Tat­be­stand

Der Kläger wendet sich mit seiner Beru­fung gegen das Urteil des Ver­wal­tungs­ge­richts, mit dem es seine Klage abge­wie­sen hat, die darauf gerich­tet gewe­sen ist, die Beklag­te unter Auf­he­bung ihres Beschei­des vom 11. Febru­ar 2008 zu ver­pflich­ten, ihn in das Beam­ten­ver­hält­nis auf Probe als Stu­di­en­rat (Besol­dungs­grup­pe A 13 BBesO) ein­zu­stel­len und ihn im Wege des Scha­dens­er­sat­zes besol­dungs- und ver­sor­gungs­recht­lich so zu stel­len, wie er stünde, wenn er zum 1. März 2008, hilfs­wei­se zum 1. August 2008, weiter hilfs­wei­se zu einem spä­te­ren Zeit­punkt in das Beam­ten­ver­hält­nis ein­ge­stellt worden wäre.

Der am …. F. 19… gebo­re­ne Kläger absol­vier­te nach Bestehen der Ersten Staats­prü­fung für das Lehr­amt an Berufs­bil­den­den Schu­len und seiner Pro­mo­ti­on im Fach­be­reich Sport­wis­sen­schaf­ten erfolg­reich den Vor­be­rei­tungs­dienst des Landes Nie­der­sach­sen für das Lehr­amt an Berufs­bil­den­den Schu­len. Die Zweite Staats­prü­fung für das Lehr­amt an Berufs­bil­den­den Schu­len bestand er am 5. Okto­ber 2006 mit der Note “gut (2,1)”. Bereits am 30. Januar 2006 bewarb er sich bei der Beklag­ten um die Ein­stel­lung in den nie­der­säch­si­schen Schul­dienst.

Im Rahmen der amts­ärzt­li­chen Unter­su­chung des Klä­gers stell­te der Amts­arzt Dr. G. in seinem amts­ärzt­li­chen Zeug­nis vom 31. Okto­ber 2006 fest, dass der Kläger nach dem jet­zi­gen Befund in gesund­heit­li­cher Hin­sicht für die Ein­stel­lung als Ange­stell­ter taug­lich sei. Gegen eine Ver­be­am­tung auf Lebens­zeit müss­ten jedoch aus amts­ärzt­li­cher Sicht gegen­wär­tig Beden­ken geäu­ßert werden. Auf­grund einer chro­ni­schen neu­ro­lo­gi­schen Erkran­kung (Mul­ti­ple Skle­ro­se) und ortho­pä­di­scher Beschwer­den (Gleit­wir­bel, Band­schei­ben­pro­tus­io­nen) bestün­den Hin­wei­se darauf, dass eine vor­zei­ti­ge Ver­set­zung in den Ruhe­stand wegen Dienst­un­fä­hig­keit ein­tre­ten könne. Aktu­ell sei der Kläger voll arbeits­fä­hig.

Nach Durch­füh­rung eines posi­tiv ver­lau­fe­nen Ein­stel­lungs­ge­sprächs teilte die Beklag­te mit Schrei­ben vom 31. Okto­ber 2006 mit, dass der Kläger mit Wir­kung vom 1. Novem­ber 2006 als Lehr­kraft im Ange­stell­ten­ver­hält­nis ein­ge­stellt werde. Der Kläger bean­trag­te mit Schrei­ben vom 5. März 2007 eine Über­prü­fung des amts­ärzt­li­chen Zeug­nis­ses mit dem Ziel, als Beam­ter ein­ge­stellt zu werden, und legte zwei Stel­lung­nah­men des Fach­arz­tes für Neu­ro­lo­gie und Psych­ia­trie Dr. med. H. vom 30. Sep­tem­ber 2006 und 19. Febru­ar 2007 sowie eine Stel­lung­nah­me des Fach­arz­tes für Innere Medi­zin Dr. med. I. vom 2. März 2007 vor. Dr. H. stell­te fest, dass der Kläger seit Dezem­ber 2005 völlig beschwer­de- und sym­ptom­frei sei. Auf­grund des bis­he­ri­gen Ver­laufs der Erkran­kung an Mul­ti­pler Skle­ro­se sei von einer güns­ti­gen Ver­laufs­form aus­zu­ge­hen, sodass ange­sichts der völlig regel­rech­ten Befun­de und der Sym­ptom­frei­heit nicht mit einem Maß an Wahr­schein­lich­keit von dem Ein­tritt vor­zei­ti­ger Dienst­un­fä­hig­keit aus­zu­ge­hen und eine The­ra­pie aktu­ell nicht erfor­der­lich sei. Dr. I. führte aus, dass die Unter­su­chun­gen bezüg­lich Herz und Abdo­men einen voll­kom­men unauf­fäl­li­gen inter­nis­ti­schen Befund erge­ben hätten. Der Kläger legte des Wei­te­ren einen Bericht von Dr. J. vom 14. März 2007 vor (Bei­ak­te A, Bl. 115), nach dessen Beur­tei­lung der Band­schei­ben­vor­fall aus dem Jahre 2004 voll­stän­dig aus­ge­heilt und der Kläger für alle sport­li­chen Akti­vi­tä­ten belast­bar sei; hin­sicht­lich des Rückens seien keine Ein­schrän­kun­gen für die Zukunft zu erwar­ten.

Der Amts­arzt Dr. G. gab zur Frage der Ver­be­am­tung des Klä­gers unter Berück­sich­ti­gung der vor­ge­leg­ten ärzt­li­chen Stel­lung­nah­men mit Schrei­ben vom 15. August 2007 erneut Aus­kunft. Er hielt darin seine Dia­gno­se eines Gleit­wir­bels nicht mehr auf­recht, führte jedoch an, dass im Jahre 2004 ein kräf­ti­ger Band­schei­ben­vor­fall vor­ge­le­gen habe, auf­grund dessen ein deut­lich höhe­res Risiko bestehe, Rücken­schmer­zen, Gefühls­stö­run­gen oder sogar teil­wei­se Läh­mungs­er­schei­nun­gen zu bekom­men als jemand ohne diesen Vor­fall, was beson­ders im Sport­un­ter­richt eine nach­hal­ti­ge Beein­träch­ti­gung bedeu­ten würde. Die Erkran­kung an Mul­ti­pler Skle­ro­se bedeu­te auch bei Sym­ptom­frei­heit nach dem ersten Schub und bei Annah­me eines güns­ti­gen Ver­laufs per se ein erheb­li­ches Risiko in Bezug auf die lang­fris­ti­ge Dienst­fä­hig­keit eines Beam­ten. Es sei mög­lich, dass der Kläger auf­grund seiner Erkran­kun­gen einen Grad der Behin­de­rung (GdB) von 30 aner­kannt bekom­me, mit dem er sich dann Schwer­be­hin­der­ten gleich­stel­len lassen könne. Dann würden für ihn spe­zi­el­le Rege­lun­gen im Hin­blick auf eine Ver­be­am­tung auf Lebens­zeit — vor­aus­sicht­li­che Dienst­fä­hig­keit noch min­des­tens fünf Jahre — gelten, wobei er nach der­zei­ti­ger Befund­la­ge keine Pro­ble­me sehen würde. Er schla­ge daher vor, dem Kläger zu emp­feh­len, einen Antrag auf Aner­ken­nung als Schwer­be­hin­der­ter zu stel­len, sofern er einen GdB von 30 errei­che, und sich dann erneut zur Ver­be­am­tung auf Lebens­zeit amts­ärzt­lich begut­ach­ten zu lassen.

Auf der Grund­la­ge dieser amts­ärzt­li­chen Fest­stel­lun­gen teilte die Beklag­te mit Schrei­ben vom 11. Sep­tem­ber 2007 dem Kläger neben dem Vor­schlag des Amts­arz­tes mit, dass eine Über­nah­me in das Beam­ten­ver­hält­nis nicht mög­lich sei. Mit anwalt­li­chem Schrei­ben vom 21. Novem­ber 2007 wie­der­hol­te der Kläger seinen Antrag auf Ein­stel­lung in das Beam­ten­ver­hält­nis auf Probe und machte gleich­zei­tig Scha­dens­er­satz­an­sprü­che gemäß § 15 AGG bezie­hungs­wei­se § 839 BGB gel­tend. Diesen Antrag lehnte die Beklag­te mit Bescheid vom 11. Febru­ar 2008 ab. Eine Ein­stel­lung als Beam­ter komme man­gels gesund­heit­li­cher Eig­nung nicht in Betracht. Ein Anspruch auf Scha­dens­er­satz nach § 15 AGG bestehe nicht, da die Erkran­kung des Klä­gers eine Behin­de­rung im Sinne von §§ 1 und 2 AGG nicht dar­stel­le und zudem die zwei­mo­na­ti­ge Antrags­frist des § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG ver­säumt sei, die bereits mit dem Schrei­ben vom 1. Novem­ber 2006 zu laufen begon­nen habe.

Am 10. März 2008 hat der Kläger Klage erho­ben. Zur ihrer Begrün­dung hat er im Wesent­li­chen aus­ge­führt, dass der all­ge­mei­ne Begriff der Eig­nung in gesund­heit­li­cher Hin­sicht für die Über­nah­me in das Beam­ten­ver­hält­nis mit den Vor­ga­ben der Richt­li­nie 2000/78/EG des Rates zur Fest­le­gung eines all­ge­mei­nen Rah­mens für die Ver­wirk­li­chung der Gleich­be­hand­lung in Beschäf­ti­gung und Beruf vom 27. Novem­ber 2000 (ABl. L 303 S. 16 — nach­fol­gen­de Richt­li­nie 2000/78/EG) und den Vor­ga­ben des AGG nicht ver­ein­bar sei. Die Anwen­dung des all­ge­mei­nen Eig­nungs­be­griffs stelle eine euro­pa­rechts­wid­ri­ge Dis­kri­mi­nie­rung wegen einer Behin­de­rung dar. Er sei als behin­dert im Sinne der Richt­li­nie und des AGG anzu­se­hen. Der Begriff der Behin­de­rung im Sinne von § 1 AGG ent­spre­che dem­je­ni­gen des § 2 Abs. 1 Satz 2 SGB IX. Im Fest­stel­lungs­be­scheid des Nie­der­säch­si­schen Lan­des­am­tes für Sozia­les, Jugend und Fami­lie vom 15. Mai 2009 (GA, Bl. 40 ff.) sei ab dem 4. Juni 2008 ein Grad der Behin­de­rung von 30 fest­ge­stellt worden. Die Ver­wei­ge­rung der Über­nah­me in das Beam­ten­ver­hält­nis stelle eine unmit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­rung dar, weil er wegen seiner gesund­heit­li­chen Beein­träch­ti­gun­gen nicht in das Beam­ten­ver­hält­nis ein­ge­stellt werde. Er gehöre zu der Gruppe behin­der­ter Men­schen, deren Behin­de­rung nicht den Grad der Schwer­be­hin­de­rung errei­che. Dieser Gruppe werde grund­sätz­lich eine Über­nah­me in das Beam­ten­ver­hält­nis durch die Anwen­dung des all­ge­mei­nen Eig­nungs­be­griffs in gesund­heit­li­cher Hin­sicht ver­wehrt. Recht­fer­ti­gungs­grün­de für eine solche Ungleich­be­hand­lung gebe es nicht. Eine Recht­fer­ti­gung der Dis­kri­mi­nie­rung nach § 8 AGG schei­de aus, da er trotz seiner Behin­de­rung als Lehrer ohne Ein­schrän­kun­gen arbei­ten könne. Ein Fest­hal­ten an dem all­ge­mei­nen Eig­nungs­be­griff sei auch nicht durch die Bestim­mung des § 24 AGG gebo­ten, wonach die Beam­ten in den Schutz­be­reich des AGG “unter Berück­sich­ti­gung ihrer beson­de­ren Rechts­stel­lung” ein­be­zo­gen würden. Aus dem Ver­stoß gegen das Dis­kri­mi­nie­rungs­ver­bot resul­tie­re ein Ein­stel­lungs­an­spruch, der sich aus Art. 33 Abs. 2 GG ergebe. Auch Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG ver­bie­te eine Dis­kri­mi­nie­rung wegen einer Behin­de­rung. Er sei allein wegen feh­len­der gesund­heit­li­cher Eig­nung nicht in das Beam­ten­ver­hält­nis über­nom­men worden. Die Nicht­ein­stel­lung ver­let­ze das Benach­tei­li­gungs­ver­bot, sodass ein Scha­dens­er­satz­an­spruch nach § 15 AGG gege­ben sei.

Der Kläger hat bean­tragt,

den Bescheid der Beklag­ten vom 11. Febru­ar 2008 auf­zu­he­ben und die Beklag­te zu ver­pflich­ten, ihn in das Beam­ten­ver­hält­nis auf Probe als Stu­di­en­as­ses­sor (Besol­dungs­grup­pe A 13 BBesO) ein­zu­stel­len

sowie die Beklag­te zu ver­pflich­ten, ihn im Wege des Scha­dens­er­sat­zes besol­dungs- und ver­sor­gungs­recht­lich so zu stel­len, wie er stünde, wenn er zum 1. März 2008, hilfs­wei­se zum 1. August 2008, weiter hilfs­wei­se zu einem spä­te­ren Zeit­punkt in das Beam­ten­ver­hält­nis ein­ge­stellt worden wäre.

Die Beklag­te hat bean­tragt,

die Klage abzu­wei­sen.

Sie hat den ange­foch­te­nen Bescheid ver­tei­digt. Sie ver­tritt die Auf­fas­sung, bei nicht schwer­be­hin­der­ten Bewer­bern sei der all­ge­mei­ne Eig­nungs­be­griff bei der Beur­tei­lung der gesund­heit­li­chen Eig­nung zugrun­de zu legen. Diese sei nicht gege­ben. Eine Aner­ken­nung als Schwer­be­hin­der­ter im Sinne von § 2 Abs. 2 SGB IX oder als Gleich­ge­stell­ter nach § 2 Abs. 3 SGB IX liege nicht vor. Art. 33 Abs. 2 und Abs. 5 GG ließen eine Dif­fe­ren­zie­rung auch nach der gesund­heit­li­chen Eig­nung zu. Mit dem Lebens­zeit­prin­zip und dem Ali­men­ta­ti­ons­prin­zip als her­ge­brach­ten Grund­sät­zen des Berufs­be­am­ten­tums sei es unver­ein­bar, wenn ein Beam­ter ein­ge­stellt würde, der wegen abseh­ba­rer Risi­ken nach nur einer kurzen Dienst­aus­übung dau­ernd dienst­un­fä­hig werde. Die Dauer des akti­ven Diens­tes müsse in ange­mes­se­nem Ver­hält­nis zu den später zu leis­ten­den Ver­sor­gungs­be­zü­gen stehen. Daher sei eine Benach­tei­li­gung Behin­der­ter zuläs­sig, weil zwin­gen­de Gründe hier­für vor­lä­gen. Bei der mit gesund­heit­li­chen Grün­den begrün­de­ten Ableh­nung der Ein­stel­lung han­de­le es sich nur um eine mit­tel­ba­re Benach­tei­li­gung, die wegen der Aus­ge­stal­tung des Beam­ten­ver­hält­nis­ses als grund­sätz­lich auf Lebens­zeit ange­leg­tes Dienst- und Treue­ver­hält­nis im Sinne von §§ 24 und 8 Abs. 1, 2. Alt. AGG gerecht­fer­tigt sei. Ein ohne­hin ver­fris­te­ter Scha­dens­er­satz­an­spruch nach § 15 AGG sei aus diesem Grunde nicht anzu­er­ken­nen.

Mit Urteil vom 27. Mai 2009 hat das Ver­wal­tungs­ge­richt die Klage abge­wie­sen. Es hat einen Anspruch auf Ein­stel­lung in das Beam­ten­ver­hält­nis auf Probe nach Art. 33 Abs. 2 GG, § 9 BeamtStG abge­lehnt, da eine Modi­fi­zie­rung des Eig­nungs­be­griffs in gesund­heit­li­cher Hin­sicht im vor­lie­gen­den Fall wegen des Lebens­zeit­prin­zips und des Ali­men­ta­ti­ons­prin­zips nicht in Betracht komme und der Kläger die Anfor­de­run­gen des all­ge­mei­nen gesund­heit­li­chen Eig­nungs­be­griffs nicht erfül­le. Für den Behin­der­ten, aber nicht schwer­be­hin­der­ten Kläger gelte der her­ab­ge­setz­te Pro­gno­se­maß­stab bei der Beur­tei­lung seiner Eig­nung in gesund­heit­li­cher Hin­sicht nicht. Die in Nie­der­sach­sen gel­ten­de Schwer­be­hin­der­ten­richt­li­nie finde keine Anwen­dung, wobei der Sach­ge­rech­tig­keit der Pri­vi­le­gie­rung von Schwer­be­hin­der­ten gegen­über den Behin­der­ten in diesem Ver­fah­ren nicht nach­zu­ge­hen sei. Die Ableh­nung der Ein­stel­lung stelle zwar eine mit­tel­ba­re Benach­tei­li­gung im Sinne von § 3 Abs. 2 i. V. m. § 7 AGG dar, denn die Anfor­de­run­gen an die gesund­heit­li­che Eig­nung knüpf­ten nicht unmit­tel­bar an die Behin­de­rung an. Die Benach­tei­li­gung sei aber wegen der Beson­der­hei­ten des Beam­ten­ver­hält­nis­ses sach­lich gerecht­fer­tigt. Ange­sichts dessen könne der Kläger sich auch nicht mit Erfolg auf die Richt­li­nie 2000/78/EG beru­fen, die zudem durch das AGG umge­setzt sei. Man­gels Ver­sto­ßes gegen das AGG sei ein Scha­dens­er­satz­an­spruch nicht gege­ben.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger die von dem Ver­wal­tungs­ge­richt zuge­las­se­ne Beru­fung ein­ge­legt, mit der er sein Kla­ge­be­geh­ren weiter ver­folgt. Seine Beschäf­ti­gung im Ange­stell­ten­ver­hält­nis — so der Kläger zur Begrün­dung seiner Beru­fung — stelle gegen­über der erstreb­ten Beschäf­ti­gung im Beam­ten­ver­hält­nis eine Benach­tei­li­gung wegen seiner Behin­de­rung dar. Es han­de­le sich um eine unmit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­rung im Sinne von § 3 Abs. 1 AGG, weil er wegen seiner Behin­de­rung eine weni­ger güns­ti­ge Behand­lung als eine andere, nicht behin­der­te Person in einer ver­gleich­ba­ren Situa­ti­on erfah­re. Das Risiko der vor­zei­ti­gen Dienst­un­fä­hig­keit werde allein wegen seiner Behin­de­rung ange­nom­men. Das Kri­te­ri­um der gesund­heit­li­chen Eig­nung knüpfe direkt an die bestehen­de gesund­heit­li­che Beein­träch­ti­gung an. Maß­geb­lich sei nicht die Norm, son­dern der ein­zel­fall­be­zo­ge­ne Bescheid der Beklag­ten vom 11. Sep­tem­ber 2007 — gemeint ist wohl der 11. Febru­ar 2008. Die Benach­tei­li­gung sei nicht nach § 8 Abs. 1 AGG bezie­hungs­wei­se Art. 4 der Richt­li­nie 2000/78/EG gerecht­fer­tigt, da die dort genann­ten Recht­fer­ti­gungs­grün­de tätig­keits­be­zo­gen seien. Es gehe um die kon­kre­ten Inhal­te der geschul­de­ten Leis­tun­gen oder die genau­en Umstän­de der Leis­tungs­er­brin­gung. Die von dem Ver­wal­tungs­ge­richt als Recht­fer­ti­gung ange­führ­te Gewähr­leis­tung eines aus­ge­wo­ge­nen Ver­hält­nis­ses zwi­schen Dienst­zeit und Ver­sor­gungs­an­spruch falle nicht hier­un­ter. Zudem sei Art. 5 der Richt­li­nie 2000/78/EG zu beach­ten, wonach der Arbeit­ge­ber die Anwen­dung des Gleich­be­hand­lungs­grund­sat­zes auf Men­schen mit Behin­de­run­gen zu gewähr­leis­ten habe und er die im geeig­ne­ten und kon­kre­ten Fall erfor­der­li­chen Maß­nah­men zu ergrei­fen habe, um den Men­schen mit Behin­de­rung den Zugang, die Beschäf­ti­gung und die Aus­übung ihres Beru­fes zu ermög­li­chen. Diese Bestim­mung sei im natio­na­len Recht ledig­lich für schwer­be­hin­der­te Men­schen in § 81 Abs. 4 und 5 SGB IX, nicht aber für behin­der­te Men­schen umge­setzt. Beam­ten­spe­zi­fi­sche Recht­fer­ti­gungs­grün­de gebe es nicht. Sie ließen sich ins­be­son­de­re nicht aus § 24 AGG her­lei­ten. Die Berück­sich­ti­gung her­ge­brach­ter Grund­sät­ze des Berufs­be­am­ten­tums zur Begrün­dung von Abwei­chun­gen ende bei den gemein­schafts­recht­li­chen Anfor­de­run­gen zur Wah­rung des Grund­sat­zes der Gleich­be­hand­lung und Nicht-Dis­kri­mi­nie­rung. Der­ar­ti­ge Abwei­chun­gen seien zudem nicht sta­tus­be­zo­gen, sonder aus­schließ­lich funk­ti­ons­be­zo­gen. Sei es also mög­lich, ihn als ange­stell­te Lehr­kraft zu beschäf­ti­gen, gebe es keinen Grund, ihm den Zugang zum Beam­ten­sta­tus zu ver­weh­ren. Das nied­ri­ge Schutz­ni­veau des § 10 AGG lasse sich nicht auf die Merk­ma­le des § 1 AGG und das Recht­fer­ti­gungs­ni­veau des § 8 Abs. 1 AGG über­tra­gen. Die Bestim­mung des Art. 33 Abs. 2 GG sei euro­pa­rechts­kon­form aus­zu­le­gen und ein Ein­stel­lungs­an­spruch anzu­er­ken­nen. Bei Zwei­feln an der von ihm — dem Kläger — vor­ge­nom­me­nen Aus­le­gung werde die Ein­lei­tung eines Vor­ab­ent­schei­dungs­ver­fah­rens ange­regt. Das zwi­schen­zeit­li­che Über­schrei­ten der Alters­gren­ze stehe dem Ein­stel­lungs­an­spruch nicht ent­ge­gen, da allein das rechts­wid­ri­ge Ver­hal­ten der Beklag­ten hier­für ursäch­lich gewe­sen sei. Jeden­falls sei hilfs­wei­se der Beklag­ten auf­zu­ge­ben, unter Beach­tung der Rechts­auf­fas­sung des Gerichts über sein Ein­stel­lungs­be­geh­ren neu zu ent­schei­den. Im Übri­gen stehe ihm ein Scha­dens­er­satz­an­spruch zu.

Der Kläger bean­tragt,

das ange­foch­te­ne Urteil zu ändern und den Bescheid der Beklag­ten vom 11. Febru­ar 2008 auf­zu­he­ben sowie

1. die Beklag­te zu ver­pflich­ten, ihn in das Beam­ten­ver­hält­nis auf Probe als Stu­di­en­rat (Besol­dungs­grup­pe A 13 BBesO) ein­zu­stel­len,
hilfs­wei­se,
die Beklag­te zu ver­pflich­ten, seinen Antrag auf Über­nah­me in das Pro­be­be­am­ten­ver­hält­nis unter Beach­tung der Rechts­auf­fas­sung des Gerichts neu zu beschei­den,

und

2. die Beklag­te zu ver­pflich­ten, ihn im Wege des Scha­dens­er­sat­zes besol­dungs- und ver­sor­gungs­recht­lich so zu stel­len wie er stünde, wenn er zum 1. März 2008, hilfs­wei­se zu einem spä­te­ren Zeit­punkt in das Beam­ten­ver­hält­nis ein­ge­stellt worden wäre.

Die Beklag­te bean­tragt,
die Beru­fung zurück­zu­wei­sen.

Sie ver­tei­digt das ange­foch­te­ne Urteil. Eine unmit­tel­ba­re Anwen­dung der Richt­li­nie 2000/78/EG schei­de aus, da die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land die Richt­li­nie im AGG umge­setzt habe. Die unter­schied­li­che Aus­ge­stal­tung von Ange­stell­ten- und Beam­ten­ver­hält­nis­sen stelle keine Benach­tei­li­gung dar. Eine unmit­tel­ba­re Benach­tei­li­gung im Sinne von § 3 Abs. 1 AGG liege nicht vor, da keine “ver­gleich­ba­re Situa­ti­on” im Sinne dieser Vor­schrift gege­ben sei, wenn sich ein behin­der­ter und ein nicht behin­der­ter Mensch mit ver­gleich­ba­rer Aus­bil­dungs­bio­gra­phie auf die­sel­be Stelle für ein Beam­ten­ver­hält­nis bewer­ben würden. Es han­de­le sich um eine mit­tel­ba­re Benach­tei­li­gung im Sinne von § 3 Abs. 2 AGG. Das Kri­te­ri­um der gesund­heit­li­chen Eig­nung knüpfe nicht an bestehen­de gesund­heit­li­che Beein­träch­ti­gun­gen an, wes­halb es sich um ein neu­tra­les Kri­te­ri­um han­de­le. Diese mit­tel­ba­re Benach­tei­li­gung führe nicht zu einem Ein­stel­lungs­an­spruch des Klä­gers, weil sie durch ein recht­mä­ßi­ges Ziel sach­lich gerecht­fer­tigt und ver­hält­nis­mä­ßig sei. Inso­weit finde Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG seine Gren­zen in Art. 33 Abs. 2 und 5 GG. Das Leis­tungs­prin­zip schrän­ke die Gel­tung des spe­zi­el­len Gleich­heits­sat­zes ein. Die gesund­heit­li­che Eig­nung eines Beam­ten mit der Per­spek­ti­ve bis zum Errei­chen der übli­chen Alters­gren­ze sei ein zwin­gen­der Grund im Sinne der bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt­li­chen Recht­spre­chung und spe­zi­ell die Funk­ti­ons­fä­hig­keit des staat­li­chen Schul­sys­tems mit den Anfor­de­run­gen der päd­ago­gi­schen Kon­ti­nui­tät sei ein wich­ti­ger Belang, der die Benach­tei­li­gung Behin­der­ter recht­fer­ti­ge. Bei einer Recht­fer­ti­gung durch einen sol­chen Grund ent­fal­le bereits der Tat­be­stand des § 8 Abs. 2 AGG. Im Übri­gen, selbst wenn § 8 Abs. 1 AGG anzu­wen­den sei, sei eine unter­schied­li­che Behand­lung gerecht­fer­tigt, weil dessen zweite Alter­na­ti­ve erfüllt sei. Danach könn­ten kör­per­lich Behin­der­te von Tätig­kei­ten aus­ge­schlos­sen werden, die eine beson­de­re Kon­sti­tu­ti­on erfor­der­ten. Dies sei vor­lie­gend nach den amts­ärzt­li­chen Aus­füh­run­gen der Fall, da ein erheb­li­ches Risiko bei dem Kläger hin­sicht­lich seiner lang­fris­ti­gen Dienst­fä­hig­keit bestehe. Da nach § 24 Nr. 1 AGG die Vor­schrif­ten des AGG bei Beam­ten nur “unter Berück­sich­ti­gung ihrer beson­de­ren Rechts­stel­lung” zur Anwen­dung kämen, sei das Lebens­zeit­prin­zip und das Gleich­ge­wicht zwi­schen akti­ver Dienst­zeit und Ver­sor­gungs­last als “Bedin­gung ihrer Aus­übung” im Sinne von § 8 Abs. 1 AGG zu beach­ten. § 24 AGG erwei­te­re die Recht­fer­ti­gungs­mög­lich­kei­ten. Die Ver­hält­nis­mä­ßig­keit sei gewahrt, da dem Kläger eine Arbeit im Schul­dienst nicht schlech­ter­dings ver­sagt bleibe. Die beruf­li­chen Anfor­de­run­gen im Sinne von § 8 Abs. 1 AGG müss­ten nicht tätig­keits­be­zo­gen sein. Viel­mehr sei der Arbeit­ge­ber nach seinem Orga­ni­sa­ti­ons­kon­zept berech­tigt, das Vor­lie­gen eines bestimm­ten Merk­mals für not­wen­dig zu halten. Man­gels Ver­let­zung des Benach­tei­li­gungs­ver­bots bestün­den weder ein Ein­stel­lungs- noch ein Scha­dens­er­satz­an­spruch.

Wegen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des Vor­brin­gens der Betei­lig­ten und des Sach­ver­halts wird auf die Gerichts­ak­te und die Bei­ak­ten, die Gegen­stand der münd­li­chen Ver­hand­lung gewe­sen sind, sowie die Nie­der­schrift über den Termin zur münd­li­chen Ver­hand­lung ver­wie­sen.

Ent­schei­dungs­grün­de

Die zuläs­si­ge Beru­fung ist teil­wei­se begrün­det. Der Kläger hat zwar keinen Anspruch auf Ver­pflich­tung der Beklag­ten, ihn in das Beam­ten­ver­hält­nis auf Probe zu über­neh­men und ihm Scha­dens­er­satz zu gewäh­ren. Doch ist die Beklag­te ver­pflich­tet, den Antrag des Klä­gers unter Beach­tung der Rechts­auf­fas­sung des Gerichts erneut zu beschei­den (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Der dieser Ver­pflich­tung ent­ge­gen­ste­hen­de Ableh­nungs­be­scheid vom 11. Febru­ar 2008 ist auf­zu­he­ben.

1. Ob der Ableh­nungs­be­scheid mit der Rechts­la­ge im Ein­klang steht, ist bei Ver­pflich­tungs­kla­gen auf Ein­stel­lung in das Beam­ten­ver­hält­nis regel­mä­ßig nach der im Zeit­punkt der behörd­li­chen Ent­schei­dung — hier dem 11. Febru­ar 2008 — gel­ten­den Sach- und Rechts­la­ge zu ent­schei­den. Denn die Ein­stel­lung eines Beam­ten­be­wer­bers setzt neben der Fest­stel­lung objek­ti­ver Tat­sa­chen (etwa der Erfül­lung lauf­bahn­recht­li­cher und alters­mä­ßi­ger Vor­aus­set­zun­gen) in der Form der Eig­nungs­be­ur­tei­lung einen pro­gnos­ti­schen Akt wer­ten­der Erkennt­nis voraus, der nur ein­ge­schränkt gericht­lich nach­prüf­bar ist und maßst­ab­bil­den­de Ele­men­te ent­hält, die der Dienst­herr im Hin­blick auf den zu beset­zen­den Dienst­pos­ten selbst fest­zu­le­gen hat. Maß­geb­lich für den zu beur­tei­len­den Sach­stand ist des­halb grund­sätz­lich das Erkennt­nis­ma­te­ri­al, das der Behör­de im Zeit­punkt ihrer Ent­schei­dung vor­liegt. Han­delt es sich aller­dings um die Frage, ob einem Ein­stel­lungs­an­trag im Hin­blick auf ein gesetz­li­ches Tat­be­stands­merk­mal aus Rechts­grün­den statt­ge­ge­ben werden muss oder nicht statt­ge­ge­ben werden darf, so ist auf den Zeit­punkt der letz­ten münd­li­chen Ver­hand­lung in der Tat­sa­chen­in­stanz abzu­stel­len (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.6.2004 — BVerwG 2 C 45.03 -, BVerw­GE 121, 140, zitiert nach juris Lang­text, Rn. 18 m. w. N.).
Art. 33 Abs. 2 GG, ein­fach­ge­setz­lich kon­kre­ti­siert in § 9 BeamtStG, gewährt jedem Deut­schen ein grund­rechts­glei­ches Recht auf glei­chen Zugang zu jedem öffent­li­chen Amt nach Eig­nung, Befä­hi­gung und fach­li­cher Leis­tung. Daraus folgt ein Anspruch des Ein­zel­nen auf ermes­sens- und beur­tei­lungs­feh­ler­freie Ent­schei­dung über seine Bewer­bung um ein öffent­li­ches Amt. Dieser sog. Bewer­bungs­ver­fah­rens­an­spruch besteht nicht nur bei der Beset­zung von Ein­gangs­äm­tern, son­dern auch im Rahmen von Beför­de­rungs- und Lauf­bahn­auf­stiegs­ver­fah­ren (vgl. nur BVerfG, Beschl. v. 10.12.2008 — 2 BvR 2571/07 -, NVwZ 2009, 378 = ZBR 2009, 125, zitiert nach juris Lang­text, Rn. 10). Redu­ziert sich das Ermes­sen bei der Ent­schei­dung über eine Bewer­bung um ein Ein­gangs­amt aus­nahms­wei­se auf Null, kann sich der Bewer­bungs­ver­fah­rens­an­spruch im Ein­zel­fall zu einem Ein­stel­lungs­an­spruch ver­dich­ten, wobei aller­dings zu berück­sich­ti­gen ist, dass die Erfül­lung des aus Art. 33 Abs. 2 GG resul­tie­ren­den Anspruchs nicht nur davon abhängt, dass der Bewer­ber die Kri­te­ri­en der Eig­nung, Befä­hi­gung und fach­li­chen Leis­tung und die sons­ti­gen Ernen­nungs­vor­aus­set­zun­gen erfüllt, son­dern auf Seiten des Dienst­herrn auch die ent­spre­chen­den Haus­halts­mit­tel in der Gestalt einer freien und besetz­ba­ren Plan­stel­le bereit stehen und der Dienst­herr diese Stelle beset­zen will (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 25.2.2010 — BVerwG 2 C 2.09 -, Buch­holz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 45 = NJW 2010, 3592, zitiert nach juris Lang­text, Rn. 17 m. w. N.).

Die Ent­schei­dung dar­über, ob der Ein­stel­lungs­be­wer­ber den Anfor­de­run­gen des zu beset­zen­den Dienst­pos­tens und der Lauf­bahn am Maß­stab der Kri­te­ri­en Eig­nung, Befä­hi­gung, fach­li­che Leis­tung genügt, trifft der Dienst­herr in Wahr­neh­mung einer Beur­tei­lungs­er­mäch­ti­gung. Sie bewirkt, dass die Eig­nungs­ein­schät­zung von den Ver­wal­tungs­ge­rich­ten nur beschränkt dar­auf­hin über­prüft werden kann, ob die Ver­wal­tung den anzu­wen­den­den Begriff oder den gesetz­li­chen Rahmen, in dem sie sich frei bewe­gen kann, ver­kannt hat, ob sie von einem unrich­ti­gen Sach­ver­halt aus­ge­gan­gen ist, all­ge­mein­gül­ti­ge Wert­maß­stä­be nicht beach­tet, sach­wid­ri­ge Erwä­gun­gen ange­stellt oder gegen Ver­fah­rens­vor­schrif­ten ver­sto­ßen hat (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.1.2003 — BVerwG 2 A 1.02 -, Buch­holz 232 § 8 BBG Nr. 55, zitiert nach juris Lang­text, Rn. 11).

Anhand dieser Kon­troll­dich­te erweist sich die Ableh­nung der Über­nah­me des Klä­gers in das Beam­ten­ver­hält­nis auf Probe als rechts­wid­rig, weil die Beklag­te den gesetz­li­chen Eig­nungs­be­griff, der im Hin­blick auf die Behin­de­rung des Klä­gers zu modi­fi­zie­ren ist, ver­kannt hat.

Bei der von Art. 33 Abs. 2 GG gefor­der­ten Eig­nungs­be­ur­tei­lung hat der Dienst­herr immer auch eine Ent­schei­dung dar­über zu tref­fen, ob der ein­zel­ne Bewer­ber den Anfor­de­run­gen des jewei­li­gen Amtes in gesund­heit­li­cher Hin­sicht ent­spricht. Der Beamte muss in kör­per­li­cher und psy­chi­scher Hin­sicht den Anfor­de­run­gen des Amtes gewach­sen sein. Die Eig­nung in gesund­heit­li­cher Hin­sicht ist in der Regel nach dem all­ge­mei­nen Maß­stab gege­ben, wenn sich nach der pro­gnos­ti­schen Ein­schät­zung des Dienst­herrn künf­ti­ge Erkran­kun­gen des Beam­ten und dau­ern­de vor­zei­ti­ge Dienst­un­fä­hig­keit mit einem hohen Grad an Wahr­schein­lich­keit aus­schlie­ßen lassen (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.7.2001 — BVerwG 2 A 5.00 -, Buch­holz 232 § 31 BBG Nr. 60 = NVwZ-RR 2002, 49 = ZBR 2002, 184, zitiert nach juris Lang­text Rn. 16 m. N.; BVerwG, Beschl. v. 23.4.2009 — BVerwG 2 B 79.08 -, zitiert nach juris Lang­text, Rn. 8).

Diesen Maß­stab hat die Beklag­te nach den Aus­füh­run­gen in ihrem Ableh­nungs­be­scheid vom 11. Febru­ar 2008 zugrun­de gelegt und — inso­weit rechts­feh­ler­frei — fest­ge­stellt, dass eine vor­zei­ti­ge Ver­set­zung des Klä­gers in den Ruhe­stand auf­grund der dia­gnos­ti­zier­ten Mul­ti­plen Skle­ro­se und ortho­pä­di­scher Beschwer­den nach dem amts­ärzt­li­chen Gesund­heits­zeug­nis vom 31. Okto­ber 2006 und der Stel­lung­nah­me des Amts­arz­tes vom 15. August 2007 erfor­der­lich werden könnte und daher die gesund­heit­li­che Eig­nung des Klä­gers nicht gege­ben sei. Die Beklag­te hat die amts­ärzt­li­chen Fest­stel­lun­gen in dem Bescheid her­an­ge­zo­gen und sich zu Eigen gemacht. Beden­ken gegen die amts­ärzt­li­chen Fest­stel­lun­gen bestehen nicht. Sie sind schlüs­sig, nach­voll­zieh­bar und in sich wider­spruchs­frei. Der Amts­arzt geht bei seinen Aus­füh­run­gen auf die von dem Kläger vor­ge­leg­ten pri­vat­ärzt­li­chen Stel­lung­nah­men ein und kommt den­noch zu dem nach­voll­zieh­ba­ren Ergeb­nis, dass wegen des kräf­ti­gen Band­schei­ben­vor­falls und der Erkran­kung an Mul­ti­pler Skle­ro­se trotz eines güns­ti­gen Ver­laufs ein erheb­li­ches Risiko in Bezug auf die lang­fris­ti­ge Dienst­fä­hig­keit des Klä­gers bestehe.

Aller­dings besteht im vor­lie­gen­den Fall die Beson­der­heit, dass der Kläger auf­grund dieser Erkran­kun­gen als behin­dert im Sinne von Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG anzu­se­hen ist und er nach dieser Vor­schrift nicht wegen seiner Behin­de­rung benach­tei­ligt werden darf.

Der Begriff der Behin­de­rung ist in Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG nicht defi­niert. Nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts ist man­gels Defi­ni­ti­on des Begriffs der Behin­de­rung in Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG von dem Begriffs­ver­ständ­nis aus­zu­ge­hen, wie es seinen Aus­druck vor allem in dem zum Zeit­punkt der Schaf­fung des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG gel­ten­den § 3 Abs. 1 Satz 1 des Schwer­be­hin­der­ten­ge­set­zes gefun­den hat. Danach ist Behin­de­rung die Aus­wir­kung einer nicht nur vor­über­ge­hen­den Funk­ti­ons­be­ein­träch­ti­gung, die auf einem regel­wid­ri­gen kör­per­li­chen, geis­ti­gen oder see­li­schen Zustand beruht (vgl. BVerfG, Beschl. v. 8.10.1997 — 1 BvR 9/97 -, BVerfGE 96, 288, zitiert nach juris Lang­text, Rn. 65). Dem­ge­gen­über ver­langt § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX für eine Behin­de­rung, dass zum einen die kör­per­li­che Funk­ti­on oder see­li­sche Gesund­heit mit hoher Wahr­schein­lich­keit länger als sechs Monate von dem für das Lebens­al­ter typi­schen Zustand abwei­chen, und zum ande­ren zusätz­lich, dass daher eine Teil­nah­me am Leben in der Gesell­schaft beein­träch­tigt ist. Es kann offen­blei­ben, ob der Behin­der­ten­be­griff des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG eben­falls eine solche Beein­träch­ti­gung ver­langt. Denn der Senat geht davon aus, dass der Kläger auch diese Vor­aus­set­zung auf­grund seiner Erkran­kun­gen bereits zu dem hier in tat­säch­li­cher Hin­sicht maß­geb­li­chen Zeit­punkt des Ableh­nungs­be­schei­des am 11. Febru­ar 2008 erfüllt hat. Indi­ziert wird dieses bereits durch den Fest­stel­lungs­be­scheid des Nie­der­säch­si­schen Lan­des­am­tes für Sozia­les, Jugend und Fami­lie vom 15. Mai 2009. Zwar wirkt dieser Bescheid nur rück­wir­kend ab dem 4. Juni 2008. In dem Bescheid ist ein GdB von 30 fest­ge­stellt worden, weil eine dau­ern­de Ein­bu­ße an kör­per­li­cher Beweg­lich­keit besteht. Der fest­ge­stell­te Grad der Behin­de­rung beruht auf dem fest­ge­stell­ten orga­ni­schen Ner­ven­lei­den mit einem GdB von 30 und der zusätz­li­chen Funk­ti­ons­be­ein­träch­ti­gung durch Ver­än­de­run­gen der Wir­bel­säu­le mit einem GdB von 10, der sich jedoch nicht erhö­hend aus­wirkt. Doch hin­sicht­lich der Beur­tei­lung der Frage, ob eine Behin­de­rung im Sinne von Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG vor­liegt, kommt es weder auf den Grad der Behin­de­rung noch auf deren förm­li­che Fest­stel­lung an. Da keine Anhalts­punk­te dafür bestehen, dass sich das Krank­heits­bild zwi­schen dem Erlass des Ableh­nungs­be­schei­des und der Fest­stel­lung der Behin­de­rung geän­dert hat, ist eine Behin­de­rung des Klä­gers zum Zeit­punkt des Ableh­nungs­be­schei­des wegen seiner Erkran­kun­gen im Sinne von Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG und § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX anzu­neh­men.

Der Kläger wird wegen seiner Behin­de­rung durch die Anwen­dung des all­ge­mei­nen Maß­sta­bes der gesund­heit­li­chen Eig­nung benach­tei­ligt im Sinne von Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG. Von einer Benach­tei­li­gung ist aus­zu­ge­hen, wenn die Lebens­si­tua­ti­on von Behin­der­ten im Ver­gleich zu der­je­ni­gen nicht behin­der­ter Men­schen durch gesetz­li­che Rege­lun­gen ver­schlech­tert wird, die ihnen Ent­fal­tungs- und Betä­ti­gungs­mög­lich­kei­ten vor­ent­hal­ten, welche ande­ren offen stehen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 19.1.1999 — 1 BvR 2161/94 -, BVerfGE 99, 341, zitiert nach juris Lang­text, Rn. 55; BVerfG, Beschl. v. 8.10.1997, a. a. O., Rn. 69). Dies ist vor­lie­gend der Fall, denn dem behin­der­ten Kläger wird durch die Anwen­dung des all­ge­mei­nen Maß­stabs der gesund­heit­li­chen Eig­nung der Weg in die beam­ten­recht­li­che frü­he­re Lauf­bahn des höhe­ren Diens­tes (jetzt 2. Lauf­bahn­grup­pe, 2. Ein­stiegs­amt) an Berufs­bil­den­den Schu­len ver­sagt.

Die Benach­tei­li­gung ist im vor­lie­gen­den Fall nicht gerecht­fer­tigt. Zwar gilt das Benach­tei­li­gungs­ver­bot des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG nicht ohne jede Ein­schrän­kung. Fehlen einer Person gerade auf­grund ihrer Behin­de­rung bestimm­te geis­ti­ge oder kör­per­li­che Fähig­kei­ten, die uner­läss­li­che Vor­aus­set­zung für die Wahr­neh­mung eines Rechts sind, liegt in der Ver­wei­ge­rung dieses Rechts kein Ver­stoß gegen das Benach­tei­li­gungs­ver­bot. Eine recht­li­che Schlech­ter­stel­lung Behin­der­ter ist danach jedoch nur zuläs­sig, wenn zwin­gen­de Gründe dafür vor­lie­gen. Die nach­tei­li­gen Aus­wir­kun­gen müssen uner­läss­lich sein, um behin­de­rungs­be­zo­ge­nen Beson­der­hei­ten Rech­nung zu tragen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 19.1.1999, a. a. O., Rn. 56 m. N. und unter Bezug­nah­me auf BT-Drs. 12/6323 S. 12, 29).

Für die Prü­fung der gesund­heit­li­chen Eig­nung führt die Berück­sich­ti­gung des Benach­tei­li­gungs­ver­bots ange­sichts der genann­ten Ein­schrän­kung bei Schwer­be­hin­der­ten dazu, dass die gesund­heit­li­che Eig­nung nur ver­neint werden darf, wenn im Ein­zel­fall zwin­gen­de Gründe für das Fest­hal­ten an dem all­ge­mei­nen Maß­stab spre­chen, sollte der Schwer­be­hin­der­te die Anfor­de­run­gen des Amtes gerade auf­grund seiner Behin­de­rung nicht erfül­len (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.6.2007 — BVerwG 2 A 6.06 -, Buch­holz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 35; Beschl. v. 23.4.2009, a. a. O., Rn. 8). Inso­weit wird das Benach­tei­li­gungs­ver­bot durch das Leis­tungs­prin­zip als her­ge­brach­ten Grund­satz des Berufs­be­am­ten­tums (Art. 33 Abs. 5 GG) ein­ge­schränkt. Da Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG nicht zwi­schen Behin­der­ten und Schwer­be­hin­der­ten unter­schei­det, son­dern die Benach­tei­li­gung wegen einer Behin­de­rung gene­rell ver­bie­tet, erach­tet der Senat es für gebo­ten, auch im vor­lie­gen­den Fall, in dem der Kläger zwar behin­dert, aber man­gels for­ma­ler Gleich­stel­lung nicht nach § 2 Abs. 3 SGB IX schwer­be­hin­dert ist, diese Ein­schrän­kung des Benach­tei­li­gungs­ver­bots anzu­wen­den. Bestä­tigt wird diese Auf­fas­sung durch den Beschluss des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts vom 10. Dezem­ber 2008 (a. a. O., Rn. 11), wonach ein Bewer­ber wegen seiner Behin­de­rung nur dann von dem Beför­de­rungs­ge­sche­hen aus­ge­schlos­sen werden kann, wenn dienst­li­che Bedürf­nis­se eine dau­er­haf­te Ver­wen­dung in dem ange­streb­ten Amt zwin­gend aus­schlie­ßen. Ent­spre­chen­des muss für eine Ein­stel­lung gelten.

Vor diesem Hin­ter­grund ist die Anwen­dung des all­ge­mei­nen Maß­sta­bes der gesund­heit­li­chen Eig­nung indes nicht durch diese Ein­schrän­kung des Benach­tei­li­gungs­ver­bots gerecht­fer­tigt. Denn es ist nicht ersicht­lich, dass dienst­li­che Bedürf­nis­se eine dau­er­haf­te Ver­wen­dung des Klä­gers in der Lauf­bahn des frü­he­ren höhe­ren Diens­tes (jetzt Lauf­bahn­grup­pe 2, 2. Ein­stiegs­amt) an Berufs­bil­den­den Schu­len zwin­gend aus­schlie­ßen. Der Amts­arzt hat zwar auf­grund der gesund­heit­li­chen Ein­schrän­kun­gen des Klä­gers ein bestehen­des Risiko auf­ge­zeigt, dass der Kläger vor Errei­chen der Alters­gren­ze wegen seiner Behin­de­rung dienst­un­fä­hig werden könnte. Es liegen jedoch keine Anhalts­punk­te dafür vor, dass allein das Risiko der vor­zei­ti­gen Dienst­un­fä­hig­keit die Annah­me dienst­li­cher Bedürf­nis­se begrün­det, die eine dau­er­haf­te Ver­wen­dung zwin­gend aus­schlie­ßen. Dies gilt ins­be­son­de­re ange­sichts des Umstan­des, dass der Kläger unge­ach­tet seiner Behin­de­rung in der Lage ist, die Anfor­de­run­gen, die der Leh­rer­be­ruf an Berufs­bil­den­den Schu­len all­ge­mein und im Hin­blick auf die von ihm gewähl­te Fächer­kom­bi­na­ti­on stellt, zu erfül­len. Die kör­per­li­chen Ein­schrän­kun­gen, die der Kläger auf­grund seiner Behin­de­rung hat, erwei­sen sich damit für die Auf­ga­ben­er­fül­lung nicht als unver­zicht­bar. Ersicht­lich sind auch keine orga­ni­sa­to­ri­schen oder per­so­nal­po­li­ti­schen Erwä­gun­gen (vgl. dazu BVerfG, Beschl. v. 10.12.2008, a. a. O., Rn. 14 m. N.), die gegen eine dau­er­haf­te Ver­wen­dung des Klä­gers spre­chen könn­ten. Die Beru­fung der Beklag­ten auf die Funk­ti­ons­fä­hig­keit der Schul­ver­wal­tung und die Anfor­de­run­gen an die päd­ago­gi­sche Kon­ti­nui­tät genügt in dieser All­ge­mein­heit nicht für den Schluss, der Annah­me der gesund­heit­li­chen Eig­nung des Klä­gers stün­den zwin­gen­de Gründe im Sinne der genann­ten Recht­spre­chung ent­ge­gen.

Weil bereits auf­grund der Berück­sich­ti­gung des in Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG ver­an­ker­ten Benach­tei­li­gungs­ver­bots die Anwen­dung des all­ge­mei­nen Maß­sta­bes der gesund­heit­li­chen Eig­nung aus­schei­det, stellt sich die von den Betei­lig­ten im Beru­fungs­ver­fah­ren erör­ter­te Frage, ob die Anwen­dung des all­ge­mei­nen Begriffs der gesund­heit­li­chen Eig­nung auf die Gruppe behin­der­ter Men­schen mit den Vor­ga­ben des All­ge­mei­nen Gleich­be­hand­lungs­ge­set­zes und der Richt­li­nie 2000/78/EG ver­ein­bar ist, im vor­lie­gen­den Fall nicht.

Da man­gels zwin­gen­der Gründe die Anwen­dung des all­ge­mei­nen Maß­sta­bes nicht in Betracht kommt, ist die Beklag­te gehal­ten, bei der pro­gnos­ti­schen Beur­tei­lung der gesund­heit­li­chen Eig­nung für das von dem Kläger ange­streb­te Amt und die ange­streb­te Lauf­bahn dem Benach­tei­lungs­ver­bot Rech­nung zu tragen. Dies haben die Beklag­te und das Ver­wal­tungs­ge­richt ver­kannt.

Welche Anfor­de­run­gen an die gesund­heit­li­che Eig­nung eines behin­der­ten Ein­stel­lungs­be­wer­bers unter Beach­tung des Benach­tei­li­gungs­ver­bots und in Abwei­chung von dem all­ge­mei­nen Maß­stab zu stel­len sind, rich­tet sich nach dem Aus­gleich zwi­schen dem Benach­tei­li­gungs­ver­bot einer­seits und dem Lebens­zeit­prin­zip sowie dem Leis­tungs­prin­zip als her­ge­brach­te Grund­sät­ze des Berufs­be­am­ten­tums (Art. 33 Abs. 5 GG) ande­rer­seits. Inso­weit gilt, dass der Ein­stel­lungs­be­wer­ber jeden­falls ein Min­dest­maß an gesund­heit­li­cher Eig­nung erfül­len muss, um das ange­streb­te Amt ord­nungs­ge­mäß und dau­er­haft wahr­neh­men zu können. Der Dienst­herr hat also im Rahmen der Ent­schei­dung über das Ein­stel­lungs­ge­such zu pro­gnos­ti­zie­ren, ob der behin­der­te Beam­ten­be­wer­ber in dem ange­streb­ten Amt auf Dauer ver­wen­det werden kann (vgl. dazu BVerfG, Beschl. v. 10.12.2008, a. a. O., Rn. 14 m. w. N.). Kon­kre­ti­sie­ren­de Vor­ga­ben, wie das Benach­tei­li­gungs­ver­bot bei der pro­gnos­ti­schen Beur­tei­lung der gesund­heit­li­chen Eig­nung Behin­der­ter umzu­set­zen ist, lassen sich Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG nicht ent­neh­men. Die Vor­schrift lässt in ihrem Anwen­dungs­be­reich viel­mehr Raum für Dif­fe­ren­zie­run­gen zwi­schen behin­der­ten und schwer­be­hin­der­ten Men­schen, sofern eine behin­de­rungs­be­ding­te Benach­tei­li­gung ver­mie­den wird.

Ein Maß­stab für die Prü­fung der gesund­heit­li­chen Eig­nung könnte, da das Benach­tei­li­gungs­ver­bot des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG nicht zwi­schen Behin­der­ten und Schwer­be­hin­der­ten unter­schei­det, son­dern inso­weit die Benach­tei­li­gung aller Behin­der­ter unab­hän­gig von dem Grad ihrer Behin­de­rung erfasst, der­je­ni­ge sein, der im Land Nie­der­sach­sen bei der Prü­fung der gesund­heit­li­chen Eig­nung von schwer­be­hin­der­ten Men­schen nach Ziffer 3.4 Abs. 2 der Richt­li­ni­en zur gleich­be­rech­tig­ten und selbst­be­stimm­ten Teil­ha­be schwer­be­hin­der­ter und ihnen gleich­ge­stell­ter Men­schen am Berufs­le­ben im öffent­li­chen Dienst vom 9. Novem­ber 2004 (Nds. MBl. S. 783) ange­wen­det wird. Dieser Maß­stab könnte auch auf die­je­ni­ge Gruppe von Behin­der­ten anzu­wen­den sein, die zwar nicht schwer­be­hin­dert oder Schwer­be­hin­der­ten gleich­ge­stellt sind, aber in den Anwen­dungs­be­reich des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG fallen. Danach könnte für die Prü­fung der gesund­heit­li­chen Eig­nung des Klä­gers gelten, dass die gesund­heit­li­che Eig­nung auch dann noch als gege­ben ange­se­hen werden kann, wenn der Beamte nur für die Wahr­neh­mung bestimm­ter Dienst­pos­ten der betref­fen­den Lauf­bahn geeig­net ist und unter Berück­sich­ti­gung dieses Umstan­des mit einem hohen Grad an Wahr­schein­lich­keit ange­nom­men werden kann, das vor Ablauf der Pro­be­zeit vor­aus­sicht­lich keine dau­ern­de Dienst­un­fä­hig­keit ein­tre­ten wird.

Dieser Ansicht steht jedoch nach Auf­fas­sung des Senats ent­ge­gen, dass die Her­ab­sen­kung des Eig­nungs­maß­stabs für Schwer­be­hin­der­te und ihnen Gleich­ge­stell­te auf der Über­le­gung beruht, dass dieser Per­so­nen­kreis erheb­lich grö­ße­ren Schwie­rig­kei­ten bei der Suche oder dem Erhalt eines Arbeits­plat­zes aus­ge­setzt ist als behin­der­te Men­schen und daher die behin­de­rungs­be­ding­ten Benach­tei­li­gun­gen bei dem Per­so­nen­kreis der Schwer­be­hin­der­ten und ihnen Gleich­ge­stell­ter in ande­rer Weise aus­zu­glei­chen sind. Der Gesetz­ge­ber hat diesen Rechts­ge­dan­ken in § 128 Abs. 1 SGB IX zum Aus­druck gebracht, wonach die beson­de­ren Vor­schrif­ten und Grund­sät­ze für die Beset­zung der Beam­ten­stel­len unbe­scha­det der Gel­tung des Teils 2 des SGB IX auch für schwer­be­hin­der­te Beamte so zu gestal­ten sind, dass die Ein­stel­lung und Beschäf­ti­gung schwer­be­hin­der­ter Men­schen geför­dert und ein ange­mes­se­ner Anteil schwer­be­hin­der­ter Men­schen unter den Beam­ten erreicht wird. Für die Gruppe der behin­der­ten Beam­ten­be­wer­ber ist es dem­ge­gen­über unter Berück­sich­ti­gung der zitier­ten bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt­li­chen Recht­spre­chung nach Ansicht des Senats als gebo­ten zu erach­ten, einer­seits dem Lebens­zeit­prin­zip dadurch Rech­nung zu tragen, dass für die Pro­gno­se­ent­schei­dung auf den Zeit­raum bis zum Errei­chen der Alters­gren­ze abzu­stel­len ist, und ande­rer­seits mit Blick auf das Benach­tei­li­gungs­ver­bot den Wahr­schein­lich­keits­maß­stab für die Pro­gno­se, ob häu­fi­ge Fehl­zei­ten oder eine vor­zei­ti­ge Dienst­un­fä­hig­keit ein­tre­ten werden, her­ab­zu­sen­ken. Dem­entspre­chend ist der Begriff der gesund­heit­li­chen Eig­nung eines behin­der­ten Beam­ten­be­wer­bers dahin­ge­hend zu modi­fi­zie­ren, dass sie gege­ben ist, wenn sich nach der pro­gnos­ti­schen Ein­schät­zung des Dienst­herrn künf­ti­ge Erkran­kun­gen des Bewer­bers und dau­ern­de vor­zei­ti­ge Dienst­un­fä­hig­keit mit einem über­wie­gen­den Grad an Wahr­schein­lich­keit, also mit mehr als 50 vom Hun­dert, aus­schlie­ßen lassen.

Bei Anwen­dung dieses modi­fi­zier­ten Eig­nungs­maß­sta­bes werden sowohl dem Benach­tei­li­gungs­ver­bot des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG als auch dem Lebens­zeit­prin­zip und dem Leis­tungs­prin­zip als her­ge­brach­te Grund­sät­ze des Beru­fungs­be­am­ten­tums (Art. 33 Abs. 5 GG) bei der Aus­le­gung des Eig­nungs­kri­te­ri­ums hin­rei­chend Rech­nung getra­gen. Anhalts­punk­te dafür, dass die Anwen­dung dieses her­ab­ge­setz­ten Maß­sta­bes mit den Vor­ga­ben des All­ge­mei­nen Gleich­be­hand­lungs­ge­set­zes oder der Richt­li­nie 2000/78/EG unver­ein­bar ist, sind nicht ersicht­lich.

Ob der Kläger mit einem über­wie­gen­den Grad an Wahr­schein­lich­keit vor­aus­sicht­lich nicht dau­ernd dienst­un­fä­hig sein oder häu­fi­ge Fehl­zei­ten auf­wei­sen wird, kann der Senat auf­grund der vor­lie­gen­den amts­ärzt­li­chen Stel­lung­nah­men auch in Anse­hung der in den Akten vor­han­de­nen pri­vat­ärzt­li­chen Stel­lung­nah­men nicht abschlie­ßend ent­schei­den. Dem­zu­fol­ge hat der Kläger mit seinem Haupt­an­trag zu 1. keinen Erfolg, son­dern kann ledig­lich hilfs­wei­se die erneu­te Beschei­dung seines Ein­stel­lungs­be­geh­rens unter Beach­tung der Rechts­auf­fas­sung des Gerichts ver­lan­gen.

Dem Neu­be­schei­dungs­be­geh­ren stehen von dem Senat zu beach­ten­de Rechts­grün­de nicht ent­ge­gen. Auch wenn der Kläger die für die Über­nah­me in das Beam­ten­ver­hält­nis auf Probe nach § 16 Abs. 2 Satz 1 NLVO vom 30. März 2009 (Nds. GVBl. S. 118) gel­ten­de Höchst­al­ters­gren­ze — Voll­endung des 45. Lebens­jah­res — zwi­schen­zeit­lich wäh­rend des gericht­li­chen Ver­fah­rens über­schrit­ten hat, schließt dieses seine Ernen­nung zum Stu­di­en­rat unter Beru­fung in das Beam­ten­ver­hält­nis auf Probe nicht aus. Denn nach § 16 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 NLVO kann das Finanz­mi­nis­te­ri­um auf Vor­schlag der obers­ten Dienst­be­hör­de im Ein­zel­fall Aus­nah­men von der in § 16 Abs. 2 NLVO nor­mier­ten Höchst­al­ters­gren­ze zulas­sen, wenn sich nach­weis­lich der beruf­li­che Wer­de­gang aus von der Bewer­be­rin oder dem Bewer­ber nicht zu ver­tre­ten­den Grün­den in einem Maß ver­zö­gert hat, das die Anwen­dung der Höchst­al­ters­gren­ze unbil­lig erschei­nen ließe. Die tat­be­stand­li­chen Vor­aus­set­zun­gen für diese Aus­nah­me sieht der Senat im vor­lie­gen­den Fall als gege­ben an, denn der Kläger hat recht­zei­tig einen Antrag auf Über­nah­me in das Beam­ten­ver­hält­nis gestellt und erle­digt die mit dem ange­streb­ten Amt ver­bun­de­nen Auf­ga­ben bereits im Ange­stell­ten­ver­hält­nis. Die Über­nah­me des Klä­gers in das Beam­ten­ver­hält­nis auf Probe hat sich durch die Anwen­dung des all­ge­mei­nen, aber im vor­lie­gen­den Fall wegen der Behin­de­rung des Klä­gers nicht ein­schlä­gi­gen Maß­sta­bes für die Beur­tei­lung der gesund­heit­li­chen Eig­nung aus nicht von dem Kläger zu ver­tre­ten­den Grün­den in einem Maße ver­zö­gert, die eine Beru­fung auf die Alters­gren­ze ange­sichts der Umstän­de dieses Falles als unbil­lig erschei­nen lassen. Die Inan­spruch­nah­me gericht­li­chen Rechts­schut­zes kann dem Kläger unter diesem Gesichts­punkt nicht ent­ge­gen gehal­ten werden.

2. Die Vor­aus­set­zun­gen des von dem Kläger gel­tend gemach­ten Scha­dens­er­satz­an­spruchs nach § 15 Abs. 1 AGG liegen nicht vor. Nach dieser Vor­schrift ist der Arbeit­ge­ber bei einem Ver­stoß gegen das Benach­tei­li­gungs­ver­bot ver­pflich­tet, den hier­durch ent­stan­de­nen Scha­den zu erset­zen (Satz 1), was aber nicht gilt, wenn der Arbeit­ge­ber die Pflicht­ver­let­zung nicht zu ver­tre­ten hat (Satz 2). Vor­lie­gend fehlt es am Ver­schul­den der Beklag­ten. Das Ver­schul­dens­er­for­der­nis begeg­net keinen recht­li­chen Beden­ken. Nach der Recht­spre­chung des Euro­päi­schen Gerichts­hofs haben die Mit­glied­staa­ten bei der Wahl der Sank­tio­nen nach Art. 17 der Richt­li­nie 2000/78/EG im Falle eines Ver­sto­ßes gegen das Benach­tei­li­gungs­ver­bot darauf zu achten, dass Ver­stö­ße gegen Gemein­schafts­recht nach ähn­li­chen sach­li­chen und ver­fah­rens­recht­li­chen Regeln geahn­det werden wie gleich­ar­ti­ge Ver­stö­ße gegen natio­na­les Recht (vgl. EuGH, Urt. v. 21.9.1989 – Rs. 68/88 -, NJW 1990, 2245 <2246>). Danach erweist sich das Ver­schul­dens­er­for­der­nis als euro­pa­rechts­kon­form, weil Scha­dens­er­satz­an­sprü­che – mit Aus­nah­me bestimm­ter Fälle einer Gefähr­dungs­haf­tung – grund­sätz­lich im deut­schen Recht ein Ver­schul­den des Schä­di­gers vor­aus­set­zen (vgl. Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, 2007, § 15 Rn. 15) und die Vor­schrift des § 15 Abs. 1 AGG der Rege­lung des § 280 BGB nach­ge­bil­det ist (vgl. BT-Drucks. 16/1780, S. 38).

Zu ver­tre­ten hat der Arbeit­ge­ber bezie­hungs­wei­se der Dienst­herr Vor­satz und Fahr­läs­sig­keit ins­be­son­de­re nach Maß­ga­be der §§ 276 bis 278 BGB (vgl. dazu BT-Drucks. 16/1780, S. 38). Selbst wenn der Senat zu Guns­ten des Klä­gers ange­sichts der vor­ste­hen­den Aus­füh­run­gen von einer Ver­let­zung des in § 7 Abs. 1 Satz 1 AGG nor­mier­ten Benach­tei­li­gungs­ver­bots durch die Anwen­dung des all­ge­mei­nen Maß­sta­bes für die gesund­heit­li­che Eig­nung eines Beam­ten­be­wer­bers im Ableh­nungs­be­scheid vom 11. Febru­ar 2008 und damit von einer Pflicht­ver­let­zung sei­tens der Beklag­ten aus­geht, fehlt es an dem für den Scha­dens­er­satz­an­spruch erfor­der­li­chen Ver­schul­den. Der Beklag­ten ist weder der Vor­wurf vor­sätz­li­chen noch fahr­läs­si­gen Han­delns zu machen. Es ist nicht ersicht­lich, dass die Beklag­te bei der Prü­fung der gesund­heit­li­chen Eig­nung die im Ver­kehr erfor­der­li­che Sorg­falt außer Acht gelas­sen hat. Dies beruht zum einen auf dem Umstand, dass die Beklag­te zum Zeit­punkt des Erlas­ses des Ableh­nungs­be­schei­des nicht ohne Wei­te­res von dem Vor­lie­gen einer Behin­de­rung aus­ge­hen musste. Inso­weit hat es an den erfor­der­li­chen amts­ärzt­li­chen Fest­stel­lun­gen gefehlt, denn der Amts­arzt selbst ist zu diesem Zeit­punkt ledig­lich von Krank­hei­ten, nicht aber von Behin­de­run­gen aus­ge­gan­gen. Die Aus­sa­ge, dass der Kläger im Sinne des Neun­ten Buches Sozi­al­ge­setz­buch als Schwer­be­hin­der­ter aner­kannt werden könnte, betrach­te­te der Amts­arzt nach seiner Stel­lung­nah­me vom 15. August 2007 ledig­lich als mög­lich. Dies allein reicht jedoch nicht aus, um von einer fahr­läs­si­gen Ver­let­zung des Benach­tei­li­gungs­ver­bots aus­zu­ge­hen. Denn zum Zeit­punkt des Erlas­ses des Ableh­nungs­be­scheids lag weder ein die Behin­de­rung bezie­hungs­wei­se die Schwer­be­hin­de­rung indi­zie­ren­der Fest­stel­lungs­be­scheid vor noch gab die bestehen­de Recht­spre­chung zum Begriff der gesund­heit­li­chen Eig­nung bei Schwer­be­hin­der­ten Anlass, im Fall einer bestehen­den Behin­de­rung des Klä­gers, die sich nicht als Schwer­be­hin­de­rung dar­stellt, von dem all­ge­mei­nen Maß­stab der gesund­heit­li­chen Eig­nung abzu­wei­chen. Soweit der Senat nun­mehr für die Gruppe behin­der­ter Men­schen eine Modi­fi­zie­rung des Begriffs der gesund­heit­li­chen Eig­nung befür­wor­tet, han­delt es sich um eine Fort­ent­wick­lung der Recht­spre­chung, die von der Beklag­ten nicht in Erwä­gung gezo­gen werden musste und sie daher ent­las­tet (vgl. zur Mög­lich­keit der Ent­las­tung bei Recht­spre­chungs­än­de­run­gen Schmidt-Kessel in: Prütting/Wegen/Weinreich <Hrsg.>, BGB, 5. Aufl. 2010, § 276, Rn. 11 unter Hin­weis auf BGHZ 145, 265).

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