För­de­rungs­pflich­ten gegen­über schwer­be­hin­der­ten Bewer­bern, die § 81 Abs. 1 Satz 4 SGB IX aF und — für öffent­li­che Arbeit­ge­ber — § 82 SGB IX begrün­den. Ein ord­nungs­ge­mä­ßer Hin­weis auf eine Schwer­be­hin­de­rung liegt vor, wenn die Mit­tei­lung in einer Weise in den Emp­fangs­be­reich des Arbeit­ge­bers gelangt ist, die es ihm ermög­licht, die Schwer­be­hin­der­ten­ei­gen­schaft des Bewer­bers zur Kennt­nis zu nehmen. Da die Schwer­be­hin­der­ten­ver­tre­tung nach Ein­gang der Bewer­bung eines Schwer­be­hin­der­ten unver­züg­lich zu unter­rich­ten ist (§ 81 Abs. 1 Satz 4 SGB IX aF, § 95 Abs. 2 Satz 1 1. Halbs. SGB IX), kann der Arbeit­ge­ber nicht abwar­ten, bis der Bewer­ber seinen Schwer­be­hin­der­ten­aus­weis oder den Fest­stel­lungs­be­scheid nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX vor­legt.
36
(b) Für eine Über­tra­gung der Erwä­gun­gen des Achten Senats zu geschlechts­be­zo­ge­nen Benach­tei­li­gun­gen (5. Febru­ar 2004 - 8 AZR 112/03 — BAGE 109, 265, zu II 2 b bb (2) der Gründe) auf eine unter­blie­be­ne Kennt­nis­er­lan­gung von der Schwer­be­hin­der­ten­ei­gen­schaft trotz ord­nungs­ge­mä­ßen Hin­wei­ses des Bewer­bers­spre­chen ua. die ähn­li­chen For­mu­lie­run­gen im auf­ge­ho­be­nen § 611a Abs. 1 Satz 1 BGB („nicht wegen seines Geschlechts benach­tei­li­gen“) und in § 81 Abs. 2 Satz 1 SGB IX aF („nicht wegen ihrer Behin­de­rung benach­tei­li­gen“). Die zugrun­de lie­gen­den Richt­li­ni­en ähneln sich im Wort­laut eben­falls. Art. 2 Abs. 1 der Gleich­be­hand­lungs­richt­li­nie 76/207/EWG des Rates vom 9. Febru­ar 1976 zur Ver­wirk­li­chung des Grund­sat­zes der Gleich­be­hand­lung von Män­nern und Frauen hin­sicht­lich des Zugangs zur Beschäf­ti­gung, zur Berufs­bil­dung und zum beruf­li­chen Auf­stieg sowie in Bezug auf die Arbeits­be­din­gun­gen (ABl. EG Nr. L 39 vom 14. Febru­ar 1976 S. 40) in der für den Rechts­streit noch maß­geb­li­chen Fas­sung der Richt­li­nie 2002/73/EG des Euro­päi­schen Par­la­ments und des Rates vom 23. Sep­tem­ber 2002 (ABl. EG Nr. L 269 vom 5. Okto­ber 2002 S. 15) ver­bie­tet eine „Dis­kri­mi­nie­rung auf­grund des Geschlechts“. Art. 1 der Gleich­be­hand­lungs­rah­men­richt­li­nie 2000/78/EG will Dis­kri­mi­nie­run­gen „wegen einer Behin­de­rung“ bekämp­fen.
37
© Die objek­ti­ve Zurech­nung des Unter­las­sens der vom Beklag­ten ein­ge­setz­ten Per­so­nen ist auch mit Blick auf Art. 10 Abs. 1 der Richt­li­nie 2000/78/EG gebo­ten. Danach „ergrei­fen die Mit­glied­staa­ten im Ein­klang mit ihrem natio­na­len Gerichts­we­sen die erfor­der­li­chen Maß­nah­men, um zu gewähr­leis­ten, dass immer dann, wenn Per­so­nen, die sich durch die Nicht­an­wen­dung des Gleich­be­hand­lungs­grund­sat­zes für ver­letzt halten und bei einem Gericht oder einer ande­ren zustän­di­gen Stelle Tat­sa­chen glaub­haft machen, die das Vor­lie­gen einer unmit­tel­ba­ren oder mit­tel­ba­ren Dis­kri­mi­nie­rung ver­mu­ten lassen, es dem Beklag­ten obliegt zu bewei­sen, dass keine Ver­let­zung des Gleich­be­hand­lungs­grund­sat­zes vor­ge­le­gen hat“.
38
(aa) Es liefe der von der Gleich­be­hand­lungs­rah­men­richt­li­nie 2000/78/EG vor­ge­ge­be­nen Beweis­last­ver­tei­lung zuwi­der, wenn in die Ver­mu­tungs­grund­la­ge des § 81 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Satz 3 SGB IX aF die posi­ti­ve Kennt­nis des Arbeit­ge­bers von der Schwer­be­hin­de­rung als Vor­aus­set­zung ein­be­zo­gen würde, obwohl der Bewer­ber die Schwer­be­hin­de­rung im Bewer­bungs­schrei­ben ord­nungs­ge­mäß mit­ge­teilt hat. Besteht der glaub­haf­te Anschein einer Dis­kri­mi­nie­rung, ver­langt die Umset­zung des Gleich­be­hand­lungs­grund­sat­zes, dass die Beweis­last für die unter­blie­be­ne Ver­let­zung des Gleich­be­hand­lungs­grund­sat­zes beim Arbeit­ge­ber liegt (vgl. EuGH 17. Juli 2008 — C‑303/06 — [Cole­man] Rn. 54, NZA 2008, 932).
39
(bb) Mit der Dar­le­gung der bloßen tat­säch­li­chen Unkennt­nis der für ihn han­deln­den Per­so­nen von der Schwer­be­hin­de­rung konnte der Beklag­te den Ein­tritt der Ver­mu­tungs­wir­kung nicht abwen­den. Mit der Angabe der Klä­ge­rin im Bewer­bungs­schrei­ben bestand die objek­ti­ve Mög­lich­keit der Kennt­nis­nah­me. Auf die vor­sorg­lich erho­be­ne Auf­klä­rungs­rü­ge des Beklag­ten zu der Frage der unter­blie­be­nen Kennt­nis­er­lan­gung kommt es des­halb nicht an. Schon der glaub­haf­te Anschein einer Benach­tei­li­gung auf­grund objek­ti­ver Tat­sa­chen genügt, um die Ver­mu­tungs­wir­kung aus­zu­lö­sen. Er ist zu beja­hen, wenn die Schwer­be­hin­de­rung im Bewer­bungs­schrei­ben ord­nungs­ge­mäß mit­ge­teilt wird und dem Arbeit­ge­ber die Kennt­nis­er­lan­gung mög­lich ist, also in seinem Ein­fluss­be­reich liegt. In einem sol­chen Fall muss der Arbeit­ge­ber bewei­sen, dass die Behand­lung des Bewer­bers durch objek­ti­ve Fak­to­ren gerecht­fer­tigt ist, die mit einer Dis­kri­mi­nie­rung wegen einer Behin­de­rung nichts zu tun haben (vgl. EuGH 17. Juli 2008 — C‑303/06 — [Cole­man] Rn. 55, NZA 2008, 932).
40
b) Auch die übri­gen Anfor­de­run­gen der Ver­mu­tungs­grund­la­ge des § 81 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Satz 3 SGB IX aF sind gewahrt. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat sich inner­halb seines tat­rich­ter­li­chen Beur­tei­lungs­spiel­raums gehal­ten, indem es die Wür­di­gung vor­ge­nom­men hat, dass eine Kau­sa­li­tät zwi­schen Behin­der­ten­ei­gen­schaft und Nach­teil hier über­wie­gend wahr­schein­lich ist (zu der nöti­gen Wahr­schein­lich­keit Senat 3. April 2007 — 9 AZR 823/06 — Rn. 36, AP SGB IX § 81 Nr. 14 = EzA SGB IX § 81 Nr. 15; 15. Febru­ar 2005 — 9 AZR 635/03 — BAGE 113, 361, zu B IV 1 b bb (1) und (2) der Gründe).
41
aa) Die Wür­di­gung der Tat­sa­chen­ge­rich­te, dass die von einem Bewer­ber vor­ge­tra­ge­nen oder unstrei­ti­gen Tat­sa­chen eine Benach­tei­li­gung wegen seiner Behin­de­rung ver­mu­ten lassen, ist nur beschränkt revi­si­bel. Die nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO gewon­ne­ne Über­zeu­gung von einer über­wie­gen­den Wahr­schein­lich­keit für die Kau­sa­li­tät zwi­schen einer Behin­de­rung und einem Nach­teil kann revi­si­ons­recht­lich nur darauf über­prüft werden, ob sie mög­lich und in sich wider­spruchs­frei ist und nicht gegen Denk­ge­set­ze, Erfah­rungs­sät­ze oder andere Rechts­sät­ze ver­stößt (vgl. zu geschlechts­be­zo­ge­nen Benach­tei­li­gun­gen zB BAG 24. April 2008 — 8 AZR 257/07 — Rn. 27 f., EzA-SD 2008 Nr. 22 S. 4).
42
bb) Diesem ein­ge­schränk­ten Prü­fungs­maß­stab hält die ange­foch­te­ne Ent­schei­dung stand. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat bei der Sub­sum­ti­on des fest­ge­stell­ten Sach­ver­halts alle wesent­li­chen Umstän­de wider­spruchs­frei berück­sich­tigt. Die beiden von ihm als Hilfs­tat­sa­chen her­an­ge­zo­ge­nen Ver­stö­ße gegen § 82 Satz 2 SGB IX und § 81 Abs. 1 Satz 4 und 6 SGB IX aF, § 95 Abs. 2 Satz 1 1. Halbs. SGB IX tragen die von ihm ange­nom­me­ne Ver­mu­tungs­wir­kung nach § 81 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Satz 3 SGB IX aF (zu der gebo­te­nen indi­zi­el­len Wür­di­gung Senat 12. Sep­tem­ber 2006 — 9 AZR 807/05 — Rn. 19, BAGE 119, 262; vgl. im Rahmen der Prü­fung einer geschlechts­be­zo­ge­nen Benach­tei­li­gung auch BAG 24. April 2008 — 8 AZR 257/07 — Rn. 25 und 35, EzA-SD 2008 Nr. 22 S. 4).
43
(1) Das trifft zunächst auf die erste Hilfs­tat­sa­che zu. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat ange­nom­men, es lasse eine Benach­tei­li­gung der Klä­ge­rin ver­mu­ten, dass der beklag­te Frei­staat die schwer­be­hin­der­te Klä­ge­rin ent­ge­gen § 82 Satz 2 SGB IX nicht zu einem Vor­stel­lungs­ge­spräch ein­ge­la­den habe.
44
(a) Der öffent­li­che Arbeit­ge­ber hat den sich bewer­ben­den schwer­be­hin­der­ten Men­schen nach § 82 Satz 2 SGB IX zu einem Vor­stel­lungs­ge­spräch ein­zu­la­den. Diese Pflicht besteht gemäß § 82 Satz 3 SGB IX nur dann nicht, wenn dem schwer­be­hin­der­ten Men­schen die fach­li­che Eig­nung offen­sicht­lich fehlt. Ein schwer­be­hin­der­ter Bewer­ber muss bei einem öffent­li­chen Arbeit­ge­ber die Chance eines Vor­stel­lungs­ge­sprächs bekom­men, wenn seine fach­li­che Eig­nung zwei­fel­haft, aber nicht offen­sicht­lich aus­ge­schlos­sen ist. Selbst wenn sich der öffent­li­che Arbeit­ge­ber auf­grund der Bewer­bungs­un­ter­la­gen schon die Mei­nung gebil­det hat, ein oder meh­re­re andere Bewer­ber seien so gut geeig­net, dass der schwer­be­hin­der­te Bewer­ber nicht mehr in die nähere Aus­wahl komme, muss er den schwer­be­hin­der­ten Bewer­ber nach dem Geset­zes­ziel ein­la­den. Der schwer­be­hin­der­te Bewer­ber soll den Arbeit­ge­ber im Vor­stel­lungs­ge­spräch von seiner Eig­nung über­zeu­gen können. Wird ihm diese Mög­lich­keit genom­men, liegt darin eine weni­ger güns­ti­ge Behand­lung, als sie das Gesetz zur Her­stel­lung glei­cher Bewer­bungs­chan­cen gegen­über ande­ren Bewer­bern für erfor­der­lich hält. Der Aus­schluss aus dem wei­te­ren Bewer­bungs­ver­fah­ren ist eine Benach­tei­li­gung, die in einem ursäch­li­chen Zusam­men­hang mit der Behin­de­rung steht (vgl. Senat 12. Sep­tem­ber 2006 — 9 AZR 807/05 — Rn. 24, BAGE 119, 262) .
45
(b) Die Wür­di­gung des Lan­des­ar­beits­ge­richts, wonach der Klä­ge­rin für die aus­ge­schrie­be­ne Stelle nicht offen­sicht­lich die fach­li­che Eig­nung iSv. § 82 Satz 3 SGB IX fehlte, ist revi­si­ons­recht­lich nicht zu bean­stan­den. Ob ein Bewer­ber offen­sicht­lich nicht die not­wen­di­ge fach­li­che Eig­nung hat, ist ua. anhand der Aus­bil­dungs- oder Prü­fungs­vor­aus­set­zun­gen für die zu beset­zen­de Stelle zu beur­tei­len (Senat 12. Sep­tem­ber 2006 — 9 AZR 807/05 — Rn. 25, BAGE 119, 262) .
46
(aa) Nach der Stel­len­aus­schrei­bung ver­lang­te der Beklag­te eine „abge­schlos­se­ne Aus­bil­dung als Ver­wal­tungs­fach­an­ge­stell­te“ oder eine „abge­schlos­se­ne Aus­bil­dung in einem ein­schlä­gi­gen Beruf“. Die Alter­na­ti­ve einer ein­schlä­gi­gen Berufs­aus­bil­dung erfüllt die Klä­ge­rin. Sie ist Wirt­schafts­kauf­frau und ver­fügt damit über eine abge­schlos­se­ne Berufs­aus­bil­dung. Nach den unan­ge­grif­fe­nen Fest­stel­lun­gen des Lan­des­ar­beits­ge­richts hat der Beklag­te keine Anhalts­punk­te genannt, die darauf schlie­ßen lassen, dass es sich bei dem Abschluss einer Wirt­schafts­kauf­frau nicht um eine „ein­schlä­gi­ge“ Berufs­aus­bil­dung han­delt.
47
(bb) Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat sich auch in seinem Beur­tei­lungs­spiel­raum gehal­ten, soweit es die Argu­men­te des Beklag­ten für eine offen­sicht­lich feh­len­de Eig­nung der Klä­ge­rin hin­sicht­lich ein­zel­ner in der Stel­len­aus­schrei­bung genann­ter Auf­ga­ben­ge­bie­te und der Anwen­dung des Buchungs­sys­tems SaxMBS für nicht trag­fä­hig gehal­ten hat.
48
(aaa) Ob ein Bewer­ber offen­sicht­lich nicht geeig­net ist, beur­teilt sich nach den gefor­der­ten Qua­li­fi­ka­ti­ons­vor­aus­set­zun­gen und den ein­zel­nen Auf­ga­ben­ge­bie­ten der aus­ge­schrie­be­nen Stelle. Gemäß Art. 33 Abs. 2 GG hat jeder Deut­sche nach seiner Eig­nung, Befä­hi­gung und fach­li­chen Leis­tung glei­chen Zugang zu jedem öffent­li­chen Amt. Durch die Bestim­mung des Anfor­de­rungs­pro­fils für einen Dienst­pos­ten legt der Dienst­herr die Kri­te­ri­en für die Aus­wahl der Bewer­ber fest. Seine Aus­wahl­ent­schei­dung ist nach Art. 33 Abs. 2 GG gericht­lich zu über­prü­fen. Ihm kommt ein Beur­tei­lungs­spiel­raum zu, der nur ein­ge­schränk­ter gericht­li­cher Über­prü­fung unter­liegt (vgl. Senat 12. Sep­tem­ber 2006 — 9 AZR 807/05 — Rn. 32 f., BAGE 119, 262) .
49
(bbb) Mit dem Hin­weis auf eine bestimm­te beruf­li­che Qua­li­fi­ka­ti­on ver­bin­det sich idR die Erwar­tung, dass die in der Stel­len­be­schrei­bung genann­ten Auf­ga­ben­stel­lun­gen auf der Grund­la­ge der beruf­li­chen Qua­li­fi­ka­ti­on bewäl­tigt werden können. Das gilt grund­sätz­lich auch für Auf­ga­ben­ge­bie­te, in denen der Bewer­ber noch keine Erfah­rung gesam­melt hat. Fol­ge­rich­tig hat der Beklag­te selbst nicht vor­ge­bracht, dass die am 1. August 2005 ein­ge­stell­te Mit­be­wer­be­rin der Klä­ge­rin bereits vor ihrer Ein­stel­lung alle in der Stel­len­aus­schrei­bung genann­ten Tätig­kei­ten aus­ge­übt hatte.
50
(ccc) Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat im Rahmen der Frage der offen­sicht­lich feh­len­den Eig­nung zu Recht gewür­digt, dass der Beklag­te den Vor­trag der Klä­ge­rin, sie ver­fü­ge über Kennt­nis­se und Fähig­kei­ten im Hin­blick auf das Buchungs­sys­tem SaxMBS, im Pro­zess­ver­lauf nicht länger bestrit­ten hat. Hinzu kommt, dass die Stel­len­aus­schrei­bung Kennt­nis­se dieses Buchungs­sys­tems nicht ver­lang­te.
51
(2) Das Beru­fungs­ge­richt hat sich in der für die Ver­mu­tung des § 81 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Satz 3 SGB IX aF nöti­gen Gesamt­schau ferner in nicht zu bean­stan­den­der Weise darauf gestützt, dass die Schwer­be­hin­der­ten­ver­tre­tung bei der Bewer­bung der Klä­ge­rin ent­ge­gen § 81 Abs. 1 Satz 4 und 6 SGB IX aF, § 95 Abs. 2 Satz 1 1. Halbs. SGB IX nicht betei­ligt wurde.
52
(a) Der Beklag­te unter­rich­te­te die Schwer­be­hin­der­ten­ver­tre­tung mit Schrei­ben vom 28. Juli 2005 unzu­tref­fend dar­über, dass keine Bewer­bung eines schwer­be­hin­der­ten Men­schen ein­ge­gan­gen sei (zum Geset­zes­zweck der Unter­rich­tungs­pflicht näher Senat 15. Febru­ar 2005 — 9 AZR 635/03 — BAGE 113, 361, zu B IV 1 b bb (2) der Gründe) .
53
(b) Der Beklag­te infor­mier­te die Schwer­be­hin­der­ten­ver­tre­tung auch hin­sicht­lich der drei Bewer­ber, die schwer­be­hin­der­ten Men­schen nach § 2 Abs. 3 SGB IX gleich­ge­stellt waren, nicht unver­züg­lich über den Ein­gang ihrer Bewer­bun­gen (§ 81 Abs. 1 Satz 4 SGB IX aF). Die Schwer­be­hin­der­ten­ver­tre­tung wurde erst mit Schrei­ben vom 28. Juli 2005 oder tele­fo­nisch am 26. Juli 2005 über die Bewer­bun­gen der gleich­ge­stell­ten Per­so­nen infor­miert. Zu beiden Zeit­punk­ten war das Aus­wahl­ver­fah­ren schon abge­schlos­sen. Der Beklag­te hatte sich für eine Bewer­be­rin ent­schie­den.
54
c) Die Wür­di­gung des Lan­des­ar­beits­ge­richts, der Beklag­te habe keine aus­rei­chen­den Anhalts­punk­te für nicht auf die Behin­de­rung bezo­ge­ne, sach­li­che Gründe, die eine unter­schied­li­che Behand­lung der Klä­ge­rin gerecht­fer­tigt hätten (§ 81 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Satz 3 SGB IX aF), vor­ge­tra­gen, ist revi­si­ons­recht­lich nicht zu bean­stan­den. Sie hält sich in dem Beur­tei­lungs­spiel­raum, der dem Beru­fungs­ge­richt ein­ge­räumt ist.
55
aa) Ent­ge­gen der Ansicht der Revi­si­on war das Lan­des­ar­beits­ge­richt nicht gehal­ten anzu­neh­men, das im Zeit­punkt der Bewer­bung der Klä­ge­rin bestehen­de unge­kün­dig­te und unbe­fris­te­te Arbeits­ver­hält­nis sei ein Indiz für eine nicht ernst­haf­te Bewer­bung.
56
(1) Die Klä­ge­rin hat mit ihrer Bewer­bung von ihrem Recht, den Arbeits­platz frei zu wählen (Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG), Gebrauch gemacht.
57
(2) Das bloße Bestehen eines Arbeits­ver­hält­nis­ses recht­fer­tigt noch nicht die Annah­me, der Bewer­ber sei nicht ernst­haft inter­es­siert. Von einem sol­chen Aus­nah­me­fall ist nur aus­zu­ge­hen, wenn von vorn­her­ein der Wille fehlt, die aus­ge­schrie­be­ne Stelle tat­säch­lich ein­zu­neh­men, also in Wirk­lich­keit nur eine Ent­schä­di­gung ange­strebt wird (vgl. BAG 12. Novem­ber 1998 — 8 AZR 365/97 — BAGE 90, 170, zu B III 1 und 2 der Gründe). Ob der Arbeit­ge­ber das der Bewer­bung zugrun­de lie­gen­de Motiv nach­voll­zie­hen kann, ist dem­ge­gen­über uner­heb­lich.
58
(3) Gegen die Annah­me einer nicht ernst­haf­ten Bewer­bung spricht hier im Übri­gen, dass sich die Klä­ge­rin auf eine Kon­flikt­si­tua­ti­on in ihrem bis­he­ri­gen Arbeits­ver­hält­nis und auf anhän­gi­ge Rechts­strei­tig­kei­ten beru­fen hat.
59
bb) Der von der Klä­ge­rin besuch­te Lehr­gang der Ver­wal­tungs- und Wirt­schafts-Aka­de­mie Dres­den recht­fer­tigt ihre Benach­tei­li­gung vor allem ange­sichts der unter­blie­be­nen Ein­la­dung zum Vor­stel­lungs­ge­spräch nicht. Inwie­weit sich der Lehr­gang mit der ange­streb­ten Tätig­keit hätte ver­ein­ba­ren lassen, wäre in dem durch­zu­füh­ren­den Vor­stel­lungs­ge­spräch zu klären gewe­sen.
60
3. Der ent­stan­de­ne Ent­schä­di­gungs­an­spruch der Klä­ge­rin ist nicht unter­ge­gan­gen. Der Anspruch wurde inner­halb der gesetz­li­chen Aus­schluss­frist des § 81 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 SGB IX aF schrift­lich gegen­über dem Beklag­ten gel­tend gemacht. Das Ableh­nungs­schrei­ben des dama­li­gen Ver­wal­tungs­lei­ters der Säch­si­schen Aka­de­mie für Leh­rer­fort­bil­dung vom 28. Juli 2005 ging der Klä­ge­rin am 30. Juli 2005 zu. Das Schrei­ben ihres Pro­zess­be­voll­mäch­tig­ten vom 23. Sep­tem­ber 2005 ging dem Beklag­ten nach den Fest­stel­lun­gen des Arbeits­ge­richts, auf die das Lan­des­ar­beits­ge­richt ver­wie­sen hat, am 25. Sep­tem­ber 2005 zu.
61
a) Die Klä­ge­rin konnte den Ent­schä­di­gungs­an­spruch auch frist­wah­rend gegen­über der Aka­de­mie erhe­ben. Deren frü­he­rer Ver­wal­tungs­lei­ter hatte die Bewer­bung der Klä­ge­rin abge­lehnt. Die Gel­tend­ma­chung gegen­über der ableh­nen­den Behör­de genügt. Der beklag­te Frei­staat muss sich das Han­deln seiner zustän­di­gen Behör­de zurech­nen lassen (vgl. Senat 3. April 2007 — 9 AZR 823/06 — Rn. 31, AP SGB IX § 81 Nr. 14 = EzA SGB IX § 81 Nr. 15) .
62
b) Unschäd­lich ist ferner, dass der Ent­schä­di­gungs­an­spruch im Schrei­ben vom 23. Sep­tem­ber 2005 nicht bezif­fert wurde. Nach § 81 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 SGB IX aF ist „ein Anspruch auf Ent­schä­di­gung“ gel­tend zu machen. Der unbe­stimm­te Arti­kel zeigt, dass der Anspruch­stel­ler gegen­über dem Anspruchs­geg­ner ledig­lich ver­deut­li­chen muss, für die erlit­te­ne Benach­tei­li­gung eine Ent­schä­di­gung zu ver­lan­gen (Senat 3. April 2007 — 9 AZR 823/06 — Rn. 31, AP SGB IX § 81 Nr. 14 = EzA SGB IX § 81 Nr. 15; 12. Sep­tem­ber 2006 — 9 AZR 807/05 — Rn. 16, BAGE 119, 262; 15. Febru­ar 2005 — 9 AZR 635/03 — BAGE 113, 361, zu B III der Gründe) .
63
4. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat mit einem Brut­to­mo­nats­ge­halt von 2.037,92 Euro eine ange­mes­se­ne Ent­schä­di­gung iSv. § 81 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 1. Halbs. SGB IX aF unter­halb der hier zu beach­ten­den Höchst­gren­ze des Drei­mo­nats­ver­diens­tes nach § 81 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 Satz 1 SGB IX aF fest­ge­setzt. Zwi­schen den Par­tei­en ist nach den Fest­stel­lun­gen des Lan­des­ar­beits­ge­richts unstrei­tig, dass die Klä­ge­rin auch bei benach­tei­li­gungs­frei­er Aus­wahl nicht ein­ge­stellt worden wäre. Das Beru­fungs­ge­richt hat alle maß­geb­li­chen Gesichts­punk­te beach­tet. Es hat zuguns­ten des Beklag­ten gewür­digt, dass die für den Beklag­ten han­deln­den Per­so­nen die Schwer­be­hin­de­rung nicht vor­sätz­lich, son­dern nur fahr­läs­sig nicht zur Kennt­nis nahmen. Außer­dem hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt die exis­tenz­si­chern­de Funk­ti­on des bestehen­den Arbeits­ver­hält­nis­ses und die Befris­tung der aus­ge­schrie­be­nen Stelle berück­sich­tigt. Damit hat es Art und Schwe­re der Ver­stö­ße des Beklag­ten sowie die Bedeu­tung der Sache für die schwer­be­hin­der­te Klä­ge­rin zutref­fend gewür­digt (zu den Kri­te­ri­en der Ent­schä­di­gungs­hö­he Senat 12. Sep­tem­ber 2006 — 9 AZR 807/05 — Rn. 47, BAGE 119, 262).
64
5. Die Klä­ge­rin hat seit 4. Febru­ar 2006 Anspruch auf Pro­zess­zin­sen in gesetz­li­cher Höhe (§§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2, § 187 Abs. 1 BGB). Der Beklag­te hat in der Revi­si­ons­ver­hand­lung auf den Angriff gegen die Ver­ur­tei­lung zur Ver­zin­sung für den 3. Febru­ar 2006 ver­zich­tet. Wegen des Teil­ver­zichts war das Beru­fungs­ur­teil auch inso­weit nicht auf­zu­he­ben (zur Ver­zin­sungs­pflicht erst ab dem Fol­ge­tag der Rechts­hän­gig­keit BAG 25. April 2007 — 10 AZR 586/06 — Rn. 14; 30. Okto­ber 2001 — 1 AZR 65/01 — BAGE 99, 266, zu II der Gründe; 15. Novem­ber 2000 — 5 AZR 365/99 — BAGE 96, 228, zu III der Gründe).
65
B. Der Beklag­te hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolg­lo­sen Revi­si­on zu tragen.
    Düwell
    Krass­hö­fer
    Gall­ner
    Kran­zu­sch
    D. Wege