Ich habe unlängst einen Unfall in Unter­zu­cke­rung gehabt und werde nun vom Land­rats­amt auf­ge­for­dert, inner­halb von 6 Wochen meine “Eig­nung zum Führen von Kraft­fahr­zeu­gen” nach­zu­wei­sen. Hierzu sei eine ärzt­li­che Unter­su­chung erfor­der­lich, die durch einen Inter­nis­ten mit ver­kehrs­me­di­zi­ni­scher Zusatz­qua­li­fi­ka­ti­on erfol­gen soll, der nicht mein behan­deln­der Arzt ist. Für den Fall, dass ich kein Gut­ach­ten vor­le­ge, würde man die Fahr­erlaub­nis ent­zie­hen.

Wei­ter­hin wurde ich auf­ge­for­dert, inner­halb von 4 Wochen mit­zu­tei­len, ob ich ein sol­ches Gut­ach­ten vor­le­gen werde. Das Amt hat mir eine Liste von Ärzten bei­gefügt, aus denen ich einen Gut­ach­ter aus­wäh­len soll. Aller­dings habe ich nicht den Ein­druck, dass auch nur einer dieser Ärzte sich beson­ders gut mit Dia­be­tes aus­kennt — nun habe ich Angst, dass ich womög­lich meinen Füh­rer­schein ver­lie­re.

Können Sie mir daher bitte bei fol­gen­den Fragen wei­ter­hel­fen:

- muss ich das Gut­ach­ten wirk­lich vor­le­gen oder reicht nicht doch ein Attest meines Arztes aus ?
— muss ich einen der vor­ge­schla­ge­nen Gut­ach­ter nehmen; falls nein: wo finde ich einen geeig­ne­ten Arzt in meiner Nähe ?
— muss ich das Gut­ach­ten selbst bezah­len ? Wenn ja, was kostet das ?
— was können Sie mir sonst noch zur wei­te­ren Vor­ge­hens­wei­se raten ?

Ganz herz­li­chen Dank im Voraus für Ihre Mühe!

Bet­ti­na L., Mann­heim


Sehr geehr­te Frau L.,

in der Tat ist es so, dass die Füh­rer­schein­be­hör­de — bei Ihnen also das Land­rats­amt — ein sol­ches Gut­ach­ten anord­nen kann, wenn Beden­ken gegen Ihre Fahr­eig­nung bestehen.

Dies ist in § 11 der Fahr­erlaub­nis­ver­ord­nung (FeV) gere­gelt:

Werden Tat­sa­chen bekannt, die Beden­ken gegen die kör­per­li­che oder geis­ti­ge Eig­nung des Fahr­erlaub­nis­be­wer­bers begrün­den, kann die Fahr­erlaub­nis­be­hör­de […] die Bei­brin­gung eines ärzt­li­chen Gut­ach­tens durch den Bewer­ber anord­nen.”
Solche Beden­ken sind bereits dann begrün­det, wenn der Behör­de Tat­sa­chen bekannt werden, die auf das Vor­lie­gen eines Dia­be­tes hin­wei­sen.

Die Behör­de kann — wie hier gesche­hen — anord­nen, über welche Qua­li­fi­ka­ti­on der Arzt ver­fü­gen muß. In der Regel wird in sol­chen Fällen das Gut­ach­ten eines “für die Fra­ge­stel­lung zustän­di­gen Fach­arz­tes mit ver­kehrs­me­di­zi­ni­scher Qua­li­fi­ka­ti­on” gefor­dert. Ein Attest Ihres behan­deln­den Arztes reicht also nicht aus.

Sie können aller­dings nicht gezwun­gen werden, ein sol­ches Gut­ach­ten vor­zu­le­gen. Aller­dings haben Sie fak­tisch den­noch keine andere Wahl: denn wenn Sie sich wei­gern oder das Gut­ach­ten nicht inner­halb der gesetz­ten Frist vor­le­gen, dann darf die Behör­de davon aus­ge­hen, dass keine Fahr­eig­nung (mehr) besteht. Die Fahr­erlaub­nis würde dann sofort ent­zo­gen. Gere­gelt ist dies übri­gens in § 11 Abs. 6 FeV

Es ist aller­dings nicht vor­ge­schrie­ben, dass Sie zwin­gend einen der vor­ge­schla­ge­nen Ärzte mit dem Gut­ach­ten beauf­tra­gen. Denn oft­mals ist es in der Tat so, dass die vor­ge­schla­ge­nen Ärzte nicht unbe­dingt vor­ran­gig mit Dia­be­tes befasst sind, was dann für die Betrof­fe­nen oft­mals zu Pro­ble­men führt. Sie können sich daher durch­aus auch von einem ande­ren Arzt unter­su­chen lassen. Wich­tig ist aber dabei, dass dieser Arzt über die gefor­der­te Qua­li­fi­ka­ti­on ver­fügt. In der Regel — wie auch in Ihrem Fall — reicht das Gut­ach­ten eines Dia­be­to­lo­gen allein nicht aus, viel­mehr muss dieser auch eine ver­kehrs­me­di­zi­ni­sche Zusatz­qua­li­fi­ka­ti­on nach­wei­sen können.

Leider gibt es bun­des­weit nur rela­tiv wenige Dia­be­to­lo­gen, welche diese Vor­aus­set­zung erfül­len und es war auch schwie­rig, ent­spre­chen­de Adres­sen her­aus­zu­fin­den. Im Aus­schuss Sozia­les der Deut­schen Dia­be­tes­ge­sell­schaft haben wir uns daher dafür ein­ge­setzt, dass ein ent­spre­chen­des Ver­zeich­nis erstellt wird. Dieses steht auf der Home­page der DDG (www.deutsche-diabetesgesellschaft.de) bereit und ermög­licht eine Suche nach qua­li­fi­zier­ten Ärzten.
Sie können die DDG auch direkt kon­tak­tie­ren und dort nach einem geeig­ne­ten Gut­ach­ter in Ihrer Nähe fragen.

Die Kon­takt­da­ten:
Deut­sche Dia­be­tes-Gesell­schaft
Rein­hardtstr. 31
10117 Berlin
Tele­fon: 030 / 3 11 69 37 0
Tele­fax: 030 / 3 11 69 37 20
Email: info@ddg.info

Das Gut­ach­ten muss von Ihnen beauf­tragt und auch bezahlt werden. In der Regel kostet ein Gut­ach­ten zwi­schen 200 EUR und 600 EUR, es gibt aber hier­für aber keine ver­bind­li­chen oder all­ge­mein­gül­ti­gen Ver­gü­tungs­sät­ze. Manche Ärzte ver­lan­gen auch deut­lich höhere Gebüh­ren.

Wich­tig ist daher, dass Sie sich ‑unbe­dingt noch vor der Begut­ach­tung (!) — vorab mit dem Arzt über die Kosten unter­hal­ten, um später keine unlieb­sa­me Kos­ten­über­ra­schung zu erhal­ten.

Im Übri­gen kann ich Ihnen fol­gen­de Vor­ge­hens­wei­se emp­feh­len:
teilen Sie der Behör­de umge­hend mit, dass Sie ein Gut­ach­ten von einem Arzt mit der gefor­der­ten Qua­li­fi­ka­ti­on bei­brin­gen werden, bitten hier­für aber um Frist­ver­län­ge­rung. In der Regel wird die Behör­de die Frist um einige Zeit ver­län­gern.

Lassen Sie dann umge­hend und schnellst­mög­lich die Unter­su­chung vor­neh­men; teilen Sie dem Arzt dabei aber mit, dass er das Gut­ach­ten unbe­dingt an Sie selbst — und nicht etwa an die Behör­de — senden soll.

Nach der Unter­su­chung soll­ten Sie den Arzt gleich fragen, zu wel­chem Ergeb­nis er kommen wird. Fragen Sie ihn auch, ob und in wel­chen Abstän­den er im Rahmen seines Gut­ach­tens eine künf­ti­ge Neu­be­gut­ach­tung vor­schla­gen wird. Viel­leicht können Sie ihn davon über­zeu­gen, dass auch ein grö­ße­rer Inter­vall aus­reicht — in der Regel folgt die Behör­de dem Vor­schlag des unter­su­chen­den Arztes.

Sofern der Arzt jedoch Beden­ken hat und die Fahr­eig­nung nicht bestä­ti­gen will, dann soll­ten Sie umge­hend einen ande­ren, wei­te­ren Arzt auf­su­chen. Mög­li­cher­wei­se kommt dieser zu einem ande­ren Ergeb­nis.

Da die Gut­ach­ten bis dahin nur Ihnen per­sön­lich vor­lie­gen, können Sie nun ent­schei­den, wel­ches Gut­ach­ten Sie der Behör­de vor­le­gen möch­ten.

(Ver­öf­fent­licht im Dia­be­tes-Jour­nal (http://www.diabetes-journal.de)

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