Die Kos­ten­über­nah­me von kon­ti­nu­ier­li­chen Glu­k­os­mess­sys­te­men (CGMS) ist bis­lang nur im Aus­nah­me­fall mög­lich.
Auch mit zwei aktu­el­le Urtei­len wurden ent­spre­chen­de Anträ­ge von Pati­en­ten abge­wie­sen. Für die beiden unter­le­ge­nen Kläger ist das natür­lich trau­rig — aber ins­ge­samt dürf­ten diese Urtei­le eine erheb­li­che Ver­bes­se­rung für die Betrof­fe­nen brin­gen.
Denn erst­mals haben Gerich­te nun deut­li­che Kri­te­ri­en defi­niert, unter wel­chen Vor­aus­set­zun­gen die Kran­ken­kas­sen solche Sys­te­me erstat­ten müssen.

Das Lan­des­so­zi­al­ge­richt Berlin-Bran­den­burg hat am 20.12. 2014  ent­schie­den (AZ: L 1 KR 25/13), daß der Ein­satz eines CGMS ins­be­son­de­re bei einer Pro­ble­men mit der Wahr­neh­mung von Unter­zu­cke­run­gen grund­sätz­lich in Frage kommt.
Aller­dings sei ein sol­ches CGM-Gerät selbst bei Hypo­glyk­ämie­wahr­neh­mungs­stö­rung “nicht immer erfor­der­lich und gebo­ten”. Viel­mehr müsse “jeden­falls die beson­de­re Risi­ko­dia­gno­se der Gefah­ren der unvor­her­seh­ba­ren schwe­ren Hypo­glyk­ämien hin­zu­tre­ten, der auch nicht mit der zumut­ba­ren nor­ma­len Blut­zu­cker­mes­sung von maxi­mal zehn am Tag aus­rei­chend ent­ge­gen gewirkt werden” könne.

Der Klä­ge­rin könne zuge­mu­tet werden, bis zu 10 Blut­zu­cker­mes­sun­gen täg­lich vor­zu­neh­men. Da dies nicht der Fall war, seien die güns­ti­ge­ren Metho­de einer Selbst­mes­sung noch nicht aus­ge­schöpft und der Ein­satz eines CGM daher auch noch nicht erfor­der­lich. Ein CGM wäre unter diesen Vor­aus­set­zun­gen weder sinn­voll noch wirt­schaft­lich.

In einem ande­ren Ver­fah­ren — hier habe ich den Kläger ver­tre­ten — hat sich das  SG Stutt­gart in einem brand­ak­tu­el­len Urteil (Urteil vom 19.01.2015, S 19 KR 4573/12) nun sehr aus­führ­lich mit der The­ma­tik befasst; da ich sehr umfas­send vor­ge­tra­gen habe, wurden erst­mals auch Aspek­te berück­sich­tigt, die in der bis­he­ri­gen Dis­kus­si­on unter­ge­gan­gen sind.

Zwar wurde auch diese Klage abge­wie­sen — die Ent­schei­dung gibt aber für andere Betrof­fe­ne sehr deut­li­che Vor­ga­ben und Hil­fe­stel­lun­gen, was aus medi­zi­ni­scher Sicht attes­tiert werden muss.

Zunächst stellt das Gericht klar: “Bei dem begehr­ten Real-Time-Mess­ge­rät zur kon­ti­nu­ier­li­chen Glu­ko­se­mes­sung mit­tels Glu­ko­se­sen­sor han­delt es sich um ein Hilfs­mit­tel im Sinne des § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V.B”
Und weiter, eben­falls aus­drück­lich: “Dem Anspruch des Klä­gers steht grund­sätz­lich nicht ent­ge­gen, dass der G‑BA für die kon­ti­nu­ier­li­che Glu­ko­se­mes­sung keine Emp­feh­lung abge­ge­ben hat.

Die kon­ti­nu­ier­li­che Glu­ko­se­mes­sung sei nicht als neue Behand­lungs­me­tho­de zu qua­li­fi­zie­ren, weil hier­durch “weder eine Ände­rung der Behand­lungs­me­tho­de, noch des The­ra­pie­kon­zepts” erfol­ge. Es werde “ledig­lich eine andere bzw. zusätz­li­che Mess­me­tho­de in Form der Mes­sung der Glu­ko­se­kon­zen­tra­ti­on in der inters­ti­ti­el­len Flüs­sig­keit zur Ver­fü­gung gestellt”. Dies wirke sich aber nicht auf das über­ge­ord­ne­te The­ra­pie­kon­zept des behan­deln­den Arztes aus, ein dies­be­züg­li­cher Unter­schied zur her­kömm­li­chen Blut­zu­cker­mes­sung im Blut sei nicht erkenn­bar.

Aller­dings sah das Gericht auch in diesem Fall das CGMS als (noch) nicht erfor­der­lich an. Denn “das Wirt­schaft­lich­keits­ge­bot (§ 12 Abs. 1 SGB V) schließt eine Leis­tungs­pflicht der Kran­ken­ver­si­che­rung für solche Inno­va­tio­nen aus, die nicht die Funk­tio­na­li­tät, son­dern in erster Linie Bequem­lich­keit und Kom­fort bei der Nut­zung des Hilfs­mit­tels betref­fen”. Wenn “eine nur gering­fü­gi­ge Ver­bes­se­rung eines auf brei­tem Feld anwend­ba­ren Hilfs­mit­tels völlig außer Ver­hält­nis zur Belas­tung der Ver­si­cher­ten­ge­mein­schaft gera­ten würde”, darf die Kran­ken­kas­se die Kosten dafür nicht über­neh­men.

Nach Auf­fas­sung des Gerichts sei ein CGM jeden­falls dann sub­jek­tiv erfor­der­lich, “wenn trotz Nut­zung aller zur Ver­fü­gung ste­hen­der The­ra­pie­for­men ein­schließ­lich Insu­lin­pum­pe und guter Com­pli­ance eine unbe­frie­di­gen­de Stoff­wech­sel­kon­trol­le vor­liegt und der ange­streb­te HbA1cWert nicht erreicht werden kann oder wenn mehr als zehn Blut­zu­cker­mes­sun­gen täg­lich erfor­der­lich wären, um das ange­streb­te Stoff­wech­sel­kon­troll­ziel zu errei­chen”.

Im vor­lie­gend Fall war der Kläger gut ein­ge­stellt, es gab keine grund­sätz­li­che Hypo-Pro­ble­ma­tik und auch eine The­ra­pie­än­de­rung war nicht erfor­der­lich. Auch eine Insu­lin­pum­pen­the­ra­pie, mit der das Unter­zu­cke­rungs­ri­si­ko ver­min­dert werden kann, bis­lang noch gar nicht indi­ziert. Selbst der behan­deln­de Dia­be­to­lo­ge hielt Ein­satz eines CGM  für “zwar sehr sinn­voll, aus medi­zi­ni­schen Grün­den jedoch nicht zwin­gend erfor­der­lich”.

Vor diesem Hin­ter­grund sah das Gericht die “her­kömm­li­chen the­ra­peu­ti­schen Maß­nah­men” noch nicht über­zeu­gend aus­ge­schöpft — und hat die Klage abge­wie­sen.

Aus beiden Ent­schei­dun­gen lassen sich nun aber wich­ti­ge Schlüs­se ziehen: beide Gerich­te sehen ein CGMS grund­sätz­lich als erstat­tungs­fä­hig an, sofern es auch wirk­lich aus medi­zi­ni­scher Sicht not­wen­dig ist.

Zusam­men­fas­send dürfte — zumin­dest bei diesen beiden Gerich­ten — ein CGMS unter fol­gen­den Vor­aus­set­zun­gen zuge­spro­chen werden:

  • es besteht eine feh­len­de oder unzu­rei­chen­de Hypo­wahr­neh­mung
  • es kommt zu schwe­ren Unter­zu­cke­run­gen und/oder es droht eine Ver­schlim­me­rung von vor­han­de­nen Fol­ge­schä­den
  • auch eine hohe Anzahl von Selbst­mes­sun­gen (bis 10/Tag) hilft nicht weiter
  • geeig­ne­te andere The­ra­pie­op­tio­nen — wie bespiels­wei­se eine Pum­pen­the­ra­pie — sind erfolg­los aus­ge­schöpft
  • das CGM muss aus ärzt­li­cher Sicht nicht nur sinn­voll, son­dern auch not­wen­dig sein

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